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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 01.06.2001
Aktenzeichen: 21 U 4112/99
Rechtsgebiete: VOB/B, ZPO


Vorschriften:

VOB/B § 5 Nr. 4
VOB/B § 8 Nr. 3
VOB/B § 2 Nr. 6
ZPO § 538 Nr. 3
ZPO § 540
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
KAMMERGERICHT Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 21 U 4112/99

Verkündet am: 1. Juni 2001

In dem Rechtsstreit

hat der 21. Zivilsenat des Kammergerichts unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Kammergericht Schlenger, der Richterin am Kammergericht Kingreen und des Richters am Kammergericht Wagner auf die mündliche Verhandlung vom 1. Juni 2001 für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 25. Februar 1999 - 95.O.182/96 - aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten dieses Berufungsverfahrens an das Landgericht Berlin zurückverwiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beschwer übersteigt jeweils 60.000,00 DM.

Tatbestand:

Die Klägerin verlangt von der Beklagten Werklohn für erbrachte Leistungen sowie die vereinbarte Vergütung abzüglich ersparter Aufwendungen für nicht erbrachte Leistungen nach einer vorzeitigen Kündigung des Bauvertrages durch die Beklagte. Die Beklagte meint, sie habe den Vertrag aus wichtigem Grund kündigen dürfen. Sie hält der Abrechnung der Klägerin ihre eigenen Ansprüche entgegen und verlangt deren überschießenden Teil widerklagend. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Beklagte plante 1994 die Sanierung der Häuser L Straße im Stadtbezirk Mitte. Die Häuser sind 70 m hoch, umfassen 24 Etagen mit seinerzeit 344 Mietparteien und Gewerbeeinheiten. An der Nord-, Ost- und Westfassade befinden sich Balkone bzw. Loggien. Die Beklagte beabsichtigte, die jeweiligen Wohnzimmerwände = Loggiarückwände durch eine Alukonstruktion mit Glaselementen zu ersetzen. Die Loggiabrüstungen sollten demontiert und durch ein niedrigeres Metallgeländersystem ersetzt werden. Parallel dazu war die von dritter Seite vorzunehmende Heizungserneuerung geplant. Sämtliche Maßnahmen sollten - bei bestehender Vermietung - bis zum Beginn der Heizperiode 1995/96 abgeschlossen sein.

Die Beklagte schrieb die Fassadenarbeiten nach der VOB/A aus. Nachdem sie der Klägerin im August 1994 diverse Unterlagen übersandt hatte, unterbreitete die Klägerin unter dem 26. August, 28. September und 14. Oktober 1994 ihre Angebote (Anlagen 1 - 3 zur Klageschrift). Nach weiteren Verhandlungen und wechselseitigen Schreiben erteilte die Beklagte mit einem an die G Berlin, einem Tochterunternehmen der Klägerin, gerichteten Schreiben vom 9. Dezember 1994 den Zuschlag (B 45) und übersandte den von ihr unter dem selben Datum unterschriebenen Vertrag (Anlage 4 zur Klageschrift), den die Klägerin am 4 Januar 1995 gegenzeichnete.

Die Zusammenarbeit gestaltete sich von Anfang an schwierig, wobei sich die Parteien gegenseitig die Schuld daran zuweisen. Die Beklagte mahnte seit dem 24. Januar 1995 verschiedene Leistungen der Klägerin an. Wegen der Einzelheiten wird auf die nachfolgenden Ausführungen Bezug genommen.

Zur Durchführung der Arbeiten hatte die Klägerin ein Baugerüst zu errichten. Nach der Vorbemerkung zu Titel 4 des Leistungsverzeichnisses Gerüstarbeiten (B 142/II 85 ff) war es ihre Sache, die erforderlichen amtlichen Genehmigungen einzuholen. Nach Ziffer 3.21 der Verhandlungsprotokolle vom 7./28. November 1994 (B 1), die gemäß Ziffer 3.2 des Vertrages (Anlage 4 zur Klageschrift) Vertragsbestandteil waren, hatte die Klägerin eine geprüfte statische Berechnung für das Gerüst und Ankerpläne vorzulegen.

