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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 13.11.2003
Aktenzeichen: 20 U 111/02
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 286
BGB § 847
BGB § 847 Abs. 1
BGB § 823 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Kammergericht Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 20 U 111/02

verkündet am: 13.11.2003

In dem Rechtsstreit

hat der 20. Zivilsenat des Kammergerichts auf die mündliche Verhandlung vom 13. November 2003 durch seine Richter Budde, Baldszuhn und Balschun für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 18.4.2002 verkündete Urteil der Zivilkammer 6 des Landgerichts Berlin teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:

1. Der Beklagte zu 3. wird verurteilt, an den Kläger 800,00 EUR zu zahlen.

2. Die Beklagten zu 1. und zu 2. werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 8.000,00 EUR zu zahlen.

3. Es wird festgestellt, dass die Beklagten zu 1. und 2. als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger künftig entstehende immaterielle und materielle Schäden, die ihm durch die fehlerhafte Behandlung in der Zeit vom 12.4.1996 bis 24.5.1996 entstehen werden, zu ersetzen, bezüglich der materiellen Schäden jedoch nur soweit, wie die Ansprüche nicht auf andere Sozialversicherungsträger übergehen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Gerichtskosten des ersten Rechtszuges fallen dem Kläger 30 %, den Beklagten zu 1. und zu 2. als Gesamtschuldner 67 % und dem Beklagten zu 3. 3 % zur Last; hinsichtlich des ersten Rechtszuges trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers der Beklagte zu 3. zu 3 % und die Beklagten zu 1. und 2. als Gesamtschuldner zu 67 %, die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 3. trägt der Kläger zu 91 %, im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst. Die Kosten des zweiten Rechtszuges haben die Beklagten zu 1. und 2. zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt von den Beklagten als Gesamtschuldner die Zahlung von Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 15.000,00 DM sowie die Feststellung der Ersatzpflicht für künftige immaterielle und materielle Schäden wegen der Folgen der in der Zeit vom 12.4.1996 bis 24.5.1996 erfolgten Behandlung der durch einen Reitunfall verursachten Verletzungen an der Wirbelsäule.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens erster Instanz, der dort gestellten Anträge und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht hat durch am 18.4.2002 verkündetes Urteil den Beklagten zu 3. zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 800,00 EUR verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.

Der Kläger wendet sich mit der rechtzeitigen Berufung gegen die Abweisung der Klage gegen die Beklagten zu 1. und 2..

Er macht geltend, dass das Landgericht verkannt habe, dass der Beklagte zu 1. als Unfallarzt bei dem geschilderten Unfallhergang (Sturz vom Pferd auf den Kopf) als typische Folge eine Densfraktur hätte in Betracht ziehen und in jedem Fall ausschließen müssen. Anhand der Karteikarte hätte dem Beklagten zu 1. auffallen müssen, dass weder Röntgenkontrollaufnahmen noch Schicht- oder Funktionsaufnahmen veranlasst worden seien. Er hätte sich die Röntgenaufnahmen näher ansehen und die Bruchlinie erkennen oder Kontrollaufnahmen durchführen lassen müssen. Auf die Voruntersuchungen hätte sich der Beklagte zu 2. (gemeint ist wohl der Beklagte zu 1.) wegen der horizontalen Arbeitsteilung nicht verlassen dürfen. Er hätte klar erkennen können, welche notwendigen Untersuchungen noch nicht stattgefunden hätten.

Auch der Beklagte zu 1. (gemeint ist wohl der Beklagte zu 2.) hätte zuerst eine Densfraktur ausschließen müssen.

Das Landgericht habe zu Unrecht bei der Frage der Kausalität des Behandlungsfehlers für das Nichtausheilen des Bruches den für das "praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit" verneint. Der Sachverständige habe bei dem hier vorliegenden Frakturtyp Anderson III nach einer Behandlung durch einen Halo-Fixateur eine knöcherne Heilung erwartet, die Gefahr der Entwicklung einer Pseudarthrose hätte unter 5 % gelegen.

