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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 21.08.2008
Aktenzeichen: 2 U 75/07
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 162 Abs. 1
BGB § 199 Abs. 1
Zur Frage der analogen Anwendbarkeit von § 162 Abs. 1 BGB auf den Verjährungsfristanlauf gemäß § 199 Abs. 1 BGB.
Kammergericht Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 2 U 75/07

verkündet am: 21. August 2008

In dem Rechtsstreit

hat der 2. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin-Schöneberg, Elßholzstr. 30-33, 10781 Berlin, auf die mündliche Verhandlung vom 31. Juli 2008 durch den Richter am Kammergericht Dr. Glaßer als Einzelrichter

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Berufung des Klägers wird das am 22. August 2007 verkündete Urteil der Kammer für Handelssachen 105 des Landgerichts Berlin - 105 O 111/06 - wie folgt abgeändert:

Der Beklagte wird verurteilt, an die B Aktiengesellschaft, vertreten durch den Vorstand, dieser vertreten durch den Vorstandsvorsitzenden, Herrn U W , G Straße, H , 28.121,05 EUR nebst Jahreszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 25. März 2006 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits - in beiden Rechtszügen - zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Betrages abzuwenden, wenn nicht vor der Vollstreckung die Klägerin Sicherheit in Höhe von 110%

Gründe:

I.

Der Kläger nimmt den Beklagten weiterhin als Kommanditisten der B KG (im Folgenden: Gemeinschuldnerin) auf Nachschussleistungen in Anspruch. Dabei geht der Kläger im Wege der Prozessstandschaft für die im Urteilstenor zu 1. genannte Bank vor. Zuvor hatte die Gemeinschuldnerin den Anspruch an die B V e.G. abgetreten; diese hatte später den Anspruch an die genannte Bank abgetreten. Wegen der Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den Tatbestand der angegriffenen Entscheidung verwiesen. Die Parteien haben im Wesentlichen ihr tatsächliches Vorbringen aus der ersten Instanz wiederholt. Zu ergänzen ist, dass während des Insolvenzverfahrens Baumaßnahmen in erheblichem Umfang auf der Immobilie der Gemeinschuldnerin stattfanden, um so die Vermietbarkeit der Immobilie zu verbessern. Zu ergänzen ist ferner, dass erstmals mit Schreiben vom 23. Januar 2006 (Anlage K7 zur Klageschrift) bezifferter Nachschuss vom Beklagten verlangt wurde und dass der Kläger mit Schreiben vom 10. März 2006 (Anlage K13 zur Klageschrift) den Beklagten erneut zur Nachschussleistung unter Fristsetzung bis zum 24. März 2006 aufforderte.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen mit der Begründung, die Abtretung des Anspruches von der Gemeinschuldnerin an die B V e.G. sei unwirksam gewesen, - hilfsweise - die Geltendmachung von Nachschusspflichten diene ab dem Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft nicht mehr dem Gesellschaftszweck und sei daher unzulässig und - höchsthilfsweise - die geltend gemachten Ansprüche seien verjährt.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils der Kammer 105 des Landgerichts Berlin vom 22. August 2007 nach der Maßgabe zu entscheiden, dass der Beklagte verurteilt wird, an die B Aktiengesellschaft, vertreten durch den Vorstand, dieser vertreten durch den Vorstandsvorsitzenden, U W , G Straße , H , 28.121,05 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p.a. hieraus seit dem 25. Februar 2006 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Den streitgegenständlichen Anspruch hat der Klägerin zunächst im Mahnverfahren geltend gemacht; der Mahnbescheid ist dem Beklagten am 14. September 2006 zugestellt worden.

II.

1.

Die Klage ist zulässig. Dies gilt aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung insbesondere für die Prozessstandschaft des Klägers.

2.

Die Klage ist auch begründet.

a)

Der Beklagte ist gemäß § 7 Nr. 1 Satz 2 und Nr. 2 des Gesellschaftsvertrages zur Leistung des geltend gemachten Nachschusses verpflichtet.

Zu den zwischen den Parteien in der Berufungsinstanz streitigen Einwendung des Beklagten ist festzustellen:

aa)

Die Abtretung der Gemeinschuldner an die B V e.G. hat der Senat bereits in der Parallelsache 2 U 6/01 - ausweislich des dortigen Terminsprotokolls vom 23. April 2007 - für wirksam erachtet. Dafür sprach u.a., dass der Zweck der Abtretungsvollmacht in § 7 Ziff. 2 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages ("zur Sicherung [der] Darlehensforderung nebst ... Nebenleistungen") sehr weit gefasst ist und "alle Ansprüche der Bank [gegen die Gemeinschuldnerin]" abdeckt. Zudem war zu berücksichtigen, dass die Vertretungsbefugnis der Geschäftsführung einer KG gemäß §§ 116 Abs. 1, 161 Abs. 2 HGB für "gewöhnliche Geschäfte" grundsätzlich unbeschränkt ist. Hiergegen hat der Beklagten - nach dem Hinweisschreiben vom 12. Juni 2008 - keine Einwendungen mehr erhoben.

bb)

