Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 06.11.2008
Aktenzeichen: 19 U 11/08
Rechtsgebiete: VermG, VerkFlBerG


Vorschriften:

VermG § 5 Abs. 1b
VerkFlBerG § 1
VerkFlBerG § 2 Abs. 2 Nr. 1
VerkFlBerG § 3 Abs. 1
VerkFlBerG § 3 Abs. 2
Dem sachlichen Anwendungsbereich des VerkFIBerG unterfallen auch Flächen, die nach einer Enteignung in der DDR für Verkehrszwecke in Anspruch genommen worden sind im Wege der Restitution nach dem Vermögensgesetz zurückübereignet worden sind.
Kammergericht Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 19 U 11/08

verkündet am: 06.11.2008

In dem Rechtsstreit

hat der 19. Zivilsenat des Kammergerichts durch die Vorsitzende Richterin am Kammergericht Tucholski sowie die Richter am Kammergericht Feskorn und Hartung auf die mündliche Verhandlung vom 6. November 2008

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 2. April 2008 verkündete Urteil der Zivilkammer 1 des Landgerichts Berlin - 1 O 110/07 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

I. Wegen der erstinstanzlichen Feststellungen sowie hinsichtlich der in erster Instanz gestellten Anträge wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Die Beklagten rügen mit der Berufung im wesentlichen, daß das Landgericht die Vorschriften des VerkFlBerG entsprechend angewandt hat, obwohl die hier streitgegenständliche Grundstücksfläche zu "DDR-Zeiten" in Volkseigentum überführt worden ist. Voraussetzung für ein Erwerbsrecht des Klägers auf der Grundlage des VerkFlBerG sei jedoch, daß das Grundstück bzw. die betreffende Grundstücksfläche in Privateigentum geblieben sei. Nicht erfaßt sei der - hier vorliegende - Fall, daß das in Volkseigentum stehende Grundstück nach dem Vermögensgesetz an den vormaligen Eigentümer oder deren Rechtsnachfolger zurück übertragen worden ist. Eine analoge Anwendung scheide schon deshalb aus, weil es an einer Regelungslücke fehle. Zu Unrecht habe sich das Landgericht bei seiner Entscheidung auf die zu Art. 233 § 2 a EGBGB ergangene Entscheidung des BGH vom 18. Januar 2002 (VIZ 2002, 422 ff.) gestützt. Diese sei auf die Bestimmungen des VerkFlBerG nicht anwendbar. Zu berücksichtigen sei dabei, daß in dem vom BGH entschiedenen Fall lediglich um ein Besitzrecht an der Verkehrsfläche gestritten worden sei. Im Hinblick auf die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG seien hier strengere Kriterien für die analoge Anwendung des VerkFlBerG anzulegen. Darüber hinaus sei das notarielle Angebot nicht fristgerecht erfolgt. Auf Grund des Übersendungsschreibens des Notars hätten sie, die Beklagten, nicht davon ausgehen müssen, daß es sich um ein Erwerbsangebot des Klägers handele. Das Landgericht habe bei seiner Entscheidung mißachtet, daß die Ermächtigung des Notars zur Übersendung des Angebots durch den Kläger bestritten worden sei. Der Inhalt des notariellen Angebots spreche ebenfalls gegen eine Ermächtigung des Notars. Schließlich habe das Landgericht die Substantiierungsanforderungen der von ihnen erhobenen Einrede gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 VerkFlBerG überspannt. Da sie, die Beklagten, keinen Einblick in die Planungsunterlagen hätten, könne von ihnen weitergehender Vortrag zu den Ausbauplänen der Straße nicht verlangt werden. Entgegen der Ansicht des Landgerichts könne auch nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, daß auch nach der Straßenerweiterung die streitgegenständliche Grundstücksfläche noch öffentlich genutzt werde.

Die Beklagten beantragen,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Landgerichts Berlin vom 2. April 2008 - 1 O 110/07 - abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil und vertieft seinen erstinstanzlichen Vortrag.

II. Die zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte und begründete Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg.

