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Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 21.05.2001
Aktenzeichen: 20 U 5848/00
Rechtsgebiete: BGB, BKGG, ZPO


Vorschriften:

BGB § 558
BGB § 558 Abs. 1
BGB § 547
BGB § 195
BKGG § 11 Abs. 1 Satz 3
BKGG § 11 Abs. 2 Satz 2
BKGG § 9 Nr. 5
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711 Satz 1
ZPO § 546 Abs. 1 Satz 1
ZPO § 546 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
KAMMERGERICHT Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 20 U 5848/00 29 O 466/99 LG Berlin

Verkündet am: 21. Mai 2001

In dem Rechtsstreit

hat der 20. Zivilsenat des Kammergerichts durch seine Richter Schröder, C. Kuhnke und Baldszuhn auf die mündliche Verhandlung vom 21. Mai 2001 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 16. Mai 2000 verkündete Urteil der Zivilkammer 29 des Landgerichts Berlin wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweiligen Vollstreckungsbetrages zuzüglich 10 % abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt Entschädigungszahlungen wegen der Inanspruchnahme der von ihm gepachteten Kleingartenparzelle durch den Beklagten. Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes sowie der Anträge der Parteien erster Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass sich der Beklagte auf die Einrede der Verjährung berufen könne, weil die Klage nach Ablauf der hier anzuwendenden sechsmonatigen Verjährungsfrist nach § 558 BGB erhoben worden sei. Im Übrigen wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.

Mit seiner Berufung wendet sich der Kläger gegen die Klageabweisung. Er trägt weiter vor:

Seine Forderung sei nicht verjährt. Die kurze Verjährung nach § 558 BGB sei durch die Verweisung des § 11 Absatz 1 Satz 3 Bundeskleingartengesetz (BKGG) auf die Grundsätze für die Enteignungsentschädigung ausgeschlossen. Der kleingartenrechtliche Entschädigungsanspruch stehe dem Recht der öffentlich-rechtlichen Entschädigungsleistungen im Allgemeinen und den §§ 93 ff des Baugesetzbuches im Besonderen strukturell näher als dem zivilrechtlichen Mietrecht, so dass seine Geltendmachung lediglich den Grenzen des Verwirkungsgedankens unterliege § 558 BGB finde nur im Verhältnis der Pachtvertragsparteien Anwendung, nicht aber im Verhältnis zwischen dem Beklagten als dem Zweckveranlasser der Pachtvertragskündigung und ihm. Die kurze Verjährung sei auch unbillig, da der gekündigte Pächter häufig nicht wisse, wer der Veranlasser der Kündigung und damit der Anspruchsgegner sei. Der Verjährung stehe der Umstand entgegen, dass der Zwischenpächter die Kündigung vom 21.01.1997 mit Schreiben vom 29.09.1997 wirksam zurückgenommen habe. Der Kläger habe sein Entschädigungsbegehren wegen seines infolge eines Schlaganfalls im Jahre 1996 angegriffenen und sich seit Ende 1997 verschlechternden Gesundheitszustandes nicht früher gerichtlich verfolgen können. In Bezug auf die Anspruchshöhe folge aus Art. 14 Abs. 3 Grundgesetz i.V.m. den §§ 93 ff Baugesetzbuch eine Pflicht zu umfassenden Ausgleichszahlungen, die auch die geltend gemachten Forderungsposten umfasse.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten unter Abänderung des angefochtenen Urteils zu verurteilen, an ihn 26.576,31 DM nebst 4% Zinsen seit dem 10.04.1998 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die Anwendung von § 558 BGB durch das Landgericht für zutreffend, da der Entschädigungsanspruch dem Verwendungsersatzanspruch des Mieters bzw. Pächters gleiche. Der Grundgedanke der kurzen Verjährungsfrist für die letztgenannten Forderungen auf eine zügige Klärung der Rechtslage hinzuwirken, finde somit auch auf den vorliegenden Fall Anwendung. Auf die fehlende Kenntnis des Kündigungsveranlassers komme es nicht an, da auch bei den von § 558 BGB erfassten Verwendungsersatzansprüchen der Anspruchsgegner nicht immer ersichtlich sei und das Gesetz nicht nach dieser Kenntnis unterscheide. Der Entschädigungsanspruch sei infolge der Kündigungsrücknahme vom 29.09.1997 auch nicht fällig. Die Verweisung in § 11 Abs. 1 Satz 3 BKGG betreffe nur die Anspruchshöhe und lasse die Verjährung unberührt. Dem Kläger sei die Einhaltung der Sechsmonatsfrist auch zumutbar gewesen, da er die Problemlage von dem Rechtsstreit seines Bruders gegen den Beklagten her gekannt habe und er jederzeit selbst oder über seine Gattin einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen habe beauftragen können.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist unbegründet.

