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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 08.08.2005
Aktenzeichen: 20 U 125/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 670
BGB § 677
BGB § 683
Ein Krankenhausbetrieb, der durch seine Angestellten als Erfüllungsgehilfen ein Kind behandelt, führt (auch) ein Geschäft der Eltern, indem er deren gesetzliche Unterhaltspflicht, für die erforderliche ärztliche Heilbehandlung Sorge zu tragen, erfüllt.
Kammergericht Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 20 U 125/04

verkündet am : 8. August 2005

In dem Rechtsstreit

hat der 20. Zivilsenat des Kammergerichts auf die mündliche Verhandlung vom 8. August 2005 durch seine Richter Budde, Baldszuhn und C. Kuhnke für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 18. Mai 2004 verkündete Urteil der Zivilkammer 13 des Landgerichts Berlin teilweise geändert:

Auf den Hilfsantrag wird die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 25.993,86 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10. März 2002 zu zahlen.

Die Kosten des ersten Rechtszuges werden gegeneinander aufgehoben.

Von den Kosten des zweiten Rechtszuges haben die Klägerin 1/4 und die Beklagte 3/4 zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages zuzüglich 10 % abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages zuzüglich 10 % Sicherheit leistet.

Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages zuzüglich 10 % abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages zuzüglich 10 % Sicherheit leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Zahlung der Behandlungskosten der am 25. September 2001 geborenen Tochter der Beklagten für die Zeit vom 25. September bis 1. November 2001 von 25.993,86 EUR. Sie verlangt insoweit Zahlung an die Cnnnnnnnnnnnnn Bnnn, hilfsweise Zahlung an sich, weil sie der Meinung ist, dass ihr Anspruch nach § 2 des Gesetzes zur Errichtung der Gliederkörperschaft "Cnnn - Unnnnnnnnn Bnnn" vom 27. Mai 2003 (= Art. I des Vorschaltgesetzes vom 27. Mai 2003, GVBl. S. 185) im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die Cnnn-Unnnnnnnnn Bnnn übergegangen sei.

Die Tochter der Beklagten wurde in der 33. Schwangerschaftswoche durch Sectio (sog. Kaiserschnitt) entbunden und dementsprechend als Notfall in die neonatologische Abteilung der Klägerin verlegt und dort bis zum 1. November 2001 behandelt bzw. am 2. November 2001 entlassen; die Zwillingsschwester des Kindes war ausweislich des Arztbriefes vom 2. November 2001 vermutlich bereits in der 25. Schwangerschaftswoche intrauterin gestorben.

Das Kind wurde anschließend im Ennnnnnn aufgenommen und ist zur Adoption frei gegeben.

Die Beklagte war weder krankenversichert noch war Sozialhilfe beantragt.

Die Klägerin stützt mangels Abschlusses eines Behandlungsvertrages ihren Anspruch auf Geschäftsführung ohne Auftrag, weil die angestellten Ärzte auch die gesetzliche Unterhaltspflicht der Beklagten dem Kind gegenüber erfüllt hätten.

Die Beklagte hat Notwendigkeit und Angemessenheit der Behandlung mangels Vortrages mit Nichtwissen bestritten, worauf die Klägerin den Arztbrief vom 2. November 2001 eingereicht und sich hierauf bezogen hat.

Wegen des Parteivorbringens erster Instanz und der dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils sowie den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Das Landgericht hat durch am 18. Mai 2004 verkündetes Urteil die Klage abgewiesen. Zum Hauptantrag hat es ausgeführt, ein Gläubiger könne nur Zahlung an sich selber verlangen. Zum Hilfsantrag hat es u.a. ausgeführt, ein Arzt führe nur ein Geschäft des Patienten. Der Sorgeverpflichtete sei nicht verpflichtet, den Sorgeberechtigten medizinisch zu versorgen, er habe lediglich die medizinische Versorgung zu veranlassen. Die Beklagte sei als Sorgeberechtigte nicht verpflichtet einen Vertrag zu Gunsten Dritter zu schließen. Wegen der weiteren Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.

