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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 29.04.2005
Aktenzeichen: 18 UF 145/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1601
BGB § 1602 Abs. 1
BGB § 242
BGB § 1585b
1. Ein Unterhaltsgläubiger, der seinen Anspruch auf Elternunterhalt nach Inverzugsetzung nicht zügig gerichtlich geltend macht, sondern zunächst die - zögerliche - Auskunftserteilung des Unterhaltsschuldners sowie das verwaltungsgerichtliche Verfahren auf Inanspruchnahme des Trägers der Sozialhilfe abwartet, kann seinen Unterhaltsanspruch verwirken.

2. Verwirkung kann auch dann eintreten, wenn der Unterhaltsanspruch bereits im Wege der Stufenklage rechtshängig geworden ist, der Unterhaltsgläubiger den Rechtsstreit aber über einen längeren Zeitraum nicht betreibt.


Kammergericht Im Namen des Volkes Anerkenntnisteil- und Schlussurteil

Geschäftsnummer: 18 UF 145/04

verkündet am: 29.04.2005

In der Familiensache

hat der 18. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Kammergerichts durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Harte, den Richter am Kammergericht Dr. Lehmbruck und die Richterin am Kammergericht Steuerwald-Schlecht auf die mündliche Verhandlung vom 29. April 2005 für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das am 18. Juni 2004 verkündete Urteil des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg - 158 F 135/01 - abgeändert:

Der Beklagte wird auf sein Anerkenntnis verurteilt, an die Klägerin einen monatlichen Unterhalt ab dem 1. Juni 2002 bis zum 30. Juni 2003 in Höhe von 696,62 EUR und ab dem 1. Juli 2003 fortlaufend in Höhe von 664.- EUR zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen; die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen werden gegeneinander aufgehoben.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

und

Entscheidungsgründe:

Die Parteien streiten um Elternunterhalt für die in einem Pflegeheim lebende, demenzkranke Klägerin, die die Mutter des Beklagten ist.

Wegen des Vorbringens der Parteien in erster Instanz und ihrer dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung verwiesen, durch die die Klage abgewiesen worden ist.

Die Klägerin vertieft in der Berufungsinstanz ihr Vorbringen zu ihrer Bedürftigkeit. Im übrigen streiten die Parteien mit dem erstinstanzlichen Sachvortrag weiter um die Leistungsfähigkeit des Beklagten.

Die Klägerin beantragt,

die angefochtene Entscheidung abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an sie

1. für den Zeitraum vom 1. November 1997 - 30. Juni 2002 Unterhalt in Höhe von 24.765,04 EUR

2. ab dem 1. Juli 2002 eine monatliche Unterhaltsrente jeweils bis zum ersten eines Monats in Höhe von 696,62 EUR, ab dem 1. Juli 2003 in Höhe von 687,43 EUR sowie ab dem 1. Januar 2004 in Höhe von 724,36 EUR zu zahlen.

Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung die Klageforderung insoweit anerkannt, als sie den monatlichen Unterhalt für die Zeit vom 1. Juni 2002 bis zum 30. Juni 2003 in Höhe von 696,62 EUR und seit dem 1. Juli 2003 fortlaufenden monatlichen Unterhalt von 664.- EUR betrifft.

Im übrigen beantragt er,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist insoweit begründet, als der Beklagte auf sein Anerkenntnis hin zu verurteilen ist. Im übrigen erweist sich die Berufung als unbegründet und ist deshalb zurückzuweisen. Soweit die Klägerin Unterhalt für den Zeitraum vom 1. November 1997 bis zum 31. Mai 2002 geltend macht, ist ihr Unterhaltsanspruch verwirkt; im übrigen ist er - soweit nicht vom Beklagten anerkannt - der Höhe nach unbegründet.

