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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 08.12.2003
Aktenzeichen: 19 WF 261/03
Rechtsgebiete: BRAGO, GKG


Vorschriften:

BRAGO § 128 Abs. 4
BRAGO § 10 Abs. 3
GKG § 7
Auf die von dem Rechtsanwalt eingelegte Erinnerung nach § 128 Abs. 4 BRAGO ist die Frist von § 7 S. 1 GKG nicht (analog) anwendbar.

Dem Rechtsmittel und dem Vergütungsanspruch kann auch nicht allein wegen Zeitablaufs der Einwand der Verwirkung entgegengehalten werden.


Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 19 WF 261/03

In der Familiensache

hat der 19. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin als Senat für Familiensachen durch die Vorsitzende Richterin am Kammergericht Rinder sowie die Richter am Kammergericht Härtung und Feskorn am 8. Dezember 2003 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1. wird der Beschluss des Amtsgerichts Pankow/Weißensee vom 4. August 2003 abgeändert:

Die Rechtsanwalt K aus der Landeskasse zu erstattende Vergütung wird unter Abänderung der Verfügung des Kostenbeamten des Amtsgerichts Pankow/Weißensee vom 30. August 2001 auf 1132,16 DM festgesetzt.

Gründe:

Das Rechtsmittel des Beteiligten zu 1. ist gemäß § 128 Abs. 4 BRAGO zulässig und hat in der Sache Erfolg.

Die von dem Beschwerdeführer eingelegte Erinnerung gegen die Festsetzung durch den Kostenbeamten ist entgegen der Auffassung des Amtsgerichts zulässig. Sie unterliegt keiner Befristung.

Die Frist des § 7 Satz 1 GKG ist nicht entsprechend anwendbar. Entgegen der von v. Eicken (in: Gerold/Schmidt, BRAGO, 15. Auflage, § 128 Rn 27) vertretenen Auffassung ist eine solche Analogie zumindest dann nicht gerechtfertigt, wenn es um den Vergütungsanspruch des beigeordneten Rechtsanwalts geht. Es fehlt bereits an einer Rechtsähnlichkeit der Fallgestaltungen. § 7 GKG will den Kostenschuldner vor zeitlich unbegrenzten Nachforderungen der Justizkasse schützen. Im Anwendungsbereich des § 121 BRAGO wäre eine vergleichbare Situation nur bei Rückforderungsansprüchen der Landeskasse gegen den beigeordneten Rechtsanwalt gegeben. Solche Fälle betreffen auch regelmäßig die diese Analogie heranziehenden obergerichtlichen Entscheidungen (vgl. z.B. LSG Niedersachsen JurBüro 1999, 589; OLG Düsseldorf OLGR 1995, 243; OLG Frankfurt FamRZ 1991, 1462). Ob dem zu folgen wäre, kann hier offen bleiben. Zumindest zu Gunsten der Landeskasse ist diese Analogie nicht gerechtfertigt. Für gegen die Justizkasse gerichtete Ansprüche enthält das GKG in § 10 eine abweichende, allein auf die Verjährung abstellende Regelung. Da sich auch der Anspruch des Prozesskostenhilfeanwalts gegen die Landeskasse richtet, könnte allenfalls eine entsprechende Anwendung dieser Vorschrift erwogen werden.

Eine Analogie zu § 7 GKG widerspräche auch der gesetzgeberischen Wertung. Der Gesetzgeber hat für die Erinnerung gegen die Festsetzung der Vergütung des Prozesskostenhilfeanwalts keine Frist vorgesehen. Dies ist ersichtlich bewusst geschehen und beruht nicht etwa auf einem Versehen, da auch für die Beschwerde gegen die Entscheidung über die Erinnerung ausdrücklich keine Frist gelten sollte. Die Verweisung in § 128 Abs. 4 BRAGO nimmt die in § 10 Abs. 3 Satz 3 BRAGO bestimmte Frist gerade aus. Diese Entscheidung, im Verfahren über die Festsetzung nach § 128 BRAGO Rechtsmittel unbefristet zuzulassen, ist bei der Rechtsanwendung zu akzeptieren. Daher fehlt es auch für die vereinzelt vertretene Ansicht (so OLG Koblenz JurBüro 1983, 579), der Rechtsanwalt sei bereits 3 Monate nach der Festsetzung zur Einlegung einer Erinnerung nicht mehr befugt, an einer gesetzlichen Grundlage. Der Hinweis auf das Erfordernis der Rechtssicherheit geht fehl, da der Gesetzgeber diesem Gesichtspunkt durch den Verzicht auf eine Befristung der Rechtsmittel gerade keine Bedeutung beigemessen hat.

