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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 12.02.2004
Aktenzeichen: 20 U 206/02
Rechtsgebiete: EGBGB, ZGB, EV


Vorschriften:

EGBGB Art. 232 § 1
ZGB § 82 ff.
ZGB § 330 ff.
EV Art. 21. Abs. 1 S. 1
Die Bundesrepublik Deutschland, die in einem ehemaligen Krankenhaus der Volkspolizei der DDR ein Bundeswehrkrankenhaus betreibt, haftet nicht für Schadensersatzforderungen der Patienten, die sich wegen Verletzung des ärztlichen Behandlungsverhältnisses gegen die DDR richten.
Kammergericht Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 20 U 206/02

verkündet am: 12.02.2004

In dem Rechtsstreit

hat der 20. Zivilsenat des Kammergerichts durch seine Richter Budde, Balschun und Baldszuhn auf die mündliche Verhandlung vom 12.2.2004

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 16.7.2002 verkündete Urteil der Zivilkammer 9 des Landgerichts Berlin wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages zuzüglich 10% abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages zuzüglich 10% leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin verlangt von der Beklagten Schmerzensgeld und Schadensersatz wegen fehlerhafter Behandlung anläßlich ihrer Geburt am 2.11.1986 im damaligen Krankenhaus der V______ der DDR in Berlin-Mitte.

Auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils wird zunächst Bezug genommen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil die Beklagte nicht passivlegitimiert sei. Wegen der Begründung wird auf den Inhalt der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.

Die Klägerin verfolgt mit ihrer Berufung ihr erstinstanzliches Klagebegehren weiter. Sie trägt weiter vor:

Die streitgegenständlichen Verbindlichkeiten der DDR wegen fehlerhafter ärztlicher Behandlung stünden in engem und unmittelbaren Zusammenhang mit dem durch die Beklagte übernommenen Vermögensgegenstand, des Krankenhauses der V______ . Die Beklagte habe das Krankenhaus ab 3.10.1990 nahtlos als Bundeswehrkrankenhaus fortgeführt. Der hier vorliegende Fall sei ebenso zu beurteilen wie der durch das OLG Brandenburg entschiedene (NJW 99, 2530 ff.). Auch dort sei der gesamte Krankenhausbetrieb auf die Beklagte übergegangen, einschließlich der Verträge über die medizinische Betreuung, die nicht in einen bereits erfüllten und einen nicht erfüllten Teil aufgespalten werden könnten. Stünde ihr kein Haftungsgegner zur Verfügung, verstieße dies gegen den Gleichheitssatz und gegen ihr Eigentumsrecht.

Die Klägerin beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und

I. die Beklagte zu verurteilen, an sie

1. 789,892,16 Euro nebst 4% Zinsen seit dem 1.1.1996 bis zum 30.3.2000 und seit dem 1.4.2000 5% Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontüberleitungsgesetzes vom 9.6.1998 zu zahlen,

2. eine monatliche Schadensersatzrente in Höhe von weiteren 8.975,28 Euro, beginnend mit dem Januar 2001 in monatlichen Raten spätestens bis zum 3. Werktag eines jeden Monats zu zahlen,

3. ein der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestelltes angemessenes Schmerzensgeld in einer Größenordnung von weiteren etwa 194.290,91 Euro nebst 4% Zinsen seit dem 16.10.1994 bis zum 30.3.2000 und seit dem 1.4.2000 5% Zinsen über dem zu Nr. I. 1. genannten Basiszinssatz zu zahlen,

II. festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, ihr sämtlichen künftigen materiellen Schaden in voller Höhe zu ersetzen, der auf dem geburtshilflichen und ärztlichen Verhalten im Zusammenhang mit ihrer Geburt am 2.11.1986 beruht,

III. hilfsweise,

unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Sache an das Landgericht Berlin zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und trägt weiter vor.

