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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 12.02.2007
Aktenzeichen: 2 Ws 98/07
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 56f Abs. 2
Eine bestimmte Frist, innerhalb derer eine Widerrufsentscheidung ergehen muss und nach deren Ablauf der Widerruf unzulässig wäre, gibt es nicht. Nach Ablauf der Bewährungszeit ist ein Widerruf indes nicht unbegrenzt möglich. Er hat vielmehr zu unterbleiben, wenn aus Gründen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes des Verurteilten eine solche Entscheidung nicht mehr vertretbar ist.
Geschäftsnummer: 2 Ws 98/07

In der Strafsache gegen

wegen gefährlicher Körperverletzung u. a.

hat der 2. Strafsenat des Kammergerichts in Berlin am 12. Februar 2007 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluß des Landgerichts Berlin vom 4. September 2006 wird aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen (§ 473 Abs. 1 Satz 1 StPO).

Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine andere Beurteilung.

Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin hat dazu ausgeführt:

"Das Landgericht Berlin hat zu Recht die Voraussetzungen des § 56 f Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB für den Widerruf der Strafaussetzung angenommen. Der Beschwerdeführer hat während der Bewährungszeit zwei neue Straftaten begangen. Dadurch hat er gezeigt, dass sich die der Strafaussetzung zugrundeliegende Erwartung, er werde keine Straftaten mehr begehen, nicht erfüllt hat. Die Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten - mit jeweils Einzelstrafen von einem Jahr und zwei Monaten sowie vier Monaten - zeigt auch, dass es sich um Straftaten von einigem Gewicht handelt, die den Widerruf der Strafaussetzung rechtfertigen (vgl. KG, Beschluss vom 21. Januar 2003 - 5 Ws 31/03 -). Für den Widerruf wäre es rechtlich ohne Bedeutung, dass - wie die Beschwerde behauptet - zwischen der früheren und den neuen Straftaten kein kriminologischer Zusammenhang besteht (vgl. KG, Beschlüsse vom 28. Juli 2006 - 5 Ws 433/06 - und vom 7. Oktober 1998 - 5 Ws 559/98 - ; Tröndle/Fischer, StGB 54. Aufl., § 56 f Rdnr. 8 a); vielmehr rechtfertigt jede Straftat von einigem Gewicht den Widerruf der Strafaussetzung (vgl. KG, Beschlüsse vom 14. März 2002 - 5 Ws 122/02 - und vom 16. Mai 2001 -5 Ws 257/01 -; OLG Koblenz VRs 48, 263, 265). Dass die vorliegenden Straftaten von einigem Gewicht sind, ergibt sich schon aus der Art und der Höhe der verhängten Einzelstrafen.

Mildere Maßnahmen nach § 56 f Abs. 2 StGB als der Widerruf genügen als ausreichende Reaktion auf das Fehlverhalten des Verurteilten nicht. Durch sie könnte nach ständiger Rechtsprechung des Kammergerichts dem neuerlichen Versagen nur dann angemessen begegnet werden, wenn nunmehr objektiv eine durch neue Tatsachen belegte hohe Wahrscheinlichkeit dafür bestünde, dass der Beschwerdeführer in Zukunft keine Straftaten mehr begehen wird (vgl. KG, Beschlüsse vom 23. Juni 2006 - 5 Ws 215/06 - und vom 11. April 2006 - 5 Ws 204/06 -). An derartigen Tatsachen fehlt es vorliegend. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer sich wegen der zum Widerruf Anlass bietenden Straftaten zum ersten Mal - seit dem 24. November 2006 - in Strafhaft befindet, rechtfertigt keine milderen Maßnahmen. Das Landgericht hat in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hingewiesen, dass der Verurteilte sich schon deshalb nicht auf die Wirkung der derzeit vollstreckten Freiheitsstrafe berufen könne, da die annähernd vier Monate vollstreckte Untersuchungshaft im Jahre 2004 ihn nicht davon abhalten konnte, erneut straffällig zu werden. Was die Beschwerde jetzt zur stabilisierenden Wirkung der familiären Verhältnisse anführt, hatte bereits das Landgericht in seinem Urteil vom 30. Juni 2004 bei der Frage der Strafaussetzung zur Bewährung als prognostisch günstig zugrundegelegt. Der Beschwerdeführer hat die darauf gestützte Erwartung künftiger Straffreiheit enttäuscht und kurze Zeit nach der Geburt seines zweiten Kindes erneut zwei Straftaten begangen. Es ist deshalb sachlich nicht zu rechtfertigen, mit den familiären Umständen erneut eine günstige Prognose zu begründen. Abgesehen davon, dass Nachteile für Familienangehörige eine regelmäßige Folge der Inhaftierung sind, lässt auch der verständliche Wunsch des Verurteilten, für seine Familie zu sorgen, bei - wie hier - im Übrigen fehlenden günstigen Tatsachen eine günstige Legalprognose nicht zu (vgl. KG, Beschluss vom 15. Juni 2005 - 5 Ws 285/05 -; std. Rspr.).

Dem Widerruf steht schließlich nicht der Ablauf der Bewährungszeit am 21. August 2006 entgegen. Der Widerruf ist auch nach Ablauf der Bewährungszeit grundsätzlich zulässig. Eine bestimmte Frist, innerhalb derer die Widerrufsentscheidung ergehen muss und nach deren Ablauf der Widerruf unzulässig wäre, gibt es nicht. Er ist indes nicht unbegrenzt möglich, hat vielmehr zu unterbleiben, wenn aus Gründen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes des Verurteilten eine solche Entscheidung nicht mehr vertretbar ist (vgl. KG, Beschlüsse vom 12. Mai 2006 - 5 Ws 274/06 - und vom 9. November 2005 - 5 Ws 534/05 -; std. Rspr.). Hier konnte unter keinem denkbaren Umstand ein Vertrauenstatbestand bei dem Verurteilten entstehen, da zwischen dem Ablauf der Bewährungszeit und der Widerrufsentscheidung lediglich zwei Wochen lagen und der Beschwerdeführer noch vor Ablauf der Bewährungszeit von dem von der Staatsanwaltschaft beantragten Widerruf der Strafaussetzung in Kenntnis gesetzt worden war."

Diese Ausführungen treffen zu und begründen die Verwerfung des Rechtsmittels. Auf das im Hinblick auf die Verurteilung vom 4. April 2006 eingestellte Strafverfahren (250 Ds) 6 Ju Js 1975/04 (575/05) wegen uneidlicher Falschaussage in Tateinheit mit versuchter Strafvereitelung, begangen am 7. September 2004, also nur etwa zwei Monate nach dem Urteil vom 30. Juni 2004, kommt es deshalb nicht mehr an.

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