Die unter Betreuung stehende Klägerin ist bedürftig und hat deshalb gegen den Beklagten, ihren Sohn, im Grundsatz einen Anspruch auf Unterhalt gemäß §§ 1601, 1602 Abs. 1 BGB. Es steht in der Berufungsinstanz zwischen den Parteien außer Streit, dass die jetzt 95 Jahre alte Klägerin seit 1. März 1997 in einem Pflegeheim lebt, weil sie wegen einer ausgeprägten senilen Demenz außer Stande ist, ein eigenständiges Leben in einer eigenen Wohnung zu führen. Ebenso unstreitig hat der Beklagte selbst die Unterbringung der Klägerin in ihrem jetzigen Pflegeheim veranlasst. Die monatlichen Heimkosten betragen im Jahr 2004 einschließlich Taschengeld 1.736,83 EUR. Die von der Klägerin bezogene Witwenrente hat im Jahr 2003 1.021,95 EUR und im Jahr 2004 1.012,47 EUR betragen. Weitere Einkünfte erzielt die Klägerin nicht, so dass sich aus der Differenz zwischen den Heimkosten und ihren Rentenbezügen der Bedarf der Klägerin ergibt. Ferner unstreitig zahlt der Beklagte seit Juni 2002 unter Vorbehalt einen Betrag von monatlich 692,52 EUR (Monate mit 30 Tagen) bzw. 746,23 EUR (Monate mit 31 Tagen).

Der der Klägerin zustehende Unterhaltsanspruch ist teilweise verwirkt. Eine Verwirkung kommt nach allgemeinen Grundsätzen in Betracht, wenn der Berechtigte ein Recht längere Zeit nicht geltend macht, obwohl er dazu in der Lage wäre, und der Verpflichtete sich mit Rücksicht auf das gesamte Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte und eingerichtet hat, daß dieser sein Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde. Insofern gilt für Unterhaltsrückstände, die teilweise Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits sind, nichts anderes als für andere in der Vergangenheit fällig gewordene Ansprüche (BGH, FamRZ 2002, 1698 m.w.N.). Vielmehr spricht gerade bei derartigen Ansprüchen vieles dafür, an das sogenannte Zeitmoment der Verwirkung keine strengen Anforderungen zu stellen. Nach § 1613 Abs. 1 BGB kann Unterhalt für die Vergangenheit ohnehin nur ausnahmsweise gefordert werden. Von einem Unterhaltsgläubiger, der lebensnotwendig auf Unterhaltsleistungen angewiesen ist, muß eher als von einem Gläubiger anderer Forderungen erwartet werden, daß er sich zeitnah um die Durchsetzung des Anspruchs bemüht. Andernfalls können Unterhaltsrückstände zu einer erdrückenden Schuldenlast anwachsen. Abgesehen davon sind im Unterhaltsrechtsstreit die für die Bemessung des Unterhalts maßgeblichen Einkommensverhältnisse der Parteien nach längerer Zeit oft nur schwer aufklärbar. Diese Gründe, die eine möglichst zeitnahe Geltendmachung von Unterhalt nahelegen, sind so gewichtig, daß das Zeitmoment der Verwirkung auch dann erfüllt sein kann, wenn die Rückstände Zeitabschnitte betreffen, die etwas mehr als ein Jahr zurückliegen. Denn nach den gesetzlichen Bestimmungen der §§ 1585b Abs. 3, 1613 Abs. 2 Nr. 1 BGB verdient der Gesichtspunkt des Schuldnerschutzes bei Unterhaltsrückständen für eine mehr als ein Jahr zurückliegende Zeit besondere Beachtung. Diesem Rechtsgedanken kann im Rahmen der Bemessung des Zeitmoments in der Weise Rechnung getragen werden, daß das Verstreichenlassen einer Frist von mehr als einem Jahr ausreichen kann (BGH, a.a.O.; BGH, FamRZ 1988, 370; vgl. auch BGH, Urteil vom 10. Dezember 2003 zu XII ZR 155/01, im Internet abrufbar). Da ein Unterhaltsanspruch nicht verwirkt sein kann, bevor er überhaupt fällig geworden ist, müssen vorliegend die in Rede stehenden Zeitabschnitte insofern gesondert betrachtet werden.