Wegen der übrigen Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und auf den Inhalt der von ihnen im Original oder in Kopie eingereichten Urkunden Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Klägerin mußte zurückgewiesen werden. Sie ist unbegründet. Das Landgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen, weil der Klägerin gegen die Beklagte über die von der Versicherung gezahlten Beträge hinaus keine weiteren Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche zustehen. Das Berufungsvorbringen ändert hieran nichts.

Ob die Klägerin gegen die DDR überhaupt Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche hatte, die sich gemäß Art. 232 § 1 EGBGB für vertragliche Ansprüche auf §§ 82 ff. ZGB und für außervertragliche Forderungen auf §§ 330 ff. ZGB stützen ließen (zu den Anspruchsgrundlagen im einzelnen: Göhring, NJ 1979, 136 f.), kann und muß offen bleiben. Die Klägerin könnte solche Ansprüche nämlich nicht gegen die Beklagte richten. Diese ist nicht passivlegitimiert, weil eventuell bestehende Haftungsverbindlichkeiten der DDR aus dem medizinischen Betreuungsverhältnis, gleich ob sie auf Vertrag oder Delikt beruhen, unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt auf die Beklagte übergegangen sind.

Ein Haftungsübergang kann nicht aus Art. 21 I 1 des Einigungsvertrages (EV) hergeleitet werden, wonach das Vermögen der DDR, das unmittelbar bestimmten Verwaltungsaufgaben dient (Verwaltungsvermögen), grundsätzlich Bundesvermögen wird. Die Voraussetzungen des Haftungsübergangs liegen nicht vor.

Allerdings ist der Klägerin einzuräumen, daß ein Haftungsübergang auf die Beklagte nicht daran scheitern würde, daß diese den früher als Krankenhaus der Volkspolizei geführten Betrieb nicht "übernommen" habe, wie die Beklagte in ihrer Berufungserwiderung ausführt. Auf eine Übernahme kommt es nicht an, sondern maßgeblich ist nur, daß es sich bei dem Betrieb am 2.10.1990 um Vermögen handelte, das bestimmten Verwaltungsaufgaben diente. Für diesen Fall ist unerheblich, ob die Beklagte das Krankenhaus als Bundeswehrkrankenhaus fortführte oder es anderen Zwecken zuführte oder gar den Betrieb ohne Fortführung beendete oder nur auf dem Grundstück, wie sie vorträgt, ein Bundeswehrkrankenhaus betreibt. Dann wäre der Krankenhausbetrieb jedenfalls in das Vermögen der Beklagten gelangt, unabhängig von dem weiteren Schicksal, das er zeitlich nach dem Beitritt erfuhr. Eine Betriebsänderung oder -einstellung hätte die durch Art. 21 I 1 EV angeordnete Rechtsfolge nicht verhindert, wonach das ehemalige Vermögen der DDR Bundesvermögen wird, und zwar kraft Gesetzes.

Entgegen der Ansicht der Beklagte ist auch nicht erheblich, daß die polizeilichen Aufgaben von den Ländern wahrgenommen werden. Der charakteristische Schwerpunkt des von der DDR geführten Betriebes lag nicht in polizeilicher Tätigkeit, sondern beruhte auf der Gesundheitsvorsorge, die nicht nur von den Ländern, sondern auch von der Beklagten durchgeführt wird, nämlich u.a. durch die Einrichtung und den Betrieb von Bundeswehrkrankenhäusern, die, was offenkundig ist, nicht nur Bundeswehrangehörigen zur Verfügung stehen. Dann kann sich die Beklagte nicht darauf zurückziehen, daß es sich um polizeiliche Aufgaben gehandelt habe. Der Schwerpunkt der betrieblichen Tätigkeit lag auch vor dem Beitritt eindeutig auf der Gesundheitsfürsorge. Welche polizeilichen Aufgaben dort seinerzeit wahrgenommen wurden, ist nicht dargelegt und auch im übrigen nicht ansatzweise ersichtlich, so daß der Betrieb des ursprünglichen Krankenhauses jedenfalls nicht auf das Land Berlin, sondern auf die Beklagte übergegangen ist.

