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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 09.09.2004
Aktenzeichen: 22 U 230/03
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 249
BGB § 251
Zum merkantilen Minderwert eines Polizeifahrzeugs mit Sonderausstattung; Ein merkantiler Minderwert ist nur zu beachten, wenn das beschädigte Fahrzeug zumindest auch zur Teilnahme am Markt bestimmt ist, und zwar in einem Fahrzeugalter, in dem sich ein ordnungsgemäß reparierter Unfallschaden noch auf den Kaufpreis auswirken kann.
Kammergericht Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer:

verkündet am : 09. September 2004

In dem Rechtsstreit

hat der 22. Zivilsenat des Kammergerichts Elßholzstraße 30 - 33, 10781 Berlin, auf die mündliche Verhandlung vom 09. September 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Ubaczek als Vorsitzenden, den Richter am Kammergericht Schneider und die Richterin am Kammergericht Meising für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 05. Juni 2003 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin - 17 O 82/02 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

Von der Darstellung tatsächlicher Feststellungen hat der Senat gemäß § 540 Abs. 2 ZPO in Verbindung mit § 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO (vgl. § 26 Nr. 8 EGZPO) abgesehen.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden. In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg.

Das Landgericht hat dem Kläger jedenfalls im Ergebnis zu Recht den geltend gemachten Anspruch auf Ersatz eines merkantilen Minderwertes des bei dem Unfall beschädigten Kraftrades aus §§ 7, 17 StVG, § 823 Abs. 1 BGB bzw. § 3 Nr. 1 und 2. PflVG versagt. Zwar steht die Haftung der Beklagten nicht mehr in Frage und gemäß § 251 Abs. 1 Satz 1 BGB hat der Ersatzpflichtige, soweit die Herstellung nicht möglich oder zur Entschädigung des Gläubigers nicht genügend ist, den Gläubiger in Geld zu entschädigen. Demgemäß ist im Falle der Beschädigung eines Kraftfahrzeuges die Wertdifferenz zu ersetzen, die im Falle einer Veräußerung zwischen dem Wert des Fahrzeuges vor dem Unfall und dem Wert nach ordnungsgemäßer Durchführung der Reparatur zutage treten würde. Im vorliegenden Fall besteht jedoch eine solche Wertdifferenz nicht.

Zwar kommt ein merkantiler Minderwert entgegen der von den Beklagten vertretenen Ansicht grundsätzlich auch bei Krafträdern in Betracht (vgl. etwa OLG Köln RuS 1979, 103; OLG Nürnberg NJW 1972, 2042; Becker/Böhme/Biela, Kraftverkehrshaftpflichtschäden, 22. Aufl., Rdn. D 33 m. w. N.). Denn ein merkantiler Minderwertes hat (im Gegensatz zu einem technischen Minderwert) bei Kraftfahrzeugen seine Grundlage im wesentlichen darin, dass potentielle Käufer in der Regel nicht bereit sind, für ein instandgesetztes Fahrzeug denselben Preis zu zahlen wie für ein entsprechendes unbeschädigtes, weil sie den nicht ganz von der Hand zu weisenden Verdacht auf verborgen geblieben Schäden und eine erhöhte Schadensanfälligkeit haben (vgl. dazu BGH NJW 1980, 281). Das gilt grundsätzlich auch im Falle eines beschädigten Motorrades.

Der Ansatz eines merkantilen Minderwertes setzt jedoch voraus, dass sich ein unfallbedingter Minderwert in Gestalt eines verringerten Verkaufserlöses nach der Art des beschädigten Gegenstandes überhaupt realisieren kann. Dazu muss für Fahrzeuge der betroffenen Art ein Gebrauchtwagenmarkt bestehen (vgl. BGH a. a. O.). Das ist hier nicht der Fall. Es handelt sich bei dem beschädigten Kraftrad um ein Polizeifahrzeug mit Sonderausstattung, das, wie der Sachverständige Kaiser überzeugend und vom Kläger unbestritten ausgeführt hat, von der Herstellerfirma so nur für Behörden hergestellt wird und dessen Neupreis wesentlich höher ist als der Neupreis für ein vergleichbares Kraftrad ohne behördenspezifische Sonderausstattung. Es liegt auf der Hand, dass dieses Fahrzeug vom Land Bn n n als Polizeifahrzeug mit der Bestimmung angeschafft worden ist, es als Behördenfahrzeug zu nutzen. solange dies unter Gesichtspunkten der Wirtschaftlichkeit, der Funktionalität und der Sicherheit sinnvoll ist. Solange soll das Fahrzeug auch nicht auf dem Markt verkauft werden. Dazu hat der Sachverständige Kn n n in seinem Gutachten überzeugend ausgeführt, solche Fahrzeuge würden erst, wenn sie für die Behörde unwirtschaftlich geworden seien, ausgemustert und versteigert. Die Richtigkeit dieser Feststellung des Sachverständigen wird auch durch den eigenen Vortrag des Klägers gestützt, nach dem solche Fahrzeuge erst nach Jahren der Nutzung versteigert würden und zwar ohne die Sonderausstattung die dann ausgebaut werde, damit die Fahrzeuge wie normale Motorräder im Verkehr genutzt werden können.

