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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 15.10.2002
Aktenzeichen: 19 WF 259/02
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1613 Abs. 2 Nr. 1
1. Die Kosten für eine Konfirmationsfeier können einen Sonderbedarf begründen.

2. Reisen führen in der Regel nicht zu einem Sonderbedarf.


Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 19 WF 259/02

In der Familiensache

hat der 19. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin als Senat für Familiensachen durch die Vorsitzende Richterin am Kammergericht Rinder sowie die Richter am Kammergericht Hartung und Feskorn am 15. Oktober 2002 beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg vom 23. Mai 2002 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert:

Der Klägerin wird Prozesskostenhilfe hinsichtlich eines Streitwertes von bis zu 1.200,00 EUR gewährt. Ihr wird Rechtsanwalt beigeordnet. Sie hat keine Raten zu leisten.

Der weitergehende Antrag wird zurückgewiesen.

Gründe:

Der Senat entscheidet nach Übertragung durch den Einzelrichter gemäß § 568 Abs. 2 ZPO.

Die gemäß § 127 Abs. 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Klägerin gegen die Versagung der Prozesskostenhilfe hat in der Sache teilweise Erfolg. Die Klage hat - unter Einschluss der bereits vom Amtsgericht bewilligten Prozesskostenhilfe - hinsichtlich eines Streitwertes von bis zu 1.200,00 EUR hinreichende Erfolgsaussicht.

Voraussetzung dafür, dass die Klägerin von dem Beklagten eine Übernahme der Kosten für die Fahrten und die Konfirmation verlangen kann, ist, dass es sich um nicht aus dem laufenden Unterhalt zu deckenden Sonderbedarf handelt. Sonderbedarf ist nach der Legaldefinition in § 1613 Abs. 2 Nr. 1 BGB ein "unregelmäßiger außergewöhnlich hoher Bedarf". Ob Sonderbedarf vorliegt, lässt sich nur von Fall zu Fall für die jeweilige Aufwendung beurteilen. Unregelmäßig ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein Bedarf, der nicht mit Wahrscheinlichkeit vorauszusehen war und deshalb bei der Bemessung der laufenden Unterhaltsrente nicht berücksichtigt werden konnte (BGH NJW 1982, 328; 1984, 2826). In der Wortwahl des Gesetzes, das nur einen "außergewöhnlich" hohen Bedarf als Sonderbedarf gelten lässt, kommt zum Ausdruck, dass es im Zweifel bei der laufenden Unterhaltsrente sein Bewenden haben und nur in Ausnahmefällen die gesonderte Ausgleichung zusätzlicher unvorhergesehener Ausgaben erfolgen soll. Das liegt auch im Interesse einer Befriedung und Beruhigung des Verhältnisses von Unterhaltsgläubiger und Unterhaltsschuldner, das durch allzu häufige Einzelanforderungen in unerwünschter Weise belastet werden könnte (BGH aaO).

Hinsichtlich der Frage, ob es sich bei den Kosten für die Konfirmation oder Kommunion um Sonderbedarf in diesem Sinne handelt, besteht in der Rechtsprechung keine Einigkeit (vgl. die Nachweise bei Borth in: Handbuch des Scheidungsrechts, 4. Auflage, Teil IV Rn 132 in Fn 118 sowie Wendl/Scholz, Unterhaltsrecht, 5. Auflage, § 6 Rn 16 Fn 22). Der Senat bejaht diese Frage.

Die ablehnenden Entscheidungen berufen sich u.a. darauf, dass diese Kosten regelmäßig vorhersehbar und daher nicht als Sonderbedarf anzuerkennen seien. Nach Auffassung des Senats kann das Argument der Vorhersehbarkeit hingegen nicht unabhängig von dem Zweck dieses Kriterium herangezogen werden. Es soll in Ausfüllung des Begriffs "unregelmäßiger... Bedarf" verhindern, dass als Sonderbedarf ein Bedarf anerkannt wird, der bereits bei der Bemessung des laufenden Unterhalts hätte Berücksichtigung finden können (vgl. BGH aaO). Gerade die Bemessung des Unterhalts minderjähriger Kinder hat sich zwischenzeitlich aber von konkreten Bedarfsfaktoren gelöst und orientiert sich regelmäßig in Anwendung der Düsseldorfer (bzw. der Berliner) Tabelle an dem Einkommen des Verpflichteten. In einem solchen Fall kann sachgerecht ein "unregelmäßiger außergewöhnlich hoher Bedarf" dann angenommen werden, wenn eine nicht regelmäßig wiederkehrende Ausgabenposition auch bei vorausschauender Bedarfsplanung durch Bildung von Rücklagen nicht angespart werden kann (ähnlich OLG Köln N JW-RR 1988, 1476; OLG Frankfurt FamRZ 1988, 100; OLG Düsseldorf FamRZ 1990, 1144; OLG Dresden OLGR 2000, 96; Borth in: Handbuch des Scheidungsrechts, 4. Auflage, Teil IV Rn 131; Wendl/Scholz, Unterhaltsrecht, 5. Auflage, § 6 Rn 4). Im Rahmen dieser Beurteilung kommt der Vorhersehbarkeit der Ausgaben Bedeutung zu, aber auch z. B. der Höhe des gezahlten Unterhalts sowie der Höhe der entstandenen Kosten.