Im Ergebnis kommt eine Haftung der Beklagten allerdings nicht in Betracht, weil eine - unterstellte - Verbindlichkeit der DDR aus dem Behandlungsverhältnis zwischen der DDR und der Klägerin bzw. deren Mutter nicht auf die Beklagte übergegangen ist. Eine solche Verbindlichkeit (im folgenden: Haftung) konnte nicht übergehen, denn diese gehörte nicht zum Vermögen der DDR, das unmittelbar bestimmten Verwaltungsaufgaben dient, wie es Art. 21 I 1 EV verlangt. Im einzelnen gilt hierzu folgendes:

Der Übergang des Krankenhauses der Volkspolizei als Vermögen der DDR auf die Beklagte erfaßte zunächst das Aktiv-Verwaltungsvermögen, nämlich diejenigen sachlichen und organisatorischen Mittel, die dazu bestimmt waren, den Betrieb des Krankenhauses im Rahmen dieses Zwecks unmittelbar zu ermöglichen und aufrechtzuerhalten, die also dem Betrieb dienten. Hierzu zählten etwa Grundstücke, Gebäude, medizinische Einrichtungen und andere Gegenstände von Vermögenswert, die dem Krankenhausbetrieb der DDR unmittelbar dienten. Daß Aktivvermögen im Rahmen des Verwaltungszwecks auf den Rechtsnachfolger übergeht, ist eindeutig und allgemein anerkannt.

Ob allerdings auch Passivvermögen auf den Nachfolger übergeht, läßt sich jedenfalls dem Wortlaut des Art. 21 I 1 EV nicht ohne weiteres entnehmen (vgl. zur grammatischen Auslegung der Vorschrift: Eckert, Öffentliches Vermögen der ehemaligen DDR und Einigungsvertrag, Schriftenreihe des Bundesministeriums der Finanzen, Heft 53, 1994, Seite 72). Auch eine systematische und historische Auslegung läßt kein eindeutiges Ergebnis zu (Eckert, aaO, Seite 73), und erst aus dem Zweck der Vorschrift ergibt sich, daß grundsätzlich auch Verbindlichkeiten unter den dort genannten Vermögensbegriff fallen (Eckert, aaO, Seite 75). Dementsprechend ist anerkannt, daß auch Verbindlichkeiten auf den Nachfolger übergehen können, wobei allerdings verlangt wird, daß diese mit dem Vermögensgegenstand in einem engen, unmittelbaren Zusammenhang stehen (soweit ersichtlich statt aller: BGH NJ 1997, 255 f.).

Soweit vereinzelt die Ansicht vertreten wird, daß Haftungsverbindlichkeiten aus unerlaubter Handlung in keinem Fall in einem Zusammenhang zur Vermögensmasse des Verwaltungs- und Finanzvermögens stehen, sondern zum sachlichen Tätigkeitsfeld der Verwaltung gehören, dem kein vermögensrechtlicher Gehalt zukommt, und wenn dann daraus der Schluß gezogen wird, daß solche Verbindlichkeiten in keinem Fall auf den Nachfolger übergehen können (so Schreiben des BMJ/BMI vom 3.12.1992, DtZ 1993, 115 f.; zu vertraglichen Ansprüchen verhält sich das Schreiben nicht), ist dem in dieser Allgemeinheit nicht zu folgen, was sich bereits daraus ergibt, daß wegen der Vielgestaltigkeit derartiger Haftungsverhältnisse in jedem Fall eine differenzierende Betrachtung geboten ist und die unmittelbare Zugehörigkeit von derartigen Verbindlichkeiten zum übergegangenen Vermögen jedenfalls nicht in allen Fällen ausgeschlossen ist. Eine Überprüfung dieser Voraussetzung führt jedoch in diesem Fall nicht zu einer Haftungsnachfolge der Beklagten.

