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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 27.07.2006
Aktenzeichen: 2 Verg 5/06
Rechtsgebiete: GWB


Vorschriften:

GWB § 98 Nr. 2
1. Beauftragt ein öffentlicher Auftraggeber ein Gemeinschaftsunternehmen, an dem er selbst zur Hälfte beteiligt ist, ohne Durchführung eines den Anforderungen des Vierten Teils des GWB und der VgV genügenden Vergabeverfahrens mit ausschreibungspflichtigen Dienstleistungen (hier: Facility Management) und will das Gemeinschaftsunternehmen dazu gehörende Teilleistungen (hier: Abfallentsorgung), die als solche dem GWB-Vergaberegime unterfallen, in der Folge nachunternehmerähnlich weiter vergeben, ist es gegenüber einem daran interessierten Unternehmen zur Einhaltung der einschlägigen Bestimmungen über das Vergabeverfahren der VgV und der VOL/A gleichermaßen verpflichtet, wie es der öffentliche Auftraggeber selbst ohne Einschaltung des Gemeinschaftsunternehmens gewesen wäre.

2. Zur Auftraggebereigenschaft einer Messegesellschaft.


Kammergericht

Beschluss

Geschäftsnummer: 2 Verg 5/06

Verkündet am: 27.07.2006

In dem Vergabenachprüfungsverfahren

hat der Vergabesenat des Kammergerichts auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 29. Juni 2006 am 27. Juli 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Dr. Hawickhorst, den Richter am Kammergericht Gröning und die Richterin am Amtsgericht John beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der Vergabekammer des Landes Berlin, 1. Beschlussabteilung, - VK - B 1 - 3/06 vom 10. April 2006 geändert:

Der Antragsgegnerin wird untersagt, Entsorgungsdienstleistungen für die gesamte Abfallentsorgung auf dem Messegelände Berlin, der Deutschlandhalle und des ICC sowie für die Abfallentsorgung bei allen von der M B GmbH in Berlin/Brandenburg durchgeführten Veranstaltungen ohne Ausschreibungsverfahren nach Maßgabe des Vierten Teils des GWB und der VgV zu vergeben.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Nachprüfungsverfahrens beider Instanzen zu tragen. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten seitens der Antragstellerin im Verfahren vor der Vergabekammer wird für notwendig erklärt.

Der Beschwerdewert wird auf 64.960,- Euro festgesetzt.

Gründe:

A.

Die Beteiligten streiten darum, ob die Antragstellerin verlangen kann, dass die Antragsgegnerin, die C F GmbH & Co KG (im Folgenden: CFG), ein Gemeinschaftsunternehmen, an dem die M B GmbH zur Hälfte neben einem Konsortium von privaten Unternehmen beteiligt ist, Entsorgungsleistungen im Bereich der von der M B GmbH bewirtschafteten Liegenschaften und Veranstaltungen nicht ohne Durchführung eines den Regelungen des Vierten Teils des GWB und der VgV genügenden Vergabeverfahrens vergeben darf.

Die Geschäftsanteile der M B GmbH werden zu 99,7 % vom Land Berlin gehalten. Satzungsgemäßer Gegenstand des Unternehmens ist das Veranstalten, Durchführen und Betreuen von Messen, Ausstellungen, Kongressen und Tagungen, Sport- und Unterhaltungsveranstaltungen zur Stärkung des Messeplatzes Berlin im In- und Ausland sowie die Teilnahme an Veranstaltungen dieser Art und alle mit derartigen Geschäften zusammenhängende Aktivitäten. Die Gesellschaft hat unter Beachtung erwerbswirtschaftlicher Grundsätze zu arbeiten.

Im Dezember 2004 schlossen das Land Berlin und die M B GmbH eine so genannte Grundlagenvereinbarung, in der Rechte und Pflichten des Landes Berlin und der M B GmbH geregelt wurden. Die Grundlagenvereinbarung enthält unter anderem folgende Erklärungen und Regelungen:

Der Umsatz der MB GmbH soll von Mio. € im Jahr 2003 auf Mio. € im Jahr 2008 steigen. Das Konzernergebnis soll sich spätestens im Jahr 2008 positiv darstellen. Die MB GmbH zahlt an das Land Berlin jährlich einen Pachtzins in Höhe von Mio. € (netto) für das Messegelände und erhält vom Land für Wartung und Instandhaltung von landeseigenen Grundstücken und Gebäuden einschließlich ICC einen pauschalen Ausgleich in Höhe von Mio. € (netto).

Die M B stellt die Deutschlandhalle wie bisher auch weiterhin für den Eissport zur Verfügung. Bis zum Jahr 2008 sind keine Neubauten erforderlich.

Die M B erhält für die Vorbereitung und Durchführung der Internationalen Luft- und Raumfahrtausstellung (ILA) im Jahr 2006 zum letzten Mal Zuschüsse des Landes Berlin, danach nicht mehr.

Damit diese Geschäftsziele erreicht werden können, stellt das Land im laufenden und im kommenden Jahr insgesamt Mio. € zur Stärkung der Kapitalbasis zur Verfügung. Diese Summe wird mit der bereits 2003 erfolgten Zahlung in Höhe von Mio. € verrechnet. Der verbleibende Betrag von Mio. € wird der M B in 2004 und 2005 zu je Mio. € zur Verfügung gestellt.

Die Geschäftsführung der MB GmbH berichtet vierteljährlich über die Erreichung ihrer Geschäftsziele, an der sich auch ihre Vergütung orientieren wird.