Die Beklagte hatte schon im Juni 1994 die C GmbH mit der Tragwerksplanung beauftragt (B 136). Die sollte unter anderem den statischen Nachweis der Lasteintragung vom Gerüst auf den Flachbau erbringen und den Nachweis für die Kraftübertragung des Gerüstes auf die Fassade. Die Klägerin erhielt die die Unterlagen der im August 1994 (B 44).

Die Klägerin vergab unter anderem die Gerüstarbeiten an ihre Berliner Konzerntochter G GmbH. Diese vergab die Arbeiten am 30. Dezember 1994 an die Streithelferin (B 2).

Die Streithelferin beauftragte das Statikerbüro B-H-J mit der Ausführungsstatik. Deren Berechnungen vom Januar 1995 legte die Streithelferin dem Prüfingenieur L vor, der seine Prüfung im März 1995 abschloss.

Das Gerüst wurde im Zeitraum Februar bis April 1995 errichtet. Die Arbeiten waren für den vom Bauamt ursprünglich nur mit der Überprüfung der statischen Berechnungen und der Konstruktionszeichnungen für die vorgesehenen baulichen Änderungen beauftragten Prüfingenieur G Anlass, die Verankerungspunkte für das Gerüst anzusprechen. In einem ersten vorläufigen Prüfbericht vom 21. Februar 1995 (B 4) stellte er fest, dass bei den für die Verankerung vorgesehenen Dübeln der Firma U - nach seiner Meinung - der vom Hersteller empfohlene Lastbereich wesentlich überschritten wurde. In der Folgezeit kam es hierüber und über weitere Details der Gerüstausführung zu unterschiedlichen Auffassungen, die sich auch auf die Frage bezogen, welche Befugnisse G in diesem Zusammenhang überhaupt hatte. Am 3. März 1995 fand eine Beratung auf der Baustelle statt, anlässlich derer die I eine skizzenhafte Darstellung (B 6) fertigte, aus welcher sich ergab, wo Verankerungspunkte gesetzt sein sollten und wo nicht. Der Prüfingenieur G beanstandete im folgenden auch, dass die Streithelferin die Anker unter Missachtung dieser Anweisung gesetzt habe.

Am 6. April 1995 übertrug das Bauamt G zusätzlich die Bauüberwachung für das Bauvorhaben Fassadengerüst einschließlich Wandverankerung und beauftragte ihn mit der Prüfung der statischen Berechnungen und der Konstruktionszeichnungen für das Gerüst. Mit Schreiben vom 20. April 1995 forderte G von der Beklagten die Zusendung noch fehlender statischer Nachweise hinsichtlich der Verankerung. Er erstattete am 25. April 1995 einen Prüfbericht und wies darauf hin, dass das Gerüst noch nicht zur Benutzung freigegeben sei (B 8). Am 26. April 1995 sperrte die Beklagte das Gerüst und forderte die Klägerin mit Schreiben vom gleichen Tag unter anderem auf, die erforderlichen Nachweise zur Verankerung/Dübel bis zum 5. Mai 1995 zu erbringen. Für den Fall der Nichterledigung behielt sie sich die Auftragsentziehung vor.

Einen weiteren Zwischenbericht erstattete G unter dem 4. Mai 1995 (B 9). Er wies darauf hin, dass die zur Verankerung vorgesehenen Dübel ohne allgemeine bauaufsichtliche Zulassung seien und gegen eine Genehmigung Bedenken bestünden. Am 9 Mai 1995 kam es zu einer Besprechung zwischen G, den Parteien, der Streithelferin, den Prüfstatikern der Klägerin und weiteren Teilnehmern. G fertigte seinen dritten Zwischenbericht vom 10. Mai 1995 (B 11), in welchem er unter Nr. 5 vermerkte: "Es wurde keine Einigung erzielt. Firma T will weder die Verankerung durch zugelassene Dübel herstellen noch andere Maßnahmen zur Veränderung (Verbesserung) der Verankerung treffen. Ein Gespräch über mögliche konstruktive Maßnahmen zur Verbesserung der Standsicherheit (unter Zugrundelegung meines in Absatz 4 geschilderten Standpunktes) wurde abgelehnt".

