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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 18.02.2002
Aktenzeichen: 20 U 6044/00
Rechtsgebiete: BKleingG, BGB, EGBGB, ZPO


Vorschriften:

BKleingG § 3 Abs. 1
BKleingG § 4 Abs. 1
BKleingG § 5 Abs. 3
BKleingG § 8 Nr. 1
BKleingG § 20a Nr. 8 S. 2
BGB § 288 a.F.
BGB § 291
BGB § 546 Abs. 1 n.F.
BGB § 581 Abs. 2
BGB § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Fall
BGB § 818 Abs. 2
BGB § 818 Abs. 4
EGBGB § 4
ZPO § 8
ZPO § 91
ZPO § 543 n.F.
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
KAMMERGERICHT Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer:

20 U 6044/00

Verkündet am: 18. Februar 2002

In dem Rechtsstreit

hat der 20. Zivilsenat des Kammergerichts auf die mündliche Verhandlung vom 18. Februar 2002 durch seine Richter Berner, Baldszuhn und C. Kuhnke für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 11. April 2000 verkündete Urteil der Zivilkammer 19 des Landgerichts Berlin geändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Auf die Widerklage wird der Kläger verurteilt verurteilt, an die Beklagte 538,86 EUR nebst 4 % Zinsen seit dem 29. Februar 2000 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages zuzüglich 10 % abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger - als Rechtsnachfolger des Verpächters - begehrt von der Beklagten die Herausgabe und Räumung eines Grundstücks aufgrund einer Kündigung vom 20. Oktober 1998 des am 1. Januar 1989 zwischen der Beklagten und dem Verband der Kleingärtner, Siedler und Kleintierzüchter, Kreisvorstand Berlin-Treptow, geschlossenen Kleingarten-Nutzungsvertrages, weil die Beklagte mit den auf der Grundlage des Bundeskleingartengesetzes für 1997 und 1998 geforderten Pachtzinsen einschließlich öffentlicher Lasten in Verzug war. Hinsichtlich des ursprünglichen Antrages auf Zahlung dieser Beträge in Höhe von 1.053,91 DM (455,46 DM für 1997 und 598,45 DM für 1998) begehrt der Kläger die Feststellung der Erledigung. Ferner verlangt er Zahlung von Wohnlaubenentgelt für die Jahre 1996 bis 1999 von 5.760 DM (4 * 1.440 DM). Die Beklagte begehrt widerklagend die Rückzahlung von 1.053,91 DM. Ferner beantragt sie hilfsweise, festzustellen, dass sie nicht zur Räumung verpflichtet sei, sowie die Einräumung eines Wegerechts.

Die Parteien streiten im Wesentlichen um die Frage, ob auf das Vertragsverhältnis der Parteien das Bundeskleingartengesetz Anwendung findet.

Wegen des Parteivorbringens erster Instanz und der dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht hat durch am 11. April 2000 verkündetes Urteil der Klage in vollem Umfang stattgegeben und die Widerklage sowie die Hilfswiderklage hinsichtlich des Feststellungsantrages abgewiesen. Über den weiteren Hilfsantrag der Beklagten hat es mangels Eintritts der gestellten Bedingung nicht entschieden. Wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.

Mit ihrer rechtzeitigen Berufung macht die Beklagte geltend, dass die Kündigung nicht berechtigt sei, weil das Bundeskleingartengesetz nicht anwendbar sei. Deshalb stünden dem Kläger auch weder die öffentlichrechtlichen Lasten noch Wohnlaubenentgelt zu.

Die Beklagte trägt vor, im Oktober 1990 sowie auch heute stünden auf rund 20 bis 25 % der Grundstücke an alle Medien angeschlossene und beheizbare Einfamilienhäuser, die von Dauerbewohnern genutzt würden und größtenteils über einen Carport verfügten. Die Parzellen wiesen Flächen von 251 m2 bis über 1000 m2 auf.

Wohnlaubenentgelt könne jedenfalls nur für die Zukunft nach einer Erklärung entsprechend § 5 Abs. 3 BKleingG verlangt werden.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Berlin vom 11. April 2000 - 19 O 561/99 -