Durch einen am 30. September 2001 geschlossenen Geschäftsbesorgungsvertrag (Akten der VK Bl. 453 ff.) hat die MB GmbH die Rechtsvorgängerin der CFG, die CF GmbH, deren gesamtes Stammkapital die M B GmbH hielt, mit der Erbringung von Dienstleistungen für die technische und infrastrukturelle Betreuung der Liegenschaften des Messebetriebs (F Management) ab Anfang Oktober 2001 beauftragt. Diese Leistungen hatte zuvor die M B GmbH selbst erbracht oder Dritte damit beauftragt. Die CFG ist nach dem Geschäftsbesorgungsvertrag zur Beauftragung von Subunternehmern berechtigt.

Durch notarielle Vereinbarung vom 24. Dezember 2001 schufen die M B GmbH und die FMP (F M Partner) GbR die gesellschaftsvertraglichen Voraussetzungen zur Umwandlung der C F GmbH in eine Kommanditgesellschaft. An der FMP sind je zur Hälfte die H FM GmbH und die GGebäudeservice GmbH beteiligt. Die FMP hatte sich zunächst als atypisch stille Gesellschafterin an der CF GmbH beteiligt und in diesem Zusammenhang u. a. ihre Kommanditeinlage aufgebraucht. Das Kommanditkapital der CFG von € wird je zur Hälfte von der M B GmbH und der FMP GbR gehalten. Über die Geschäftsanteile der Komplementär-GmbH der CFG verfügen je zur Hälfte die FMP und die CSG GmbH , deren Stammkapital wiederum allein bei der M B GmbH liegt. Diese hat die beiden an FMP beteiligten Unternehmen im Rahmen eines Wettbewerbs ausgewählt, der nicht die Voraussetzungen einer Ausschreibung nach dem Vierten Teil des GWB und der VgV erfüllte.

Am 24. Dezember 2001 wurde auch der Geschäftsbesorgungsvertrag zwischen der M B GmbH und der CFG in seiner bestehenden Fassung aufgehoben und neu gefasst.

Durch Vertrag vom 10. Juli 2002 hatte die CFG die Rechtsvorgängerin der Antragstellerin mit Wirkung von Anfang Juli 2002 mit der Abfallentsorgung auf dem Gelände der M B, der Deutschlandhalle und des ICC sowie bei allen von der MB GmbH in Berlin/Brandenburg durchgeführten Veranstaltungen beauftragt. Dieser Auftrag, dessen vertragliche Laufzeit bei einem jährlichen Nettovolumen von nicht unter € bis zum Jahresende 2007 mit zweijähriger Verlängerungsoption vorgesehen war, war ebenfalls nicht gemeinschaftsweit ausgeschrieben worden. Diesen Vertrag hat die CFG nach vorangegangenen Abmahnungen mit Schreiben vom 30. Januar 2006 fristlos zum Ablauf des 8. Februar 2006 gekündigt. Seither beauftragt die Antragsgegnerin ein anderes Privatunternehmen interimsweise und einzelveranstaltungsbezogen mit der Durchführung der notwendigen Entsorgungsleistungen; sie plant allerdings die längerfristige Vergabe dieser Leistungen innerhalb eines Rahmenvertrages.

Die Antragstellerin hat vor der Vergabekammer einen gegen die CFG und die M B GmbH gemeinsam gerichteten Nachprüfungsantrag eingereicht und beantragt, es diesen Antragsgegnerinnen zu untersagen, Entsorgungsdienstleistungen für die gesamte Abfallentsorgung auf dem Messegelände Berlin, der Deutschlandhalle sowie des ICC sowie für die Abfallentsorgung bei allen von der M B GmbH in Berlin/Brandenburg durchgeführten Veranstaltungen ohne Ausschreibungsverfahren zu vergeben.

Die Vergabekammer hat, einer Anregung der CFG folgend, die Verfahren gegen die beiden Antragsgegnerinnen getrennt und den Nachprüfungsantrag gegen beide Unternehmen zurückgewiesen. Soweit es die CFG betrifft, beruht die Entscheidung darauf, dass die Vergabekammer deren Auftraggebereigenschaft (§ 98 GWB) verneint hat. Die Kammer hat die Ansicht vertreten, es könne dahingestellt bleiben, ob die M B GmbH als öffentlicher Auftraggeber einzustufen sei, da die CFG auch dann mit Blick auf die nur hälftige Beteiligung der Messegesellschaft am Kommanditkapital sowie an den Geschäftsanteilen der Komplementärin und auch sonst nicht überwiegend von einem öffentlichen Auftraggeber finanziert würde und im Übrigen auch nicht unternehmerisch überwiegend beherrscht wird.

Mit ihrer sofortigen Beschwerde, deren Zurückweisung die Antragsgegnerin beantragt, verfolgt die Antragstellerin ihr erstinstanzliches Begehren in der Hauptsache weiter.

B.

Die zulässige, form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist begründet. Die Antragsgegnerin ist verpflichtet, die hier interessierenden Entsorgungsleistungen, die bei Beachtung erwerbswirtschaftlicher Grundsätze nicht auf Dauer interimsweise, sondern nur in zeitlichen Einheiten in Auftrag gegeben werden können, bei denen der einschlägige Schwellenwert überschritten wird, nicht ohne Einhaltung der Bestimmungen über die Vergabeverfahren nach dem Vierten Teil des GWB und der VgV zu vergeben.