Am 10. Mai 1995 kam es zu einer weiteren Besprechung, in welcher die Klägerin zum Ausdruck brachte, sie strebe ein weiteres Gespräch zwischen der Streithelferin und G an. Auf das Protokoll der Bauleitung B GmbH vom 15. Mai 1995 (K 26) wird Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 15. Mai 1995 (Anlage 6 zur Klageschrift) kündigte die Beklagte den Vertrag unter Darlegung eines Kompromissvorschlages, den die Klägerin nicht akzeptierte. Daraufhin kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 16. Mai 1995 (Anlage 5 zur Klageschrift) unter Bezugnahme auf §§ 8 Nr. 3, 5 Nr. 4 VOB/B.

Anfang Juni 1995 fand eine Abnahme der bis zum 16. Mai 1995 erbrachten Leistungen der Klägerin statt.

Die Klägerin rechnete ihre Leistungen mit Schlussrechnung vom 16. Oktober 1995 (Prüfexemplar Anlagen 10 und 11 zur Klageschrift) ab und forderte die Beklagte zur Zahlung von rund 7,8 Mio. DM auf. Die Beklagte ermittelte einen vergütungspflichtigen Anspruch der Klägerin von ca. 1,27 Mio DM und verwies darauf, dass sie nach § 8 Nr. 3 VOB/B abrechne.

Die Klägerin hat sodann die vereinbarte Vergütung von 3.485 659,10 DM zuzüglich Mehrwertsteuer entsprechend der Leistungsabrechnung vom 16. Oktober 1996 gefordert sowie die vertragliche Vergütung abzüglich ersparter Aufwendungen in Höhe von 4.958.437,32 DM entsprechend ihrer Berechnung in der Klageschrift und im Schriftsatz vom 28. Juli 1997.

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, die Kündigung der Beklagten sei zu Unrecht erfolgt. Sie hat dazu mit Unterstützung der Streithelferin behauptet, das Gerüst sei standsicher gewesen. Im übrigen habe sie alles unternommen, um die Benutzbarkeit des Gerüstes zu sichern. Die Streithelferin hat ergänzend vorgetragen, der Prüfingenieur G habe zu Unrecht die Auffassung vertreten, er müsse das Fassadengerüst zur Benutzung freigeben. Das Gerüst sei jedoch genehmigungsfrei gewesen.

Nach Rücknahme der Klage in Höhe der auf die Vergütung für nicht erbrachte Leistungen entfallenden Mehrwertsteuer hat die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 8.966.945,29 DM nebst Zinsen in Höhe von 1 % über dem Lombardsatz der Deutschen Bundesbank aus dem Betrag von 1.065.771,83 DM seit dem 30. Juni 1995, aus dem Betrag von 695.498,83 DM seit dem 30. Juni 1995 sowie aus dem Restbetrag seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen,

sowie widerklagend,

die Klägerin zu verurteilen, an die Beklagte 1.728.340,20 DM nebst 5 % Zinsen seit dem 1. März 1996 zu zahlen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, ihre Kündigung vom 16. Mai 1995 sei nach § 8 Nr. 3 VOB/B gerechtfertigt. Sie hat unter Verweis auf ihr Schreiben vom 26. April 1995 (B 10) im übrigen behauptet, der Geschäftsführer der Streithelferin habe sich in der Besprechung am 9. Mai 1995 geweigert, die gebotene Verankerung des Gerüstes durch zugelassene Dübel herzustellen oder andere Maßnahmen zur Verbesserung der Verankerung zu treffen. Der Geschäftsführer habe kategorisch jede weitere Maßnahme abgelehnt und auf seinem Standpunkt beharrt, sein Gerüst sei in Ordnung.

Ihr sei ein Mehraufwand und ein Vermögensschaden unter Berücksichtigung eines unstreitigen Guthabens der Klägerin in Höhe von 1.728.340,20 DM entstanden. Wegen der Einzelheiten der Berechnung wird auf das Vorbringen der Beklagten im Schriftsatz vom 9. Februar 1998 Bezug genommen.

Vorsorglich ist die Beklagte der Berechnung der Vergütung für nicht erbrachte Leistungen entgegengetreten.

Das Landgericht hat die Klage nach Zeugenvernehmung dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und die Widerklage abgewiesen.