1. Die Prüfung der Rechtswegzuständigkeit ist dem Senat gemäß § 17 a Abs. 5 GVG entzogen. Ungeachtet dessen ist das Landgericht zutreffend davon ausgegangen, daß gemäß § 14 Abs. 1 S. 1 VerkFlBerG der ordentliche Rechtsweg eröffnet ist. Nach § 14 Abs. 1 S. 3 VerkFlBerG in Verbindung mit § 103 Abs.1 S. 1 SachenRBerG finden die Vorschriften der ZPO Anwendung.

2. Der Kläger hat gegenüber den Beklagten ein Erwerbsrecht an der verfahrensgegenständlichen Fläche aus § 3 Abs. 1 VerkFlBerG und die Beklagten sind zur Annahme des notariellen Kaufangebots vom 6. Februar 2006 verpflichtet (§ 3 Abs. 1 S. 3 VerkFlBerG). Nach § 3 Abs. 1 VerkFlBerG kann der öffentliche Nutzer von dem Grundstückseigentümer den Verkauf des Grundstücks an sich verlangen und ist der Grundstückseigentümer zur Annahme des notariellen Kaufangebotes des öffentlichen Nutzers verpflichtet, wenn der Inhalt des Angebotes den Bestimmungen des VerkFlBerG entspricht. Gegen die Verfassungsmäßigkeit des VerkFlBerG bestehen keine durchgreifenden Bedenken (siehe BGH, Urteil vom 20. Juni 2008 - V ZR 149/07 - zitiert nach Juris). Bei der verfahrensgegenständlichen Fläche handelt es sich um ein im Beitrittsgebiet belegenes Grundstück eines privaten Eigentümers, das in der Zeit zwischen dem 9. Mai 1945 und dem 3. Oktober 1990 für die Erfüllung einer Verwaltungsaufgabe tatsächlich in Anspruch genommen wurde und einer Verwaltungsaufgabe (hier: öffentliche Straße) noch dient (§ 1 Abs.1 S. 1 Nr.1, § 2 Abs. 2 Nr. 1 VerkFlBerG). Anders als das SachenRBerG knüpft § 1 Abs. 1 VerkFlBerG für den Begriff der Verwaltungsaufgabe nicht an eine Widmung an, sondern stellt grundsätzlich auf die tatsächliche Inanspruchnahme und die tatsächliche Nutzung ab. Damit soll auch vermieden werden, daß der Nachweis förmlicher Widmungsakte verlangt wird, der in vielen Fällen nicht wird erbracht werden können (vgl. Kimme/Matthiessen, Offene Vermögensfragen, § 1 VerkFlBerG RdNr. 8). Wann kraft Widmung oder Widmungsfunktion eine Verkehrsfläche - Straße, Wege und Plätze einschließlich Zubehör und Nebenanlagen (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 1 VerkFlBerG) - vorliegt, beantwortet das VerkFlBerG nicht selbst; dies ist vielmehr den Vorschriften des jeweiligen Landesstraßengesetzes zu entnehmen (vgl. Kimme/Matthiessen, a.a.O., § 2 VerkFlBerG RdNr.7). Das Landgericht hat zutreffend ausgeführt, daß die vormalige Vorgartenfläche zum Bürgersteig der Straße ... im Zuge von Verbreiterungsmaßnahmen der Straße umgebaut und spätestens seit 1988 als Bürgersteig genutzt wird. Daß es sich bei der Nutzung als Bürgersteig um eine öffentliche Nutzung im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 1 VerkFlBerG handelt, weil Bürgersteige, wie das Landgericht weiter zutreffend begründet hat, nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe b BerlStrG Bestandteil der öffentlichen Straßen sind, wird von den Beklagten selbst nicht in Zweifel gezogen. Die mit den unterschiedlichen Breiten des Gehweges im Bereich des Grundstücks der Beklagten einhergehende unterschiedliche Intensität der Nutzung ist ebenfalls unerheblich.

Dem Anspruch des Klägers steht nicht entgegen, daß das Grundstück im Zeitpunkt seiner Inanspruchnahme in "Volkseigentum" stand.