Für den Unterhaltszeitraum vom 1. November 1997 bis zum 13. März 2001 (Zustellung der Klage) liegt eine Verwirkung des Anspruchs auf der Hand. Denn die Klägerin, die nach ihren Angaben bereits seit März 1997 bedürftig gewesen ist, hat in dem gesamten Zeitraum ihren Unterhaltsanspruch nicht gerichtlich geltend gemacht. Hierzu ist sie aber jedenfalls seit der Bestellung ihres Betreuers im Dezember 1997 in der Lage gewesen. Wie bereits vorstehend ausgeführt, ist aber von einem Unterhaltsgläubiger, der auf den Unterhalt dringend angewiesen sein will, zu erwarten, dass er seine Ansprüche zeitnah durchsetzt und nicht Jahre damit abwartet, während in dieser Zeit die Unterhaltsansprüche zu einer drückenden Schuldenlast für den Unterhaltsschuldner werden. Vorliegend macht die Klägerin immerhin Rückstände für die Zeit vom 1. November 1997 bis zum 30. Juni 2002 von 24.765,04 EUR geltend. Die Klägerin kann sich in diesem Zusammenhang auch nicht darauf berufen, der Beklagte habe ihr Auskunftsbegehren nur zögerlich bzw. gar nicht erfüllt. Das ist ohne Belang. Immerhin lagen der Klägerin seit 1998 steuerliche Unterlagen des Beklagten vor, so dass sie sich ein gewisses Bild von dessen Einkünften machen konnte. Im übrigen wäre sie bei fehlenden Auskünften gehalten gewesen, ihre Auskunftsansprüche ebenfalls zeitnah gerichtlich geltend zu machen und damit nicht bis zum Ablauf des Jahres 2000 zu warten. Auch das sogenannte Umstandsmoment der Verwirkung ist erfüllt, denn der Beklagte zahlte in diesem Zeitraum nach den eigenen Angaben der Klägerin monatlich 300.- DM und konnte unter diesen Umständen angesichts des Verhaltens der Klägerin davon ausgehen, von ihr nicht gerichtlich und nicht mit einem höheren Betrag auf Unterhalt in Anspruch genommen werden.

Hieran ändert sich auch nichts dadurch, dass die Klägerin in diesem Zeitraum das Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg betrieben hat, um den Träger der Sozialhilfe zur Zahlung der ungedeckten Heimkosten zu veranlassen, und in diesem Verfahren unterlegen ist. Der Beklagte ist der Klägerin vorrangig vor dem Träger der Sozialhilfe zum Unterhalt verpflichtet. Das stand von Anfang an fest. Hierauf hat auch das Verwaltungsgericht in seinem Urteil vom 6. August 1998 ausdrücklich hingewiesen. Unter diesen Umständen hätte es nahe gelegen, vorrangig den Beklagten gerichtlich auf Unterhalt in Anspruch zu nehmen. Dies hat die Klägerin nicht getan; sie hat nicht einmal versucht, durch Beantragung von Prozesskostenhilfe ein solches Verfahren vorzubereiten. Auch wenn der Beklagte vom Verlauf der Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht fortlaufend unterrichtet worden sein mag, konnte und durfte er sich unter diesen Umständen, zumal er ohnehin in dieser Zeit 300.- DM monatlich zahlte, darauf einrichten, von der Klägerin für diesen Zeitraum nicht auf einen höheren Betrag in Anspruch genommen zu werden.