Mit ihrer rechtzeitigen Berufung macht die Klägerin u.a. zum Hilfsantrag geltend, die Erfüllung einer fremden Unterhaltspflicht erfülle den Tatbestand der Fremdgeschäftsführung. Es sei Sache der Mutter im Rahmen der Unterhaltspflicht die Kosten aufzubringen.

Hinsichtlich des Hauptantrages hat sie ihre Berufung im Termin zurückgenommen.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an sie 25.993,86 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10. März 2002 zu zahlen,

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens in zweiter Instanz wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet.

1. Der Klägerin steht gegen die Beklagte der geltend gemachte Aufwendungsersatzanspruch für die Behandlung der Tochter der Beklagten in der Zeit vom 25. September bis 1. November 2001 in Höhe von 25.993,86 EUR gemäß §§ 670, 683, 677 BGB zu, denn ein Krankenhausbetrieb, der durch seine Angestellten als Erfüllungsgehilfen ein Kind behandelt, führt (auch) ein Geschäft der Eltern, indem er deren gesetzliche Unterhaltspflicht, für die erforderliche ärztliche Heilbehandlung Sorge zu tragen, erfüllt.

a) Die Klägerin hat durch ihre Angestellten als Erfüllungsgehilfen (auch) ein Geschäft der Beklagten geführt. Die gemäß §§ 1601 ff. BGB bestehende gesetzliche Unterhaltspflicht der Mutter für ihr Kind (vgl. auch § 679 BGB), die unabhängig von der Form in Natural- oder Barunterhalt wirtschaftlich (i.Ü. handelt es sich um Personensorge) ausgerichtet ist, beinhaltet - entgegen der Auffassung des Landgerichts - auch das Verschaffen ärztlicher Heilbehandlung auf Kosten des Unterhaltsverpflichteten als Teil der Unterhaltspflicht (vgl. dazu Palandt-Sprau, BGB, 64. Aufl., § 677 Rn. 6, § 679 Rn. 4), weshalb auch der Abschluss einer Krankenversicherung für das Kind Teil des Unterhaltsbedarfs ist (Palandt-Diederich-sen, BGB, 64. Aufl., § 1610 Rn. 11). Dies entspricht der Personensorge der Eltern, wonach diese die ärztlichen Maßnahmen (wegen fehlenden Vermögens der Kinder) auf eigene Kosten zu veranlassen haben (vgl. Palandt-Diederichsen, BGB, 64. Aufl., § 1626 Rn. 12; § 1629 Rn. 7; Erman-Michalski, BGB, 9. Aufl., § 1629 Rn. 7), zumal in der Regel die Eltern entsprechend der Verkehrssitte die Verträge im eigenen Namen schließen. Die Erwähnung der gesetzlichen Unterhaltspflicht in § 679 BGB liefe, würde man der Ansicht des Landgerichts folgen, andernfalls leer. Die Regeln über die Geschäftsführung ohne Auftrag dienen schließlich nicht allein der Rechtfertigung des Handelns, sondern dem wirtschaftlichen Ausgleich. Soweit das Landgericht auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshof (BGHZ 55, 207 [210 ff.]) Bezug genommen hat, hat es übersehen, dass der Bundesgerichtshof dort eine Pflicht der als Geschäftsherr in Anspruch genommenen Berufsgenossenschaft (zur Unfallverhütung) gerade nicht angenommen hat, während hier ganz offensichtlich eine gesetzliche Unterhaltspflicht der Mutter besteht und es entspricht auch nicht der Hilfserwägung des Bundesgerichtshof zum Verhältnis der Haftung des Unternehmers und der Berufsgenossenschaft, wenn hier im Innenverhältnis zwischen Mutter und Kind, das Kind entgegen der bestehenden Unterhaltspflicht die Kosten zu tragen haben sollte. Im Übrigen vermag der Senat dieser Entscheidung für die vorliegende Fallgestaltung nichts zu entnehmen. Auf die Leistungsfähigkeit der Beklagten kommt es vorliegend auch nicht an. Abgesehen davon, dass sie ihre fehlende Leistungsfähigkeit hätte darlegen müssen, kann Krankenversicherungsschutz ohne besonderen Aufwand über die Familienmitversicherung oder die Sozialhilfe verschafft werden.