In der Kommentarliteratur wird zur Frage, auf welchen Zeitpunkt § 1 Abs. 1 Satz 1 VerkFlBerG abstellt, einheitlich die Auffassung vertreten, daß nur solche Grundstücke betroffen seien, die heute im Eigentum Privater stehen. Fraglich erscheint allerdings, ob - wie hier der Fall - das Privateigentum an Grundstücken im sachlichen Anwendungsbereich des VerkFIBerG auch durch eine Restitution im Sinne des § 34 Abs. 1 VermG nach dem 2.10.1990 und vor dem 1.10.2001 entstanden sein kann. Der erkennende Senat tritt in diesem Punkt der im Schrifttum dazu - soweit ersichtlich - überwiegend vertretenen Ansicht bei (Kimme/Matthiessen, a.a.O., § 1 VerkFlBerG RdNr. 4.; Stavorinus, NotBZ 2001, 349, 352 Fn. 27; Salzig, NotBZ 2007, 164, 166), die dies unter Berufung auf die Entscheidung des BGH vom 18. Januar 2002 (- V ZR 104/01 - VIZ 2002, 422, 425; vorgehend OLG Dresden, VIZ 2001, 562, 567; ferner OLG Dresden, VIZ 2001, die noch zu Art.233 § 2a Abs. 9 EGBGB, der Vorläufervorschrift des VerkFlBerG, ergangen ist, bejaht.

In der vorgenannten Entscheidung hat der BGH den unmittelbaren Anwendungsbereich des Art. 233 § 2 a Abs. 9 EGBGB in der Weise bestimmt, daß mit Inkrafttreten des VerkFlBerG von diesem Besitzmoratorium sämtliche Fälle erfaßt sein sollten, die nach dem 1. Oktober 2001 den Regelungen des VerkFlBerG und dem dort in § 9 Abs. 1 Satz 4 VerkFlBerG geregelten vorläufigen Besitzrecht unterfallen. Des weiteren hat der BGH entschieden, daß Art. 233 § 2a Abs. 9 EGBGB entsprechend anzuwenden sei, wenn ein volkseigenes Grundstück noch zu DDR-Zeiten für öffentliche Aufgaben in Anspruch genommen, nachträglich jedoch trotz andauernder öffentlicher Nutzung durch Restitution in privates Grundstückseigentum überführt worden sei. Zur Begründung für diese entsprechende Anwendung der Besitzmoratoriumsvorschriften führt der BGH aus, daß es an sich nicht zu einer Restitution solcher Grundstücksflächen nach den Regelungen des VermG hätte kommen dürfen, da § 5 Abs. 1 b VermG die Restitution solcher Flächen ausschloß. Nach § 5 Abs.1 b VermG in Verbindung mit § 4 Abs. 1 VermG ist eine Restitution insbesondere dann ausgeschlossen, wenn das betroffene Grundstück dem Gemeingebrauch gewidmet war. Der Widmungsakt konnte zu DDR-Zeiten auch schlüssig darin erblickt werden, daß die Benutzung eines Weges für die Öffentlichkeit tatsächlich zugelassen worden ist. Wenn trotz (möglichen) Verstoßes gegen die §§ 5 Abs. 1 b, 4 Abs. 1 VermG die Rückübertragung nach § 34 Abs. 1 VermG mit für die Zivilgerichtsbarkeit bindender Wirkung ausgesprochen worden ist, stellt sich nach der vom BGH vertretenen Ansicht die Frage, ob der wieder in seine Rechte eingesetzte Alteigentümer die öffentliche Nutzung weiterhin zu dulden hat und hierfür nach Art. 233 § 2a Abs. 9 EGBGB ein Entgelt beanspruchen kann. Der BGH hat dies bejaht und insoweit die Moratoriumsregelung analog angewandt. Beizutreten ist der Ansicht des Landgerichts, daß im Hinblick auf die Ersetzung der Moratoriumsvorschrift des Art. 233 § 2a Abs. 9 EGBGB durch das VerkFlBerG auch nichts anderes für das Verhältnis des § 1 Abs. 1 Satz 1 VerkFlBerG zu § 5 Abs. 1 b VermG gelten kann.