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Sie meint, der Vorbehalt der Kündigung im Schreiben vom 26. April 1995 (B 10) genüge als Kündigungsandrohung. Die Nichteinhaltung jeder einzelnen dort gesetzten Frist berechtige sie zur Kündigung.

Ohnehin habe sie aus verschiedenen Gründen auch ohne Einhaltung einer Frist kündigen dürfen. Unterteilweiser Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens vertieft die Beklagte den Komplex Gerüst wie folgt:

Die von der Streithelferin verwendeten Dübel der Marke U Ultra seien ungeeignet für ein 70 m hohes Gerüst. Eine allgemeine Zulassung fehle. Nach den Herstellerangaben seien sie als Gerüstverankerung nur für den Normalfall vorgesehen, ideal für kleinere und mittlere Gerüste. Die Herstellerangabe sehe einen Lastbereich bis 2,8 kN vor, wohingegen nach der Statik II Lasten bis 8,1 kN aufträten. Möglich sei eine bauaufsichtliche Einzelfallzulassung. Das Verfahren hätte aber zu lange gedauert. Deswegen habe der Nachweis der Standsicherheit alternativ durch eine statische Berechnung und zum Beispiel Verankerungspläne nachgewiesen werden müssen. Derartiges habe die Streithelferin jedoch verweigert. G habe von ihr keinerlei Nachweise über Probebelastungen erhalten. Erforderlich sei ein 100 %-iger, d. h. lückenloser Nachweis gewesen.

Zudem habe die Streithelferin teilweise die Anlegekragen an den Dübeln entfernt und damit eine Überprüfung der Einbindetiefe unmöglich gemacht. Teilweise seien die Dübel zu kurz oder zu tief gesetzt worden. Das Abschneiden der Kragen sei auch nicht üblich.

G habe in diversen Besprechungen nie die Entfernung des Gerüstes bzw. eine vollständige Neuverankerung verlangt, sondern Maßnahmen zur Verbesserung, d. h. eine zusätzliche Verankerung vorgeschlagen. Die Streithelferin habe sich darauf beschränkt, die Legitimation von G zur Überprüfung der Standsicherheit zu bestreiten, das Gerüst als standsicher bezeichnet und jedwede Nachbesserung oder Mängelbeseitigung abgelehnt. Dies gelte sowohl für die Sitzung am 9. Mai 1995 als auch für die Sitzung vom 10. Mai 1995, in der die Klägerin das Problem vor sich hergeschoben und nur erklärt habe, sie strebe ein weiteres Gespräch Streithelferin/G an. In jenem Gespräch beim Bauamt am 12. Mai 1995 habe die Streithelferin nur wieder die Legitimation von G bestritten, dessen vorgeschlagene Maßnahmen zur zusätzlichen Verankerung abgelehnt und der Klägerin statt dessen die Inbenutzungnahme des Gerüstes empfohlen, da J das Gerüst freigegeben habe. Für diesen Fall habe das Bauamt mit einer Stilllegungsverfügung gedroht.

Schon das Leugnen der Befugnisse von G sei eine Vertragswidrigkeit.

Anlässlich der Änderungskündigung am 15. Mai 1995 habe die Klägerin nur ihr Bedauern über die Gerüstsituation ausgedrückt.

Unabhängig davon habe jedenfalls der Aufzug abgeändert und nachverankert werden müssen. Dieser sei nicht ordnungsgemäß verankert gewesen, was allein zur Kündigung ausreiche.

Aus alledem ergebe sich die Unbrauchbarkeit des Gerüstes. Das Gegenteil werde nicht durch das Gutachten K im selbständigen Beweisverfahren Streithelferin/G Berlin (LG Berlin 34 OH 6/95 und ST 4) belegt, was ausgeführt wird.

Nach der Kündigung habe das Statikerbüro Prof. H unter Außerachtlassung der bisherigen Verankerung eine völlig neue Verankerung berechnet und Belastungsnachweise für die neuen Dübel und Ankerschrauben erbracht. Die alten Befestigungen seien nur aus Praktikabilitätsgründen nicht entfernt worden. Es sei umfangreich nachgearbeitet worden. Diese neuen - letztlich schon von der Klägerin zu erbringenden - Leistungen hätten sofort die Zustimmung von G gefunden.