Da sich der Klageantrag aus einer Addition verschiedener Entschädigungspositionen zusammensetzt, auf die der Beklagte teilweise eine Entschädigung geleistet hat, wäre es Sache des Klägers gewesen, seinen Klageantrag nicht in Form einer unzulässigen Saldoklage zu begründen, sondern die Positionen der Höhe bzw. Resthöhe nach zu bezeichnen, für die er noch eine Entschädigung verlangt. Trotz des entsprechenden rechtlichen Hinweises im Termin vom 7.12.2000 ist der Kläger dieser Substanziierungspflicht mit seinem Schriftsatz vom 26.2.2001 nur bedingt nachgekommen, und in der mündlichen Verhandlung vom 21.5.2001 ließ sich keine größere Klarheit erzielen. Auf Grund der nunmehr eingereichten Abschätzungen läßt sich jedoch zumindest feststellen, daß der Kläger mit der Klage folgende Entschädigungspositionen in erster Linie geltend macht und nur hilfsweise die Beträge gemäß Schriftsatz vom 26.2.2001:

1. Wohnlaube gemäß Berechnung Dr. Keunecke 32.600,-- DM ./. gezahlt gemäß Abschätzung 20.120,40 DM = 12.479,60 DM

2. Gewächshaus gemäß Berechnung Dr. Keunecke 4.500,-- DM ./. gezahlt gemäß Abschätzung Außenanlagen 400,-- DM = 4.100,-- DM

3. Sonstige Außenanlagen gemäß Berechnung Dr. Keunecke davon Geräteschuppen 1900,-- Beton fl. /Terras + Einzäunung (1.760,-- + 4.050,--= gerundet) 5.800,-- 7.700,-- 16.579,60 DM

./. gezahlt gemäß Abschätzung für Aussenanlagen 4.309,45 ./. Pos. ob. zu 2. 400,-- = 3.909,45 = 3.790,55 DM

./. gezahlt gemäß Abschätzung für Aufwuchs (vom Kläger ebenfalls abgesetzt) 1.553,80 DM

2.236,75 DM 18.816,35 DM zuzüglich Rundungsbetrag gemäß Berechnung Dr. Keunecke (Gutachten S. 21 - Bl. 30 d.A.) - 200,-- DM

19.016,35 DM (Gemäß der hilfsweisen Berechnung im Schriftsatz vom 26.2.2001, S. 4 - Bl. 147 d.A.-addiert

Baulichkeiten 42.274,92 DM Außenanlagen 5.409,45 DM Aufwuchs 1.570,80 DM 49.255,17 DM

./. gezahlt für Wohnlaube 20.120,40 DM Außenanlagen 4.309,45 DM Aufwuchs 1.553,80 DM = 25.983,65 DM

noch gefordert 23.271,52 DM)

4. Umzugskosten gemäß Rechnung Borkowski vom 18.12.1997 (Bl. 31 d.A.) 3.186,31 DM

5. Neue Gardinen gemäß Rechnungen vom 24.11.1997 (Bl. 33 d.A.) 915,10 DM 8.12.1997 (Bl. 32 d.A.) 628,65 DM 9.2.1998 (Bl. 33 d.A.) 279,90 DM

= 1.823,65 DM

6. Kosten des Gutachtens Dr. Keunecke 2.300,-- DM

7. Abschätzungskosten gemäß Schreiben des Bez.Verband.Charlottenburg der Kleingärtner e.V. v. 13.8.1997 (Bl. 34 d.A.) 250,-- DM

Klageantrag: 26.576,31 DM

Ein möglicher Entschädigungsanspruch nach § 11 Abs. 2 Satz 2 BKGG ist jedoch mit Ablauf des 20.10.1998 verjährt. Das Landgericht hat die für Ersatzansprüche aus Miet- und Pachtverhältnissen geltende sechsmonatige Verjährungsfrist nach § 558 Abs. 1 BGB zu Recht auf den vorliegenden Fall angewandt.

