Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 22.11.2005
Aktenzeichen: 19 UF 35/05
Rechtsgebiete: BarwertVO, BGB, VAÜG


Vorschriften:

BarwertVO § 2 Abs. 2 S. 4
BGB § 1587 b Abs. 1
VAÜG § 3
Eine zum Entscheidungszeitpunkt bereits bezogene VBL-Rente, deren Beginn nach dem Ende der Ehezeit liegt, ist mit Rücksicht auf das Stichtagsprinzip nicht mit ihrem Zahlbetrag in die Berechnung einzustellen sondern gemäß § 2 Abs. 2 S. 4 BarwertVO umzurechnen.
Kammergericht

Beschluss

Geschäftsnummer: 19 UF 35/05

In der Familiensache

hat der 19. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin als Senat für Familiensachen durch die Vorsitzende Richterin am Kammergericht Rinder sowie die Richter am Kammergericht Feskorn und Hartung am 22. November 2005 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Versorgungsanstalt dn Bnnn nn n Lnnn wird der Beschluss des Amtsgerichts Pankow/Weissensee Tempelhof-Kreuzberg - 16 F 7831/00 - geändert und neu gefasst:

Von dem Versicherungskonto des Antragsgegners bei der Dnnnn nnn versicherung Bnn werden auf das Versicherungskonto der Antragstellerin bei der Dnnnn Rnnn versicherung Bnn Rentenanwartschaften von monatlich 57,64 EUR bezogen auf den 31. Dezember 2000 übertragen.

Der Monatsbetrag der Rentenanwartschaften ist in Entgeltpunkte (Ost) umzurechnen. Dabei ist der aktuelle Rentenwert (Ost) mit seinem Wert bei Ehezeitende für die Ermittlung der Entgeltpunkte (Ost) mit dem Angleichungsfaktor 1,0105309 zu vervielfältigen.

Zu Lasten der Versorgung des Antragsgegners bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder werden auf dem Versicherungskonto der Antragstellerin bei der Deutschen Rentenversicherung Bund Rentenanwartschaften von monatlich 28,79 EUR bezogen auf den 31. Dezember 2000 begründet.

Der Monatsbetrag der Rentenanwartschaften ist in Entgeltpunkte umzurechnen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden bei einem Wert von 1.000 EUR gegeneinander aufgehoben. Hinsichtlich der Kosten erster Instanz verbleibt es bei der Kostenentscheidung des angefochtenen Beschlusses.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Der Antragstellerin wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihrer Verfahrensbevollmächtigten Rechtsanwältin Silvia Groppler bewilligt. Ratenzahlungen sind nicht zu leisten.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) ist begründet. Zu Lasten der Versorgung des Antragsgegners bei der VBL waren auf dem Versicherungskonto der Antragstellerin monatliche Rentenanwartschaften in Höhe von 28,79 EUR statt 0,94 EUR zu begründen.

Durch Beschluss vom 1. März 2005 hat das Amtsgericht zu Gunsten der Antragstellerin gemäß § 1587 b Absatz 1 BGB, § 3 VAÜG Rentenanrechte in Höhe von 57,64 EUR übertragen. Es hat darüber hinaus zu Lasten des Antragsgegners dessen bei der VBL erworbene Anwartschaften in Höhe von 0,94 EUR monatlich zu Gunsten der Antragstellerin auf deren Versicherungskonto begründet und hierbei die bei der VBL erworbenen Anwartschaften sowohl des Antragsgegners, der seit dem 1. Oktober 2000 eine Vollrente wegen Alters bezieht, als auch der Antragstellerin, die seit dem 1. Mai 2004 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bezieht, ungekürzt in den Versorgungsausgleich eingestellt. Die Ehezeit der Parteien begann am 1. Oktober 1982 und endete am 31. Dezember 2000.

Die VBL rügt mit ihrer Beschwerde, dass das Amtsgericht die Anwartschaften, die die Antragstellerin bei ihr - der VBL - erworben habe, ungekürzt in den Versorgungsausgleich eingestellt habe, obwohl die Antragstellerin erst nach dem Ehezeitende Rentnerin geworden sei.

