Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 02.04.2009
Aktenzeichen: 2 W 134/08
Rechtsgebiete: RVG, RVG-VV


Vorschriften:

RVG Vorbem 3 Abs. 4
RVG-VV Nr. 3100
Nach Vorbem. 3 Abs. 4 zu Nr. 3100 RVG-VV ist die Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr anzurechnen, nicht aber umgekehrt die Verfahrensgebühr auf die Geschäftsgebühr. In diesem Zusammenhang haben die Beauftragung des Rechtsanwaltes zur vorprozessualen presserechtlichen Abmahnung des Gegners und die Beauftragung zur Geltendmachung des presserechtlichen Anspruches im einstweiligen Verfügungsverfahren denselben Gegenstand.
Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 2 W 134/08

02.04.2009

In dem Rechtsstreit

hat der 2. Zivilsenat des Kammergerichts am 2. April 2009 durch den Richter am Kammergericht Dr. Glaßer als Einzelrichter beschlossen:

Tenor:

1. Der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Berlin vom 23. Mai 2008 Geschz.: 27 O 431/08 - wird geändert und wie folgt neu gefasst:

Die nach dem Beschluss des Landgerichts Berlin vom 29. April 2008 von der Antragsgegnerin an die Antragstellerin zu erstattenden Kosten werden auf 409,43 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21. Mai 2008 festgesetzt.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Beschwerdegegnerin zu tragen.

3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 505,16 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin hatte die Antragsgegnerin vorprozessual wegen einer beanstandeten Bildberichterstattung abgemahnt. Sie ließ sich dabei von ihren späteren Prozessbevollmächtigten vertreten. Hierfür stellten die Prozessbevollmächtigten mit Honorarnote vom 20. Mai 2008 eine 1,5 Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 VV-RVG nach einem Gegenstandswert von 15.000 EUR in Rechnung. Allerdings rechneten sie im Hinblick auf Vorbem. 3 Abs. 4 zu Nr. 3100 VV-RVG einen Teil der später nach Nr. 3100 VV-RVG entstandenen Verfahrensgebühr auf die Geschäftsgebühr an und machten demgemäß nur einen Teil der Geschäftsgebühr in der Honorarnote geltend. Die Antragstellerin nahm die Antragsgegnerin sodann im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes auf Unterlassung der Bildberichterstattung in Anspruch. Das Landgericht Berlin gab dem Antrag mit Beschluss vom 29. April 2008 statt, auferlegte der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens und setzte den Verfahrenswert auf 15.000 EUR fest. Ferner setzte es mit Beschluss vom 23. Mai 2008, der Antragsgegnerin am 3. Juni 2008 zugestellt, die zu erstattenden Kosten auf 914,59 € fest. Dieser Betrag schloss u.a. eine ungekürzte 1,3 Verfahrensgebühr der Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin nach Nr. 3100 VV-RVG ein. Gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer am 17. Juni 2008 bei Gericht eingereichten sofortigen Beschwerde. Zur Begründung macht sie geltend, die Verfahrensgebühr sei gemäß Vorbem. 3 Abs. 4 zu Nr. 3100 VV-RVG wegen der vorprozessual entstandenen Geschäftsgebühr zu kürzen. Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 16. Juli 2008 nicht abgeholfen und die Sache dem Kammergericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

1.

Die sofortige Beschwerde ist nach § 11 Abs. 1 RPflG, §§ 567 Abs. 1 Nr. 1, 104 Abs. 3, 567 Abs. 2, 569 ZPO zulässig; über sie hat nach § 568 Satz 1 und 2 ZPO der Einzelrichter zu entscheiden.

2.

Die sofortige Beschwerde hat in der Sache Erfolg, denn die von der Antragstellerin geltend gemachte Verfahrensgebühr war gemäß Vorbem. 3 Abs. 4 zu Nr. 3100 VV-RVG um die Hälfte der angefallenen Geschäftsgebühr zu kürzen.

a)

Nach Vorbem. 3 Abs. 4 zu Nr. 3100 VV-RVG ist die Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr anzurechnen, nicht aber umgekehrt die Verfahrensgebühr auf die Geschäftsgebühr. Dies haben mehrere Senate des Bundesgerichtshof jüngst wiederholt ausgesprochen (vgl. nur BGH, NJW 2008, 1323; BGH, RVGReport 2008, 470) und der erkennende Senat hat sich dieser Rechtsprechung angeschlossen (vgl. Senat, Beschl. vom 11. Dezember 2008 - 2 W 222/08). Zur Begründung ist im Wesentlichen auf den insofern eindeutigen Wortlaut der Vorbem. 3 Abs. 4 zu Nr. 3100 VV-RVG zu verweisen.

b)

