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Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 30.04.2002
Aktenzeichen: 18 UF 190/01
Rechtsgebiete: EStG, BGB, ZPO, EGZPO


Vorschriften:

EStG § 7g Abs. 3
EStG § 7g Abs. 6
BGB § 288
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 543 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
EGZPO § 26 Ziff. 9
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
KAMMERGERICHT Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 18 UF 190/01

Verkündet am: 30. April 2002

In der Familiensache

hat der 18. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Kammergerichts durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Erich, den Richter am Amtsgericht Dr. Lehmbruck und die Richterin am Kammergericht Steuerwald-Schlecht auf die mündliche Verhandlung vom 30. April 2002 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das am 23. April 2001 verkündete Urteil des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg - 149 F 3248/00 - wird zurückgewiesen.

Auf die Anschlußberufung des Klägers wird der Beklagte verurteilt, an den Kläger über den bereits ausgeurteilten Betrag hinaus als Zinsen auf den Unterhaltsrückstand weitere 1.093,10 EUR zu zahlen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand und Entscheidungsgründe:

1. Wegen des Sachverhalts wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung verwiesen. Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz weiterhin um die Höhe des dem Kläger zustehenden Unterhalts.

2. Die Berufung des Beklagten ist im Ergebnis ohne Erfolg. Die Parteien streiten in erster Linie über das Nettoeinkommen des Beklagten, dessen Einkommensverhältnisse als barunterhaltspflichtiger, nicht sorgeberechtigter Elternteil für die Lebensstellung des Klägers maßgeblich sind (BGH, FamRZ 2000, 358). Der Beklagte errechnet für sich selbst lediglich ein Nettoeinkommen von 4.680.- DM, von dem noch die Sozialversicherungsbeiträge abzuziehen seien. Das ist nicht richtig, zumal der Beklagte bei der Auflistung seiner geleisteten Steuerzahlungen die erst im Jahr 2000 geflossenen Steuererstattungen von mehr als 167.000.- DM völlig unberücksichtigt läßt. Die konkreten Einkommensverhältnisse des Beklagten sind auch durch erst später ergangenen Steuerbescheide (im Jahr 2000 erst für 1998, 1997 für 1995 usw.) etwas unübersichtlich. Der Senat rechnet deshalb in dieser Sache - abweichend vom Regelfall - mit den Einnahmen des Beklagten abzüglich der tatsächlich geschuldeten Steuern für den jeweiligen Zeitraum, weil sich nur so das tatsächliche durchschnittliche Nettoeinkommen des Beklagten ermitteln läßt.

Die Einkommenssituation des Beklagten in den Jahren 1997 - 1999 stellt sich wie folgt dar:

1997

Gewinn laut steuerechtlicher Gewinnermittlung 266.448.- DM sowie Zinserträge von 11.648.- DM zuzüglich Ansparabschreibungen nach § 7g Abs. 3, 6 EStG 70.000.- DM Summe 348.096.- DM abzüglich Steuern 115.424.- DM abzüglich Solizuschlag 8.557,80 DM verbleiben 224.114,20 DM

1998

Gewinn laut steuerechtlicher Gewinnermittlung 47.855,37 DM sowie Zinserträge von 15.022,70 DM zuzüglich Ansparabschreibungen nach § 7g Abs. 3, 6 EStG 220.000.- DM Summe 282.878,07 DM abzüglich Steuern 8.891.- DM abzüglich Solizuschlag 489.- DM verbleiben 273.498,07 DM

1999

Gewinn laut steuerechtlicher Gewinnermittlung 170.374,69 DM sowie Zinserträge von 14.524,71 DM zuzüglich Ansparabschreibungen nach § 7g Abs. 3, 6 EStG 180.000.- DM Summe 364.899,40 DM abzüglich Steuern 65.303.- DM abzüglich Solizuschlag 3.509,16 DM verbleiben 296.087,24 DM

Die Parteien streiten im wesentlichen um die Abzugsfähigkeit der Ansparabschreibungen. Der Beklagte hat in den genannten Jahren die jeweiligen als Abschreibungen bezeichneten Beträge als Ansparabschreibungen für zukünftige Investitionen steuerlich mit Erfolg geltend gemacht. Zu Recht hält der Kläger dies für unterhaltsrechtlich unbeachtlich, denn diese Ansparabschreibungen stellen eine den steuerrechtlichen Gewinn mindernde Rücklage für künftige Investitionen dar. Der Beklagte hat die betreffenden Beträge unstreitig nicht für Investitionen ausgegeben. In diesem Fall sind sie aber als Einkommen - weil tatsächlich vorhanden - auch zu berücksichtigen. Der Beklagte kann in diesem Zusammenhang auch nicht einwenden, daß dann auch die hierauf fiktiv entfallenden Steuern zu berücksichtigen seien, weil auch diese nicht tatsächlich anfallen und gezahlt werden. Allerdings kann der Beklagte in dem Jahr, in dem dann tatsächlich Investitionen getätigt werden, bei der Ermittlung des unterhaltsrechtlich relevanten Einkommens entsprechende Abschreibungen absetzen. Dies war im fraglichen Zeitraum ersichtlich nicht der Fall.

