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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 05.01.2009
Aktenzeichen: 2 U 125/06
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 511 Abs. 2 Nr. 1
ZPO § 520 Abs. 3 S. 2
ZPO § 767
1a. In einem Vollstreckungsabwehrklageverfahren (§ 767 ZPO) entspricht der Beschwerdewert im Sinne des § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO der Differenz zwischen dem Betrag der Hauptforderung, die der Beklagte meint, noch aus dem Titel vollstrecken zu können, und dem Betrag der Hauptforderung, die dem Beklagten bei Zugrundelegung des Vortrags des Klägers noch zustünde.

1b. Eine sich daneben ergebende Differenz hinsichtlich der Kostenerstattungs- und Zinsansprüche des Beklagten bleibt außer Betracht.

2. Wird nach dem Berufungsantrag das gesamte erstinstanzliche Urteil, mit dem eine Vollstreckungsabwehrklage abgewiesen wurde, angegriffen, und wird in der Berufungsbegründung das erstinstanzliche Urteil aber nur in Teilen beanstandet, so ist die Berufung hinsichtlich derjenigen Teile, die in der Berufungsbegründung nicht beanstandet werden, mangels Begründung nach § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO unzulässig. Hinsichtlich der übrigen Teile, ist die Berufung mangels Erreichens der Berufungssumme gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO unzulässig, wenn der Wert derjenigen Berufungsteile, die nicht schon mangels Begründung nach § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO zu verwerfen sind, 600 EUR nicht übersteigt.


Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 2 U 125/06

In dem Rechtsstreit

hat der 2. Zivilsenat des Kammergerichts am 5. Januar 2009 durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Dr. Hawickhorst und die Richter am Kammergericht Dittrich und Dr. Glaßer

beschlossen:

Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das am 8. September 2006 verkündete Urteil der Zivilkammer 20 des Landgerichts Berlin - 20 O 366/05 - wird als unzulässig verworfen, soweit die Klägerin in zweiter Instanz zuletzt noch beantragt hat, unter Aufhebung und teilweiser Abänderung des am 8. September 2006 verkündeten Urteils des Landgerichts die Zwangsvollstreckung aus dem vollstreckbaren Urteil des Landgerichts Berlin - 20 O 551/96 - vom 6. März 1997 für unzulässig zu erklären.

2. Im Übrigen wird die Klägerin der Berufung für verlustig erklärt.

3. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

4. Der Gebührenstreitwert des Berufungsverfahrens wird auf 461,05 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Klägerin wehrt sich mit ihrer Klage u.a. gegen die Vollstreckung aus einem Urteil des Landgerichts Berlin, mit dem sie zur Zahlung von umgerechnet 6.434,67 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5% seit dem 27. Mai 1996 an die Beklagte verurteilt worden war.

In erster Instanz hat die Klägerin beantragt,

die Zwangsvollstreckung aus dem vollstreckbaren Urteil des Landgerichts Berlin - 20 O 551/96 - vom 13. Februar 1997 (gemeint war der 6. März 1997) und aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 2. Februar 1998 für unzulässig zu erklären.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Landgericht Berlin hat mit am 8. September 2006 verkündeten Urteil wie folgt in der Hauptsache entscheiden:

Die Zwangsvollstreckung aus dem vollstreckbaren Urteil des Landgerichts Berlin - 20 O 551/96 - vom 6. März 1997 und aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 2. Februar 1998 wird wegen eines Teilbetrages von 547,10 EUR nebst 5% Zinsen seit dem 11. Oktober 2005 für unzulässig zu erklären. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Mit der Berufung wendet sich die Klägerin gegen die teilweise Abweisung ihrer Klage.

In zweiter Instanz beantragt sie nach teilweiser Zurücknahme der Berufung zuletzt, unter Aufhebung und teilweiser Abänderung des am 8. September 2006 verkündeten Urteils des Landgerichts die Zwangsvollstreckung aus dem vollstreckbaren Urteil des Landgerichts Berlin - 20 O 551/96 - vom 6. März 1997 für unzulässig zu erklären.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung der Berufung beanstandet die Klägerin das erstinstanzliche Urteil in folgenden Teilen (Schriftsatz vom 19. Januar 2007):

(1.) soweit das Landgericht die Kosten der versuchten Kontenpfändung als Kosten im Sinne von § 788 Abs. 1 ZPO behandelt hat (Seite 2, vorletzter Absatz, bis Seite 6, vorletzter Absatz; Bd. II Bl. 17-21 d.A.),

(2.) soweit das Landgericht die Verrechnung von (unstreitigen) Zahlungen der Berufungsklägerin mit (streitigen) offenen Hebe- bzw. Bearbeitungsgebühren des eingeschalteten Gerichtsvollziehers akzeptiert hat (Seite 6, letzter Absatz, bis Seite 7, letzter Absatz; Bd. II Bl. 21-22 d.A.) und

(3.) soweit das Landgericht - in der Folge seiner gemäß Ziff. (1.) und (2.) beanstandeten Rechtsposition - nicht die Forderungsaufstellung der Beklagten vom 13. Oktober 2005 (Anlage zum erstinstanzlichen Schriftsatz der Beklagten vom 13. Oktober 2005; Bd. I Bl. 20 f. d.A.) neu berechnet und dabei insbesondere den geltend gemachten Zinsanspruch gekürzt hat (Seite 8, erste beiden Absätze des Schriftsatzes vom 19. Januar 2007; Bd. II Bl. 23 d.A.).