Es habe auch ein schwerer Behandlungsfehler, der zu einer Bewelslastumkehr führe, vorgelegen weil die Beklagten erforderliche Untersuchungen unterlassen hätten. Sie hätten nach zarten Bruchlinien und Konturunterbrechungen der Knochenstruktur auf den Röntgenbildern suchen müssen. Sei ein sicherer Befund nicht möglich gewesen, hätten die Beklagten Röntgenschicht- und Funktionsaufnahmen veranlassen müssen, da mit diesen Untersuchungsverfahren in aller Regel der Nachweis oder Ausschluss einer Fraktur des Zahnfortsatzes im 2. Halswirbel gelinge.

Der Kläger beantragt,

1. in Abänderung des am 18.4.2002 verkündeten Urteils des Landgerichts Berlin, Az. 6 O f 249/00, die Beklagten zu 1. und 2. als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen;

2. festzustellen, dass die Beklagten zu 1. und 2. als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger künftig entstehende immaterielle und materielle Schäden, die ihm durch die fehlerhafte Behandlung in der Zeit vom 12.4.1996 bis 24.5.1996 entstehen werden, zu ersetzen, bezüglich der materiellen Schäden jedoch nur soweit, wie die Ansprüche nicht auf andere Sozialversicherungsträger übergehen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie sind der Auffassung, dass allenfalls ein leichter Diagnoseirrtum vorliege, weil die Densfraktur eine äußerst seltene Verletzung und die Frakturlinie auf den Röntgenbildern kaum erkennbar gewesen sei. Eine weitere Röntgenaufnahme sei wegen der Strahlenbelastung nicht indiziert gewesen.

Eine bloß überwiegende Wahrscheinlichkeit der Ausheilung des Bruches ohne Ausbildung einer Pseudarthrose sei mit den Anforderungen des § 286 ZPO nicht zu vereinbaren.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere frist- und formgerecht eingelegt worden (§§ 511 ff. ZPO) und begründet.

1. Dem Kläger steht gegen die Beklagten zu 1. und 2. ein Anspruch auf Schmerzensgeld in Höhe von 8.000,00 EUR gemäß §§ 847 Abs. 1, 823 Abs. 1 BGB zu.

Nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme ist davon auszugehen, dass den Beklagten ein schuldhafter Behandlungsfehler zu Lasten des Klägers dadurch unterlaufen ist, dass sie auf zwei der vier am 12.4.1996 gefertigten Röntgenbilder die zarte Bruchlinie nicht gesehen und keine weiteren Untersuchungen eingeleitet haben.

Der Beklagte zu 2. hat den Kläger am 12.4.1996 behandelt und nach Fertigung der Röntgenbilder unter Verkennung der Bruchlinie und des Unterlassens weiterer Untersuchungsmaßnahmen die unzutreffende Diagnose einer Stauchung der Halswirbelsäule gestellt. Auf diese Diagnose durfte sich der Beklagte zu 1., der nach dem 12.4.1996 abwechselnd mit dem Beklagten zu 2. Bestrahlungen und Massagen verordnete (Tatbestand des erstinst. Urteils) und den Kläger nach eigenen Angaben zu Beginn und am 24.5 1996 behandelte, nicht ohne eigene Prüfung verlassen. Es handelte sich insoweit nicht um einen. Fall der horizontalen Arbeitsteilung, der nur bei der gleichzeitigen Behandlung durch Ärzte unterschiedlicher Fachrichtungen oder gleicher Fachrichtung mit besonderen Spezialkenntnissen vorliegt (vgl. Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, 9. Aufl., Rdnr. 234), sondern um einen Fall bloßer zeitlicher Nachfolge von Ärzten des gleichen Fachs. Dabei hat der nachfolgende Arzt Diagnose und Therapiewahl eigenverantwortlich zu überprüfen (Steffen/Dressler, a.a.O, Rdnr 243; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 4. Aufl. Kap. B Rdnr. 119; Gehrlein, Leitfaden zur Arzthaftpflicht, Kap B Rdnr).