Der Wortlaut der §§ 1 und 3 Abs. 1 VerkFlBerG steht einer entsprechenden Anwendung auf die hier zu entscheidende Fallkonstellation nicht entgegen. Auch aus den Gesetzesmaterialien gibt sich kein Anhaltspunkt dafür, daß von der Anwendung der Vorschriften des VerkFlBerG der Fall ausgeschlossen sein soll, daß der private Eigentümer das Eigentum an dem betroffenen Grundstück erst durch einen Restitutionsbescheid im Sinne des Vermögensgesetzes, jedoch vor dem Inkrafttreten des VerkFlBerG erlangt hat. Mit dem in Artikel 1 des Grundstücksrechtsbereinigungsgesetzes eingeführten "Gesetz zur Bereinigung der Rechtsverhältnisse an Verkehrsflächen und anderen öffentlich genutzten privaten Grundstücken - Verkehrsflächenbereinigungsgesetz (VerkFlBerG)" sollte das Problem des sogenannten "rückständigen Grunderwerbs" gelöst werden. Dabei geht es um die Bereinigung der Rechtsverhältnisse an Grundstücken, die in der DDR für öffentliche Zwecke (insbesondere Straßen und andere Verkehrsflächen, Gebäude im Verwaltungsgebrauch) in Benutzung genommen wurden, ohne daß eine förmliche Enteignung/Überführung in Volkseigentum stattgefunden hatte. Es bestand für den Gesetzgeber keine Veranlassung, die hier vorliegende Fallkonstellation, in der es zu einer Enteignung/Überführung in Volkseigentum gekommen ist, im VerkFlBerG zu regeln, weil schon - wie bereits ausgeführt - nach § 5 Abs. 1 b VermG in Verbindung mit § 4 Abs. 1 VermG eine Restitution solcher Grundstücksflächen in privates Grundstückseigentum ausgeschlossen war, die zu DDR-Zeiten für öffentliche Aufgaben in Anspruch genommen worden sind. Die Gesetzesmaterialien geben keinen Anhalt dafür, daß für den Fall der erfolgten Restitution eines Grundstücks die Anwendung des VerkFlBerG von vorneherein ausgeschlossen sein sollte. Der BGH hat in der bereits angeführten Entscheidung für die Auslegung des Art. 233 § 2 a Abs. 9 EGBGB auf die Gesetzesmaterialien zum VerkFlBerG Bezug genommen und darauf hingewiesen, daß mit der Neuregelung auch eine authentische Interpretation des Gesetzgebers für den Moratoriumstatbestand aus Art. 233 § 2 a Abs. 9 EGBGB verbunden sei. Weiter hat der BGH ausgeführt, daß der Gesetzgeber von einem das Privateigentum überlagernden Besitzrecht ausgegangen sei (BT-Drucks. 12/7425, S. 92) und den Eigentümern aus vorrangigen Gründen des Gemeinwohls den vorläufigen Fortbestand der öffentlichen Nutzung zugemutet hat. Der von der Neufassung des Art. 233 § 2 a Abs. 9 EGBGB durch Art. 2 GrundRBerG unberührt gebliebene Gesetzeszweck (vgl. Begründung des GrundRBerG-RegE, BT-Drucks. 14/6204, S. 10) treffe auf den - auch hier vorliegenden - Fall einer zu DDR-Zeiten erfolgten Überführung des betreffenden Grundstücks in Volkseigentum in noch stärkerem Maße zu als auf den von dem Gesetz vorausgesetzten Sachverhalt. Der Grundstückseigentümer, der das Grundstück im Wege der Restitution zurückerlangt hat, hatte im Unterschied zu den Grundstückseigentümern in den Fällen rückständigen Grunderwerbs sein Eigentum bereits in der DDR verloren. Auch nach dem Zusammenbruch der DDR konnte er nicht erwarten, wieder Eigentümer des Grundstücks zu werden. Vielmehr schloß, weil die veränderte Zweckbestimmung des entzogenen Grundstücks nicht durch die Wiederherstellung der früheren Eigentumsverhältnisse in Frage gestellt werden sollte, § 5 Abs. 1 lit. b) VermG eine Rückübertragung des Eigentums gerade aus.