I.

1. Die Entscheidung des Streitfalls hängt ausschließlich von der Beantwortung der Frage ab, ob die fraglichen Leistungen von einem öffentlichen Auftraggeber vergeben werden. Das ist bei der gebotenen wertenden und die gesamten Umstände des Sachverhalts einbeziehenden Betrachtung zu bejahen. Die Rechtsauffassung der Vergabekammer, dafür allein auf die gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse bei der CFG selbst abzustellen, greift vor dem Hintergrund der Verflechtungen zwischen der M B GmbH und der CFG und der von diesen Unternehmen eingegangenen Leistungsbeziehungen sowie mit Blick auf die Schutzzwecke und Ziele des Vergaberechts zu kurz. Es kommt für die Frage der Auftraggebereigenschaft nicht darauf an, ob die CFG selbst mit Blick auf die nur hälftige Beteiligung der M BGmbH die Voraussetzungen aus § 98 Nr. 2 GWB erfüllt. Vielmehr ist es vergaberechtlich geboten, für die Auftraggebereigenschaft die M B GmbH in den Blick zu nehmen und auf sie abzustellen. Dieses Unternehmen erfüllt die an den Auftraggeberbegriff zu stellenden Voraussetzungen, insbesondere das in diesem Zusammenhang allein streitige Merkmal der Zwecksetzung, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nichtgewerblicher Art zu erfüllen (vgl. nachstehend unter II.4.). Die CFG muss sich dies in Bezug auf die hier interessierenden Entsorgungsleistungen zurechnen und sich vergaberechtlich so behandeln lassen, als wäre sie selbst öffentlicher Auftraggeber.

2. Beauftragt ein öffentlicher Auftraggeber ein Gemeinschaftsunternehmen, an dem er selbst zur Hälfte beteiligt ist, ohne Durchführung eines den Anforderungen des Vierten Teils des GWB und der VgV genügenden Vergabeverfahrens mit ausschreibungspflichtigen Dienstleistungen (hier: Übertragung des F M durch den modifizierten Geschäftsbesorgungsvertrag) und will das Gemeinschaftsunternehmen dazu gehörende Teilleistungen (hier: Abfallentsorgung), die als solche dem GWB-Vergaberegime unterfallen, in der Folge nachunternehmerähnlich weiter vergeben, ist es gegenüber einem daran interessierten Unternehmen zur Einhaltung der einschlägigen Bestimmungen über das Vergabeverfahren der VgV und der VOL/A gleichermaßen verpflichtet, wie es der öffentliche Auftraggeber selbst ohne Einschaltung des Gemeinschaftsunternehmens gewesen wäre. Andernfalls könnten die Vergabestellen die Bindungen des Vergaberechts durch Gründung von Tochtergesellschaften mit Eigenbeteiligungen von beispielsweise, wie hier, 50 % umgehen. Das aber wäre mit der Rechtsprechung des EuGH nicht vereinbar, derzufolge ein öffentlicher Auftraggeber einen als solchen dem Vergaberecht unterliegenden Auftrag an eine andere juristische Person ohne Vergabewettbewerb nur dann vergeben kann, wenn er diese Gesellschaft beherrscht, wie eine eigene Dienststelle (vgl. EuGH NZBau 2000, 90 - Teckal; NZBau 2005, 111 VergabeR 2005, 44 - Stadt Halle; vgl. auch EuGH NZBau 205, 704 = VergabeR 2006, 47 - Stadt Mödling). Eine solche Dominanz kann die M B GmbH im Verhältnis zur FMP und deren Gesellschaftern nicht für sich in Anspruch nehmen. Nachdem im Zuge der Umwandlung der CFG in eine Kommanditgesellschaft private Gesellschafter zur Hälfte an der CFG beteiligt wurden, unterlag die - zeitgleiche - Beauftragung der Kommanditgesellschaft mit der weiteren Durchführung des Geschäftsbesorgungsvertrages deshalb vergaberechtlichen Restriktionen, die nicht beachtet wurden. Deshalb ist es - gleichsam als vergaberechtliche "Schadensbegrenzung" - angezeigt, dass aus dem Komplex des F-Mzumindest die anstehende Neuvergabe der Entsorgungsleistungen in Übereinstimmung mit dem Vierten Teil des GWB und der VgV durchgeführt wird. Deswegen geht die Antragsgegnerin auch in ihrer im Wege des Gegenschlusses zu der Entscheidung des EuGH vom 18. November 2004 - Rs. C-126/03 (VergabeR 2005, 57) entwickelten Annahme fehl, bei diesem Auftrag handle es sich, da die CFG selbst die Voraussetzungen an den Auftraggeberbegriff nicht erfülle, nicht um einen öffentlichen Auftrag i. S. v. § 99 GWB. Im Übrigen wäre dieser Gegenschluss auch nicht tragfähig, weil sich aus der herangezogenen Entscheidung nur ergibt, dass ein seinerseits von einem öffentlichen Auftraggeber beauftragter öffentlicher Auftraggeber Vergaberecht dann verletzt, wenn er ein zur Erfüllung von Teilleistungen aus dem übernommenen Auftrag eingeschaltetes Unternehmen nicht vergaberechtskonform auswählt.

Hiernach sind auch die von der Antragsgegnerin unter dem Aspekt der "Popularklage" (Gliederungspunkt III. des Schriftsatzes vom 13. Juli 2006) vorgebrachten Angriffe gegen die Antragsbefugnis der Antragstellerin, die nur an der Erbringung der Entsorgungsleistungen, nicht aber am gesamten F-M interessiert ist, nicht zielführend.