Zwar greift § 558 Abs. 1 BGB nicht direkt ein, weil es sich bei den geltend gemachten Ansprüchen nicht um Verwendungen handelt und zwischen den Parteien kein Pachtverhältnis besteht. Gleichwohl gebietet die Sachlage eine analoge Anwendung. Die kurze Verjährungsfrist bezweckt, Nebenforderungen der Miet- bzw. Pachtvertragsparteien umgehend nach Beendigung des Miet- bzw. Pachtverhältnisses zügig abzuwickeln (Weidenkaff in Palandt, BGB, 60. Aufl. (2001), § 558 Rz. 1). Dieser Zweck gebietet es, den Anwendungsbereich des § 558 BGB weit zu fassen (BGH NJW 1997, S. 1983 [1984]). Daraus folgt, dass dessen Verjährungsfrist gegebenenfalls auch im Verhältnis zwischen dem Mieter bzw. Pächter und einem Dritten eingreift. Ob dies regelmäßig der Fall ist, kann hier offen bleiben. Jedenfalls ist die Anwendung von § 558 Abs. 1 BGB sach- und interessengerecht, wenn die Personenverschiedenheit zwischen dem Vermieter bzw. Verpächter und dem Dritten zufälliger Natur ist (vgl. BGH NJW 1997, S. 1983 [1984]). Eine solche Situation ist für den Entschädigungsanspruch nach § 11 Abs. 2 Satz 2 BKGG zu bejahen. Wie schon das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, ähnelt die Kündigungsentschädigung dem Verwendungsersatzanspruch des Mieters bzw. Pächters nach § 547 BGB. Daraus folgt, dass hierfür auch die mietrechtliche Verjährungsregelung analog gilt (Stang, BKGG, 2. Aufl. [1995], § 11 Rz. 57). Für die Unterstellung der Kündigungsentschädigung nach § 11 Abs. 2 Satz 2 BKGG unter die Verjährungsfrist von 30 Jahren nach § 195 BGB besteht kein Anlass. Für die zügige Herstellung von Rechtsklarheit besteht hier kein geringeres Bedürfnis als beim Entschädigungsanspruch des Pächters gegenüber dem Verpächter. Das Auseinanderfallen von Anspruchsgegner und Verpächter ist für den Pächter insofern rein zufälliger Natur, als der Grund für die Kündigung des Pachtverhältnisses von außen -- nämlich vom Beklagten -- gesetzt wurde. Für den Pächter macht es grundsätzlich keinen Unterschied, aus welchen der in § 9 Nr. 2 -- 6 BKGG aufgeführten Gründen der Verpächter das Pachtverhältnis beendet. Die Abwälzung der Entschädigungspflicht in den Fällen des § 9 Nr. 5, 6 BKGG ist lediglich die Konsequenz daraus, dass der Verpächter die Beendigung des Pachtverhältnisses nicht zu vertreten hat und es den Geboten materieller Gerechtigkeit entspricht, dass der künftige Grundstücksnutzer auch die Lasten des Rechtsverlustes des Pächters trägt.

Diesem Ergebnis steht auch nicht entgegen, dass der Pächter den Kündigungsveranlasser in manchen Fällen nicht kennen wird. Auch innerhalb bestehender Miet- bzw. Pachtverhältnisse kann es durchaus zu Ungewissheiten hinsichtlich des Vertragspartners kommen, etwa im Erbfolgefall. Auf derartige Fälle nimmt § 558 BGB ebenfalls keine Rücksicht; die zügige Klärung der Rechtslage hat für den Gesetzgeber Vorrang. Im Übrigen erscheint dieses Ergebnis nicht als unangemessen, da der Verpächter zur Vermeidung seiner Inanspruchnahme von sich aus bestrebt sein wird, den Pächter auf den Veranlasser der Kündigung hinzuweisen. Selbst wenn die Kündigung nach § 9 BKGG keine Begründung erfordert, so wird der Pächter somit regelmäßig die Umstände der Kündigung rechtzeitig vor Verjährungsende in Erfahrung bringen können.

