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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 04.09.2007
Aktenzeichen: 2 W 151/07
Rechtsgebiete: ZPO, RPflG, BGB, UStG, GmbHG


Vorschriften:

ZPO § 104 Abs. 2 Satz 3
ZPO § 104 Abs. 3
ZPO § 104 Abs. 3 Satz 1
ZPO § 567 Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 567 Abs. 2
ZPO § 568 Satz 1
ZPO § 568 Satz 2
ZPO § 569
ZPO § 572 Abs. 1 Satz 1
ZPO § 767
RPflG § 11 Abs. 1
BGB § 812
UStG § 2 Abs. 1 Satz 1
UStG § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2
UStG § 15 Abs. 1 Satz 1
GmbHG § 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 2 W 151/07

In dem Rechtsstreit

hat der 2. Zivilsenat des Kammergerichts am 4. September 2007 durch den Richter am Kammergericht Dr. Glaßer als Einzelrichter beschlossen:

Tenor:

1. Die sofortige Beschwerde gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Berlin vom 20. Juni 2007 - Geschz.: 6 O 118/07 - wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Beschwerdeführer.

3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 253,65 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Das als "Beschwerde" bezeichnete Rechtsmittel des Beschwerdeführers vom 6. Juli 2007 richtete sich dagegen, dass das Landgericht in seinem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 20. Juni 2007 u.a. die Umsatzsteuer auf das von der Klägerin an ihren Prozessbevollmächtigten zu zahlende Anwaltshonorar - 253,65 EUR - berücksichtigt. Die Beschwerdegegnerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung. In ihrem Kostenfestsetzungsantrag vom 13. Juni 2007 hat sie angegeben, nicht vorsteuerabzugsberechtigt zu sein. Der Beschwerdeführer behauptet demgegenüber, "die Klägerin [sei] als Gesellschaft mit beschränkter Haftung vorsteuerabzugsberechtigt"; näheres trägt er hierzu nicht vor; Beweis tritt er nicht an. Das Landgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie durch Verfügung vom 27. August 2007 (Bl. 125R d.A.) dem Kammergericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

1.

Das Beschwerdegericht ist zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde befugt.

Zwar ist die Nichtabhilfe- und Vorlageentscheidung des Landgerichts gemäß § 572 Abs. 1 Satz 1 ZPO insofern verfahrensfehlerhaft als diese Entscheidung durch schlichte Verfügung - vom 27. August 2007 (Bl. 125R d.A.) - getroffen wurde. Dass die Nichtabhilfe- und Vorlageentscheidung durch Beschluss zu ergehen hat, entspricht der ganz herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur (OLG Stuttgart MDR 2003 110 [111]; OLG Koblenz Rpfleger 1978, 104 [105], zur Nichtabhilfe und Vorlage nach § 11 RPflG a.F.; Lipp in Münchener Kommentar zur ZPO, 3. Aufl. 2007, § 572 Rdnr. 10; Gummer in Zöller, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 572 Rdnr. 10; Hartmann in Baubach/Lauterbach, ZPO, 65. Aufl. 2007, § 572 Rdnr. 8; Grunsky in Stein/Jonas, ZPO, 21. Aufl. 1994, § 571 a.F. Rdnr. 4 und 6). Dieser Auffassung hat sich der Senat in einer kürzlich ergangenen Entscheidung angeschlossen (KG, Beschl. vom 30. August 2007 - 2 W 148/07). Für sie spricht vor allem, dass bei sofortigen Beschwerden gegen Entscheidungen von Kollegialspruchkörpern der gesamte Spruchkörper - durch Beschluss - über die Nichtabhilfe und Vorlage entscheiden soll, nicht aber etwa nur sein Vorsitzender durch Verfügung. § 572 Abs. 1 Satz 1 ZPO enthält keinen Anhaltspunkt dafür, dass das Nichtabhilfeverfahren je nach Zusammensetzung der Einheit des Ausgangsgerichts, die für die angefochtene Entscheidung zuständig ist - sei es als Kollegium, sei es als eine mit einem einzelnen Richter bzw. Rechtspfleger besetzte Einheit -, unterschiedlich ausgestaltet ist. Im Übrigen ist es in aller Regel angemessen und für den weiteren Verlauf des Beschwerdeverfahrens zweckmäßig, wenn das Ausgangsgericht den Parteien Kenntnis von seiner Nichtabhilfe, d.h. insbesondere von den der Nichtabhilfe zu Grunde liegenden Erwägungen, und von der Vorlage der sofortigen Beschwerde an das Beschwerdegericht gibt. Eine solche Kenntnisgabe ist im Falle des Erlasses eines Beschlusses, anders als bei einer schlichten Verfügung, eine natürliche verfahrensrechtliche Folge.