Eine Haftung der DDR kann nur dann in einem engen und unmittelbaren Zusammenhang mit dem auf die Beklagte übergegangenen Krankenhausbetrieb stehen, wenn das zwischen der DDR und der Klägerin bzw. deren Mutter begründete Behandlungsverhältnis selbst in einem solchen Zusammenhang mit dem Vermögen "Krankenhausbetrieb" steht. Das ergibt sich daraus, daß die Haftung der DDR aus einem solchen Verhältnis lediglich die Kehrseite des Aktivvermögens darstellt, das darin besteht, daß der DDR auch die auf Zahlung gerichteten Forderungen aus dem Behandlungsverhältnis zustanden. Insoweit ist der Klägerin einzuräumen, daß sich das Behandlungsverhältnis nicht aufspalten läßt, sondern einheitlich zu betrachten ist.

Daß das Behandlungsverhältnis eng und unmittelbar mit dem Vermögen, so wie es in Art. 21 I 1 EV verstanden wird, verbunden ist, läßt sich unter Berücksichtigung aller Einzelheiten der Sach- und Rechtslage, insbesondere auch in Verbindung mit der von den Parteien herangezogenen Rechtsprechung in weiteren Einzelfällen, im Ergebnis nicht feststellen.

Ein Übergang der Ansprüche der DDR aus dem Betreuungsverhältnis auf die Beklagte ergibt sich nicht allein daraus, daß das Eigentum am Grundstück, auf dem das Krankenhaus der Volkspolizei betrieben wurde, auf die BRD übergegangen ist. Das Urteil des BGH (BGHZ 128, 393 ff.) läßt sich insoweit nicht entsprechend auf diesen Fall anwenden. Dort hat der BGH ausgeführt, daß Werklohnverbindlichkeiten auf den Nachfolger übergehen, wenn die damit verbundenen Baumaßnahmen der Verwaltungsaufgabe dienen sollten, zu deren Wahrnehmung der Verwaltungsträger das Grundstück erhalten hat. Während dort die Werklohnschulden mit dem Aktivermögen (Grundstück) eng zusammenhingen, kann ein solcher Zusammenhang zwischen dem Eigentumsübergang am Grundstück und dem Behandlungsverhältnis nicht ansatzweise angenommen werden. Die Patientenbehandlung ist nicht unmittelbar grundstücksbezogen, mag sie auch auf dem Grundstück vorgenommen worden sein. Das führt aber noch nicht dazu, daß das Grundstück in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht von dem Behandlungsverhältnis auch nur am Rande berührt wird. Wenn die Klägerin, wie sie in ihrer Berufungsbegründung ausführt, auf die Grundstücksbezogenheit des Behandlungsverhältnisses abstellt, kann sie deshalb damit keinen Erfolg haben, was keiner weitergehenden Ausführungen bedarf.

Deshalb führen auch die in BverwGE 96, 231 genannten Grundsätze hier nicht weiter. Auch dort war nur darüber zu entscheiden, welche Verbindlichkeiten mit der Rückübertragung eines Waldgrundstücks übergehen. Das BverwG hatte nicht darüber zu befinden, welche Rechtsverhältnisse mit der Übertragung eines gesamten Betriebes in unmittelbarem Zusammenhang stehen, sondern hat lediglich festgestellt, daß ein anteiliger Eintritt in betriebliche Rechtsverhältnisse ebensowenig wie die anteilige Übernahme von Verbindlichkeiten in Betracht kommt, wenn nicht der gesamte Forstwirtschaftsbetrieb übertragen wird (aaO Seite 237 aE).

Aus dem gleichen Grund sind auch die in BGHZ 137, 351 enthaltenen Ausführungen für den vorliegenden Fall unergiebig. Dort ging es ebenfalls nicht um einen Betriebsübergang, sondern um die Übernahme von Schnellbooten durch die BRD, welche von der DDR vor dem Beitritt bei einer Werft bestellt wurden. Der BGH hat hierzu ausgeführt, daß auch die auf dem Werkvertrag beruhenden Verbindlichkeiten der DDR auf die BRD übergegangen seien (aaO, Seite 364 aA).