Der entsprechenden Anwendung der Vorschriften des VerkFlBerG steht auch nicht § 1 Abs. 2 Nr. 3 VerkFlBerG entgegen. Danach findet das Gesetz keine Anwendung, wenn vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes zur Bereinigung der Rechtsverhältnisse an dem Grundstück ein anderer Vertrag abgeschlossen oder ein rechtskräftiges Urteil oder ein bestandskräftiger Verwaltungsakt ergangen ist. Das ist hier nicht der Fall. Denn der Ausschlußtatbestand setzt einen - hier allein in Betracht kommenden - Verwaltungsakt mit einer zielgerichteten Bereinigung voraus. Dieser kann in dem Restitutionsbescheid nicht gesehen werden. Denn an der "Widmung" als öffentliche Verkehrsfläche hat sich trotz der Restitution des Grundstücks nichts geändert. Die "Bereinigungslage" bestand auch danach fort. In diesem Zusammenhang ist ferner zu berücksichtigten, daß infolge der DDR-typischen Vollzugsdefizite aus dem Grundbuch auch und gerade Abspaltungen von Flurflächen, die als öffentliche Verkehrsfläche in Anspruch genommen waren und damit zum Ausschluß der Restitution gemäß § 5 Abs. 1 lit. b) VermG geführt hätten, nicht ohne weiteres erkennbar waren.

Eine Besserstellung der Alteigentümer nach Restitution gegenüber Grundstückseigentümern in der DDR entspräche schließlich auch nicht dem mit der Restitution verfolgten Zweck einer Wiedergutmachung. Diese soll das besondere Unrecht derjenigen ausgleichen, die entschädigungslos enteignet worden sind. Die Inanspruchnahme von Grundstücken für öffentliche Investitionen ist dagegen grundsätzlich kein Fall für eine Wiedergutmachung nach dem VermG. Nachfolgende Investitionen und Veränderungen der Zweckbestimmung der Nutzung, an denen ein öffentliches Interesse besteht, schließen vielmehr eine Wiedergutmachung durch Restitution nach § 5 Abs. 1 VermG sogar dann aus, wenn der Inanspruchnahme des Grundstücks ein in § 1 VermG bezeichneter Unrechtstatbestand vorausging (OLG Dresden, VIZ, 2001, 628, 631). Etwas anderes käme nur dann in Betracht, wenn mit dem bestandskräftigen Restitutionsbescheid ein Vertrauenstatbestand begründet worden wäre und die Beklagten darauf auch tatsächlich vertraut hätten. Dies könnte dann der Fall sein, wenn sie anderweitig über die Grundstücksfläche disponiert hätten. Davon kann allein schon wegen der tatsächlichen Nutzung der Grundstücksfläche als Gehweg nicht ausgegangen werden. Wie sich weiter aus dem Schreiben des Bezirksamtes Treptow-Köpenick vom 15. Februar 2006 ergibt, haben die Beklagten bislang unstreitig auch keinen Antrag bei der Denkmalschutzbehörde mit dem Zweck gestellt, den Vorgarten auf das historische Maß zurückzuführen.