Die Beklagte wirft der Klägerin ferner unzulängliche Leistungen bei der Erneuerung der Loggiarückwände und bei den Loggiabrüstungsplatten/Geländersystemen vor. Die Klägerin habe vereinbarte Fristen zur Vorlage von Werkstattzeichnungen und Statik nicht eingehalten und bis zur Kündigung kein brauchbares Muster für die Loggiarückwände vorgestellt. Gleiches gelte für Loggiabrüstung und Geländer.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und

a) die Klage abzuweisen

b) die Klägerin auf die Widerklage zu verurteilen, an die Beklagte 1.728.340,20 DM nebst 5 % Zinsen seit dem 1. März 1996 zu zahlen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Klägerin und Streithelferin vertiefen ihren Vortrag zum Komplex Gerüst unter teilweiser Wiederholung des erstinstanzlichen Vortrages wie folgt:

Das Gerüst sei standsicher und frei von wesentlichen Mängeln gewesen. Der statische Nachweis der Standsicherheit sei durch J erbracht und von L nicht bemängelt worden. Es gebe keine allgemein zugelassenen Dübel für derartige Gerüste. Deswegen habe J bei 1.600 von 2.000 Verankerungen Zugprüfungen durchgeführt, die zu keinen Beanstandungen geführt hätten, auch nicht bei den von G im einzelnen bezeichneten Ankern. Jedenfalls sei die ohnehin erst nach Kündigung erhobene Kritik an 50 Ankern angesichts der geringen Anzahl für die Standsicherheit unerheblich. G habe trotz eines dahingehenden Angebots keine weiteren Prüfungen verlangt. Die Ankerlasten hatten sich durch eine nachträgliche Verringerung des Ankerabstandes auf 2 m auf 2,75 kN verringert Die Entfernung der Kragen bei den Dübeln sei ein üblicher Vorgang, zumal die korrekte Setztiefe ohnehin durch Bohren mit Anschlag erreicht werde.

Bei den Gesprächen sei es nie um einzelne Mängelrügen bezüglich der Verankerung gegangen, sondern nur darum, dass G die Dübel für ungeeignet gehalten und deswegen ausschließlich eine Neuverankerung verlangt habe, zu der sie weder bereit noch verpflichtet gewesen seien. Eine Nachverankerung habe G nicht für ausreichend erachtet. Verbesserungsmöglichkeiten insbesondere eine Nachverankerung seien von G abgeblockt worden. Erst nach der Kündigung habe sich G eines besseren besonnen.

Der Lastaufzug sei nach Maßgabe der statischen Berechnung durch J errichtet worden, die L geprüft und für gut befunden habe. Er sei mangelfrei. Einzelne Nachverankerungen seien zudem nie verweigert worden.

Die nachträglichen Änderungen beruhten auf einer falschen Berechnung durch das Büro Prof. H. Die spätere Standsicherheit des Gerüstes sei allein auf die ursprüngliche Verankerung durch die Streithelferin zurückzuführen. Die zusätzlichen Anker allein genügten keinesfalls.

Bezüglich der eigentlichen Bauleistungen leugnet die Klägerin die wirksame Vereinbarung verschiedener Vertragsfristen. Ohnehin seien etwaige Verzögerungen der Beklagten anzulasten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung.

I. Die Beklagte durfte den Bauvertrag am 16. Mai 1995 aus wichtigem Grund kündigen.

1. Allerdings hat die Beklagte nicht die für eine Kündigung nach §§ 8 Nr. 3, 5 Nr. 4 VOB/B erforderlichen Voraussetzungen eingehalten. Ihrem Schreiben vom 26. April 1995 (B 10) lässt sich nicht mit der erforderlichen Eindeutigkeit entnehmen, dass sie nach erfolglosem Fristablauf nicht mehr bereit war, weitere Leistungen der Klägerin anzunehmen. Die Beklagte behielt sich die Auftragsentziehung lediglich vor, was die Option beinhaltet, auch nicht zu kündigen.