b) Der (Auch-) Geschäftsführungswille der Klägerin bzw. der für sie Handelnden ist auf Grund der voran stehend aufgeführten Sachlage, wonach (auch) ein (objektiv fremdes) Geschäft der Mutter geführt wurde, tatsächlich zu vermuten, zumal bei unterstelltem Abschluss eines Behandlungsvertrages für ein geschäftsunfähiges, minderjähriges Kind typischerweise ein Vertrag der Eltern mit dem Krankenhaus geschlossen würde. Im Übrigen würde selbst bei Vorliegen eines Eigengeschäfts (z.B. aufgrund Vertrages) neben dem auch objektiv fremden Geschäft die Vermutung greifen, dass der Handelnde auch das fremde Geschäft mitbesorgen will (st. Rspr.; vgl. BGHZ 40, 28 [31]; 98, 235 [240]; 140, 102 [109]; 143, 9 [14 f.]; BGH NJW-RR 2004, 81 [82]), was erst recht im Verhältnis zwischen zwei fremden Geschäften (gegenüber dem Patienten/Kind einerseits und den Eltern andererseits) gelten muss und im Außenverhältnis zur Gesamtschuld der Geschäftsherrn führt (vgl. Palandt-Sprau, BGB, 64. Aufl., § 677 Rn. 8 mwNw; hier ist aber im Innenverhältnis die Mutter allein verpflichtet).

c) Die Geschäftsführung war zweifellos berechtigt. Ein unter Umständen abweichender bzw. entgegen stehender Wille der Mutter wäre unbeachtlich (§ 679 BGB).

d) Der Aufwendungsersatz ist aufgrund der Tätigkeit der Klägerin analog § 1835 Abs. 3 BGB (vgl. u.a. Brox/Walker, Besonderes Schuldrecht, 30. Aufl., § 35 Rn. 44; Erman-Ehman, BGB, 11. Aufl., § 683 Rn. 7) in Höhe der üblichen Vergütung zu leisten (vgl. Palandt-Sprau, BGB, 64. Aufl., § 683 Rn. 8; BGHZ 143, 9 [16]). Die Beklagte hat die Angemessenheit und die Notwendigkeit der Behandlung lediglich mit Nichtwissen bestritten, weil - wie sie zu Recht gerügt hat - nichts vorgetragen war. Zu dem daraufhin in erster Instanz zwei Monate vor dem Termin eingereichten ausführlichen Arztbrief vom 2. November 2001, dem u.a. der Behandlungsverlauf zu entnehmen ist, hat sie sich jedoch nicht mehr geäußert. Dessen Inhalt hätte sie aber konkret angreifen müssen, was unterblieben ist. Dass das Kind als Frühgeborenes intensivmedizinisch betreut werden musste, ist selbstverständlich. Ein pauschales Bestreiten bleibt deshalb unzureichend, weil zum einen nicht erkennbar wird, was konkret und in welchem Umfang angegriffen oder aber zugestanden sein soll, und zum anderen ein vollständiges Bestreiten offenkundig unzutreffend und damit unzulässig wäre. Die Pflegesätze (Basispflegesatz 262,86 DM + Abteilungspflegesatz 1.075,00 DM) sind unangegriffen geblieben.

2. Dementsprechend ist auch der Zinsanspruch gemäß §§ 284 Abs. 3, 288 BGB (in der bis zum 1. Januar 2002 geltenden Fassung, vgl. Art. 229 § 5 S. 1 EGBGB) begründet.

3. Die Kostenentscheidung beruht für die erste Instanz auf § 92 Abs. 1 ZPO. Hinsichtlich der Kosten zweiter Instanz beruht die Entscheidung auf §§ 91, 516 Abs. 3, 92 Abs. 1 (analog) ZPO, wobei die Schätzung der Kostenquote berücksichtigt, dass wegen der vorherigen Berufungsrücknahme zum Hauptantrag die Urteils- und Verhandlungsgebühren in voller Höhe zu Lasten der Beklagten gehen.

4. Die weiteren Nebenentscheidungen folgen aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO; § 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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