Der Beklagte hatte danach ein durchschnittliches Nettoeinkommen, das sich wie folgt errechnet:

1997: 224.114,20 DM 1998: 273.498,07 DM 1999: 296.087.24 DM Summe: 793.699,51 DM / 36 = 22.047,20 DM; hiervon sind abzuziehen: Krankenversicherung 357,18 DM, Rentenversicherung 1.776,25 DM, Lebensversicherung 1.227,50 DM, verbleiben 18.686,27 DM,

als durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen des Beklagten. Weitere Belastungen macht er nicht geltend. Der Beklagte ist auch keiner weiteren Person zum Unterhalt verpflichtet. Der Kläger ist der einzige Unterhaltsgläubiger.

Entgegen der Auffassung des Klägers ist der Beklagte bei diesem hohen Einkommen auch berechtigt, die an die Lebensversicherung gezahlten Beträge in Abzug zu bringen, und zwar unabhängig davon, ob die Beiträge der Alterssicherung dienen oder nicht. Bei einem monatlichen Durchschnittseinkommen von etwa 20.000.- DM ist ohnehin davon auszugehen, daß nicht sämtliche Einnahmen für die Lebensführung ausgegeben werden, sondern zugleich auch Vermögen angespart wird. In welcher Form dies geschieht, bleibt grundsätzlich dem Beklagten überlassen.

Mit diesem Nettoeinkommen lag der Beklagte von 1999 bis zum 30. Juni 2001 um mehr als 10.000.- DM über dem Höchstbetrag der Düsseldorfer Tabelle. Dieser ist seit dem 1. Juli 2001 auf 9.400.- DM gestiegen. Auch dann ist das Einkommen des Beklagten fast doppelt so hoch wie der Höchstbetrag der Düsseldorfer Tabelle, so daß der geschuldete Unterhalt nach den Umständen des Einzelfalles zu bemessen ist. Eine vom 13. Zivilsenat des Kammergerichts für diese Fälle möglich gehaltene Fortschreibung der Tabellenbedarfssätze hat der Bundesgerichtshof nicht für zulässig gehalten; vielmehr sei der Unterhaltsberechtigte gehalten, seinen Bedarf konkret darzulegen und zu beweisen (BGH FamRZ 2000, 359), wobei sicher gestellt bleiben muß, daß minderjährige Kinder ihrem Alter entsprechend an einer Lebensführung teilhaben, die der besonders günstigen wirtschaftlichen Situation ihrer Eltern entspricht (BGH, a.a.O.).

Der Kläger hat seinen Bedarf in beiden Instanzen konkret beziffert; insoweit wird auf die Schriftsätze vom 6. Juli 2000, vom 29. Oktober 2001 und vom 16. April 2002 Bezug genommen. Die Darlegung des Klägers ist hinreichend substantiiert und nachvollziehbar. Luxusbedarf ist hierbei nicht zu erkennen; die Ansätze für Kleidung, Nahrung, Schulbedarf und Spielzeug sind eher bescheiden wie auch die Ansätze für Möbel und Sportgeräte durchweg niedrig bzw. im durchschnittlichen Bereich sind. Der Beklagte hat die einzelnen Ansätze auch nicht konkret bestritten, sondern meint lediglich, daß ein Kind dieses Alters nicht einen so hohen Bedarf haben könne. Dem ist nicht zu folgen. Angesichts der günstigen wirtschaftlichen Situation der Eltern ist es auch nicht zu beanstanden, daß der Kläger verschiedenen Sportarten wie Skifahren, Tennis, Schwimmen und Judo nachgeht und in den Skiurlaub fährt. All dies kann noch nicht als Luxusbedarf angesehen werden, sondern kann den konkreten Bedarf eines minderjährigen Kindes darstellen, dessen Eltern in wirtschaftlich gesicherter Position leben.

Allerdings kann der Bedarf des Klägers nicht die Kosten seiner Betreuung, die mit monatlich 300.- DM geltend gemacht werden, beinhalten. Diese erfolgt nicht aus erzieherischen oder krankheitsbedingten Gründen, sondern allein deshalb, weil die vollschichtig erwerbstätige Mutter des Klägers mehrmals monatlich nachmittags oder nachts arbeiten muß und der Kläger in dieser Zeit zu betreuen ist. Damit handelt es sich nicht um Bedarf des Klägers, sondern um berufsbedingte Aufwendungen seiner Mutter, für die diese grundsätzlich allein aufzukommen hat (BGH NJW 1983, 2082 m.w.N.).