Nach Auffassung des Senats ist aber auch der Unterhaltsanspruch für die Zeit ab 14. März 2001 bis zum 31. Mai 2002 verwirkt, denn die Klägerin hat ihren Unterhaltsanspruch nicht zügig verfolgt, sondern das Verfahren streckenweise gar nicht betrieben. Der Verwirkung steht nicht entgegen, daß die Unterhaltsansprüche bereits rechtshängig geworden waren. Es gibt keinen Rechtssatz dahin, daß rechtshängige Forderungen nicht der Verwirkung unterliegen (vgl. hierzu OLG Schleswig, FamRZ 2000, 889, 890; OLG Düsseldorf, FamRZ 1989, 776, 778). Der Grundsatz von Treu und Glauben beherrscht das gesamte Zivilrecht und die Prozeßordnung. Der Sonderfall, daß ein rechtshängiges Verfahren über einen längeren Zeitraum nicht betrieben wird, ist nicht nur an der - im übrigen gerade auch auf dem Gedanken der Verwirkung beruhenden - Vorschrift des § 1585b BGB zu messen (OLG Schleswig, a.a.O., m.w.N.). Der in § 211 BGB a.F. enthaltene allgemeine Rechtsgedanke belegt, daß eingetretene Rechtshängigkeit nicht vor den materiellrechtlichen Rechtsfolgen einer nachlässigen Anspruchsverfolgung schützt. Für rechtshängige Unterhaltsansprüche kann nichts anderes gelten (vgl. OLG Köln, NJW 1990, 2630). Im Gegenteil kann gerade von einem Unterhaltsgläubiger, der - wie schon ausgeführt - dringend auf Unterhaltsleistungen angewiesen ist, eher als von einem Gläubiger anderer Forderungen erwartet werden, daß er sich um eine zeitnahe Durchsetzung seiner Ansprüche bemüht. Sieht ein Unterhaltsgläubiger von einer zeitnahen Durchsetzung seiner Ansprüche ab, erweckt sein Verhalten in aller Regel den Eindruck, er sei in dem fraglichen Zeitraum nicht bedürftig gewesen.

Unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Falles sind die Voraussetzungen der Verwirkung - Zeit- und Umstandsmoment - auch für diesen Zeitraum erfüllt. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 3. April 2001 haben die Parteien ohne Sachanträge einen Zwischenvergleich geschlossen, nach dem sich der Beklagte zur Auskunftserteilung über seine Einkünfte aus selbständiger wie nichtselbständiger Erwerbstätigkeit verpflichtet hat. Danach ist bis zum Juli 2001 nichts geschehen. In der Folgezeit wurde der Rechtsanwalt der Klägerin ausgewechselt und durch den jetzigen Bevollmächtigten ersetzt. Mit einem am 2. Oktober 2002 eingegangenen Schriftsatz vom 1. Oktober 2001 hat der Beklagte dem Gericht gegenüber die geschuldeten Auskünfte erteilt, wobei die Parteien darüber streiten, ob die Klägerin schon zu einem früheren Zeitpunkt Auskunft erhalten hat. Jedenfalls hat die Klägerin erst mit am 11. September 2003 eingegangenen Schriftsatz ihre Unterhaltsansprüche beziffert und das Verfahren weiter betrieben. Dies geschah damit erst 2 1/2 Jahre nach der ersten mündlichen Verhandlung und elf Monate nach unstreitigem Erhalt der Auskunft.

Damit genügte die Klägerin ihrer Obliegenheit zur zeitnahen Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen nicht. Nachdem der Beklagte sich zur Auskunftserteilung verpflichtet hatte und später seine wirtschaftlichen Grundlagen dargelegt hatte, wäre es Sache der Klägerin gewesen, ihren Auskunftsanspruch zügig durchzusetzen, ihren Unterhaltsanspruch alsbald zu beziffern und dem Gerichtsverfahren Fortgang zu geben. Wenn die Klägerin gleichwohl eine zeitnahe Weiterverfolgung ihres Begehrens unterließ, brauchte der Beklagte angesichts eines "Ruhens" des Verfahrens von 2 1/2 Jahren nicht mehr damit zu rechnen, daß die Klägerin noch Rückstände beanspruchen würde. Dem Beklagten konnte und durfte sich der Eindruck aufdrängen, die Auswertung der erteilten Auskünfte und Belege habe auf Seiten der Klägerin zu der Einschätzung geführt, daß Unterhaltsansprüche jedenfalls mit Blick auf die Vergangenheit nicht mehr bestünden.

Ab dem Juni 2002, als der Beklagte Zahlungen aufgenommen hat, scheidet eine Verwirkung jedoch aus, auch wenn er diese Zahlungen zur Vermeidung einer Kündigung des Heimvertrages und ausdrücklich unter dem Vorbehalt der Rückforderung vorgenommen hat. Denn Voraussetzung einer Verwirkung ist auch, dass sich der Schuldner tatsächlich darauf eingerichtet hat, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden. Dies ist aber bei einem Schuldner, der tatsächlich - und sei es auch unter Vorbehalt - zahlt, nicht der Fall. Er hat den tatsächlichen Mittelabfluss in seine Dispositionen eingestellt, sich also entsprechend wirtschaftlich eingerichtet.