Dafür, dass die Klägerin das Schreiben gleichwohl anders, d. h. im Sinne einer klaren Ablehnung weiterer Leistungen nach Fristablauf verstand, gibt es keine Anhaltspunkte. Insbesondere tauchte diese Formulierung auch nicht erstmals auf, wie die Mahnung vom 8. Februar 1995 (Anlage B 26 zum Schriftsatz der Beklagten vom 3. Dezember 1996) zeigt.

2. Die Beklagte durfte aber auch ohne Fristsetzung kündigen. Ihr war eine Fortsetzung des Vertrages nicht mehr zumutbar. Das Verhalten der Klägerin bei dem Streit um die Standsicherheit des Gerüstes gefährdete den weiteren Bauablauf in erheblichem Maße.

Dabei kann offen bleiben, ob das Gerüst trotz der Vorbehalte des Prüfingenieurs G tatsächlich standsicher war, was im Nachhinein nur anhand eines Gutachtens nach Aktenlage geklärt werden könnte. Die Klägerin hätte auch dann die von G verlangten Maßnahmen ausführen müssen, wenn diese objektiv nicht notwendig waren.

a) Das Bauamt hatte G mit der Prüfung der statischen Berechnung des Gerüstes und der konstruktiven Bauüberwachung beauftragt.

G erklärt das Gerüst für genehmigungsbedürftig und gab es nicht zur Benutzung frei. Er hielt das Gerüst für unzureichend verankert und meinte unter anderem, bei der Verankerung mit Dübeln der Firma U sei der vom Hersteller empfohlene Lastbereich wesentlich überschritten worden. Die von der Klägerin alternativ angebotenen Nachweise der Standsicherheit genügten ihm nicht. Er verlangte - unterstellt man den Vortrag der Klägerin als wahr: ausschließlich - eine komplette Neuverankerung, die die Klägerin unstreitig verweigerte.

Das Bauamt hielt das Gerüst im Laufe der Auseinandersetzung und jedenfalls bis zur Kündigung ebenfalls für genehmigungsbedürftig, wie unter anderem das Schreiben der Ingenieure B-H-J vom 12. Mai 1995 (B 152, II 101 f) an das Bauamt zeigt.

b) Die Folge war, dass das Gerüst nicht benutzt werden konnte. Das Bauamt hatte das Gerüst zwar nicht förmlich gesperrt. Eine Weiternutzung des Gerüstes war der Beklagten aber nicht zumutbar, solange unter den Fachleuten Streit über die Standsicherheit des Gerüstes herrschte.

Die gegenteilige Auffassung der Klägerin im Termin am 1. Juni 2001 geht fehl. Die Beklagte konnte sich nicht damit beruhigen, es sei schließlich das vor allem finanzielle Risiko der Klägerin, wenn das Gerüst tatsächlich einstürzen sollte. Der Schaden durch einen Einsturz wäre immens gewesen. Die Folgen hätten, was keiner näheren Erläuterung bedarf, auch die Beklagte in erheblichem Umfang getroffen.

c) Vor diesem Hintergrund konnte eine Lösung des Konflikts auch nicht darin bestehen, den Streit über einen rechtsmittelfähigen Bescheid des Bauamtes auszutragen, wie es J im Schreiben vom 12. Mai 1995 offenbar vorschwebt. Die Zeit drängte. Der Bau befand sich ohnehin weit hinter dem Zeitplan. Der Wintereinbruch vor Abschluss der Arbeiten musste, wenn irgend möglich, vermieden werden. Ein Verwaltungsverfahren mit einem sich womöglich anschließenden verwaltungsgerichtlichen Eilverfahren hätte zu einer nicht mehr einholbaren Verzögerung geführt.

d) Solange G bei seiner Auffassung blieb - auf die weder die Klägerin noch die Beklagte Einfluss hatten - konnte der Bau daher nur fortgeführt werden, wenn die Klägerin den Forderungen G nachkam.

aa) Dazu war eine zusätzliche Verankerung nötig, die das Gerüst auch dann standsicher machte, wenn die Bedenken G gegen die Verankerung durch die Streithelferin zutrafen. So wurde es nach der Kündigung auch gemacht. Nach der Statik H vom 27 Juni 1995 (B 50) war die zusätzliche Verankerung für sich allein geeignet, die Standsicherheit zu begründen. Ob das zutraf, spielt keine Rolle. G war damit jedenfalls zufrieden. Es gibt keine Anhaltspunkte, dass G hierauf nicht auch vor der Kündigung eingegangen wäre.

bb) Dazu hätte sich eine Vereinbarung zwischen den Parteien und in der Subunternehmerkette angeboten, wonach die Arbeiten zunächst erst einmal ausgeführt werden, dann geprüft wird, ob die Rügen G berechtigt waren und - je nach Ausgang der Prüfung - die Klägerin eine Zusatzvergütung erhielt oder nicht.