Aber auch aus dem Umstand, daß nicht nur das Grundstück, sondern das gesamte Vermögen, das durch das Krankenhaus der Volkspolizei gebildet wurde, mithin alle die eingangs genannten sachlichen und organisatorischen Mittel auf die Beklagte übergegangen sind, läßt sich der geforderte unmittelbare Zusammenhang zwischen dem Aktiv-Verwaltungsvermögen und dem medizinischen Betreuungsverhältnis, das zwischen der DDR und der Klägerin bzw. ihrer Mutter bestand, im Ergebnis nicht herleiten.

Unter welchen Voraussetzungen bestimmte Rechtsverhältnisse mit einem Betriebsübergang auf den Rechtsnachfolger übergehen, also eng und unmittelbar mit dem Vermögen "Betrieb" i.S.v. Art. 21 I 1 EV verbunden sind, ist, soweit ersichtlich, generell und systematisch noch nicht rechtlich aufbereitet worden, sondern war und ist jeweils im Einzelfall zu entscheiden.

Soweit die Klägerin die Entscheidung des OLG Brandenburg (NJW 1999, 2532 f.) zur Berufungsbegründung heranzieht, ist zu bemerken, daß sich die Entscheidungsgründe dort zwar darauf stützen, daß ein Zusammenhang zwischen dem ärztlichen Betreuungsverhältnis und der Gesundheitsfürsorge besteht. Diese Begründung überzeugt aber nicht recht. Das Gericht geht zunächst zu Recht davon aus, daß Schulden mit dem Gegenstand des übergegangenen Vermögenswertes in einem engen, unmittelbaren Zusammenhang stehen müssen. Sodann begnügt sich das Gericht aber mit der Feststellung, daß es sich um eine Verbindlichkeit handelt, die mit der Verwaltungsaufgabe der Gesundheitsfürsorge (nur) "im Zusammenhang" steht, während sodann erneut ein unmittelbarer Zusammenhang genannt wird, für den aber eine hinreichende Begründung fehlt. Die Bezugnahme des Gerichts auf den zuvor genannten, vom BGH entschiedenen Fall ("Schnellboote") trägt zur Begründung wenig bei. Es mag sein, daß eine Aufspaltung des Betreuungsverhältnisses in einen erfüllten und einen nicht erfüllten Teil nicht erfolgen darf, aber nicht um diese Frage geht es, sondern darum, ob das Betreuungsverhältnis unmittelbar zu dem übertragenen Vermögen gehört, das durch den Krankenhausbetrieb gebildet wird. Hierzu gibt der vom BGH entschiedene Fall nichts her. Allerdings ist der Berufung einzuräumen, daß auch die Begründung des Landgerichts nicht durchweg überzeugt, so daß weitergehend folgendes bemerkt werden muß:

Welche Rechtsverhältnisse mit dem Betriebsübergang des Krankenhauses der Volkspolizei so unmittelbar verbunden sind, daß sie gleichfalls übergehen, läßt sich nur in Hinblick auf den Zweck beurteilen, dem der in Art. 21 I 1 EV Vermögensübergang dient, denn der Wortlaut und die Systematik der Vorschrift geben keine hinreichende Antwort auf diese Frage. Anknüpfungspunkt ist zunächst, daß die Bestimmung nicht in erster Linie der Abrechnung mit der Vergangenheit dient, sondern eine Grundlage für die Zukunft schaffen soll, die darin liegt, daß die Körperschaft mit Vermögen zur Erfüllung ihrer Verwaltungsaufgaben ausgestattet werden soll (BverwGE 96, 231 ff., 233). Dies betrifft zunächst den Übergang der Betriebsmittel als solche, führt aber auch dazu, daß solche Rechtsverhältnisse auf den Nachfolger übergehen, die dazu bestimmt und geeignet sind, den Betrieb zu ermöglichen, zu erhalten oder instand zu setzen. Insbesondere gehören hierzu beispielsweise Pacht-, Miet- und sonstige Nutzungsrechtsverhältnisse, die konkret für den Krankenhausbetrieb der Volkspolizei begründet wurden (vgl. BverwG aaO, 237), um die es hier allerdings nicht geht. Rechtsverhältnisse hingegen, die sich nicht auf den Betrieb als solchen beziehen, sondern nur im Rahmen der ausgeübten Verwaltungsaufgabe, mithin anläßlich des betrieblichen Gebrauchs entstehen, sind mit dem das übergegangene Vermögen bildenden Betrieb nicht unmittelbar verbunden, sondern nur mittelbare Folge der Aufgabenwahrnehmung.