Die Klägerin kann deshalb nur rückwirkend ab dem 1. Juni 2002 Unterhalt vom Beklagten verlangen.

Die Berufung der Klägerin erweist sich auch insoweit als teilweise unbegründet, als sie für die Zeit ab 1. Juli 2003 einen höheren Unterhalt als 664.- EUR monatlich begehrt. Für die Berechnung der Höhe des Unterhalts gilt folgendes:

Auszugehen ist von einem bereinigten Nettoeinkommen des Beklagten in Höhe von 4.250.- EUR aus allen Erwerbsformen, wie es der Beklagte und seine geschiedene Ehefrau im Scheidungsfolgenvergleich vom 25. Juni 2003 für das Jahr 2003 angenommen haben. Dieses Einkommen ist zu bereinigen um 242.- EUR monatlich, die der Beklagte als Unterhalt für den behinderten, volljährigen Sohn zahlt. Weiter ist in Abzug zu bringen ein monatlicher Unterhalt für die geschiedene Ehefrau in Höhe von 1.429,71 EUR, gerundet 1.430.- EUR. Diese Anrechnung ist möglich, obwohl der Beklagte nicht dargelegt hat, aus welchem unterhaltsrechtlichen Tatbestand sich der Unterhaltsanspruch der Ehefrau herleitet und weshalb diese nicht selbst erwerbstätig ist. Immerhin hat er sich in einem gerichtlichen Vergleich zu dieser Unterhaltszahlung verpflichtet und auch schon während der Trennungszeit Unterhalt an seine Ehefrau gezahlt.

Soweit der Beklagte sich in dem Vergleich zu weiteren Zahlungen an die Ehefrau verpflichtet hat und insbesondere sämtliche Belastungen der Immobilien, die den Eheleuten gemeinsam gehören, trägt, ist dies vorliegend unterhaltsrechtlich nicht anrechenbar, zumal diese Zahlungen auch der Vermögensbildung des Beklagten und seiner geschiedenen Ehefrau dienen. Insoweit geht der Vergleich eindeutig zulasten der ebenfalls unterhaltsbedürftigen Klägerin und die übernommenen Zahlungsverpflichtungen übersteigen einen Unterhaltsanspruch der Ehefrau, der allenfalls 3/7 seines Einkommens betragen kann, erheblich. 3/7 des Einkommens des Beklagten sind aber angesichts des der Ehefrau zuzurechnenden Wohnwertvorteils lediglich 1.430.- EUR und nicht mehr. Danach verbleiben dem Beklagten monatlich 2.578,29 EUR. Hiervon ist der Selbstbehalt von 1.158,08 EUR (= 2.265.- DM) in Abzug zu bringen, der erst zum 1. Juli 2003 auf 1.250.- EUR gestiegen ist. Es verbleiben dem Beklagten 1.420,21 EUR, wovon die Hälfte, also 710,10 EUR anrechnungsfrei ist (21.3.2 der Leitlinien des Kammergerichts). Demnach kann die Klägerin ab 1. September 2002 bis zum 30. Juni 2003 den für den fraglichen Zeitraum geforderten Betrag von 696,62 EUR monatlich verlangen.

Die ab 1. Juli 2003 geforderten höheren Beträge von 687,43 EUR und ab 1. Januar 2004 in Höhe von 724,36 EUR kann sie hingegen nicht in voller Höhe verlangen, sondern nur den anerkannten Teil. Ab dem 1. Juli 2003 steigt der dem Beklagten zustehende Selbstbehalt auf 1.250.- EUR. Es verbleibt dann eine Differenz von 1.328,29 EUR. Hiervon die Hälfte sind 664,145 EUR, gerundet 664.- EUR, die die Klägerin als monatlichen Unterhalt verlangen kann.

Die Nebenentscheidungen ergehen gemäß § 92 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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