1. die Klage abzuweisen und

2. im Wege der Widerklage den Kläger zu verurteilen, an sie 1.053,91 DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verweist darauf, dass am 3. Oktober 1990 235 Pachtverträge bestanden hätten, in denen ausnahmslos - wie hier - Kleingartennutzung vereinbart war. Er verweist ferner auf die Kleingartenordnung der Kleingartenanlage aus dem Jahr 1977. Die Kleingärtner würden heute rund 1/3 der Flächen zum Anbau von Nutz- und Zierpflanzen nutzen. Zum Stichtag 3. Oktober 1990 sei der Anteil der Anbaufläche noch erheblich höher gewesen, weil Gemüse und Obst teilweise noch Mangelware gewesen seien. 17 % der Gärten würden zum Dauerwohnen benutzt. Am 3. Oktober 1990 hätte es 54 Dauerbewohner gegeben. Heute wären 44 Nutzer zum dauerhaften Wohnen befugt, von denen 15 einen Kaufantrag nach dem SachRBerG unterzeichnet hätten. Die insgesamt 271 Parzellen verfügten über ein gemeinsames Wegenetz mit Beleuchtung, ein Vereinshaus mit Gemeinschaftsfläche und Spielplatz, eine gemeinsame Wasserleitung sowie Elektroanlage und eine Gemeinschaftsgaragenfläche. Die Parzellengrößen stünden der Einordnung als Kleingartenanlage nicht entgegen, weil § 3 Abs. 1 BKleingG lediglich einen Sollwert vorsehe. Der Kläger verweist ferner auf Fotos zur kleingärtnerischen Nutzung aus den Jahren 1999 und 2000.1990 sei - in der Gesamtheit - eine nicht erwerbsmäßige, gärtnerische Nutzung insbesondere zur Gewinnung von Gartenbauerzeugnissen für den Eigenbedarf ausgeübt worden. Der Anbau habe die gesamte Breite der Gemüse- und Obstarten, wie Gurke, Tomate, Salate, Beeren-, Stein- und Kernobst sowie die große Vielfalt der Gartenblumen umfasst.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.

Dem Kläger steht gegen die Beklagte der geltend gemachte Anspruch auf Herausgabe der Parzelle gemäß §§ 546 Abs. 1 (n.F.), 581 Abs. 2 BGB. § 4 Abs. 1 BKleingG nicht zu, weil das Pachtverhältnis nicht wirksam beendet wurde.

Die Kündigung des Klägers vom 20. Oktober 1998 war unwirksam, weil sie nicht auf § 8 Nr. 1 BKleingG gestützt werden konnte und die auf der Grundlage des BkleingG geforderten Entgelte nicht geschuldet waren. Es kann nicht festgestellt werden, dass das Vertragsverhältnis der Parteien dem Anwendungsbereich des BKleingG unterliegt, sodass die Beträge auf dieser Grundlage nicht gefordert werden konnten. Andere Grundlagen sind nicht vorgetragen. Soweit das Landgericht die Anwendbarkeit des Bundeskleingartengesetzes angenommen hat, hat es dies aus der Rechtsnatur des geschlossenen Vertrages abgeleitet. Der Bundesgerichtshof hat jedoch inzwischen auf die Revision gegen ein Urteil des erkennenden Senats entschieden, dass die Vertragslage für die Beurteilung nicht maßgeblich ist. Vielmehr entscheidet die zu diesem Zeitpunkt (3. Oktober 1990) tatsächlich ausgeübte Art der Nutzung; die Vertragssituation tritt demgegenüber in den Hintergrund (vgl. BGH VIZ 2000,159 [161; lll.2.b) und IV.1.]; vgl. auch Palandt-Weidenkaff. BGB, 61. Aufl., Art. 232 § 4 EGBGB Rn. 4). Derjenige, der sich auf die Anwendbarkeit des BKleingG beruft, hat daher darzulegen und zu beweisen, dass die streitige Anlage am 3. Oktober 1990 ihrer tatsächlichen Nutzung nach als Kleingartenanlage anzusehen ist. Das zentrale Merkmale eines Kleingartens ist die nicht erwerbsmäßige gärtnerische Nutzung, also die Erzeugung von Obst, Gemüse und anderen Früchten durch Selbstarbeit des Kleingärtners oder seiner Familienangehörigen. Kennzeichnend für diese Nutzungsart ist die Vielfalt der Gartenbauerzeugnisse. Dass mehrere Gärten zusammengefasst und gemeinschaftliche Einrichtungen vorhanden sind, ist zwar ein weiteres wesentliches Begriffsmerkmal einer Kleingartenanlage (vgl. BGH VIZ 2000,159 [161; IV.2.]), genügt für sich allein jedoch nicht und kann das genannte zentrale Merkmal nicht ersetzen. Maßgeblich ist insoweit der Gesamtcharakter der Anlage und nicht die Nutzung der einzelnen Parzelle. Der Tatsachenvortrag müsste daher den Schluss zulassen, dass nach diesem Maßstab die kleingärtnerische Nutzung am 3. Oktober 1990 vorherrschend war und den Gesamtcharakter bestimmte. Dafür genügt der pauschale Vortrag zum Charakter der Kleingartenanlage sowie zur Nutzung der Parzellen und die nicht näher kommentierte Vorlage von Fotos nicht. Dieser knappe Tatsachenvortrag lässt eine rechtlich nachvollziehbare Wertung nicht zu. Weder lässt sich danach die Vielfalt der Gartenbauerzeugnisse noch der Umfang der (klein-) gärtnerischen Nutzung der einzelnen Parzellen erkennen. Für die Beurteilung könnte - eine gärtnerische Nutzung eines Hausgartens ist ebenfalls nichts Ungewöhnliches - auch das Maß der baulichen Nutzung sowie der Umstand des dauerhaften Wohnens nicht unberücksichtigt bleiben. Mangels näherer Darlegung zur Bebauung ließe sich hier nicht erkennen, ob die dauerhaft bewohnten Grundstücke mit (ausgebauten) Gebäuden bebaut sind, die noch als Wohnlauben anzusehen wären. Wäre Letzteres insgesamt nicht der Fall, so wäre schon deshalb zweifelhaft, ob eine dann anzunehmende nicht kleingärtnerische Nutzung von jedenfalls 20 % der Parzellen (nach dem Vortrag des Klägers: 54 Dauerbewohner bei insgesamt 271 Parzellen; hinsichtlich der genutzten Parzellen von 235 ergibt sich ein Anteil von rund 23 %) die Annahme eines kleingärtnerischen Gesamtcharakters der Anlage noch zuließe. Der Bundesgerichtshof hat als Beurteilungsgegensätze die vorherrschende Nutzung und die abweichende Nutzung einzelner Parzellen aufgeführt. Das Überwiegen der kleingärtnerischen Nutzung genügt daher sicherlich nicht. Eine zahlenmäßige Festlegung hat der Bundesgerichtshof zwar nicht vorgenommen. Bei einem Anteil von jedenfalls 20 % kann es sich aber nicht mehr um einzelne Parzellen handeln, sodass zumindest sehr zweifelhaft ist, ob nicht bereits dieser Umstand der Einordnung der Anlage als Kleingartenanlage entgegenstehen würde.