Das Rechtsmittel ist ebenso wenig wie der Vergütungsanspruch verwirkt. Für eine Verwirkung materiell-rechtlicher Ansprüche reicht nach zutreffender allgemeiner Ansicht (vgl. z.B. Palandt-Heinrichs, 61. Auflage § 242. Rn 93 ff) allein der Zeitablauf nicht aus. Hinzukommen müssen - als sog. Umstandsmoment - daneben ein Verhalten des Berechtigten, das geeignet ist, auf der Gegenseite den Eindruck zu erwecken, sie werde künftig von Ansprüchen verschont werden, und ferner ein entsprechendes Verhalten der Gegenseite, nämlich dass sie sich hierauf eingerichtet hat und z.B. anderweitige finanzielle Dispositionen unterlassen hat (ständige Rechtsprechung des BGH, z.B. NJW-RR 1995,109). Vergleichbares gilt für die Verwirkung eines Rechtsmittels (vgl. z.B. BVerfGE 32, 305; Zöller-Gummer, ZPO, 24. Auflage, § 567 Rn 10), insbesondere reicht auch insoweit allein der Zeitablauf für eine Verwirkung nicht aus (vgl. z.B. BGHZ 43, 289, 292; KG - 1. ZS - ZEV 1997, 247; BayObLG NJW-RR 1007, 389). Das sog. Umstandsmoment kann hinsichtlich des Vergütungsanspruchs des beigeordneten Rechtsanwalts z.B. gegeben sein, wenn die Landeskasse die Einstellung der Ratenzahlung durch die Partei wegen - vermeintlicher - Deckung der Kosten angeordnet hat. Weder dies noch etwas Vergleichbares ist hier aber gegeben. Dem bloßen Zeitablauf trägt die kurze Verjährung des materiellen Anspruchs - hier nach § 196 Abs. 1 Nr. 15 BGB a.F. - hinreichend Rechnung.

Dem Rechtsmittel ist auch in der Sache stattzugeben, da durch die Anhörung der Frau M vor dem 18. Zivilsenat des Kammergerichts eine Beweisaufnahmegebühr nach § 118 Abs. 1 Satz 3 BRAGO entstanden ist. Auch in den dem Amtsermittlungsgrundsatz unterliegenden Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist zwischen der Stoffsammlung, also der Feststellung des Sachverhalts, einerseits und der Beweisaufnahme andererseits zu unterscheiden (KG, 1. ZS, JurBüro 1982, 567 sowie der Senat in ständiger Praxis). Eine Beweisaufnahme liegt nur dann vor, wenn es nach Auffassung des Gerichts einer Wahrheitsfeststellung zur Behebung von konkreten Zweifeln oder bei Streit über das Vorliegen entscheidungserheblicher Tatsachen bedarf (vgl. z.B. Madert in: Gerold/Schmidt, BRAGO, 15. Auflage, § 118 Rn 11). Dies muss nicht durch förmliche Beweisaufnahme geschehen, da im Anwendungsbereich des FGG das Beweisverfahren nicht formalisiert ist. Daher geht der Hinweis der Rechtspflegerin fehl, es habe sich nur um eine informatorische Anhörung gehandelt. Außerdem ist auch für eine solche im Zivilprozess anerkannt, dass sie eine Beweisgebühr auslöst (vgl. v. Eicken in: Gerold/Schmidt, BRAGO, 15. Auflage, § 31 Rn 87 mwN).

Hier ist die Anhörung der Frau M als Beweisaufnahme anzusehen, da das Gericht mit ihr die Richtigkeit von ihm unterbreiteten Behauptungen überprüfen wollte. Ausweislich der vom beschließenden Senat eingeholten Äußerung des Vorsitzenden des 18. Zivilsenats des Kammergerichts vom 31.10.2003 ging es bei dieser Anhörung von Frau M um den Ablauf des bis dahin von dem Verein S begleiteten Umgangs und insbesondere das Verhalten der Eltern bei diesem. Diesbezüglich hatte die Kindesmutter behauptet, der Vater habe am 2.11.2000 mit dem Kind nichts anfangen können und im Rahmen des Umgangs habe sich für die Mitarbeiter des betreuenden Vereins gezeigt, dass der Vater kein wirkliches Interesse an dem Kind habe (Schriftsatz vom 15.12.2000). Die Darstellung des Vaters (Schriftsatz vom 7.3.2001) wich davon ab. Ob die Behauptung der Mutter zutraf, wollte der 18. Zivilsenat mit der Anhörung klären, um eine Grundlage für eine Entscheidung über den Umgang bzw. für den Vorschlag einer gütlichen Einigung zu gewinnen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind gemäß § 128 Abs. 5 BRAGO nicht zu erstatten.

Ende der Entscheidung

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