Hinsichtlich der gemäß § 1587 b Absatz 1 BGB, § 3 VAÜG zu übertragenden Anwartschaften verbleibt es bei der angefochtenen Entscheidung. Denn ausweislich der Auskunft der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) (nunmehr Deutsche Rentenversicherung Bund) vom 9. September 2004 hat die Antragstellerin ehezeitliche nichtangleichungsdynamische Anwartschaften von 517,53 DM und angleichungsdynamische Anwartschaften von 583,42 DM erworben, während der Antragsgegner angleichungsdynamische Anwartschaften in Höhe von 1.318,67 DM erlangt hat, wie sich aus der Auskunft der BfA vom 10. Mai 2001/ 27. August 2004 ergibt. Da sich der Versorgungsausgleich auf bereits gezahlte Renten auswirkt, ist er gemäß § 2 Absatz 1 Nr. 2 VAÜG durchzuführen. Bei dem Entscheidungsdatum 22. November 2005 beträgt der Angleichungsfaktor nach § 3 Absatz 2 VAÜG 1,0105309 (FamRZ 2005, S. 166). Die umgerechneten angleichungsdynamischen Anrechte belaufen sich auf Seiten der Antragstellerin auf 589,56 DM (= 583,42 x 1,0105309) und auf Seiten des Antragsgegners auf 1.332,56 DM ( = 1.318,67 x 1,0105309). Unter weiterer Berücksichtigung der von der Antragstellerin erworbenen ehezeitlichen nichtangleichungsdynamischen Anwartschaften von 517,53 DM ergibt sich ein gemäß § 1587 b Absatz 1, § 3 VAÜG zu Gunsten der Antragstellerin auszugleichender Betrag von 112,74 DM (= 57,64 EUR).

Die amtsgerichtliche Entscheidung ist jedoch hinsichtlich des Ausgleichs der bei der VBL erworbenen Anwartschaften abzuändern. Aus der Auskunft der der VBL vom 2. August 2004 ergibt sich, dass auf Seiten des Antragsgegners von einer ehezeitlichen Anwartschaft auf Betriebsrente von 166,04 DM auszugehen ist. Aus der Auskunft der VBL vom 3. Januar 2005 ist auf Seiten der Antragstellerin eine ehezeitliche Anwartschaft auf eine Betriebsrente in Höhe von 162,37 DM ersichtlich.

Mit Recht hat das Amtsgericht aufgrund der zum 1. Januar 2002 wirksam gewordenen Reform der Zusatzversorgung der VBL die bei dieser erworbenen Anrechte der Parteien als im Anwartschaftsstadium statisch und im Leistungsstadium dynamisch bewertet (BGH FamRZ 2004, S. 1474 ff). Es hat weiterhin zutreffend berücksichtigt, dass der Antragsgegner bereits seit dem 1. Januar 2000, d.h. vor dem Ehezeitende am 31. Dezember 2000, eine Vollrente wegen Alters bezieht. Der Ehezeitanteil seiner Anrechte ist somit ungekürzt und ohne Umrechnung nach der BarwertVO in den Versorgungsausgleich einzubeziehen (vgl. BGH vom 6.10.2004 - XII ZB 139/04 - FamRZ 2005, S. 601 f; BGH vom 20.10.2004 - XII ZB 152/04 -; BGH FamRZ 1997, S. 161 (164); FamRZ 1992, S. 47 (48); Wick FPR 2004, S. 604). Es ist somit für die Ermittlung der Ausgleichsbilanz eine ehezeitlicher Anteil von 166,04 DM zugrunde zu legen.

