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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 16.03.2006
Aktenzeichen: 19 WF 5/06
Rechtsgebiete: ZPO, FGG


Vorschriften:

ZPO § 406 Abs. 5
FGG § 15
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Vaters wird der Beschluss des Amtsgerichts Pankow/Weißensee vom 16. Januar 2006 geändert:

Das Ablehnungsgesuch des Vaters vom 18. November 2005 gegen den Sachverständigen D.. K...... wird für begründet erklärt.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Dem Vater wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seiner Verfahrensbevollmächtigten Rechtsanwältin A... S.... bewilligt.

Gründe:

Der Senat entscheidet gemäß § 568 Satz 2 ZPO.

Die gemäß §§ 406 Absatz 5 ZPO, 15 FGG zulässige sofortige Beschwerde des Vaters ist begründet. Der angefochtene Beschluss des Amtsgerichts Pankow/Weißensee war daher abzuändern und dem Befangenheitsgesuch stattzugeben.

Durch Beschluss vom 20. Oktober 2005 hat das Amtsgericht im vorliegenden Umgangsverfahren die Einholung eines familienpsychologischen Gutachtens angeordnet und den psychologischen Psychotherapeuten D.. K...... zum Sachverständigen bestellt. Im Rahmen seiner Begutachtung fanden zwei Gespräche mit dem Vater statt, und zwar am 21. und 23. November 2005. In dem Gespräch am 23. November 2005 kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen dem Sachverständigen und dem Vater, in dessen Verlauf der Sachverständige die Polizei rief und eine Anzeige wegen Hausfriedensbruchs erstattete. Mit Antrag vom 28. November 2005 hat der Vater den Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. In seiner Stellungnahme zu dem Ablehnungsgesuch des Vaters rügt der Sachverständige Grenzüberschreitungen des Vaters im Umgang mit anderen und nimmt zu seiner Persönlichkeit im einzelnen Stellung.

Das Ablehnungsgesuch ist begründet. Aus der Sicht des Vaters ist die Besorgnis gerechtfertigt, dass der Sachverständige voreingenommen verfahren und gutachterlich Stellung nehmen werde.

Diese Besorgnis ist allerdings noch nicht allein deswegen berechtigt, weil es anlässlich des Gesprächs am 23. November 2005 zu einer Auseinandersetzung zwischen dem Vater und dem Sachverständigen gekommen ist, in deren Verlauf der Sachverständige die Polizei verständigte und eine Anzeige wegen Hausfriedensbruch erstattete. Grundsätzlich begründet das eigene Verhalten einer Partei keinen Ablehnungsgrund, da sie es andernfalls in der Hand hätte, einen ihr nicht genehmen Prozessbeteiligten auszuschalten. In der Regel ist es daher auch kein Ablehnungsgrund, wenn sich der Betroffene durch eine Strafanzeige gegen die Partei zur Wehr setzt (vgl. hierzu i.e. Zöller-Vollkommer Kommentar zur ZPO, 25. Aufl., § 42 Rdn. 29 m.w.N.).

Der Vater kann jedoch aus der Stellungnahme des Sachverständigen im Rahmen des Ablehnungsverfahrens die Besorgnis herleiten, dass dieser bei der Erstellung seines familienpsychologischen Gutachtens ihm gegenüber nicht die gebotene Neutralität wahren und ihm nicht mehr unvoreingenommen gegenüber stehen werde. In seiner Stellungnahme vom 9. Dezember 2005 nimmt der Sachverständige zu den Vorfällen am 23. November 2005 nur eingeschränkt Stellung und beschäftigt sich im wesentlichen mit der Persönlichkeit des Vaters, und zwar in einer Weise, die einer vorweggenommenen Begutachtung gleichkommt.

So führt er u.a. aus:

"Es zeigen sich bereits in 2,5 Stunden Gespräch derartig massive Auffälligkeiten im Interaktionsverhalten des KV, dass man sich kaum vorstellen kann, wie es der KV bislang geschafft hat, nicht öffentlich aufzufallen. Der KV folgt einem intellektuell-kognitiven Orientierungsmuster und zeigt sich daneben in seiner Emotionalität bedenklich beeinträchtigt.... Es muss bereits zu diesem Zeitpunkt eine auffällige Beziehungsstörung des KV in der Art konstatiert werden, als dass der KV sich in von ihm als angespannt erlebten Interaktionen mit seinem Gegenüber solange regulieren kann, wie es ihm gelingt, sein Gegenüber zu beeinflussen, zu manipulieren oder zu bevormunden. Stellen sich seinen manipulierenden Grenzüberschreitungen jedoch auch nur die leisesten Widerstände entgegen (und sei es nur dadurch, dass man Äußerungen und das Verhalten des KV in deren Bedeutung befragt) offenbart sich ein Ausmaß an narzißtischer Kränkbarkeit, Aggressivität und Verwirrtheit, welches Anlass zu größtem Bedenken gibt. Der KV regrediert in diesen Zuständen in einem Ausmaß, welches dazu führt, dass ihm keine hinreichende Selbst- und Aggressionsregulation mehr gelingt."

Aufgrund dieser und weiterer Ausführungen ist aus der Sicht des Vaters zumindest die Besorgnis gerechtfertigt, der Sachverständige werde ihn im Rahmen der weiteren Begutachtung nicht mehr sachlich und unparteiisch beurteilen. Es kommt nicht darauf an, dass der Sachverständige tatsächlich befangen ist. Unerheblich ist auch, ob er sich selbst für befangen hält (vgl. Zöller-Vollkommer aaO. Rdn. 9). Aufgrund des Ablehnungsgesuchs des Vaters und der Aufforderung des Gerichts gegenüber dem Sachverständigen, hierzu Stellung zu nehmen, bestand für den Sachverständigen gar keine Veranlassung, sich aus psychologischer Sicht mit der Persönlichkeit des Vaters auseinander zu setzen. Er war lediglich gehalten, die Vorkommnisse am 23. November 2005 aus seiner Sicht darzustellen. Wenn er darüber hinaus geht und eine eindeutig negative psychologische Begutachtung des Vaters im Ablehnungsverfahren und damit zugleich im Vorfeld einer familienpsychologischen Begutachtung durchführt, besteht aus der Sicht des Vaters gar keine Möglichkeit mehr, an dieser Vorbeurteilung etwas zu ändern. Dass er dessen Stellungnahme möglicherweise durch sein eigenes vorangegangenes Verhalten provoziert hat, ändert nichts an der Tatsache, dass der Sachverständige in seiner Stellungnahme die Grenzen gebotener Neutralität überschritten hat.

Der Vater kann insoweit auch nicht darauf verwiesen werden, eine genaue Schilderung der Vorfälle im Gutachten abzuwarten. Das Ablehnungsrecht des Vaters ist weiterhin nicht dadurch eingeschränkt, dass der Sachverständige vorliegend in einem amtswegigen Verfahren tätig wird. Dem Amtsgericht ist zwar darin zu folgen, dass die vom Sachverständigen in den Befragungen festgestellten Aussagen der Parteien für die Entscheidung des Gerichts von wesentlicher Bedeutung sind. Dies führt jedoch nicht dazu, dass einem Elternteil, dem gegenüber der Sachverständige den Eindruck der Voreingenommenheit erweckt, das Ablehnungsrecht zu versagen ist. Zum einen ist die Unvoreingenommenheit des Gutachters auch für die Auswahl, Form und Darstellung der Fragen und Aussagen von Bedeutung und zum anderen ist auch die psychologische Bewertung im Rahmen eines familienpsychologischen Gutachtens Aufgabe des Gutachters.

Ende der Entscheidung

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