II.

1.

Die Berufung ist gemäß § 511 Abs. 2 ZPO unzulässig und war daher gemäß § 522 Abs. 1 ZPO zu verwerfen. Denn weder hat das Landgericht in seiner angefochtenen Entscheidung die Berufung zugelassen noch übersteigt der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 EUR. Letzterem liegen folgende Überlegungen zu Grunde:

a)

Der Beschwerdewert entspricht der Differenz zwischen dem Betrag der Hauptforderung, die die Beklagte meint - gemäß ihrer Forderungsaufstellung vom 13. Oktober 2005 - noch aus dem Urteil des Landgerichts vom 6.3.1997 bei der Klägerin vollstrecken zu können, und dem Betrag der Hauptforderung, die der Beklagten bei Zugrundelegung des Vortrages der Klägerin noch zustünde. Eine sich daneben ergebende Differenz hinsichtlich der Kostenerstattungs- und Zinsansprüche der Beklagten bleibt außer Betracht. Denn es ist anerkannt, dass bei der Bestimmung des Streitwertes einer Vollstreckungsabwehrklage die gleichzeitige Abwehr der Vollstreckung von Kosten und Zinsen gemäß § 4 Abs. 1 2. Hs. ZPO unberücksichtigt bleibt (Herget in Zöller, ZPO, 26. Aufl 2007, § 3 Rdnr. 16 "Vollstreckungsabwehrklage", m.Rspr.N).

b)

Die drei Einwendungspositionen der Klägerin (vgl. oben, zu Ziff. I.) haben einen Beschwerdewert von jedenfalls nicht mehr als 514,42 EUR. Dies ergibt sich aus Folgendem:

aa)

Berechnet man die Forderungsaufstellung der Beklagten - gemäß der zutreffenden Rechtsauffassung der Klägerin - völlig neu und unterstellt dabei - gemäß dem Vortrag der Klägerin in der Berufungsbegründung -, dass (1.) der Beklagten kein Kostenerstattungsanspruch wegen der versuchten Kontenpfändung gemäß § 788 Abs. 1 ZPO zustand und dass (2.) die Zahlungen der Klägerin - ohne Abschläge für die Hebe- bzw. Bearbeitungsgebühren des eingeschalteten Gerichtsvollziehers - in voller Höhe bei der Beklagten angelangt sind, und berücksichtigt dabei ferner, dass gemäß § 367 BGB jede Zahlung der Klägerin vorrangig der Tilgung von Kosten und Zinsen diente und dass aus einer Reduzierung der Hauptforderungen u.a. reduzierte Zinsansprüche folgen, ergibt sich eine noch offenen Hauptforderung der Beklagten von 2.744,63 EUR. Nachdem die Beklagte gemäß ihrer Forderungsaufstellung vom 13. Oktober 2005 meint, noch eine Hauptforderung von 3.205,68 EUR zu haben, ergibt sich ein Beschwerdewert von 461,05 EUR.

Wegen der Einzelheiten der Berechnung wird auf die Anlage zu diesem Beschluss verwiesen. Dabei stellen die handschriftlich in die Tabelle eingetragenen Zahlen die Schuldbeträge bei Zugrundelegung des klägerischen Vortrages dar. Soweit keine handschriftlichen Zahlen eingetragen wurden, ist der betreffende Schuldbetrag bei Wahrunterstellung des Vortrages der Beklagten und der Klägerin derselbe. Die Klägerin hat in ihrer - allgemein gehaltenen - Stellungnahme zum Hinweisschreiben des Senats vom 2. September 2008 keine alternative Berechnung vorgetragen.

bb)

Selbst wenn man jede der drei Einwendungspositionen für sich allein betrachten würde, ergäbe sich ein Wert von höchstens 514,42 EUR; zutreffenderweise sogar ein Wert von nur 143,68 EUR. Dabei hat