Dieser Betrachtungsweise entsprechen im wesentlichen verschiedene zu Art. 21 I 1 EV ergangene Entscheidungen von Einzelfällen:

Zur Frage, ob der Landkreis infolge des auf ihn übergegangenen Vermögens des früheren Kreises der DDR auch für die sog. Kreispachtverträge haftet, durch die Privatpersonen landwirtschaftliche Betriebe in der ehemaligen DDR an den Rat der Kreis verpachtet haben, hat der BGH in einem obiter dictum bereits Zweifel geäußert (BGHZ 127, 285 ff., 293; BGHZ 127, 297 ff., 302 f.).

Soweit früheren Eigentümern von Grundstücken der DDR, die für die sowjetischen Streitkräfte in Anspruch genommen worden sind, Schadensersatzansprüche gegen die DDR zugestanden haben könnten, sind diese Verbindlichkeiten nicht auf die BRD übergegangen (BGHZ 128, 140 ff., 147 aA). Der BGH hat dies damit begründet, daß (selbst in diesem Fall) die Haftungsverbindlichkeiten aus unerlaubter Handlung bzw. aus der Inanspruchnahme von Liegenschaften für Verteidigungszwecke nicht in dem erforderlichen inneren Zusammenhang mit dem Verwaltungsvermögen der ehemaligen DDR als derjenigen Vermögensmasse stehen, die unmittelbar bestimmten Verwaltungsaufgaben dient.

Demgegenüber gehören Werklohnverbindlichkeiten für Baumaßnahmen, die der Errichtung eines Wohnblocks dienen, bei einem zur Wohnungsversorgung genutzten Grundstück zu den Passiva, die mit dem Gegenstand des Vermögens in einem engen, unmittelbaren Zusammenhang stehen und konkret grundstücksbezogen sind (BGH NJ 1997, 255, 256). Entsprechendes gilt für den bereits genannten Werkvertrag über die Lieferung von Schnellbooten.

Der hier zu entscheidende Sachverhalt betrifft keine Ansprüche aus dem Behandlungsverhältnis, die mit dem von der Beklagten übernommenen Betrieb in einem solchen unmittelbaren Zusammenhang stehen. Es handelt sich nicht um Betriebsmittel, da Behandlungsverhältnisse nicht erforderlich waren, um den Krankenhausbetrieb als solchen zu ermöglichen und aufrechtzuerhalten. Behandlungsverhältnisse sind mithin keine Voraussetzungen, ohne die der Krankenhausbetrieb nicht erfolgen kann, sondern sie waren und sind allein eine Folge der Tätigkeit des Krankenhauses der Volkspolizei, das auch betrieben werden konnte, ohne daß das hier in Frage stehende Behandlungsverhältnis zwischen der DDR und der Klägerin bzw. seiner Mutter entstanden war. So gesehen handelt es sich sowohl bei dem Betreuungsverhältnis als solchem als auch hinsichtlich dessen Folgen lediglich um betriebliche Auswirkungen der Krankenhaustätigkeit, so gravierend diese für die Klägerin auch sein mögen, denn wenn die Beklagte insoweit grundsätzlich nicht haftet, kann es nicht auf die Schwere des jeweiligen Behandlungsfehlers ankommen. Mithin hat es, wie das Landgericht im Ergebnis zu Recht erkannt hat, dabei zu bleiben, daß medizinische Betreuungsverhältnisse und deren rechtliche Folgen jedenfalls nicht im Rahmen des Art. 21 I 1 EV auf den Nachfolger übergehen, wenn dieser das Vermögen der ehemaligen DDR übernimmt, das aus einem Krankenhausbetrieb besteht.