Die Anwartschaften der Antragstellerin, die diese bei der VBL erworben hat, sind hingegen mit Rücksicht auf das Stichtagsprinzip gemäß § 2 Absatz 2, Satz 4 BarwertVO umzurechnen. Die Antragstellerin bezieht zwar seit dem 1. Mai 2004 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Der Beginn ihres Rentenbezuges liegt jedoch nach dem Ende der Ehezeit am 31. Dezember 2000. Zum Ehezeitende war die Antragstellerin noch pflichtversichert. Für die Beurteilung einer bereits laufenden Versorgung kommt es grundsätzlich auf das Ehezeitende an. Der Bezug einer im Leistungsstadium dynamischen Rente, die sich - wie hier - zum Ehezeitende noch in einem statischen Anwartschaftsstadium befand, führt nicht dazu, dass Tabelle 7 der BarwertVO anzuwenden ist (BGH FamRZ 1999, S. 218 (220). Die Bewertung einer im Leistungsstadium dynamischen Rente, die nach Ehezeitende einsetzt, erfolgt vielmehr gemäß § 2 Absatz 2, Satz 4 BarwertVO, d.h. durch Erhöhung des Kapitalisierungsfaktors der Tabelle 1 der BarwertVO auf 165 % (vgl. KG vom 14.12.2004 - 17 UF 64/04 -; Senatsbeschluss vom 10.11.2005 - 19 UF 7/05 -; OLG Frankfurt vom 9.11.2004 - 6 UF 187/04; OLG Celle vom 11.10.2004 - 15 UF 136/04 -; OLG Schleswig vom 22.4.2005 - 15 UF 10/05 -; OLG Oldenburg vom 17.1.2005 - 11 UF 161/04 -).

Auf Seiten der Antragstellerin ist somit die von ihr erst nach Ehezeitende bezogene Rente wegen voller Erwerbsminderung nicht mit ihrem Zahlbetrag in die Berechnung einzustellen, sie ist vielmehr nach der BarwertVO zu dynamisieren und nach Tabelle 1 der BarwertVO unter weiterer Berücksichtigung der Anm. 2 umzurechnen. Der Jahresbetrag ihrer Rente beläuft sich auf 1.948,44 DM. Unter weiterer Berücksichtigung des auf 165 % erhöhten Barwertfaktors von 5,94, des Umrechnungsfaktors in Entgeltpunkte von 0,0000950479 sowie des Barwertfaktors bei Ehezeitende von 48,58 ergibt sich auf Seiten der Antragstellerin ein dynamisierter Betrag von 53,44 DM statt statt 162,37 DM.

Der gemäß § 1 Absatz 3 VAHRG im Wege des analogen Quasisplittings zu Gunsten der Antragstellerin zu begründende Monatsbetrag beläuft sich somit auf 28,79 EUR (=(166,04 DM ./. 53,44 DM) : 2)). Da es sich um regeldynamische Anrechte handelt, ist die Umrechnung in Entgeltpunkte (West) anzuordnen.

Im übrigen verbleibt es - wie bereits ausgeführt - bei dem gemäß § 1587 b Absatz 1 BGB zu Gunsten der Antragstellerin zu übertragenden Betrag von monatlich 57,64 EUR.

Von einer mündlichen Verhandlung wird abgesehen. Zur Entscheidung der Frage, wie die bei der VBL erworbenen Anwartschaften zu bewerten sind, bedarf es keiner weiteren Sachverhaltsaufklärung im Rahmen einer mündlichen Verhandlung mehr (vgl. hierzu BGH NJW 1983, S. 824 f; OLG München FamRZ 1978, S. 696; Schwab-Maurer, Handbuch des Scheidungsrechts, 4. Aufl., I Rdn. 593).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 93 a Absatz 1 ZPO, die Wertfestsetzung aus § 49 GKG. Eine Nichterhebung der Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens gemäß § 21 GKG (vormals § 8 GKG) kommt nicht in Betracht. Die abweichende Bewertung der VBL-Anwartschaften durch das Amtsgericht stellt keinen Verfahrensfehler dar. Derartige Wertungsfragen gehören von vorneherein nicht zum Anwendungsbereich des § 21 GKG.

Mit Rücksicht auf die abweichende Entscheidung des 13. Zivilsenats des Kammergerichts (Beschluss vom 21.4.2005 - 13 UF 387/03 -) zur Frage, wie der erst nach Ehezeitende eingetretene Bezug einer Zusatzversorgungsrente der VBL im Rahmen der Ausgleichsberechnung zu berücksichtigen ist, lässt der Senat die Rechtsbeschwerde wegen der grundsätzlichen Bedeutung dieser Rechtsfrage und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu, §§ 621 e Absatz 2, 543 Absatz 2 ZPO.

Der Antragstellerin war mit Rücksicht auf ihr persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (notwendige) Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihrer Verfahrensbevollmächtigten ohne Ratenzahlungsanordnung zu gewähren.



Ende der Entscheidung

Zurück