II.

Die M B GmbH erfüllt die Voraussetzungen an den Auftraggeberbegriff in § 98 Nr. 2 GWB, weil sie jedenfalls gegenwärtig eine ganz überwiegend von einer Gebietskörperschaft finanzierte juristische Person des Privatrechts ist, die zu dem Zweck gegründet wurde, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nicht gewerblicher Art zu erfüllen.

1. Nach der Rechtsprechung des EuGH stellen im Allgemeinen Aufgaben, die zum einen auf andere Art als durch das Angebot von Waren oder Dienstleistungen erfüllt werden und die zum anderen der Staat aus Gründen des Allgemeininteresses selbst erfüllen oder bei denen er einen entscheidenden Einfluss behalten möchte, in der Regel im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nicht gewerblicher Art dar (vgl. z. B. EuGH EuZW 1999, 16 - Arnheim; VergabeR 2003, 296 - Adolf Truley; VergabeR 2003, 420 - Korhonen; VergabeR 2004, 182 - SIEPSA). Das Vorliegen eines entwickelten Wettbewerbs und insbesondere der Umstand, dass die jeweils interessierende Einrichtung auf dem betreffenden Markt im Wettbewerb steht, bedeutet aber nicht zwingend, sondern nur indiziell, dass es sich nicht um eine im Allgemeininteresse liegende Aufgabe nicht gewerblicher Art handelt (EUGH EuZW 1999, 16 ff. Tz. 49 - Arnheim; Vergaberecht 2003, 302 f. Tz. 61 - Adolf Truley). Ob eine im Allgemeininteresse liegende Aufgabe gewerblicher oder nicht gewerblicher Art vorliegt, ist unter Berücksichtigung aller erheblichen rechtlichen und tatsächlichen Umstände, unter anderem der Umstände, die zur Gründung der betreffenden Einrichtung geführt haben, und der Voraussetzungen, unter denen sie ihre Tätigkeit ausübt, zu beurteilen, wobei insbesondere das Fehlen von Wettbewerb auf dem Markt, das Fehlen einer grundsätzlichen Gewinnerzielungsabsicht, das Fehlen der mit der Übernahme der Tätigkeit verbundenen Risiken und die etwaige Finanzierung der Tätigkeit aus öffentlichen Mitteln zu berücksichtigen sind (vgl. EUGH aaO Vergaberecht 2003, 303 Tz. 66; Vergaberecht 2003, 424 Tz. 48 und 59; VergabeR 2004, 187 Tz. 81).

2. Die Ausrichtung von Messen, Ausstellungen und vergleichbaren Vorhaben ist zwar, wie der EuGH entschieden hat, eine wirtschaftliche Tätigkeit, die darin besteht, Dienstleistungen auf dem Markt anzubieten (EuGH VergabeR 2001, 281, 285 Tz. 39 - Agorà und Excelsior) und die Veranstalter betätigen sich dabei in einem wettbewerblich geprägten Umfeld (EuGH aaO Tz. 42). In diesem die M Messe betreffenden Fall hat der Gerichtshof indes nicht abstrakt und allgemein verbindlich die Frage entschieden, dass der - im Allgemeininteresse liegende (EuGH aaO Tz. 33) - Betrieb von Messe- bzw. Ausstellungsgesellschaften generell gewerblicher Art ist, sondern der EuGH ist auf der Grundlage des ihm vom nationalen Gericht im Vorlagebeschluss unterbreiteten Sachverhalts zu dem Ergebnis gekommen, dass die M Messe das wirtschaftliche Risiko ihrer Tätigkeit trägt und dass ihre Tätigkeit deshalb als gewerblich anzusehen ist.

3. Ob es sich im Falle anderer Messeveranstaltungsgesellschaften genauso verhält, ist in jedem einzelnen Fall auf Grund der jeweiligen Umstände zu entscheiden (vgl. etwa Eschenbruch in: Kulartz/Kus/Portz, Komm. zum GWB-Vergaberecht § 98 Rn. 237 f.).

Auf die M B GmbH trifft zwar, wie auf die M Messe zu, dass sie ihre Dienstleistungen marktmäßig anbietet und in einem wettbewerblich geprägten Umfeld tätig wird. Das steht bei der nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs vorzunehmenden Gesamtschau (oben unter II. 2. a) einer Einordnung als öffentlicher Auftraggeber nicht entgegen, die hier auch zu erfolgen hat, weil das Gewicht der wettbewerblichen Aspekte insgesamt hinter wettbewerbsuntypischen Aspekten, namentlich dem fehlenden Risiko für die eigene unternehmerische Betätigung zurückbleibt.