So lag der Fall hier; der in der Behandlung nachfolgende Beklagte zu 1. hätte selbst die Röntgenaufnahmen genau ansehen und die Diagnose des Beklagten zu 2. überprüfen müssen, insbesondere dann, wenn wie hier auch nach mehreren Wochen eine Besserung der Beschwerden des Klägers nicht feststellbar war. Eine Stauchung der Wirbelsäule hätte nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. med. ... in seinem Gutachten vom 12.2.2002 nach vier bis längstens 6 Wochen ausgeheilt und die Beschwerden abgeklungen sein müssen (Gutachten S. 13). Der Krankenakte der Beklagten ist nicht zu entnehmen, dass sich die Beschwerden des Klägers im Laufe der Behandlung gebessert hätten; nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. med. ... ist die Behauptung des Klägers, bei Wiederaufnahme seines Dienstes Ende Mai 1996 habe er noch immer unter Hais- und Kopfschmerzen gelitten, angesichts der instabilen Situation im Bereich der ersten beiden Halswirbel glaubhaft.

Soweit das Landgericht in dem Nichterkennen der Bruchlinie auf den zwei Röntgenbildern und der Diagnose einer Stauchung der Wirbelsäule durch den Beklagten zu 2. lediglich einen nicht als Behandlungsfehler anzulastenden Diagnoseirrtum in Betracht zieht, würdigt dies nicht den gesamten hier vorliegenden Sachverhalt. Nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme ist das vorwerfbare Verhalten des Beklagten zu 2. nicht allein in dem Nichterkennen der Bruchlinie zu sehen, sondern in dem Nichterheben von Kontrollbefunden. Angesichts des Unfallherganges und der von dem Kläger beschriebenen Beschwerden im Nackenbereich musste der Beklagte zu 2. die Röntgenaufnahmen nach Anzeichen einer Fraktur prüfen, die bei einem Bruch ohne Verschiebung nur in einer zarten Bruchlinie und einer Konturunterbrechung bestehen (Gutachten S. 4). Die beklagte Symptomatik sowie der Unfallablauf sind typisch für eine Verletzung der oberen Halswirbelsäule (Gutachten S. 16). Hier ist auf zwei der Röntgenbilder eine zarte Bruchlinie sichtbar und bei genauer Prüfung auch erkennbar. Sie hätte daher auch den Beklagten bei genauer Prüfung auffallen und zum Anlass genommen werden müssen, weitere Untersuchungen einzuleiten (Gutachten S. 11). Aber selbst wenn davon auszugehen wäre, dass das Nichterkennen einer solchen Linie nicht fehlerhaft ist, hätte der Beklagte zu 2. davon ausgehen müssen, dass solche Röntgenaufnahmen bei unverschobenen Brüchen keine sichere Aussage zulassen, sodass die nächsten diagnostischen Schritte die Fertigung von Röntgen-Schichtaufnahmen und Funktionsaufnahmen hätten sein müssen. Mit der Kombination dieser Untersuchungsverfahren gelingt in aller Regel der Nachweis oder der Ausschluss einer Fraktur des Zahnfortsatzes am 2. Halswirbel (Gutachten S. 4). Die Beklagten als Unfallchirurgen haben auch die Qualifikation und die Genehmigung der Ärztekammer, solche Röntgenbilder auszuwerten (Gutachten S. 11). Ihnen obliegt es, ein mehrdeutiges Krankheitsbild mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln moderner Untersuchungstechnik aufzuklären, insbesondere dann, wenn es um die Aufdeckung ernsthafter Krankheitsgefahren geht (Gehrlein, a.a.O. Rdnr. 20).

Dem Beklagten zu 1. ist dabei vorzuwerfen, dass er nicht selbst die Diagnose des Beklagten zu 2. anhand der Röntgenbilder überprüft und weitere Untersuchungen eingeleitet hat.

Ob es sich bei dem Nichterkennen der Bruchlinie und dem Unterlassen weiterer Untersuchungsmaßnahmen um einen groben Behandlungsfehler handelt, kann dahinstehen, denn nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH NJW 1999, 2731; 1999, 860; 1999, 862; 1996, 1589) kann eine Beweiserleichterung zu Gunsten des Patienten im Hinblick auf die Ursächlichkeit der Versäumnisse bei der Befunderhebung für die Gesundheitsbeeinträchtigung auch eingreifen, wenn die unterlassene Befunderhebung nicht als grob fehlerhaft zu charakterisieren ist. Der Bundesgerichtshof hat die Reichweite der Beweiserleichterung folgendermaßen bestimmt (BGH NJW 1996, 1589):