Hieran ändert auch die Verweisung des § 11 Abs. 1 Satz 3 BKGG auf die Grundsätze der Enteignungsentschädigung nichts. Dies berührt nur die Entschädigungsbemessung (Stang, a.a.O., § 11 Rz. 44) und gibt entgegen der Ansicht des Klägers für die Verjährung nichts her.

Schließlich kann der Kläger für sich auch nichts aus dem Umstand herleiten, dass der Entschädigungsanspruch nach § 11 Abs. 2 Satz 2 BKGG nicht pachtvertraglicher Natur ist. Denn wenn auch zwischen den Parteien kein Pachtverhältnis bestand, so knüpft der Anspruch doch an ein solches zwischen dem Kläger und dem Zwischenpächter an. Dies ergibt sich schon aus der Systematik des § 11 BKGG, der die Inanspruchnahme des Verpächters wie auch des Zweckveranlassers unter dem Oberbegriff der Kündigungsentschädigung zusammenfassend regelt. Obwohl die Kündigungsentschädigung nach § 11 Abs. 2 Satz 2 BKGG Gemeinsamkeiten mit der Enteignungsentschädigung aufweist und diese Parallele durch die Verweisung in § 11 Abs. 1 Satz 3 BKGG noch unterstrichen wird, so handelt es sich doch um zwei verschiedene Rechtsinstitute, da § 11 Abs. 2 Satz 2 BKGG eben an ein rechtsgeschäftliches Handeln einer Vertragspartei -- des Verpächters -- anknüpft und nicht an einen Hoheitsakt in Gestalt einer Enteignung. Wenngleich das Pachtvertragsende auf das Handelnder Öffentlichen Hand zurück geht, so ändert dies doch nichts daran, dass es erst durch die Kündigungserklärung des Verpächters eintritt. Dieser Umstand ist auch bei der Anwendung des § 558 BGB zu beachten. Dem entspricht es, dass die mietvertragliche Verjährungsfrist analog auch auf gesetzliche Ersatzansprüche Anwendung findet (vgl. Weidenkaff in Palandt, a.a.O., § 558 Rz. 7; BGH NJW 1986, S. 254).

Die Verjährung ist auch nicht durch die gesundheitlichen Probleme des Klägers gehemmt. Zwar liegt den Verjährungsvorschriften der Gedanke zugrunde, dass der Forderungsinhaber eine Chance haben muss, seine Forderung auch tatsächlich durchsetzen zu können. Dies ist jedoch keine Voraussetzung für den Verjährungseintritt; der Sinn der Verjährungsvorschriften liegt in der Wahrung des Rechtsfriedens und der Herstellung von Rechtssicherheit. So wäre die Verjährung selbst dann eingetreten, wenn der Kläger von der Existenz seines Anspruchs nichts wusste oder gar wissen konnte (vgl. Heinrichs in Palandt, a.a.O., Überbl. v. § 194 Rz. 4). Das Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 Grundgesetz steht dem nicht entgegen. Selbst wenn man in dem Verzicht des Gesetzes auf eine Differenzierung nach dem Gesundheitszustand und der Handlungsfähigkeit eine Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem sehen wollte, so ist dies doch wegen des oben genannten Zwecks der Verjährungsregelungen gerechtfertigt und im Hinblick auf die Möglichkeit des Betroffenen, sich der Hilfe Dritter zu bedienen, diesem auch zumutbar. Im Übrigen ist auch nach dem Vortrag des Klägers nicht ersichtlich, weshalb ihn seine gesundheitlichen Probleme an einer rechtzeitigen Rechtsverfolgung insbesondere durch Beauftragung eines Rechtsanwalts gehindert haben sollen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Vollstreckbarkeitsentscheidung auf § 708 Nr. 10, 711 Satz 1 ZPO.

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Verjährungsproblematik wird die Revision nach § 546 Abs. 1 Satz 1, 2 Nr. 1 ZPO zugelassen.

Ende der Entscheidung

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