4. Die MB GmbH ist öffentlicher Auftraggeber, weil sich das Land Berlin dieses von ihm mit 99,7 % der Geschäftsanteile beherrschten Unternehmens aus Gründen des Allgemeininteresses bedient und seine Existenz durch Zuwendungen beständig finanziert, um den Geschäftsbetrieb der Messegesellschaft unabhängig von der betriebswirtschaftlichen Rentabilität des Unternehmens sicherzustellen. Das eigene Interesse des Landes als Gebietskörperschaft an der Aufrechterhaltung und Förderung des Messebetriebs dürfte, ohne dass dies abschließend festgestellt werden müsste, damit zusammenhängen, dass Messen, Kongresse und ähnliche Veranstaltungen wie auch Hauptversammlungen großer Aktiengesellschaften insgesamt als Wirtschaftsfaktor Impulse für das Wirtschaftsleben der Stadt setzen können, die über den unmittelbaren Leistungsaustausch bei den einzelnen Veranstaltungen weit hinaus gehen und dem Land gerade wegen dieses übergreifenden Effektes die Übernahme von Verantwortung nahe legen. Der Betrieb der Messegesellschaft dient deshalb generell der Förderung der Wirtschaft in Berlin, was sich im Übrigen auch in der Satzung der M B GmbH widerspiegelt. Dort ist ausdrücklich von dem Zweck der Stärkung des Messeplatzes Berlin im In- und Ausland die Rede. Deshalb muss die Landesregierung auch daran interessiert sein, auf die Geschäftstätigkeit der MB GmbH einen entscheidenden Einfluss zu behalten.

a) Nicht streitentscheidend zu Gunsten der Antragsgegnerin fällt, abgesehen von dem bereits erwähnten Marktbezug und wettbewerblichen Umfeld, in dem die M B GmbH ihre Tätigkeit erbringt, ins Gewicht, dass das Unternehmen satzungsgemäß unter Beachtung erwerbswirtschaftlicher Grundsätze zu arbeiten hat. Diese Satzungsbestimmung hat nur programmatischen Charakter. Ihr kann im Rahmen der durchzuführenden Gesamtwürdigung ebenso wenig ausschlaggebende Bedeutung beigemessen werden, wie dem Umstand, dass in § 1 der Grundlagenvereinbarung vom Dezember 2004 das Ziel der Gewinnerzielung als eines der zentralen Geschäftsziele der Gesellschaft definiert ist, weil nicht ersichtlich ist, dass aus der Verfehlung jemals die letzte Konsequenz, nämlich die Insolvenz zugelassen würde.

Soweit es die Perspektive der tatsächlichen Gewinnerwirtschaftung anbelangt, ist im Übrigen Folgendes zu bemerken: Nach § 1 der Grundlagenvereinbarung soll spätestens im Jahre 2008 ein nachhaltig positives Ergebnis (nach Abschreibungen, außerordentlichen Aufwendungen sowie Zinsen und außerordentlichen Erträgen) erreicht werden. Dazu ist allerdings offenbar - ebenfalls nach § 1 der Grundlagenvereinbarung - eine Steigerung des Konzernumsatzes bis zum Jahre 2008 um Millionen Euro auf Millionen Euro erforderlich. Der Senat hat bereits in der mündlichen Verhandlung zu bedenken gegeben, dass es in Anbetracht der seit langem chronisch krisenhaften wirtschaftlichen Situation der M B GmbH fraglich erscheint, ob diese Zielvorgaben tatsächlich erfüllen werden können. Soweit die Antragsgegnerin hierzu in ihrem nachgelassenen Schriftsatz vom 13. Juli 2006 ausführt, die Messegesellschaft habe in den Jahren 1999-2002 einen positiven Gesamtsaldo von rund Millionen Euro erwirtschaftet, lässt sich dies aus den dazu vorgelegten Konzern-GuV der betreffenden Jahre nicht nachvollziehen. Aus den darin mitgeteilten gerundeten Jahresergebnissen ergibt sich vielmehr allenfalls ein Saldo von Euro. Dieser positive Saldo beruht allerdings darauf, dass das Jahresergebnis nicht, wie offenbar tatsächlich erwirtschaftet, mit gerundeten - Millionen Euro verbucht worden ist, sondern - auf Grund von nicht näher erläuterten Umbuchungen lediglich mit rund -Euro. Ohne diese Umbuchungen wäre der sich aus den GuV ergebende Saldo der Jahresergebnisse mit einem Betrag von Euro negativ:

GuV Konzern (TEUR, ger.)

1999

2000

2001

2002

Saldo

Unabhängig davon, bemerkt der Senat, dass die reinen Daten der Gewinn- und Verlustrechnung ohnehin nur einen nicht repräsentativen Einblick in die tatsächliche Ertragslage eines Unternehmens gewähren. Entscheidend für die Frage der Gewinnerzielung seitens der MB GmbH wäre der Ausweis von Bilanzgewinnen, d.h. der Teile des Jahresüberschusses, der tatsächlich zur Ausschüttung freigegeben wird (vgl. § 158 Abs. 1 Nr. 5 AktG und zum Ganzen Wöhe, Die Handels- und Steuerbilanz, 5. Aufl. Seite 128 f.).

b) Ausschlaggebend dafür, die M B GmbH als öffentlicher Auftraggeber anzusehen, kommt hinzu, dass sie nicht das wirtschaftliche Risiko für ihre geschäftliche Betätigung trägt, so wie es ein von Privaten finanziertes Unternehmen zu tragen hätte und dass sie in diesem Zusammenhang vom Land in Wahrnehmung öffentlicher Interessen finanziell unterstützt wird.