Gegen dieses Ergebnis läßt sich nicht einwenden, daß der Geschädigte in derartigen Fällen keinen Anspruchsgegner (mehr) hat. Allerdings ist nicht ersichtlich, aus welchem Rechtsgrund die Klägerin einen direkten Anspruch gegen die Nachfolgerin der Staatlichen Versicherung haben sollte. Die entsprechende Ausführungen des Landgerichts hierzu sind ohne Begründung geblieben, und alles spricht dafür, daß im Rahmen von Haftpflichtverhältnissen gegen die Staatliche Versicherung der DDR kein unmittelbarer Anspruch bestand. Der Senat hat darüber aber nicht zu entscheiden. Selbst für den Fall, daß die Klägerin keinen Anspruch gegen die Versicherung hat, läßt das rechtliche Ergebnis keinen Grundrechtsverstoß erkennen. Wie bereits ausgeführt, dient Art. 21 I 1 EV nicht der Abwicklung von Rechtsverhältnissen, die vor dem Beitritt begründet wurden. Der Gesetzgeber hat bewußt davon abgesehen, eine Gesamtrechtsnachfolge anzuordnen, denn das wäre dann im Einigungsvertrag zum Ausdruck gekommen. Anstelle dessen beschränkt sich Art. 21 I 1 EV bewußt auf die dort genannten Tatbestände des Vermögensübergangs. Eine Verletzung des Gleichheitssatzes ist darin nicht zu sehen. Soweit Verpflichtungen der ehemaligen DDR nicht auf Verwaltungsträger der BRD übergehen, liegt darin keine Ungleichbehandlung, denn derartige, nicht übergehende Verpflichtungen werden mit anderen Verbindlichkeiten, die ebensowenig übergehen, gleichgesetzt. Im übrigen liegt in einem möglichen Anspruchsausschluß auch keine Verletzung der Eigentumsgarantie, denn niemand hat einen Anspruch darauf, daß ihm sein Schuldner erhalten bleibt. Im Gegenteil bestimmt Art. 135 a II GG, daß der Bundesgesetzgeber sogar den Ausschluß von Verbindlichkeiten der DDDR beschließen kann, die mit dem Übergang von Vermögenswerten der DDR im Zusammenhang stehen. Soweit Art. 21 I 1 EV nur einen beschränkten Vermögensübergang vorsieht, ist dies tatsächlich nichts anderes als eine vorweggenommene Ausgestaltung des Art. 135 a II GG, sofern dadurch ein Anspruchsgegner und damit faktisch der Anspruch selbst entfällt. Nur ergänzend wird bemerkt, daß aus dieser Vorschrift nicht geschlossen werden darf, daß im übrigen eine Gesamtrechtsnachfolge eintreten sollte, soweit der Bundesgesetzgeber von der Möglichkeit des Anspruchsausschlusses keinen Gebrauch gemacht hat.

Ein Haftungsübergang ist schließlich auch aus anderen rechtlichen Gesichtspunkten nicht erfolgt. Eine entsprechende Anwendung des Art. 21 I 1 EV scheidet bereits deshalb aus, weil es an einer Regelungslücke fehlt.

Ein Übergang der Haftung kommt nicht unter dem Gesichtspunkt der Funktionsnachfolge in Betracht. Ob die DDR und die Beklagte in Hinblick auf das übergegangene Vermögen des Krankenhausbetriebes im wesentlichen gleichartige Tätigkeit ausüben, was Voraussetzung für eine Funktionsnachfolge ist, kann dahinstehen. Diese von Rechtsprechung und Literatur nach dem Zusammenbruch des Deutschen Reiches entwickelte Rechtsfigur greift nämlich bereits deshalb nicht ein, weil sie nur dazu dient, dringende Ansprüche durchzusetzen, deren Befriedigung wegen ihres öffentlichen Charakters nicht bis zum Erlaß eines Gesetzes aufgeschoben werden kann, ohne daß der Berechtigte und die Rechtsordnung Schaden leiden.