II.

Dem Kläger steht mangels Anwendbarkeit des BKleingG (s. I.) daher auch kein Anspruch auf das begehrte Wohnlaubenentgelt in Höhe von insgesamt 5.760 DM gemäß § 20a Nr. 8 S. 2 BKleingG zu. Eine andere Grundlage für das Entgelt ist nicht geltend gemacht und demgemäß auch nicht tatsächlich begründet worden.

III.

Der Antrag des Klägers auf Feststellung der Erledigung wegen der Zahlung von 1.053,91 DM ist unbegründet. Die Widerklage, mit der die Beklagte Rückzahlung dieses Betrages verlangt, ist dementsprechend begründet.

Der Beklagten steht gegen den Kläger der geltend gemachte Anspruch auf Rückzahlung von 1.053,91 DM aus ungerechtfertigter Bereicherung gemäß §§ 812 Abs. 1 S. 1, 1. Fall; 818 Abs. 2 BGB zu, weil ein Rechtsgrund für diese Zahlung fehlt. Wie zu 1. ausgeführt, vermag der Kläger das Entgelt jedenfalls nicht auf das Bundeskleingartengesetz zu stützen. Eine andere Grundlage ist nicht geltend gemacht und daher auch tatsächlich nicht begründet worden. Im Übrigen mag zwar - wie das Landgericht ausgeführt hat - eine vorbehaltlose Zahlung die Beweislast zu Ungunsten des Anspruchstellers verschieben, das würde jedoch nichts an dem Umstand ändern, dass der Bereicherungsschuldner zunächst die Berechtigung seines Anspruchs vorzutragen hat (sog. sekundäre Behauptungslast, vgl. BGH NJW 1999, 2887 [2887 f.]; vgl. ferner BGH NJW 1990, 392 [393]; Strieder in: Baumgärtel, Handbuch der Beweislast, Band 1, 2. Aufl., § 812 Rn. 11). Die Berechnung des Klägers genügt aber bereits den formellen Anforderungen nicht und schriftsätzlich wird hierzu Näheres nicht ausgeführt, sodass eine rechtliche Beurteilung nicht möglich ist.

Dementsprechend ist auch der Zinsanspruch gemäß §§ 818 Abs. 4, 291, 288 (a.F.) BGB begründet.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die weiteren Nebenentscheidungen folgen aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO; §§ 8, 543 (n.F.) ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Rechtsfrage zur Anwendbarkeit des Bundeskleingartengesetzes bereits durch die zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofes geklärt ist.

Der Tenor des am 18. Februar 2002 verkündeten Urteils des Senats wird wegen einer offensichtlichen Unrichtigkeit hinsichtlich der Verurteilung auf die Widerklage dahin berichtigt, dass an die Beklagte zu zahlen ist (§ 319 Abs. 1 ZPO).

Ende der Entscheidung

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