aa) Die engen wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen dem Land und der Messegesellschaft beruhen nicht nur auf der Position des Landes als des Hauptgesellschafters, sondern vorab auch darauf, dass das Land Eigentümer und Verpächter der Liegenschaften ist, auf denen die Messegesellschaft ihre geschäftliche Tätigkeit ausübt und ihre Dienstleistungen anbietet. Die wirtschaftliche Förderung, die das Land der Messegesellschaft auf dieser Grundlage zuteil werden lässt, findet ihren Niederschlag beispielsweise darin, dass das Land der M B GmbH von den Millionen € betragenden Kosten für den Neubau des Südeingangs zum Messegelände Mio. € erstattet hat. Diese Neubaumaßnahme fiel nicht mehr in den Pflichtenkreis des Verpächters zur Erhaltung der Pachtsache in einem vertragsgemäßen Zustand (§ 581 Abs. 2 i.V.m. § 535 Abs. 1 BGB), sondern darin artikuliert sich die Übernahme von Verantwortung durch das Land für den Messebetrieb als übergreifenden Wirtschaftsfaktor zum Wohle der gesamten Stadt. Soweit die Antragsgegnerin diese Kostenerstattung als eine Ausgleich von Vorteilen darzustellen versucht, die dem Land Berlin als Eigentümer des Messegeländes und Eigentümer des errichteten Gebäudes zu Gute kamen, steht dies in Widerspruch zu dem Umstand, dass das Gebäude wirtschaftlich der Messe Berlin GmbH zugerechnet und in ihrer Bilanz ausgewiesen wird. Diese handels- und steuerbilanzrechtliche Handhabung wird auch der Sache gerecht, weil der Nutzwert der Baumaßnahme allein durch den Messebetrieb definiert ist und unmittelbar der M B GmbH zugute kommt. Soweit die Antragsgegnerin es als Nachteil der M B GmbH beklagt, dass diese die Baumaßnahmen aus eigenen Mitteln vorfinanzieren musste und sie lediglich im Nachhinein anteilig erstattet bekam und dass ihr infolge der Vorfinanzierung Mittel für die Finanzierung einer von einer Unternehmensberatung vorgeschlagenen Wachstumsstrategie fehlten, so zeigt dies nur, dass es für die Messegesellschaft so selbstverständlich wie unverzichtbar ist, vom Land Zuwendungen zu erhalten, um im Messe- und Veranstaltungsgeschäft wettbewerbsfähig zu bleiben. Mit solchen Hilfen könnte ein privater Betreiber unter marktüblichen Bedingungen gerade nicht rechnen.

bb) Weitere erhebliche finanzielle Unterstützung erhält die M B GmbH durch die in der Grundlagenvereinbarung zugesagten Zuwendungen des Landes zur Einstellung in die Kapitalrücklage von jeweils Millionen Euro in den Jahren 2004 und 2005. Auch hierin zeigt sich das Eigeninteresse des Landes an der Aufrechterhaltung der Liquidität und Geschäftstätigkeit der Messe Berlin.

cc) Mittelbar dasselbe gilt für den durch die Grundlagenvereinbarung neu auf jährlich Mio. € netto festgesetzten Pachtzins. Nach dem zweiten Nachtrag zum Pachtvertrag vom 23. Juni 1997 hatte der Sockelbetrag für das gesamte Gelände im Jahre 2001 bei Millionen Euro netto gelegen; nach dem Pachtvertrag kam aber noch eine variable Pacht hinzu, die sich bis einschließlich 1998 auf 1 Prozent der Umsatzerlöse belaufen hatte.

dd) Dass sich Landesinteressen und Geschäftsbetrieb der Messegesellschaft schon in der Vergangenheit überlagert haben, zeigt auch die Regelung in § 3 Abs. 5 des ursprünglichen Pachtvertrages, wonach das Land als Verpächter die Aufwendungen für die veranstaltungsunabhängigen Aufwendungen des gepachteten Vermögens mit Ausnahme des Bereichs Messegelände (sogenannte Grundlast) übernommen hat. Solche Aufwendungen treffen unter regulären Vertragsbedingungen den Pächter, der, ertragswirtschaftliche Gesichtspunkte ernst genommen, von der Übernahme der Verpflichtung zur (weiteren) Bewirtschaftung einer Einrichtung wie der Deutschlandhalle oder vielleicht auch des ICC Abstand hätte nehmen müssen. Aus der Übernahme dieser Verpflichtung durch das Land resultierten erhebliche Leistungen zu Gunsten der Messegesellschaft für die Grundlast, und zwar im Jahre 1999 über rund DM; 2000: €; 2001: € und 2002: € (jeweils brutto).

ee) Nach der Grundlagenvereinbarung erstattet das Land als Verpächter der M B GmbH für die Wartung und Instandhaltung der verpachteten Grundstücke und Gebäude einschließlich des ICC ab 2004 bis einschließlich 2008 eine Pauschale in Höhe von jährlich Mio. € netto. Die Antragsgegnerin trägt dazu nunmehr vor, insgesamt seien etwa im Jahre 2005 Wartungs- und Instandhaltungskosten für das Gelände in Höhe von rund Mio. € angefallen, so dass sich selbst ohne Berücksichtigung des Pachtzinses ein "Verlust" der M B GmbH aus der Bewirtschaftung des Messegeländes mit Gebäuden von rund Millionen Euro allein im Jahre 2005 ergeben habe. Der zum Beweis vorgelegte Auszug aus dem Jahresabschluss der M B GmbH lässt zwar nicht, jedenfalls nicht ohne weiteres, den Schluss zu, dass die behaupteten Aufwendungen der Sache nach deckungsgleich mit den Wartungs- und Instandhaltungskosten sind, auf die die Pauschale von Mio. € entfällt. Vielmehr schließen die angegebenen Zahlen offenbar die Grundlast ("GL") ein, deren Erstattung gemäß dem ursprünglichen Pachtvertrag nach der Grundlagenvereinbarung von Dezember 2004 indes unberührt zu bleiben scheint. Außerdem ist eine Position eingerechnet, die als Direktkosten "techn.erneu.projekte" bezeichnet ist, die im Jahre 2004 mit € und 2005 mit € zu Buche geschlagen war und von der nicht ersichtlich ist, dass sie in den pauschal als Wartungs- und Instandhaltungskosten zu erstattenden Betrag fällt.