Eine Ausdehnung dieses Rechtsinstituts auf zivilrechtliche Ansprüche kommt nicht in Betracht (vgl. nur: OLG Dresden, DtZ 1997, 291 ff., 294 mwN). Darüber hinaus ist nicht ersichtlich, daß die Beklagte für die Regulierung von Schadensfällen der vorliegenden Art von der DDR tatsächlich finanzielle Mittel übernommen hätte mit der Folge eines Übergangs einer materiellrechtlichen Verpflichtung (vgl. KG DtZ 1996, 149 ff., 150). Hinzu tritt, daß mit Art. 21 I 1 EV bereits eine abschließende Regelung des Vermögensübergangs vorliegt und damit das Funktionsprinzip gesetzlich gerade bewußt ausgeschlossen wurde.

Eine Haftung der Beklagten ergibt sich auch nicht aus dem Gesichtspunkt der Vermögensübernahme nach § 419 BGB, denn diese Vorschrift ist wegen des anders gearteten Interessenkonfliktes und ihrer Zweckrichtung auf öffentlich-rechtliche Vorgänge nicht anwendbar (vgl. BGHZ 127, 297 ff., 304), und zwar schon deshalb nicht, weil sie eine Haftung des Vermögensübernehmers nur mit dem Bestand des übernommenen Vermögens begründet und damit einen Wettlauf um Befriedigungsobjekte ermöglicht und befördert, der für einen Staat, der das Vermögen eines aufgelösten Staates übernommen hat, nicht tragbar ist (OLG Dresden aaO, S. 294 mwN). Im übrigen gilt auch hier, daß anstelle einer Vermögensübernahme nach § 419 BGB der in Art. 21 I 1 EV geregelte Vermögensübergang speziell und abschließend bestimmt ist. Letztlich hat die Beklagte auch nicht das Vermögen der DDR insgesamt übernommen.

Ferner kommt eine Haftung nicht wegen der Fortgeltung der Anordnung über eine erweiterte materielle Unterstützung für Bürger bei Gesundheitsschäden infolge medizinischer Maßnahmen vom 28.1.1987 (GBl. DDR I, 34) in Betracht. Aus der Fortgeltung ist nicht zu schließen, daß mit dem Einigungsvertrag eine Haftungsübernahme für alle Gesundheitsschäden infolge medizinischer Maßnahmen beabsichtigt war (OLG Dresden aaO, S. 293). Die Parteien des Einigungsvertrages haben durch die Vereinbarung der Fortgeltung jener Bestimmung den Willen zu einer generellen Übernahme der Verbindlichkeiten aus medizinischen Schlechtleistungen ersichtlich nicht zum Ausdruck gebracht. Zudem ist diese Bestimmung nur anwendbar, wenn eine Gesundheitsbeschädigung eintrat, die nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft bei der Behandlung nicht vorhersehbar war.

Ein Anspruch gegen die Beklagte aufgrund eines Anerkenntnisses, welches die Versicherung namens der Beklagten abgegeben habe, ist ebensowenig ersichtlich. Sofern die Versicherung namens der Beklagten den Anspruch der Klägerin anerkannt hat, erfaßt dieses Anerkenntnis allenfalls die bisher gezahlten Beträge, so daß eine über diese Zahlungen hinausgehende Anspruchsgrundlage nicht gegeben ist.

Die Revision war gemäß § 543 II 1 Nr. 1 und 2 ZPO zuzulassen. Die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen mit einem Vermögensübergang hinsichtlich eines Krankenhausbetriebes gemäß Art. 21 I 1 GG auch ein Übergang von Schadensersatzansprüchen wegen bereits vor dem Beitritt erfolgter ärztlicher Fehlbehandlung verbunden ist, hat grundsätzliche Bedeutung, weil deren Beantwortung für eine Vielzahl von Fällen gleiche Auswirkungen hat und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erforderlich ist, denn diese Frage ist, soweit ersichtlich, obergerichtlich bislang nicht eindeutig entschieden worden.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 I, 708 Nr. 10, 711 Satz 1, 543 ZPO.

Ende der Entscheidung

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