Ein Verstoß gegen die Pflicht zur Erhebung und Sicherung medizinischer Befunde und zur ordnungsgemäßen Aufbewahrung der Befundträger lässt im Wege der Beweiserleichterung für den Patienten zwar auf ein reaktionspflichtiges positives Befundergebnis schließen, wenn ein solches hinreichend wahrscheinlich ist, regelmäßig jedoch nicht auch auf eine Ursächlichkeit der unterlassenen Befundauswertung für einen vom Patienten erlittenen Gesundheitsschaden. Für die Kausalitätsfrage kann der Verstoß gegen die Befunderhebungs- und Sicherungspflicht nur dann beweiserleichternd Bedeutung gewinnen, wenn im Einzelfall zugleich auf einen groben Behandlungsfehler zu schließen ist; dies ist dann der Fall, wenn sich - gegebenenfalls unter Würdigung zusätzlicher medizinischer Anhaltspunkte - ein so deutlicher und gravierender Befund als hinreichend wahrscheinlich ergibt, dass eine Verkennung sich als fundamental fehlerhaft darstellen müsste. Der fundamentalen Verkennung des Befundes steht in diesem Sinne die grob fehlerhafte Nichtreaktion auf den Befund gleich (BGH NJW 1999,860).

Nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. med. ... wäre die Densfraktur mit weiteren diagnostischen Maßnahmen mit großer Wahrscheinlichkeit erkannt worden. Die richtige Behandlung hätte in einer Ruhigstellung von Hals- und Kopf bestanden, entweder konservativ mit einem äußeren Festhalter (Halo-Fixateur) oder operativ mit einer direkten Verschraubung des Bruches (Gutachten S. 16). Das Unterlassen einer stabilisierenden Behandlung führt nahezu immer zur Ausprägung einer Pseudarthrose und stellt keine Behandlungsalternative dar (Gutachten S. 18). Da die Fixierung der Fraktur nur in den ersten vier Wochen nach dem Unfall aussichtsreich gewesen wäre und die Gefahr der Entwicklung einer Pseudarthrose besteht, die lebensbedrohend sein kann, weil eine relativ geringfügige Gewalteinwirkung sie verschieben und eine tödliche Rückenmarkskompression verursachen kann (Gutachten S. 6), wäre eine Nichtreaktion der Beklagten auf den Befund ein aus objektiver Sicht nicht mehr verständlicher Verstoß gegen ärztliche Behandlungsregeln, der einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen darf und daher als grob fehlerhaft zu bewerten ist. Die Beklagten kann auch nicht entlasten, dass der Kläger einer Operation nicht zugestimmt hätte, denn er hielt es in seiner Anhörung für möglich, dass er sich direkt nach dem Unfall hätte operieren lassen. Außerdem hätte bei der hier vorliegenden Fraktur nach ANDERSON III (Gutachten S. 13) die Möglichkeit der Fixierung durch einen Halo-Fixateur bestanden. Bei dieser Behandlungsmethode und auch bei einer operativen Verschraubung wäre entgegen der Auffassung der Beklagten eine knöcherne Ausheilung mit einer Erhaltung der Beweglichkeit des Kopfes zu erwarten gewesen; die Rate der knöchernen Nichtheilung (Pseudarthrose) hätte unter 5 % gelegen (Gutachten S. 13), Angesichts der damit eingetretenen Beweiserleichterung zu Gunsten des Klägers ist zu vermuten, dass die unterlassene Befunderhebung zu dem haftungsbegründenden Primärschaden, der Pseudarthrose, geführt hat. Es reicht hierbei aus, dass der Behandlungsfehler generell geeignet ist, den eingetretenen Primärschaden zu verursachen; wahrscheinlich braucht der Eintritt eines solchen Erfolgs nicht zu sein. Es ist deshalb unerheblich, wenn die Möglichkeit besteht, dass es auch ohne das ärztliche Fehlverhalten zu der Schädigung hätte kommen können (Geiß/Greiner, a.a.O. Rdnr. 258). Die Pseudarthrose war jedenfalls innerhalb von vier Wochen nach dem Unfallereignis, noch während der Behandlung durch die Beklagten, eingetreten. Die Beklagten könnten angesichts der von dem Sachverständigen angegebenen Rate der knöchernen Heilung von 95 % bei ordnungsgemäßer Behandlung auch nicht beweisen, dass es äußerst unwahrscheinlich ist, dass der Fehler auf die Behandlung des Patienten und den Eintritt des Primärschadens von Einfluss gewesen wäre.

Nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. med. ... (Gutachten S. 16, zu Punkt 4) hat die Pseudarthrose zu folgenden Beschwerden bei dem Kläger geführt:

- deutliche Bewegungseinschränkungen der Halswirbelsäule und der Kopfgelenke, dadurch bedingt Schlafstörungen,

- ständige Kopfschmerzen,

- Schmerzen bei schnellem Laufen und ruckartigen Bewegungen sowie beim Auto- und Fahrradfahren, Sporttreiben und schwerem Tragen.

Zum Ausgleich des immateriellen Schadens ist gemäß § 847 BGB eine Schmerzensgeldzahlung von 8.000,00 EUR angemessen.

Die Höhe des Schmerzensgeldes ist unter Berücksichtigung der vom Kläger erlittenen Beeinträchtigungen einerseits und der Schwere des die Beklagten zu 1. und 2. treffenden Unrechtsvorwurfs ermittelt worden.

Grundlage für das den Kläger zu gewährende Schmerzensgeld sind die seit 1996 - nach Eintritt der Pseudarthrose - anhaltenden Bewegungseinschränkungen und Schmerzen. Berücksichtigung findet dabei auch, dass der Kläger wegen der Beschwerden seinen Beruf als Polizist in der Reiterstaffel nicht mehr ausüben kann und nunmehr im Innendienst arbeiten muss. Zudem kann er sportlichen Aktivitäten nur noch eingeschränkt nachgehen. Ferner muss er sich ständig in ärztliche Behandlung begeben, Schmerzmittel einnehmen und Massagen bekommen. Zu Lasten des Klägers muss allerdings gewertet werden, dass er seit dem Erkennen der Densfraktur im Juni 1998 die vorgeschlagenen Therapiemöglichkeiten hinsichtlich einer operativen Stabilisierung der Pseudarthrose nicht wahrgenommen hat. Bei einer stabilisierenden Operation wäre eine Sicherheit vor ernsten neurologischen Komplikationen und eine Linderung der Beschwerdesymptomatik sowie eine Wiederherstellung der Sportfähigkeit zu erwarten, wobei eine Einschränkung der Kopfbeweglichkeit auf die Hälfte der normalen Beweglichkeit, entsprechend der jetzt schon vorliegenden Einschränkung, eintreten würde (Gutachten S. 15). Zu Gunsten des Klägers ist allerdings zu berücksichtigen, dass eine rechtzeitige und richtige Behandlung auch ohne operativen Eingriff mit großer Wahrscheinlichkeit zu einer knöchernen Ausheilung ohne Bewegungseinschränkungen geführt hätte.

Den Beklagten zu 1. und zu 2. ist etwa gleichermaßen der Vorwurf eines fehlerhaften Verhaltens zu machen, da der Beklagte zu 2. die Bruchlinie nicht erkannt bzw. weitere Untersuchungsmaßnahmen unterlassen hat; der Beklagte zu 1. aber eine Überprüfung der Diagnose nicht vorgenommen und daher ebenfalls nicht weitere Röntgenaufnahmen veranlasst hat.

2. Dem Kläger steht auch ein Anspruch auf Feststellung der Ersatzpflicht hinsichtlich zukünftiger materieller und immaterieller Schäden wegen der fehlerhaften Behandlung durch die Beklagten zu.

Die Beklagten haften hinsichtlich der materiellen Schäden gemeinsam wegen einer positiven Forderungsverletzung des Behandlungsvertrages schon deshalb, weil sie eine Gemeinschaftspraxis führen ( Steffen/Dressler, a. a. O. Rdnr. 62 ) und aus unerlaubter Handlung gemäß § 823 Abs. 1 BGB aus den unter 1. ausgeführten Gründen.

Das nach § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ist auch gegeben, da die eingetretene Dens-Pseudarthrose instabil ist, ernste neurologische Komplikationen möglich sind (Gutachten S. 15) und gegebenenfalls eine stabilisierende Operation durchzuführen ist.

III.

Die Kostenentscheidung erster Instanz beruht auf §§ 92 Abs. 1, 100 Abs. 1, 4 ZPO; hinsichtlich der zweiten Instanz auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 7 EGZPO nicht zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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