Aber selbst wenn schon die reine Wartungs- und Instandhaltungspauschale den tatsächlichen Aufwand dauerhaft und in erheblichen Umfang unterschreiten sollte - was nach einem Bericht der Senatsverwaltung für Wirtschaft vom 16. August 2003 Seiten 7 und 8 (Anlage 21 zum Schriftsatz der Antragstellerin vom 19. Juni 2006) gar nicht ausgeschlossen erscheint, wäre dies keineswegs ein Indiz dafür, dass die M BGmbH sich üblichen Wettbewerbsbedingungen zu stellen hätte. Sollten die regelmäßigen Instandhaltungs- und Wartungskosten dauerhaft deutlich über dem pauschalen Erstattungsbetrag liegen und gleichwohl von der M B GmbH zu tragen sein, hieße das, dass das Land Berlin als Verpächter (und Hauptgesellschafter des Pächters) Kosten in erheblichem Umfang auf den Pächter übergewälzt hätte, die nach der gesetzlichen Regelung (§ 581 Abs. 2 i.V.m. § 535 Abs. 1 BGB) an sich Ersteren als Instandhaltungs- und Wartungspflichtigen treffen würden. Darin läge nicht nur eine zivilrechtlich fragwürdige Vertragspraxis, sondern dies stünde vor allem auch in eklatantem Widerspruch zu der erklärten Zielsetzung der Grundlagenvereinbarung, die, eine Gesundung der M B GmbH anstrebt und, wie bereits ausgeführt, bis spätestens 2008 auf ein positives Konzernergebnis hinaus will. Es ist deshalb, sofern mit der Pauschale von Mio. € jährlich Wartungs- und Instandhaltungskosten abgegolten werden sollten, die regelmäßig weitaus teurer sind, dennoch nicht anzunehmen, dass die Messegesellschaft dafür keine Kompensation erhält. Wenn diese Divergenz zwischen pauschaliertem Erstattungsbetrag und tatsächlichem Aufwand schon zur Zeit des Abschlusses der Grundlagenvereinbarung absehbar gewesen und der Pauschalbetrag dennoch nicht korrigiert worden sein sollte, mag dies etwa temporären haushaltsrechtlichen Zwängen geschuldet und stillschweigend mit der Erwartung verbunden gewesen sein, dass auflaufende Fehlbeträge anderweitig kompensiert werden.

ff) Insgesamt ist nach den gesamten Umständen auch sonst nicht anzunehmen, dass die M BGmbH einem echten Insolvenzrisiko ausgesetzt ist. Zwar ist eine Verpflichtung des Landes Berlin als des Hauptgesellschafters bei Abwendung der Insolvenz naturgemäß nicht im Gesellschaftsvertrag oder sonst vertraglich festgelegt. Das Land Berlin kann den Messebetrieb jedoch auf Grund der übergeordneten wirtschaftlichen Interessen an dessen Erhalt nicht einfach stilllegen und die Messegesellschaft in die Insolvenz gehen lassen.

Dass Privatisierungsmöglichkeiten in der Vergangenheit geprüft wurden, ist in diesem Zusammenhang kein tragfähiges Anzeichen für fehlende Nichtgewerblichkeit. In dem Bericht der Senatsverwaltung für Wirtschaft vom 16. August 2003 ist ausgeführt, dass die Privatisierung der Messegesellschaft vor dem Hintergrund der aktuellen Marktsituation und der Renditechancen nur geringe Aussicht auf Erfolg hat. Der Verkauf an einen Finanzinvestor war nach Einschätzung der eingeschalteten Unternehmensberatung auf Grund der seinerzeitigen Situation im Investorenmarkt sowie auf Grund der unzureichenden Renditechancen und des Fehlens einer attraktiven "Exit-Strategie" als eher verhalten eingeschätzt worden und der Verkauf an einen strategischen Investor barg erhebliche Risiken, weil dieser keine langfristige Zusicherung für den Erhalt der Leitmessen am Standort Berlin geben würde. Deshalb hat sich das Land Berlin ausweislich des genannten Berichts zur Wahrung der Chancen des Messe- und Kongressstandortes Berlin entschlossen, die Entwicklungsmöglichkeiten für die M B GmbH auch weiterhin in öffentlicher Eigentümerschaft voranzutreiben. Darin zeigt sich abermals die Identifikation des Landes mit dem Betrieb der M B GmbH. Der von der Antragsgegnerin in diesem Zusammenhang vertretenen Auffassung, als Eigentümer des Messegeländes drohe dem Land Berlin bei einer Insolvenz der M BGmbH nicht das Ende des Messewesens in der Hauptstadt; vielmehr stünde es dem Land frei, eine neue Messegesellschaft zu gründen, vermag der Senat deshalb ebenso wenig näher zu treten, wie es praktikabel erscheint, das Messegelände Messeveranstaltern zur Durchführung einzelner Veranstaltungen oder für einen längeren Zeitraum zu überlassen.