- die Position (1.) einen Wert von höchstens 370,74 EUR (entspricht der Summe der Nrn. 2 bis 10 in der Forderungsaufstellung vom 13. Oktober 2005). Zutreffenderweise beträgt der Wert jedoch 0,00 EUR, da die Kosten der Vollstreckung aus dem Urteil, gegen das die Vollstreckungsabwehrklage gerichtet ist, auch als "Kosten" im Sinne des o.g. § 4 Abs. 1 2. Hs. ZPO anzusehen sind (ebenfalls wohl: Schneider, Streitwertkommentar, 12. Aufl. 2007, Rdnr. 4042; OLG Köln, OLGR 1994, 236). Dafür spricht u.a., dass gemäß § 788 Abs. 1 Satz 1 2. Hs. ZPO die Vollstreckungskosten den Kosten des Rechtsstreits vollstreckungsrechtlich gleichgesetzt sind;

- die Position (2.) einen Wert von 143,68 EUR (entspricht der Summe der Differenz zwischen den von der Klägerin zu den Nrn. 25, 27, 28, 29, 30, 48 und 49 der Forderungsaufstellung vom 13. Oktober 2005 behaupteten Zahlungen und den von der Beklagten insofern angesetzten Beträgen);

- die Position (3.) einen Wert von 0,00 EUR. Denn Zinsen wirken gemäß § 4 Abs. 1 2. Hs. ZPO nicht streitwerterhöhend (s.o.).

c)

In Abhängigkeit davon, wie der Berufungsantrag der Klägerin auszulegen ist - wozu sich die Klägerin trotz des Hinweisschreibens des Senats vom 2. September 2008 nicht erklärt hat -, folgt aus dem oben Ausgeführten:

aa)

Falls der Berufungsantrag so auszulegen ist, dass nur diejenigen Teile des erstinstanzlichen Urteils angegriffen werden sollen, die in der Berufungsbegründung beanstandet werden, ist die Berufung ohne weiteres mangels Erreichen der Berufungssumme nach § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO unzulässig (zur Anwendung des § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO bei Nichterreichen der Berufungssumme: Heßler in Zöller, ZPO, 27. Aufl. 2009, § 522 Rdnr. 2; Gerken in Wieczorek/Schütze, ZPO, § 511 Rdnr. 51).

bb)

Falls der Berufungsantrag so auszulegen ist, dass das gesamte erstinstanzliche Urteil, soweit mit ihm die Klage abgewiesen wurde, angegriffen werden soll, ist die Berufung hinsichtlich derjenigen Teile, die in der Berufungsbegründung nicht beanstandet werden, mangels Begründung nach § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO unzulässig. Hinsichtlich der übrigen Teile, ist die Berufung mangels Erreichens der Berufungssumme unzulässig. Dabei ist nicht etwa auf den gesamten Wert der Berufung - mit dem die Berufungssumme möglicherweise erreicht wird - abzustellen, sondern nur auf den Wert derjenigen Berufungsteile, die nicht schon mangels Begründung nach § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO zu verwerfen sind. Es ist nämlich in Rechtsprechung und Schrifttum anerkannt, dass das Erreichen der Berufungssumme nicht künstlich dadurch bewirkt werden kann, dass Anträge, die offensichtlich keine Erfolgsaussicht haben, im Berufungsverfahren gestellt werden (vgl. Gerken in Wieczorek/Schütze, ZPO, § 511 Rdnr. 50; Rimmelspacher in Münchener Kommentar zu ZPO, § 511 Rdnr. 49; Hartmann in Lauterbach, ZPO, 66. Aufl. 2008, § 511 Rdnr. 15; allesamt mit Rspr.N.). Hierfür spricht - bezogen auf eine nur teilweise Berufungsbegründung -, dass derjenige Berufungskläger, der in Übereinstimmung mit seiner Berufungsbegründung einen eingeschränkten (unzulässigen) Berufungsantrag stellt, nicht schlechter stehen darf als ein Berufungskläger, der ohne erkennbaren Grund einen mit seiner Berufungsbegründung nicht in Einklang stehenden, weitergehenden Berufungsantrag stellt und auf diese Weise die beschwerdewertbezogenen Zulässigkeit zu bewirken versucht.

2.

Die teilweise Verlustigerklärung der Berufung beruht auf § 516 Abs. 3 ZPO.

Denn der einschränkenden Antrag der Klägerin aus ihrem Schriftsatz vom 30. Mai 2007 war dahin zu verstehen, dass sie die Berufung stillschweigend zurückgenommen hat, soweit diese sich ursprünglich - ausweislich des Schriftsatzes der Klägerin vom 19. Januar 2007 - auch auf die Vollstreckung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 2. Februar 1998 bezog. Die Klägerin hat dem entsprechenden Hinweis des Senats im Schreiben vom 2. September 2008 (zu Buchstabe c.) nicht widersprochen. 3.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 516 Abs. 3 ZPO.

4.

Die Festsetzung des Gebührenstreitwertes beruht auf § 3 ZPO.

Ende der Entscheidung

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