Unter diesen Umständen ist, anders als bei privat genutzten Fahrzeugen nicht davon auszugehen, dass sich ein durch den Unfall hervorgerufener merkantiler Minderwert hier überhaupt realisieren könnte. Denn nach dem überzeugenden Gutachten des Sachverständigen Kaiser ist davon auszugehen, dass das Fahrzeug, das zur Unfallzeit erst knapp ein halbes Jahr als war und eine Laufleistung von erst 2.125 km hatte und an dem nach ordnungsgemäßer Reparatur keinerlei Unfallschäden und auch keinerlei erhöhtes Sicherheitsrisiko zurückgeblieben ist, bei bestimmungsgemäßer Verwendung noch viele Jahre als Behördenfahrzeug genutzt werden wird. Es wird seiner Bestimmung nach erst dann nicht mehr für Behördenzwecke verwendet, sondern versteigert werden, wenn seine Verwendung durch die Behörde unwirtschaftlich geworden ist, also zu einem Zeitpunkt, zu dem sich in der Rechtsprechung ein Unfallschaden auf einen Verkaufspreis nicht mehr messbar auswirken kann, insbesondere wenn er, wie hier, sachgerecht repariert worden ist.

Zwar ist für den Anspruch auf Ersatz eines merkantilen Minderwertes nach der obergerichtlichen Rechtsprechung im Grundsatz unerheblich, ob der Minderwert sich realisiert, weil der Geschädigte das Fahrzeug zeitnahe zur Reparatur veräußert oder ob der Geschädigte das Fahrzeug weiterbenutzt. Denn die Wertminderung tritt bereits mit der Beschädigung ein (vgl. BGH NJW 1981, 1663). Jedoch muss zur Unfallzeit zumindest die nicht völlig fern liegende Möglichkeit bestehen, dass sich ein Minderwert bei dem Geschädigten realisiert. Das ist nur der Fall, wenn das beschädigte Fahrzeug zumindest auch zur Teilnahme am Markt bestimmt ist und zwar in einem Fahrzeugalter, in dem sich ein ordnungsgemäß reparierter Unfallschaden, von dem keinerlei Spuren am Fahrzeug zurückgeblieben sind, noch auf den Kaufpreis auswirken kann (vgl. zur Problematik auch OLG Schleswig VersR 1979, 1037; auch KG VersR 1979, 260). Das ist nach der Rechtsprechung meist bereits bei Fahrzeugen nicht mehr der Fall, die älter als fünf bis sechs Jahre sind (vgl. etwa OLG Karlsruhe RuS 1990, 387; OLG Frankfurt DAR 1984, 318). So nimmt auch die in der Rechtsprechung anerkannte Berechnungsmethode Ruhkopf-Sahm (vgl. VersR 1962, 593) ab einem Fahrzeugalter von fünf Jahren keinen merkantilen Minderwert an. Jedenfalls kann für den vorliegenden Fall, in dem das Fahrzeug nach seiner Bestimmung nicht am Markt teilnehmen wird, solange sein Betrieb für die Behörde noch wirtschaftlich ist, sondern erst später versteigert werden wird, kein merkantiler Minderwert in Ansatz gebracht werden. Darüber hinaus scheidet auch die vom Kläger vorgenommene Berechnung eines Minderwertes, der sich allenfalls in einem geringfügig niedrigeren späteren Versteigerungserlös niederschlagen könnte, unter Einsatz des Fahrzeugwertes mit der im Falle einer Veräußerung zu entfernenden Sonderausstattung und Einsatz der vollen auch auf die Sonderausstattung entfallenden Reparaturkosten zur Unfallzeit aus.

Im Übrigen ist im vorliegenden Fall auch nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Kn n n nicht davon auszugehen, dass für das reparierte Kraftrad selbst dann, wenn es nach Entfernung der behördenspezifischen Teile frühzeitig auf dem Markt angeboten würde, ein geringerer Preis zu erzielen wäre als für das Kraftrad ohne Eintritt des Schadens. Bei der Reparatur des Fahrzeuges in einer BMW-Fachwerkstatt sind nach den auch vom Kläger nicht in Zweifel gezogenen Feststellungen des Sachverständigen sämtliche beschädigten Teile durch Neuteile ausgewechselt worden. Es ist kein beschädigtes Teil gerichtet worden und es steht daher fest, dass mit der Benutzung des Fahrzeuges kein durch den Unfall erhöhtes Sicherheitsrisiko verbunden ist und auch keine erhöhte Schadensanfälligkeit. Daher könnte hier ein merkantiler Minderwert ausschließlich in einem rein gefühlsmäßigen Vorurteil eines Käufers seine Grundlage haben (vgl. dazu auch BGH NJW 1980, 281/282). Die nach dem überzeugenden Gutachten des Sachverständigen Kaiser für das Fahrzeug in Betracht kommende Käufergruppe von Motorrad-Fans wird aber dieses Fahrzeug wertmäßig eher einem Kraftrad gleichsetzen, das im Winter zerlegt und mit Neuteilen wieder aufgebaut worden ist. Für ein solches Fahrzeug wird nach dem auch insoweit überzeugenden Gutachten kein geringerer Preis bezahlt als für ein nicht zerlegtes Fahrzeug. Daher kann hier auch deshalb kein merkantiler Minderwert angenommen werden.

An der Sachkunde des Sachverständigen Kn n n , der als Sachverständiger für Kraftfahrzeugschäden und -bewertungen bestellt ist, hat der Senat keine Zweifel.

Nach alledem ist die Berufung zurückzuweisen und auch die Kostenentscheidung des angefochtenen Urteils hat Bestand.

Die Kostenentscheidung für das Berufungsverfahren beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO (vgl. § 26 Nr. 8 EGZPO).

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu klären waren, sondern die Entscheidung auf einer Tatsachenwürdigung im Einzelfall beruht und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (vgl. § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO in Verbindung mit § 26 Nr. 7 EGZPO).

Ende der Entscheidung

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