Der Mangel des Vorlageverfahrens führt jedoch nicht zu einer Unwirksamkeit der Nichtabhilfe- und Vorlageentscheidung. Die durch bloße Verfügung bewirkte Nichtabhilfe und Vorlage hat daher einen Devolutiveffekt und lässt das Beschwerdeverfahren beim Beschwerdegericht anhängig werden. Das Beschwerdegericht ist folglich auch bei mangelhaftem Abhilfeverfahren zur Entscheidung über die Beschwerde befugt (ebenso: OLG Stuttgart, a.a.O.; KG, a.a.O.; Lipp in Münchener Kommentar zur ZPO, 3. Aufl. 2007, § 572 Rdnr. 14). Von seiner gleichwohl bestehenden Befugnis, die Sache an das Ausgangsgericht zur ordnungsgemäßen Bescheidung zurückzuverweisen (ebenso: OLG Stuttgart, a.a.O.; KG, a.a.O.; Lipp in Münchener Kommentar zur ZPO, a.a.O.), macht der Senat vorliegend keinen Gebrauch.

2.

Das als "Beschwerde" bezeichnete Rechtsmittel ist als "sofortige Beschwerde" im Sinne von § 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO auszulegen. Denn gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss findet allein dieses Rechtsmittel statt; das Rechtsmittel der einfachen "Beschwerde" gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss ist dem Recht unbekannt.

3.

Die sofortige Beschwerde ist nach § 11 Abs. 1 RPflG, §§ 567 Abs. 1 Nr. 1, 104 Abs. 3, 567 Abs. 2, 569 ZPO zulässig; über sie hat nach § 568 Satz 1 und 2 ZPO der Einzelrichter zu entscheiden.

4.

In der Sache hat das Landgericht die Umsatzsteuer zu Recht berücksichtigt.

Denn nach § 104 Abs. 2 Satz 3 ZPO genügt zur Berücksichtigung von Umsatzsteuerbeträgen im Kostenfestsetzungsverfahren, dass der Antragsteller erklärt, er könne die Beträge nicht als Vorsteuer abziehen. Er braucht seine Erklärung nicht glaubhaft zu machen oder sonst irgendwie zu bekräftigen (Hartmann in Baumbach/Lauterbach, ZPO, 65. Aufl. 2007, § 104 Rdnr. 40). Die Richtigkeit der Erklärung ist im Kostenfestsetzungsverfahren grundsätzlich nicht zu überprüfen, um dieses Verfahren nicht mit schwierigen Fragen des materiellen Umsatzsteuerrechtes zu belasten (BVerfG NJW 1996, 382 [383]; Senat vom 18. April 2006, JurBüro 2006, 373 [373]; OLG Düsseldorf, Rpfleger 2004, 184 [184]; OLG Saarbrücken, MDR 1999, 60 [61]). Gegen eine Festsetzung von Umsatzsteuer, die auf Grund einer unrichtigen Erklärung vorgenommen wurde, kann sich der Vollstreckungsschuldner ggf. durch eine auf § 767 ZPO oder § 812 BGB gestützte Klage schützen (Belz in Münchener Kommentar zur ZPO, 2. Aufl. 2000, § 104 Rdnr. 9, m.Rspr.N.). Das - vor dem Richter mit grundsätzlich zwingender mündlichen Verhandlung durchzuführende - Verfahren über derartige Rechtsbehelfe ist besser geeignet, schwierige umsatzsteuerrechtliche Fragen zu klären als das - vor dem Rechtspfleger im grundsätzlich schriftlichen Verfahren durchzuführende - Kostenfestsetzungsverfahren.