Die von der Antragsgegnerin aufgeworfene Frage, ob die Anwendung des Vergaberechts auf die von einer Messegesellschaft zu erbringenden Dienstleistungen überhaupt sinnvoll und sachgerecht sein kann, stellt sich nicht, weil es vergaberechtlich nicht um die von der Messegesellschaft angebotenen, sondern um die von ihr nachgefragten Dienst-, Bau- oder Lieferleistungen geht.

Soweit die Antragsgegnerin auf die Beiladung der M B GmbH dringt, ist sie daran zu erinnern, dass sie selbst die Trennung des gegen sie und die M B GmbH einheitlich eingeleiteten Nachprüfungsverfahrens angeregt hat. Die vorliegende Entscheidung betrifft i. S. v. § 109 GWB nur die Antragsgegnerin; die M B GmbH hatte im Übrigen im Parallelverfahren in beiden Instanzen, insbesondere auch in der gemeinsam durchgeführten mündlichen Verhandlung vor dem Senat Gelegenheit, sich zu der Frage ihrer Auftraggebereigenschaft zu äußern und konnte die Antragsgegnerin darüber hinaus im vorliegenden Verfahren als ihre Gesellschafterin instruieren.

Die vergaberechtliche Konsequenz ist nach alledem, die M B GmbH selbst als öffentlichen Auftraggeber anzusehen, ohne dass Veranlassung bestünde, das Verfahren auszusetzen und den EuGH im Wege der Vorabentscheidung mit der Frage der Nichtgewerblichkeit zu befassen. Der Gerichtshof hat die Kriterien für die Beurteilung der Frage, ob eine im Allgemeininteresse liegende Aufgabe gewerblicher oder nicht gewerblicher Art ist, in mehreren Entscheidungen herausgearbeitet (siehe oben B.II.1.) und gibt es regelmäßig den nationalen Gerichte auf, unter Berücksichtigung aller erheblichen rechtlichen und tatsächlichen Umstände, unter anderem der Umstände, die zur Gründung der betreffenden Einrichtung geführt haben, und der Voraussetzungen, unter denen sie ihre Tätigkeit ausübt, zu beurteilen, ob eine derartige Aufgabe vorliegt (vgl. EUGH aaO Vergaberecht 2003, 303 Tz. 65; Vergaberecht 2003, 424 Tz. 56). Der Senat kann deshalb das nationale Recht dahin anwenden, dass allein der Umstand, dass die M B GmbH ihre Dienstleistungen zwar, wie ausgeführt, marktmäßig anbietet und in einem wettbewerblich geprägten Umfeld tätig wird, in Anbetracht der vorstehend eingehend dargelegten gegenteiligen Faktoren nicht zur Verneinung der Nichtgewerblichkeit ausreicht. Eine Verletzung der zum Schutz der Bieter erlassenen Vergabebestimmungen des Gemeinschaftsrechts liegt darin nicht.

III.

Die Antragstellerin ist mit ihrem Nachprüfungsantrag unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt präkludiert. Die Antragsgegnerin macht insoweit geltend, die Antragstellerin sei nicht gegen die Beauftragung der Antragsgegnerin durch die M B GmbH (im Geschäftsbesorgungsvertrag von 2001) vorgegangen und habe sich vor allem selbst ohne Ausschreibungsverfahren in ein Vertragsverhältnis zur Antragsgegnerin begeben. Für die Präklusion im Sinne von § 107 Abs. 3 GWB kommt es nicht auf vorangegangene Vergabeakte an, sondern allein auf die hier interessierende Neuvergabe. Dass die Antragstellerin insoweit mit Rügen präkludiert wäre, behauptet die Antragsgegnerin selbst nicht. Ihr früheres Verhalten kann, worauf der Senat bereits in der mündlichen Verhandlung hingewiesen hat, allenfalls unter Treuwidrigkeits- oder Missbrauchsaspekten Berücksichtigung finden (vgl. KG VergabeR 2005, 236, 237). Dafür reicht es allerdings nicht aus, wenn der jeweilige Antragsteller früher vom Unterlassen einer Ausschreibung profitiert hat und auch eine erneute Auftragsvergabe an sich selbst ohne weiteres hingenommen hätte (KG aaO).

Die Antragsgegnerin sieht bei einer der Beschwerde stattgebenden Entscheidung ferner die Gefahr einer dauerhaften Rechtsunsicherheit für abgeschlossene Verträge, weil jeder Marktteilnehmer zu jedem beliebigen Zeitpunkt die Unwirksamkeit von Verträgen wegen angeblicher Verstöße gegen des Vergaberecht einwenden könnte. Inwieweit damit allgemein vergaberechtlich berechtigten Bedenken Ausdruck verliehen wird, mag dahinstehen; im Streitfall kommt es auf die Frage der Unwirksamkeit eines geschlossenen Vertrages nicht an und die Antragstellerin begehrt auch nur die Einhaltung des Vergaberechts bei zukünftigen Ausschreibungen.

Die Ausführungen der Antragsgegnerin zu unbedachten Konsequenzen und unzumutbaren Erkundungspflichten lassen unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt eine abweichende Beurteilung als angezeigt erscheinen, zumal eine Kompensation der Folgen nicht im Verjhältnis zu dem jeweiligen Anbieter, sondern zwischen dem öffentlichen Auftraggeber und seinem Vertragspartner zu suchen sein dürfte.

Der sofortigen Beschwerde war daher stattzugeben. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, § 128 Abs. 3 und 4 GWB sowie § 80 VwVfG analog.



Ende der Entscheidung

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