Zum Streitpunkt "Wirksamkeit der Geltendmachung der Nachschusspflicht nach Insolvenzeröffnung" dürfte - entgegen der Rechtsansicht des Klägers - die Entscheidung des BGH in NJW 1979, 419 nicht als überholt anzusehen sein (in der gängigen Kommentarliteratur wird sie weiterhin als maßgeblich zitiert: Palandt, BGB, 67. Aufl. 2008, § 707 Rdnr. 3; Soergel, BGB, 2007, § 707 Rdnr. 3; Staudinger, BGB, 13. Bearb. 2003, § 707 Rdnr. 3; Juris-Prixiskommentar, BGB, 3. Aufl. 2006, § 707 Rdnr. 7). Jedoch hat der 23. Zivilsenat des Kammergerichts in der Parallelsache 23 U 42/06 - ausweislich von Ziff. 4 der Entscheidungsgründe des Urteils vom 20.12.2007 - den vorliegenden Gesellschaftsvertrag als erheblich unterschiedlich von demjenigen angesehen, der Gegenstand der genannten Entscheidung des BGH war. Dies hat der 23. Zivilsenat überzeugend damit begründet, dass durch die Festlegung der Voraussetzungen, nach denen die KG die Nachschüsse fordern durfte, in § 7 Nr. 2 des Gesellschaftsvertrages deutlich [wurde], dass ein Vermögensverfall dann unmittelbar bevorstehen würde. Denn sonst wäre die Notwendigkeit, dass andere Mittel zur Begleichung der Verbindlichkeiten nicht zur Verfügung stünden, gar nicht denkbar. Hiergegen hat der Beklagten - nach dem Hinweisschreiben vom 12. Juni 2008 - keine Einwendungen mehr erhoben.

cc)

Der Anspruch ist auch nicht gemäß § 195 BGB verjährt. Denn die Verjährungsfrist beginnt gemäß § 199 Abs. 1 BGB erst mit Ablauf des Jahres des Fälligkeitseintrittes zu laufen (vgl. Palandt, BGB, 67. Aufl. 2008, § 199 Rdnr. 3) und der geltend gemachte Anspruch wurde gemäß § 7 Nr. 2 Satz 1 und 2 des Gesellschaftsvertrages erst in Folge des Schreibens vom 23. Januar 2006 fällig. Die dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB war daher vor Zustellung des Mahnbescheides noch nicht abgelaufen (§ 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB).

Eine ausnahmsweise Vorverlegung des Fälligkeitszeitpunktes analog § 162 Abs. 1 BGB auf das Jahr 2001 findet jedenfalls vorliegend nicht statt. Denn das Zuwarten der Klägers mit der Fälligstellung des Nachschussanspruches bis zum Jahre 2006 verstieß nicht gegen Treu und Glauben. Gemäß § 7 Nr. 2 Satz 3 des Gesellschaftsvertrages durfte die Fälligstellung nämlich nur erfolgen, wenn "Mittel zur Begleichung oder Finanzierung der Verbindlichkeiten [der Gemeinschuldnerin] nicht zur Verfügung [standen]". Ob und ggf. in welcher Höhe dies der Fall war, konnte der Kläger erst nach Veräußerung des erheblichen Berliner Immobilienvermögens der Gemeinschuldnerin im November 2005 ermessen. Denn der Berliner Immobilienmarkt ist seit Jahren erheblich in Bewegung (im fraglichen Zeitraum vor allem fallend). Hinzukommt, dass im fraglichen Zeitraum Baumaßnahmen in erheblichem Umfang auf der Immobilie stattfand, die ihren Wert zusätzlich veränderten. Daher durfte schon einem erfahrenen Immobilienmakler oder Grundstückswertsachverständigen die genaue und belastbare Prognose des Marktwertes der konkreten Immobilie schwer fallen. Von dem Kläger, der als Rechtsanwalt und Insolvenzverwalter beruflich tätig ist, war die Prognose jedenfalls nicht zu erwarten. Auch war es ihm nicht zuzumuten, innerhalb des fraglichen Zeitraums sachverständigen Rat einzuholen. Denn mit der Einholung eines Wertgutachten wären erhebliche Kosten verbunden und es ist nicht zu erkennen, welches besondere Beschleunigungsinteresse der Beklagte an der Wertfeststellung gehabt haben mag, das die Kostenverursachung gerechtfertigt hätte; im Jahre 2002 wird der Beklagte mutmaßlich sogar einverstanden damit gewesen sein, erst vier Jahren später auf Nachschusszahlung in Anspruch genommen zu werden. Auch ist weder zu erkennen, dass der Kläger den Verkauf des Immobilienvermögens sachwidrig hinausgezögert hätte, noch, dass der Beklagte eine schutzwürdige Vermögensdisposition im Vertrauen auf die Nichtfälligstellung des streitgegenständlichen Anspruches vorgenommen hätte.

Offen kann daher bleiben, ob die analoge Anwendung des § 162 BGB in Bezug auf § 199 Abs. 1 BGB generell abzulehnen wäre, so wie dies z.T. in der Kommentarliteratur angenommen wird (vgl. Palandt, BGB, 67. Aufl. 2008, § 199 Rdnr. 6, wonach Ansprüche, die erst mit Rechnungslegung fällig werden, "praktisch unverjährbar" seien und ein Anlauf der Verjährungsfrist ab dem Zeitpunkt der Zulässigkeit der Rechnungslegung ausdrücklich abgelehnt wird).

b)

Der zuerkannt Zinsanspruch folgt aus § 288 Abs. 1 BGB. Zinsen vor dem 25. März 2006 waren nicht zuzusprechen. Denn die Klageforderung ist mit dem Schreiben 23. Januar fällig gestellt worden (s.o.), so dass dieses Schreiben keine nach § 286 Abs. 1 Satz 1 BGB verzugsbegründende Mahnung enthalten kann (vgl. Heinrichs in Palandt, BGB, 67. Aufl. 2008, § 286 Rdnr. 16). Demgemäß wirkte erst das Schreiben vom 10. März 2006 verzugsbegründend.

3.

Die Kostenentscheidungen folgt aus § 91 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 708 Nr. 10, 711 ZPO.

4.

Die Revision war gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht zuzulassen. Denn weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch ist eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes zur Fortbildung des Rechts oder die Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung erforderlich.

Ende der Entscheidung

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