Da die Beklagte die Leistungen aber forderte, hätte die Klägerin sie auch ohne eine derartige Vereinbarung ausführen müssen. Ihren etwaigen Mehrvergütungsanspruch konnte sie ankündigen. Zeigte sich dann bei der nachfolgenden Prüfung, dass die Leistungen zur Mängelbeseitigung nicht nötig waren, hätte der Klägerin der Anspruch auf besondere Vergütung zugestanden, § 2 Nr. 6 VOB/B.

Indem die Klägerin die Ausführung der von G und von der Beklagten geforderten Arbeiten verweigerte, verletzte sie ihre Vertragspflichten. Weitere Diskussionen, die nicht absehbar kurzfristig dazu führen konnten, dass G von seinem Standpunkt abrückte, waren der Beklagten nicht mehr zuzumuten. Sie durfte den Vertrag aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Frist kündigen.

e) Der Kündigungsgrund war nicht "vorgeschoben". Die nochmals im Termin geäußerte Mutmaßung der Klägerin, die Beklagte habe die Bedenken G lediglich zum willkommenen Vorwand genommen, die ihr von Anbeginn unliebsame, weil ausländische Klägerin loszuwerden, ist durch keine plausiblen Tatsachen belegt. Dass G im Baubüro der Beklagten "ein- und ausging", im Büro der Klägerin dagegen nicht auftauchte, besagt nichts. Die Beklagte war die Bauherrin und erste Ansprechpartnerin für G. Wollte die Beklagte die Klägerin tatsächlich nur loswerden, hätte die Gelegenheit dazu schon Monate früher bestanden. Die Parteien stritten seit Beginn des Jahres über viele Ausführungsdetails der Fassadenkonstruktion. Die Beklagte hatte zahlreiche Fristen gesetzt. Wäre es ihr nur um den alsbaldigen Rauswurf der Klägerin gegangen, hätte sie die Kündigung schon zu einem früheren Zeitpunkt "riskiert", denn mit jedem weiteren Tag Zeitverlust stieg die Gefahr, das Projekt nicht vor der Heizperiode beenden zu können.

II. Nach den obigen Feststellungen war das Grundurteil aufzuheben, § 538 Nr. 3 ZPO Die Klägerin kann nur Vergütung für erbrachte Leistungen verlangen. Die Beklagte kann dem Werklohn ihren Anspruch auf Ersatz der Mehrkosten für die Fertigstellung und weitere Schadensersatzpositionen entgegenstellen. Ob hiernach mit hoher Wahrscheinlichkeit noch ein Zahlungsanspruch der Klägerin verbleibt, steht nicht fest.

Eine Entscheidung nur über die Widerklage war nicht möglich. Die Widerklage steht in einem untrennbaren Zusammenhang mit der Klage. Ob und in welchem Umfang die Widerklage begründet ist, hängt davon ab, in welcher Höhe die Klageforderung besteht und in welcher Höhe die Gegenforderungen bereits durch die Klage aufgebraucht werden. Über beides hat nach Aufhebung des Grundurteils auch das Landgericht zu entscheiden. Wegen der Gefahr einander widersprechender Entscheidungen ist dem Senat daher der Erlass eines Teilurteils nur bezüglich der Widerklage verwehrt.

Eine Entscheidung über den gesamten Prozessstoff ist nicht sachdienlich, § 540 ZPO. Beide Parteien haben Einwendungen zur Höhe der gegnerischen Forderungen erhoben. Ohne umfangreiche Beweisaufnahme kann hierüber nicht befunden werden.

Ende der Entscheidung

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