Es ist zwar anerkannt, daß derjenige Elternteil, der das Kind tatsächlich betreut, die für die Fremdbetreuung entstehenden Kosten von seinem eigenen Einkommen wieder abziehen und so dem barunterhaltspflichtigen Elternteil entgegen halten kann. Vorliegend ist die Mutter des jetzt 9-jährigen Klägers, der bei Klageerhebung erst 7 Jahre alt war, überobligationsmäßig tätig. Sie wäre überhaupt erst jetzt zu einer Teilzeitätigkeit verpflichtet. Gleichwohl kann sie dem Beklagten die Betreuungskosten nicht einkommensmindernd entgegenhalten, weil sie diesem gegenüber auf nachehelichen Unterhalt verzichtet hat. Der Kläger hält unter diesen Umständen den Beklagten gleichwohl für verpflichtet, sich wenigstens anteilig an den Betreuungskosten zu beteiligen. Dem ist nicht zu folgen, weil der Senat unter Beachtung der Rechtsauffassung des Bundesgerichtshofes, der sich der Senat anschließt, keinen rechtlichen Gesichtspunkt zu erkennen vermag, unter dem der Kläger und nicht seine Mutter diese Kosten geltend machen könnte. Die Betreuungskosten sind deshalb in Abzug zu bringen.

Geht man unter Berücksichtigung der Darlegungen des Klägers von einem angemessenen Unterhalt von circa 1.500.- DM pro Monat aus, ergibt sich unter Abzug von 300.- DM Betreuungskosten noch ein Betrag von 1.200.- DM, der um das anteilige Kindergeld von 135.- DM bis 31. Dezember 2001 zu kürzen ist, so daß 1.065.- DM verbleiben.

Daneben kann der Kläger die Kosten der privaten Krankenversicherung verlangen, die er mit 194,30 DM monatlich hinreichend nachgewiesen hat. Daß die Kosten einer freiwilligen Krankenversicherung zusätzlich zu zahlen sind, ergibt sich aus Ziffer 16 der Leitlinien des Kammergerichts, wobei unter den Umständen dieses Falles ein vorheriger Abzug dieser Aufwendungen vom Einkommen des Beklagten entbehrlich ist; sein Einkommen liegt auch dann noch erheblich über dem Tabellenhöchstsatz.

Daneben kann der Kläger auch den geltend gemachten Sonderbedarf vom Beklagten in Höhe von 104,17 DM verlangen. Der Betrag gliedert sich auf in monatliche Kosten von 66,67 DM als monatlicher Eigenanteil für die kieferorthopädische Behandlung bis circa 2003/2004. Des weiteren besteht Sonderbedarf in Höhe von 29,17 DM für eine Sonnenbrille (Gläser), deren Erforderlichkeit der Kläger nicht bestritten hat, und monatlich 8,33 DM für die Fassung.

Eine anteilige Haftung der Mutter des Klägers wegen des Sonderbedarfs kommt nicht in Betracht. Der Bundesgerichtshof hat zwar entschieden, daß der Grundsatz der Gleichwertigkeit von Barunterhalt und Betreuung dann nicht gilt, wenn der betreuende Elternteil in wesentlich günstigeren Einkommensverhältnissen lebt als der barunterhaltspflichtige (BGH FamRZ 1998, 286, 288). Diese Konstellation ist jedoch vorliegend nicht gegeben. Im Gegenteil lebt der barunterhaltspflichtige Elternteil in wesentlich besseren wirtschaftlichen Verhältnissen als der betreuende Elternteil, denn das Einkommen des Beklagten ist fast drei Mal höher als dasjenige der Mutter des Klägers. Unter diesen Umständen haftet der Beklagte für den Sonderbedarf allein.

Danach kann der Kläger verlangen:

1.065.- DM Unterhalt 194,30 DM Krankenversicherung, 104.17 DM Sonderbedarf, 1.467,64 DM.

Das Amtsgericht hat einen Betrag von 1.480.- DM monatlich zuerkannt. Dem folgt der Senat im Ergebnis deshalb, weil der vorstehend berücksichtigte Unterhaltsbetrag noch nicht weiteren Bedarf berücksichtigt hat, den der Kläger zwar schon in erster Instanz geltend gemacht, aber nicht beziffert hat. Es handelt sich hierbei um einmalige Anschaffungen wie einen Schreibtisch, ein Bett, Tennisschläger etc. pp., auf die nach der Schätzung des Senats (§ 287 ZPO) auch langfristig gesehen mindestens ein Betrag von 13.- DM monatlich entfällt, so daß es im Ergebnis bei dem vom Amtsgericht zuerkannten Betrag von 1.480.- DM, jetzt 756,71 EUR, verbleibt.

Die vom Amtsgericht ausgeurteilte Zinsforderung ist nicht gesondert angegriffen worden. Die Berufung ist insoweit auch nicht begründet worden.

3. Auf die Anschlußberufung des Klägers war der Beklagte weiterhin zur Zahlung der seit Erlaß der angefochtenen Entscheidung weiterhin aufgelaufenen Zinsen auf den Unterhaltsrückstand, die der Kläger nunmehr bis zum 30. April 2002 geltend gemacht hat, zu verurteilen. Die Zinsforderung ergibt sich aus § 288 BGB, ihre Höhe ist nicht gesondert angegriffen worden.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die übrigen Nebenentscheidungen ergehen gemäß §§ 708, Nr. 10, 713, 543 Abs. 1 ZPO iVm § 26 Ziff. 9 EGZPO.

Ende der Entscheidung

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