Fehl geht das Argument der Beklagten, abweichend von der angeführten Entscheidung des BGH komme vorliegend eine extensive Auslegung des § 3 Abs. 1 VerkFlBerG bzw. eine analoge Anwendung der Norm nicht in Betracht, weil anders als in dem der Entscheidung des BGH zugrunde liegenden Sachverhalt nicht lediglich ein Besitzrecht zwischen den Parteien in Streit steht, sondern hier in das durch Art. 14 GG geschützte Eigentumsrecht der Beklagten eingegriffen werden soll. Dem ist entgegenzuhalten, daß die Rückübertragung des Eigentums der streitgegenständlichen Fläche an die Beklagten nach den Vorschriften des VermG gar nicht hätte erfolgen dürfen, so daß grundsätzlich auch eine Rücknahme gemäß § 48 Abs. 1 VerwVfG in Betracht gekommen wäre. Zudem beruht die vom BGH bejahte analoge Anwendung von Art. 233 § 2 a Abs. 9 EGBGB nicht darauf, daß gerade im Hinblick auf das im dortigen Fall streitige Besitzrecht eine analoge Anwendung geboten war. Das entscheidende Argument für die vertretene analoge Anwendung war vielmehr, daß derjenige, dessen Eigentum in "Volkseigentum" überführt worden war, keinesfalls gegenüber Eigentümern besser stehen sollte, die nicht förmlich enteignet worden sind. Schließlich ergibt sich nichts anderes aus der von den Beklagten eingereichten Entscheidung des BGH vom 6. Oktober 2006 - V ZR 138/05 -. Die Frage einer analogen Anwendung der Vorschriften des VerkFlBerG stellte sich in dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt nicht. Allein aus der erfolgten Wiedergabe des Gesetzeszweckes kann nicht geschlossen werden, daß der BGH abweichend von der vorherigen Rechtsprechung eine analoge Anwendung der Vorschrift ausschließen wollte.

2. Der Kläger hat sein Erwerbsrecht fristgerecht gemäß § 8 Abs. 1 VerkFlBerG ausgeübt. Danach erlöschen die Rechte des öffentlichen Nutzers nach § 3 Abs. 1 und 3 VerkFlBerG, wenn sie nicht bis zum 30. Juni 2007 ausgeübt sind. Das Erwerbsrecht ist vorrangig durch Abgabe eines notariell beurkundeten Kaufvertragsangebotes auszuüben (§ 8 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Satz 2 VerkFlBerG). Nach überwiegender Ansicht muß das Kaufangebot wegen seiner Empfangsbedürftigkeit zur Fristwahrung innerhalb der Frist des § 8 Abs. 1 VerkFlBerG zugehen (Salzig; NotBZ 2007, 164, 172). Davon ist hier auszugehen. Im Ergebnis unerheblich ist dabei, daß das Schreiben des Notars an die Beklagten vom 7. Februar 2007 (BI. 20 d.A.) mißverständlich ist. Danach könnte der Eindruck entstehen, daß die Beklagten dem Notar den Beurkundungsauftrag erteilt hätten und er vom Kläger zur Abgabe des Angebots nicht beauftragt war. Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, kommt es auf den Inhalt der vom Notar abgegebenen Erklärung aber schon deshalb nicht an, weil er nur als Bote tätig geworden ist. Ungeachtet dessen konnte, da das Schreiben nur als Begleitschreiben zu den zugleich übersandten Ausfertigungen des notariell beurkundeten Angebotes des Klägers erfolgt ist, dieses nur als Kaufangebot des Klägers verstanden werden. Denn dem Schreiben der Beklagten zu 1) vom 14. November 2006 (Anlage K 12) ergibt sich unzweifelhaft, daß die Beklagten von einem ihnen vom Kläger gemachten Angebot ausgegangen sind. Die Beklagte zu 1) nimmt darin auf das Angebot Bezug und erklärt zugleich, daß sie nicht gedenke, das Angebot anzunehmen. Der Einwand der Beklagten, daß allein die Beklagte zu 1) in dem vorgenannten Schreiben erklärt die Ablehnung des Angebotes erklärt habe, geht fehl. In dem Schreiben wird darauf hingewiesen, daß beide Beklagten den Ehemann der Beklagten zu 2) mit der Wahrnehmung ihrer Interessen beauftragt hätten. Daß diese Verhandlungen mit dem Ehemann der Beklagten zu 2) auch tatsächlich geführt worden sind, ergibt sich aus dem Schreiben des Bezirksamtes, das auf die mit dem Ehemann geführten Gespräche Bezug nimmt. Die Beklagte zu 2) kann schon danach nicht mehr mit Erfolg geltend machen, sie selbst sei nicht davon ausgegangen, bei dem vom Notar übermittelten Erwerbsangebot handele es sich um eine Erklärung des Klägers. Sofern zuvor insoweit überhaupt Raum für etwaige Zweifel bestanden haben sollte, waren diese auf Grund des an beide Beklagten gerichteten Schreibens vom 15. Februar 2008 in jedem Fall ausgeräumt.

