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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 08.11.2005
Aktenzeichen: 19 UF 101/05
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 648 Abs. 3
Ein Beschluss ist erst durch die Herausgabe aus dem internen Geschäftsbetrieb im Sinne von § 648 Abs. 3 ZPO verfügt, nicht bereits mit seiner Unterzeichnung.
Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 19 UF 101/05

In der Familiensache

hat der 19. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin als Senat für Familiensachen durch die Vorsitzende Richterin am Kammergericht Rinder sowie die Richter am Kammergericht Hartung und Feskorn am 8. November 2005 beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg vom 27. Juni 2005 aufgehoben.

Das weitere Verfahren - einschließlich der Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens - wird dem Rechtspfleger des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg übertragen.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens beträgt bis zu 5.000 EUR.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

I.

Der Antragsteller hat die Festsetzung von Unterhalt in Höhe von 135 % des Regelbetrages im vereinfachten Verfahren beantragt. Dieser Antrag ist dem Antragsgegner am 26.4.2005 mit den in § 647 ZPO vorgesehenen Hinweisen zugestellt worden. Nachdem er mit Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 25.5.2005 zunächst Fristverlängerung bis 8.6.2005 beantragt hatte, hat er sodann seine Einwendung für die 24. Kalenderwoche angekündigt. Mangels entsprechenden Eingangs hat der Rechtspfleger am 27. Juni 2005 den antragsgemäß festsetzenden Beschluss unterzeichnet. Bevor dieser am 19. Juli 2005 ausgefertigt und abgesandt worden ist, ist der Schriftsatz des Antragsgegners nebst ausgefülltem Vordruck am 18. Juli 2005 bei dem Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg eingegangen.

Gegen den ihm am 22.7.2005 zugestellten Beschluss hat der Antragsgegner nach einem entsprechenden Hinweis des Rechtspflegers sofortige Beschwerde eingelegt, die am 5. August 2005 bei dem Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg eingegangen ist. Die Rechtspflegerin, der die Sache zur Prüfung einer Abhilfe vorgelegt worden ist, hat der Beschwerde unter Hinweis auf die Entscheidung des OLG Brandenburg FamRZ 2001, 1078, nicht abgeholfen.

II.

Der Senat entscheidet infolge Übertragung durch den Einzelrichter gemäß § 568 Satz 2 Nr. 2 ZPO.

Die fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist gemäß § 652 Abs. 2 ZPO statthaft, da der Antragsgegner die Zulässigkeit von Einwendungen nach § 648 Abs. 2 ZPO geltend macht.

Die Beschwerde hat dahingehend Erfolg, dass der angefochtene Beschluss aufzuheben ist. Die Rechtspflegerin hat zu Unrecht die von dem Antragsgegner geltend gemachten Einwendungen nicht berücksichtigt.

Dieser hat geltend gemacht, zur Zahlung des zur Festsetzung beantragten Unterhalts nicht leistungsfähig zu sein und den entsprechenden Vordruck eingereicht. Dies ist zwar nach Ablauf der gesetzten sowie der verlängerten Frist geschehen. Er ist aber noch so rechtzeitig eingegangen, dass er hätte berücksichtigt werden können.

Nach § 648 Abs. 3 ZPO sind Einwendungen nicht mehr zu berücksichtigen, wenn der Festsetzungsbeschluss verfügt ist. Verfügt ist der Beschluss nach Auffassung des Senats nicht bereits mit seiner Unterzeichnung (so aber OLG Brandenburg FamRZ 2001, 1078), sondern erst mit dem Existentwerden durch die erste Hinausgabe aus dem inneren Geschäftsbetrieb (ebenso z.B. OLG Hamm, OLGR 2005, 84; OLG Frankfurt OLGR 2000, 307; Zöller-Philippi, ZPO, 25. Auflage, § 648 Rn 12). Dies war hier die Versendung am 19. Juli 2005.

Die Formulierung in § 648 Abs. 3 ZPO entspricht der in § 694 Abs. 1 ZPO, so dass eine unterschiedliche Auslegung nicht gerechtfertigt ist. Für § 694 Abs. 1 ZPO ist seit dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 19. November 1981 (NJW 1982, 888) anerkannt, dass der Vollstreckungsbescheid erst verfügt ist, wenn er zur Kenntnis von Personen außerhalb des Gerichts herausgegeben wird.

Entgegen der Ansicht des OLG Brandenburg steht der Beschleunigungsgedanke einer Übertragung auf das vereinfachte Verfahren nicht entgegen. Zum einen hat der Gesetzgeber ausweislich der Begründung zum Gesetzesentwurf (BT-Drs. 13/7338 zu § 648 Abs. 2) selbst eine Parallele zu dem Mahnverfahren gezogen. Zum anderen hat er (aaO zu § 648 Abs. 3 ZPO) ausdrücklich davon abgesehen, die Frist für die Geltendmachung der Einwendungen als Ausschlussfrist auszugestalten. Dadurch, dass nach Fristablauf eingehende Einwendungen zu berücksichtigen sind, solange der Festsetzungsbeschluss noch nicht verfügt ist, sollte vermieden werden, dass der Antragsgegner den Weg der Abänderungsklage nach § 654 ZPO beschreiten muss (aaO). Daraus wird ersichtlich, dass dem Beschleunigungsgedanken kein höherer Wert beizumessen ist als dem Ziel einer möglichst frühzeitigen Berücksichtigung formgerecht erhobener Einwendungen.

Hinsichtlich des weiteren Verfahrens macht der Senat von der Möglichkeit des § 572 Abs. 3 ZPO Gebrauch, da der Rechtspfleger bisher eine Prüfung in der Sache nicht vorgenommen hat.

Die Festsetzung des Beschwerdewerts beruht auf § 42 GKG. Der Senat lässt die Rechtsbeschwerde gemäß § 574 Abs. 3, Abs. 2 Nr. 2 ZPO zu, um eine Vereinheitlichung der Rechtsprechung zu ermöglichen.



Ende der Entscheidung

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