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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 01.08.2006
Aktenzeichen: 19 WF 90/06
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 93 a Abs. 1
ZPO § 99 Abs. 2
ZPO § 269 Abs. 5
Eine isolierte Anfechtung der Kostenentscheidung ist nicht statthaft, wenn diese auf § 93 a ZPO beruht. Eine analoge Anwendung des § 99 Abs. 2 ZPO ist in diesem Fall nicht geboten.
Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 19 WF 90/06

In der Familiensache

hat der 19. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin als Senat für Familiensachen durch die Vorsitzende Richterin am Kammergericht Rinder sowie die Richter am Kammergericht Feskorn und Hartung am 1. August 2006

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners gegen die Kostenentscheidung des am 8. März 2006 verkündeten Verbundurteils des Amtsgerichts Pankow/Weißensee - 17 F 2996/04 - wird auf seine Kosten bei einem Beschwerdewert von bis zu 900,-- EUR verworfen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

Der Senat entscheidet gemäß § 568 Satz 2 ZPO.

Im vorliegenden Verfahren hat die Antragstellerin die Scheidung ihrer Ehe beantragt. Im Wege der Stufenklage hat der Antragsgegner Ehegattenunterhalt geltend gemacht, den er nach übereinstimmender Erledigungserklärung des Auskunftsanspruchs zunächst beziffert und hinsichtlich dessen er nach einem entsprechenden Hinweis des Gerichts im Termin vom 8. März 2006 den Zahlungsantrag zurückgenommen hat. Durch Urteil vom 8. März 2006, auf das Bezug genommen wird, hat das Amtsgericht die Ehe der Parteien geschieden, den Versorgungsausgleich ausgesetzt und die Kosten zu 80 % dem Antragsgegner und zu 20 % der Antragstellerin auferlegt. Gegen die Kostenentscheidung des ihm am 14. März 2006 zugestellten Urteils wendet sich der Antragsgegner mit seiner am 28. März 2006 bei Gericht eingegangenen sofortigen Beschwerde. Er erachtet sie in entsprechender Anwendung von § 269 Absatz 5 ZPO für zulässig und rügt, dass bei der Kostenverteilung nicht die Quote der jeweiligen Streitwerte, sondern lediglich die der Antragstellerin durch die Unterhaltsforderung entstandenen Mehrkosten hätten zugrundegelegt werden dürfen.

Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners ist nicht statthaft, da sich der Antragsgegner ausschließlich gegen die Kostenentscheidung des angefochtenen Urteils wendet, und zwar gegen die Kostenlast aufgrund des von ihm zurückgenommenen Antrages auf Zahlung nachehelichen Unterhalts. Insoweit steht ihm ein Rechtsmittel nicht zur Verfügung.

Gemäß § 99 Absatz 1 ZPO ist die Anfechtung der Kostenentscheidung grundsätzlich nicht zulässig, wenn nicht gegen die Entscheidung in der Hauptsache ein Rechtsmittel eingelegt wird. Eine Ausnahme sieht das Gesetz für den Fall des Anerkenntnisses (§ 99 Absatz 2 ZPO), der übereinstimmenden Erledigungserklärung (§ 91 a Absatz 2 ZPO) und der Klagerücknahme (§ 269 Absatz 5 ZPO) vor. Eine isolierte Anfechtungsmöglichkeit wird auch für den Fall der gemischten Kostenentscheidung bei einer Teilklagerücknahme bejaht, und zwar hinsichtlich des auf der Klagerücknahme beruhenden Kostenteils (vgl. BGH NJW-RR 1999, S. 1741 f; OLG Düsseldorf FamRZ 1982, S. 723 f; NJW-RR 1994, S. 827 f; OLG Frankfurt FamRZ 1985, S. 823; OLG Frankfurt vom 21.4.2005 - 6 W 218/04 -; Stein/Jonas/Bork, Kommentar zur ZPO, 22. Aufl., § 99 Rdn. 15, 17).

Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn die Kostenentscheidung des angefochtenen Urteils - wie hier - auf § 93 a Absatz 1 ZPO beruht, der eine die allgemeinen Kostenvorschriften verdrängende Sonderregelung darstellt (vgl. BGH FamRZ 1983, S. 683; FamRZ 1986, S. 253 (254); Senat FamRZ 1988, S. 1075 f). Entgegen den erfolgsabhängigen §§ 91, 92 ZPO enthält § 93 a ZPO eine Abkehr vom Prinzip des Obsiegens und Unterliegens und sieht "in Konsequenz der Abkehr des Gesetzgebers vom Schuldprinzip grundsätzlich die kostenmäßige Gleichbehandlung der Ehegatten vor" (BGH a.a.O., vgl. ferner Stein/Jonas/Bork a.a.O., § 93 a Rdn. 1; MK-Belz, Kommentar zur ZPO, 2. Aufl., § 93 a Rdn. 1). Der Kostenaufhebungsgrundsatz erstreckt sich auch auf die im Verbund geltend gemachten Folgesachen. Eine anderweitige Kostenverteilung kann das Gericht gemäß § 93a Absatz 1 Satz 2 ZPO aus wirtschaftlichen Erwägungen oder aus Billigkeitsgründen treffen. § 93 a ZPO verdrängt auch § 269 Absatz 3 Satz 2 ZPO nach Rücknahme eines eine Folgesache betreffenden Antrages (vgl. Senat a.a.O.; OLG Frankfurt FamRZ 1985 S. 823; OLG Zweibrücken FamRZ 1997, S. 504 (506); Stein/Jonas/Bork a.a.O.; Musielak, Kommentar zur ZPO, 4. Aufl., § 93 a Rdn. 3).

§ 93 a ZPO sieht jedoch anders als § 269 ZPO die gesonderte Anfechtung der getroffenen Kostenentscheidung nicht vor. Auch eine analoge Anwendung des § 99 Absatz 2 ZPO ist nicht geboten. Abgesehen davon, dass der Gesetzgeber im Ehescheidungsverfahren eine entsprechende Anwendung des § 269 ZPO ausdrücklich nur für den Fall der Zurücknahme des Scheidungsantrags vorgesehen hat, § 626 ZPO, kommt eine Abweichung von dem Grundsatz, dass Kostenentscheidungen bei gleichzeitiger Hauptsachenentscheidung abgesehen von den ausdrücklich gesetzlich geregelten Fällen nicht isoliert sondern nur im Zusammenhang mit der Hauptsache anfechtbar sind, nur in besonderen Ausnahmefällen in Betracht (vgl. hierzu MK-Belz a.a.O., § 99 Rdn. 1, 11 ff; OLG Bamberg FamRZ 1992, S. 1453 f). § 99 Absatz 1 ZPO dient gerade dem Ziel, eine isolierte Kostenanfechtung zu verhindern. Eine prozessuale Situation, die der in § 99 Absatz 2 ZPO getroffenen Regelung vergleichbar wäre, liegt hier ersichtlich nicht vor (vgl. auch OLG Koblenz JurBüro 1982, Sp. 445 f; MKBelz a.a.O., § 99 Rdn. 18; Musielak a.a.O., § 99 Rdn. 3). Der Senat vermag insoweit der Auffassung des 16. Zivilsenats des Kammergerichts (KGR 2000, S. 358 f) zur analogen Anwendung für den Fall des § 91 a ZPO nicht zu folgen. Der Gesetzgeber hat in Kenntnis der Regelungen der §§ 99 Absatz 2, 91 a Absatz 2, 269 Absatz 5, 626 ZPO mit § 93 a ZPO eine besondere Kostenregelung für das Scheidungsverbundverfahren getroffen, ohne eine isolierte Anfechtungsmöglichkeit hinsichtlich der Kostenregelung vorzusehen. Gegen eine analoge Anwendung des § 99 Absatz 2 ZPO spricht vorliegend auch, dass eine Kostenentscheidung nach § 269 Absatz 3 ZPO grundsätzlich nach anderen Kriterien erfolgt als eine Kostenentscheidung gemäß § 93 a ZPO. So hat auch das Amtsgericht folgerichtig bei seiner Abwägung gemäß § 93 a ZPO nicht auf die Rücknahme seitens des Antragsgegners sondern u.a. auf die Erfolglosigkeit seines Unterhaltsanspruchs abgestellt.

Die Rechtsbeschwerde wird wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen, § 574 Absatz 1 Nr. 2, Absatz 3 Satz 1, Absatz 2 Nr. 1 ZPO. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Absatz 1 ZPO, die Wertfestsetzung dem Kosteninteresse des Antragsgegners.

Ende der Entscheidung

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