Die Geschäftsgebühr ist in Höhe von 1,5 Gebühreneinheiten, d.h. in Höhe von 1.013,31 EUR - einschl. 19% Mehrwertsteuer -, entstanden. Denn durch Vorlage der Honorarnote vom 20. Mai 2008 ist hinreichend nachgewiesen, dass die Antragstellerin die Prozessbevollmächtigten für ihr vorprozessuales Vorgehen in dem erforderlichem Umfange beauftragt hatte. Ferner ist die Geschäftsgebühr in der genannten Höhe gemäß Vorbem. 3 Abs. 4 zu Nr. 3100 VV-RVG anrechnungsfähig. Denn nach dieser Vorschrift ist ausreichend, dass der Anspruch auf die Geschäftsgebühr entstanden ist. Ob die Prozessbevollmächtigten die Geschäftsgebühr - vollständig - in ihrer Honorarnote geltend machen, ist ohne Belang.

c)

Schließlich hat die Anrechnung auch nicht aus dem vom Landgericht angeführten Grund zu unterbleiben, wonach das vorprozessuale Tätigwerden auf die Bereinigung der Hauptsache bezogen sei weshalb die Geschäftsgebühr allenfalls auf eine im Hauptsacherechtstreit entstandenen Gebühr anzurechnen sei, nicht aber auf eine im einstweiligen Rechtsschutzverfahren entstandenen Gebühr. Dies hat der Senat ebenfalls bereits entschieden (Senat, Beschl. vom 11. Dezember 2008 - 2 W 222/08). Denn die vorprozessuale Abmahnung und das Verfügungsverfahren haben denselben Gegenstand im Sinne des Gebührenrechts (ebenso OLG München, WRP 1982, 542, zu § 118 Abs. 2 BRAGO). Zwar hat die Abmahnung die Funktion, eine Streitbeilegung in der Hauptsache ohne Inanspruchnahme der Gerichte zu erreichen. Sie soll aber zugleich die Möglichkeit ausschließen, dass der Gegner den gerichtlich geltend gemachten Anspruch mit der Kostenfolge des § 93 ZPO anerkennt (BGH, Beschluss vom 6.12.2007 - I ZB 16/07, NJW 2008, 2040). Insoweit bereitet die Abmahnung zumindest auch ein mögliches einstweiliges Verfügungsverfahren vor. Zudem ist der Grundgedanke der Vorbem. 3 Abs. 4 zu Nr. 3100 VV-RVG, dass die vom Rechtsanwalt geleistete Vorarbeit in dem anschließenden Gerichtsverfahren verwertet wird (BGH, Beschluss vom 22.01.2008 - VIII ZB 57/07 -, NJW 2008, 1323, Rdnr. 11 zit. nach Juris). Dies trifft auch auf das Verfügungsverfahren zu (ebenso OLG Hamburg, WRP 1981, 470, 472, zu § 118 Abs. 2 BRAGO; OLG Frankfurt, RVGReport, 2008, 314).

d)

Nach Vorstehendem ergibt sich folgende Berechnung:

 festgesetzte Kosten gemäß dem Beschluss des Landgerichts vom 23. Mai 2008914,59 EUR
0,75 Geschäftsgebühr aus 15.000 EUR, zzgl. 19% MwSt (Vorbem. 3 Abs. 4 VV-RVG)./. 505,16 EUR
 409,43 EUR

3.

Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

4.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens entsprach gemäß § 3 ZPO demjenigen Bruttobetrag, den das Landgericht entgegen der Rechtsauffassung der Beschwerdeführerin nicht angerechnet hat.

5.

Die Rechtsbeschwerde war gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 und 3 ZPO nicht zuzulassen.

Zwar wird die Vorbem. 3 Abs. 4 zu Nr. 3100 VV-RVG in der obergerichtlichen Rechtsprechung z.T. weiterhin anderes ausgelegt als hier - vgl. oben Ziff. 2.a) - vertreten (KG, 1. Zivilsenat, Beschl. v. 31.3.2008 - 1 W 111/08, AGS 2008, 216). In Anbetracht der insoweit eindeutigen Positionierung des Bundesgerichtshofes erscheint es jedoch nicht erforderlich, zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Rechtsbeschwerde zuzulassen.

Ferner wurde in der obergerichtlichen Rechtsprechung zwar z.T. abweichend von oben - Ziff. 2.c) - die Auffassung vertreten, dass das Abmahnschreiben und ein späteres Abschlussschreiben eine einheitliche Angelegenheit darstelle, für die der Rechtsanwalt nur eine Geschäftsgebühr geltend machen könne, welche auf die Gebühren des Hauptsacheverfahrens zu verrechnen sei (KG, 9. Zivilsenat, Urteil vom 13.6.2006 - 9 U 251/05, AfP 2006, 369). Jedoch hat sich der Bundesgerichtshof mittlerweile der hier vertretenen, gegenteiligen Auffassung angeschlossen (BGH, Urteil vom 4. März 2008 - VI ZR 176/07, NJW 2008, 1744; BGH, Beschl. v. 2. Oktober 2008 - I ZB 30/08, RVGReport 2008, 470).

Ende der Entscheidung

Zurück