Eine Ausnahme von § 104 Abs. 2 Satz 3 ZPO lässt die Rechtsprechung allerdings dann zu, wenn die Richtigkeit der Erklärung des Antragstellers durch entsprechenden, vom Antragsgegner zu erbringenden Beweis bereits entkräftet ist oder sich die offensichtliche Unrichtigkeit der Erklärung aus anderen, dem Gericht bekannten Umständen zweifelsfrei ergibt (BGH NJW 2003, 1534 [1534]; Senat vom 18. April 2006, JurBüro 2006, 373 [373]; OLG Düsseldorf, JurBüro 2005, 369 [369]; OLG Düsseldorf, Rpfleger 2004, 184 [184]). Eine früher in der Rechtsprechung vertretene, weitergehende Auffassung, wonach detaillierter und überzeugender Sachvortrag des Antragsgegners, zu dem sich der Antragsteller nicht geäußert hat (so OLG Hamburg, MDR 1998, 1249 [1250]; dagegen aber schon damals u.a.: OLG Saarbrücken, MDR 1999, 60 [61]; Belz in Münchener Kommentar zur ZPO, a.a.O.), genügt, kann seit der genannten Entscheidung des BGH (a.a.O.) als überholt gelten.

Die Voraussetzungen für das Eingreifen einer der genannten Ausnahmen von § 104 Abs. 2 Satz 3 ZPO sind vorliegend nicht zu bejahen. Insbesondere ist aus der bloßen Tatsache, dass die Beschwerdegegnerin eine juristische Person in Form einer GmbH ist, nicht zweifelsfrei auf deren Vorsteuerabzugsberechtigung geschlossen werden (ebenso OLG Düsseldorf Rpfleger 2004, 184 [184]). Denn vorsteuerabzugsberechtigt ist nach § 15 Abs. 1 Satz 1 UStG nur ein "Unternehmer". Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG ist "Unternehmer", wer "eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt". Zwar wird im Falle einer GmbH vermutet, dass die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG vorliegen (vgl. Schmidt-Leithoff in Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 4. Aufl. 2002, Einl. Rdnr. 99). Diese Vermutung ist jedoch widerlegbar (vgl. Schmidt-Leithoff in Rowedder/Schmidt-Leithoff, a.a.O.). Denn beide Tatbestandsvoraussetzungen des § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG können im Falle der GmbH ausfallen. So ist die Errichtung einer GmbH gemäß § 1 GmbHG "zu jedem gesetzlich zulässigen Zweck" möglich. Damit können derartige Gesellschaften auch rein ideelle, d.h. nicht "gewerbliche oder berufliche" Zwecke verfolgen (P. Ulmer in Ulmer/Habersack/Winter, GmbH, 2005, § 1 Rdnr. 33 ff.; Roth in Altmeppen/Roth, GmbHG, 5. Aufl. 2005, § 1 Rdnr. 11 f.). Zudem sieht § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UStG ausdrücklich vor, dass eine juristische Person nicht "selbständig" tätig ist, wenn sie in das Unternehmer eines Organträgers eingegliedert ist. Aus der Rechtsform der GmbH lässt sich daher nicht ohne weiteres auf deren umsatzsteuerrechliche Unternehmereigenschaft schließen (OLG Düsseldorf, a.a.O.; Schmidt-Leithoff in Rowedder/Schmidt-Leithoff, a.a.O.).

5.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

6.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens entsprach demjenigen Betrag, den das Landgericht an Umsatzsteuer berücksichtigt hatte. Denn allein hiergegen richtete sich das Rechtsmittel des Beschwerdeführers.

Ende der Entscheidung

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