Es kann daraus, daß der Kläger lediglich eine Ausfertigung und zwei beglaubigte Abschriften der Urkunde beantragt hat, nicht geschlossen werden, er habe den Notar nicht zur Übermittlung des Angebotes an die Beklagten ermächtigt. Auch die Formulierung, nach der der Notar mit der Durchführung des Vertrages beauftragt war, läßt nicht den Schluß zu, daß der Notar sich um das Zustandekommen des Vertrages, was eine Übersendung des notariellen Kaufangebotes erforderlich machte, nicht kümmern sollte. Letztlich kann dies aber auf sich beruhen: Selbst wenn der Notar nicht ermächtigt gewesen wäre, das Kaufangebot an die Beklagten weiterzuleiten, hätte der Kläger dies jedenfalls nachträglich genehmigt. Das Bezirksamt Treptow-Köpenick von Berlin hat in dem an beide Beklagten übersandten Schreiben vom 15. Februar 2006 (Anlage K 13) auf das vom Notar ... übermittelte notariell beurkundete Erwerbsangebot des Klägers Bezug genommen und nochmals seinen Standpunkt zum Erwerbsanspruch erläutert. Die nachträgliche Genehmigung der - unterstellt - nicht autorisierten Weiterleitung des Erwerbsangebots durch den Notar war auch zulässig, weil es sich nicht um ein einseitiges Rechtsgeschäft im Sinne des § 180 BGB handelt. Die Vorschriften der §§ 179, 180 BGB finden zwar nach überwiegender Ansicht entsprechende Anwendung auf einen Erklärungsboten, jedoch wird anders als die Annahmeerklärung der Vertragsantrag von §§ 174, 180 BGB (siehe von Staudinger/Schilken, Neubearbeitung 2004, § 174 RdNr. 2) nicht erfaßt, obgleich er Teil eines zweiseitigen Rechtsgeschäfts ist, weil er frei abgelehnt werden kann.

Ein Verweigerungsrecht nach § 3 Abs. 2 VerkFlBerG steht den Beklagten nicht zu, da kein Grund für die Annahme ersichtlich ist, daß die öffentliche Nutzung der verfahrensgegenständlichen Fläche - als Straßenverkehrsfläche - nicht länger als fünf Jahre fortdauern wird. Das Landgericht hat nicht, wie die Beklagten fehlsam meinen, ihre Darlegungspflicht überspannt. Ungeachtet dessen, daß zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht konkret abgesehen werden kann, ob und wann der beabsichtigte und sich in der Planung befindliche Ausbau der Straße " ... " tatsächlich realisiert wird, spricht nichts dafür, daß nach der Baumaßnahme die öffentliche Nutzung der streitgegenständlichen Grundstücksfläche entfällt. Mit Recht hat das Landgericht darauf abgestellt, daß nach der Lebenserfahrung eine Erweiterung einer Straße regelmäßig gerade nicht zu einer Freigabe von bisher öffentlich genutzten Flächen führt. Es besteht vielmehr Grund für die Annahme, daß im Falle der Realisierung der Ausbaupläne innerhalb der Frist von fünf Jahren sich die Intensität der Nutzung der Grundstücksfläche eher erhöht.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 540 Abs. 2 ZPO vorliegen. Auch wenn der BGH bereits zu Art. 233 § 2 a Abs. 9 EGBGB als Vorgängerregelung und dort zur Frage der entsprechenden Anwendung auf Fälle, in denen das Grundstück in Volkseigentum überführt worden ist, Stellung genommen hat, ist gleichwohl die entsprechende Anwendung des VerkFlBerG auf derartige Fälle nicht höchstrichterlich geklärt.

Ende der Entscheidung

Zurück