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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 16.07.2004
Aktenzeichen: 21 U 274/01
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB a.F. § 847
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Kammergericht Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 21 U 274/01

verkündet am: 16. Juli 2004

In dem Rechtsstreit

hat der 21. Zivilsenat des Kammergerichts Elßholzstraße 30 - 33, 10781 Berlin, auf die mündliche Verhandlung vom 16. Juli 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Klum und die Richterinnen am Kammergericht Lang und Neubauer

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der Zivilkammer 4 des Landgerichts Berlin vom 13. Juni 2001 - 4.O.481/00 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO a. F. abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist unbegründet, das zugesprochene Schmerzensgeld von 25.000,00 DM stellt angesichts des Ausmaßes der von der Klägerin erlittenen immateriellen Beeinträchtigungen und unter gebotener Berücksichtigung vergleichbarer Fälle - mindestens - die zu gewährende billige Entschädigung im Sinne von § 847 BGB a. F. dar.

1. Bemessungsgrundlage waren dabei auf Seiten der Klägerin einerseits die Tatumstände (Alter zur Tatzeit: 16 Jahre; die Anwesenheit zweier gleichaltriger Begleiter während der Tat; die - gegebenenfalls vermeintliche - Lebens-Bedrohung mit einer Waffe; der Vollzug von Anal- und Vaginalverkehr, der den ersten sexuellen Kontakt der Klägerin darstellte) und andererseits die Tatfolgen (Alpträume, Aggressionszustände, Konzentrationsschwierigkeiten, anfangs auftretendes Erbrechen), und auf Seiten des Beklagten seine zum Ausdruck gebrachte Reue und sein im Strafverfahren abgelegtes Geständnis.

2. Hierbei bedurfte es keiner näheren Substantiierung der oben genannten Tatfolgen durch die Klägerin und/oder einer entsprechenden Beweisaufnahme. Denn die Tatfolgen sind die regelmäßigen Folgen einer Vergewaltigung, wie sie hier vom Beklagten begangen wurde. Nur wenn das zugesprochene Schmerzensgeld den Wert übersteigen würde, der für das Erleiden vergleichbarer Vergewaltigungen regelmäßig zugesprochen wird, müßten besondere Folgen der Tat vorher dargelegt und bewiesen werden.

Das ist hier nicht der Fall, wie die Heranziehung der neueren Rechtsprechung zeigt, die Beträge zumeist über 25.000,00 DM für vergleichbare Fälle als angemessen betrachtet (vgl. insbesondere BGH NJW 91, 1046; 96, 1591; ferner beispielhaft LG Osnabrück vom 21. Oktober 1997, 7.O.137/97; OLG Bamberg NJW RR 01, 1316 m. w. N.), wobei der BGH die in früherer Zeit zugesprochenen Schmerzensgelder angesichts der schwerwiegenden seelischen Belastung, wie sie mit einer Vergewaltigung einhergeht, als zu gering erscheinend bezeichnet hat.

3. Das Schmerzensgeld war nicht deshalb geringer zu bemessen, weil der Beklagte zu einer - Gesamt-Freiheitsstrafe von 13 Jahren verurteilt worden ist. Denn die Verurteilung hat auf die Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldes grundsätzlich keinen Einfluss (BGH NJW 95, 781).

Allenfalls eine besondere Fallgestaltung kann die Verurteilung Auswirkungen auf die Höhe des Schmerzensgeldes haben (BGH NJW 96, 1591). Ein solcher besonderer Fall liegt hier nicht vor, es ist hierbei abzustellen auf die - vorläufige - Einzelstrafe von sechs Jahren für die Vergewaltigung der Klägerin, wobei diese Einzelstrafe sodann mit weiteren Einzelstrafen für weitere 14 Fälle (sexuelle Nötigung bzw. Vergewaltigung, Nötigung, sexueller Missbrauch Jugendlicher u. s. w., zum Teil nur als Versuch) zwischen zwei und sechs Jahren (insgesamt für alle 15 Fälle 58 Jahre) in eine Gesamtfreiheitsstrafe von 13 Jahren aufgegangen ist. Damit liegt die Einzelstrafe für den hier maßgeblichen Fall letztlich weit unterhalb der Grenze, die die Annahme eines besonderen Falls rechtfertigen könnte.

4. Ebensowenig führten die derzeitigen wirtschaftlichen Verhältnisse des in Haft sitzenden Beklagten zu einer Reduzierung des Schmerzensgeldes.

Die Leistungsfähigkeit kann - muss aber nicht - neben der Schwere der Schuld bei der Bemessung des Schmerzensgeldes berücksichtigt werden (BGH NJW 1993, 1531). Eine Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters liegt danach nahe, um im Rahmen der Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldes dem vermögenden Schädiger eine fühlbare finanzielle Belastung aufzuerlegen. Andererseits kann dies nicht umgekehrt dazu führen, dass ein Schädiger, der - wie hier - wegen der Schwere seiner Tat wie etwa einer Vergewaltigung eine längere Freiheitsstrafe verbüßt und damit in der Regel keine einer Zwangsvollstreckung zugänglichen Einkünfte erzielt, gerade aus diesem Grund kein oder ein geringeres Schmerzensgeld zahlen muss.

Aber selbst wenn man die Einkommensverhältnisse des Beklagten vor der Haft und die ihm danach zukünftig möglichen berücksichtigt, so führt das zu keiner anderen Bemessung des Schmerzensgeldes. Der Beklagte hat ein deutsches Abitur gemacht, spricht fließend deutsch, hat sich seinen - auskömmlichen - Lebensunterhalt in der Gastronomie verdient und zeitweise sogar eine eigene Cocktailbar geführt. Außerdem will er die Haftzeit für ein Ausbildung nutzen. Angesichts dessen wird er voraussichtlich auch nach der Haft mindestens durchschnittliche Einnahmen haben, die ihn befähigen werden, den zuerkannten Betrag zu zahlen, ohne eine unbillige Härte zu erleiden.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 1 ZPO nicht vorliegen.



Ende der Entscheidung

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