Hier geht der Senat angesichts der Höhe des gezahlten Unterhalts davon aus, dass von der Klägerin ein Ansparen der Kosten für eine angemessene Konfirmationsfeier nicht verlangt werden konnte. Geschuldet sind aber nur die Kosten für eine angemessene Feier (vgl. z.B. Wendl/Scholz, Unterhaltsrecht, 5. Auflage, § 6 Rn 16), wobei der Senat unter Berücksichtigung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Familie eine Inanspruchnahme des Beklagten, die 1.500,00 DM nicht übersteigt, als angemessen ansieht. Hinsichtlich einer Klage in dieser Höhe besteht daher eine hinreichende Erfolgsaussicht der Klage.

Sonderbedarf wird zwar wie der laufende Unterhalt nur geschuldet, soweit der Schuldner leistungsfähig ist, § 1603 Abs. 1 BGB (BGH NJW 1982, 328). Dabei kommt es auf den Zeitpunkt der Fälligkeit des Sonderbedarfs an (vgl. Wendl/Scholz, Unterhaltsrecht, 5. Auflage, § 6 Rn 7; KG, 16. ZS, NJW-RR 1993, 1223; OLG Karlsruhe NJW-RR 1998, 1226). Andererseits muss der Schuldner nicht in der Lage sein, den Sonderbedarf aus dem Einkommen eines Monats decken zu können (so zutreffend Wendl/Scholz aaO), da anderenfalls wegen des Erfordernisses der außergewöhnlichen Höhe grundsätzlich bestehender Sonderbedarf nur im Ausnahmefall durchgesetzt werden könnte. Ob unter Berücksichtigung dieser Grundsätze der Beklagte nicht in vollem Umfang leistungsfähig ist, hängt u. a. davon ab, ob er auch zur Zahlung von Sonderbedarf für die Klassenreise nach Italien verpflichtet ist, und kann daher erst im Hauptsacheverfahren entschieden werden. Eine völlige Leistungsunfähigkeit des Beklagten vermag der Senat nicht anzunehmen, da ihm auch unter Berücksichtigung seiner Unterhaltspflichten und der1- aus den Gründen des Senatsbeschlusses vom 31.5.2001 (19 WF 259/02) abzusetzenden - Kreditverpflichtung ein Einkommen oberhalb des Selbstbehalts verbleibt. Im Hauptsacheverfahren ist auch zu beurteilen, ob die Mutter der Klägerin über den faktisch von ihr (weil 1.500,00 DM übersteigend) zu finanzierenden Kostenanteil hinaus weitergehend an dem Sonderbedarf zu beteiligen ist (vgl. BGH NJW 1983, 2082).

Die weitergehende Beschwerde hat keinen Erfolg.

Die Aufwendungen der Klägerin für die Klassen- und Gemeindefahrten, soweit sie Gegenstand des Beschwerdeverfahrens sind, sind nicht als Sonderbedarf anzuerkennen. Auch wenn die Fahrten mit der Kirchengemeinde ihr durch die Festigung der Bindung an die Gemeinde einen sozialen Bezugsrahmen sichern, wie sie geltend macht, handelt es sich um Aufwendungen, die weder einmalig noch so außergewöhnlich hoch waren, dass eine Ausnahme von dem Grundsatz gerechtfertigt ist, dass es im Zweifel bei der laufenden Unterhaltsrente sein Bewenden hat. Bei den Bedarfssätzen der Düsseldorfer Tabelle, an der sich die Bemessung des laufenden Unterhalts ersichtlich orientiert, handelt es sich um Pauschalen, die den gesamten laufenden Lebensbedarf eines Kindes abdecken sollen, darunter auch Reisen (vgl. z.B. BGH NJW 1983, 1429; Wendl/Scholz, Unterhaltsrecht, 5. Auflage, § 2 Rn 214), unabhängig davon, ob sie im Familienverband, mit Organisationen oder privat vorgenommen werden. Es entspricht der Eigenart derartiger Pauschalen, dass der in einzelnen Monaten entstehende höhere Bedarf einem geringeren Bedarf in anderen Monaten gegenüber steht. Es obliegt grundsätzlich dem Unterhaltsgläubiger bzw. dem Sorgeberechtigten, die Unterhaltsbeträge auf die einzelnen Bedarfspositionen zu verteilen und dabei entsprechende Gewichtungen nach den Bedürfnissen des Berechtigten vorzunehmen.

Vergleichbares gilt nach Auffassung des Senats für die Klassenfahrt. Ob Klassenfahrten zum Sonderbedarf zählen, wird in Literatur und Rechtsprechung - auch je nach dem Einzelfall - unterschiedlich beurteilt; auf die vom Amtsgericht angeführten Nachweise wird Bezug genommen. Zumindest dann, wenn es sich um eine 5-tägige Fahrt und Kosten von 150,00 DM handelt, folgt der Senat der Ansicht des Amtsgerichts. Eine Klassenreise dieser Art ist nicht ungewöhnlich. Anders als bei der Klassenreise nach Italien, für deren Kosten das Amtsgericht Prozesskostenhilfe bewilligt hat, sind diese Kosten angesichts des vom Beklagten in der streitigen Zeit (nach Bereinigung um das Kindergeld) gezahlten Unterhalts von 539,00 DM monatlich auch nicht als so außergewöhnlich hoch anzusehen, dass sie einen Sonderbedarf begründen könnten.

Soweit der Klägerin Prozesskostenhilfe bewilligt ist, hat sie angesichts ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse keine Raten zu leisten.

Ende der Entscheidung

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