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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 27.03.2003
Aktenzeichen: 22 U 3/02
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 181
BGB § 873
BGB § 885 Abs. 1
Wird ein notariell beurkundeter Vertrag unter Mitwirkung einer entsprechend bevollmächtigten Notariatsangestellten geändert oder ergänzt, ist bei der Auslegung zum Zweck der Ermittlung des geänderten Vertragsinhaltes auf die Kenntnis und das Verständnis des Vertretenen - nicht der Angestellten - abzustellen.
Tatbestand:

Mit notariellem Kaufvertrag vom 20. Dezember 1993 veräußerte die Stadt Br. verschiedene im Grundbuch von Br., Flur 3, eingetragene Flurstücke, unter anderem das 29.690 qm große Flurstück 130./6 an die M. Unter VI. 3. b) ermächtigte die Stadt Br. die Erwerberin, die Grundstücke bis zu einer Höhe von 70 Millionen DM mit Grundpfandrechten zu belasten. Die Parteien des Kaufvertrages bevollmächtigten die Notariatsangestellte E. unter Befreiung von der Beschränkung des § 181 BGB, die Belastungen vorzunehmen.

Am 21. Dezember 1993 bewilligte die Klägerin der M. zur Finanzierung des Kaufpreises einen Kredit in Höhe von 50 Millionen DM.

Nachdem sich herausgestellt hatte, dass Teile der veräußerten Grundstücke im Zuge von Erschließungsmaßnahmen für öffentliches Straßenland benötigt wurden, schlossen die Stadt Br. und die M. am 22. Juli 1994 einen Änderungsvertrag, in dem es zu I. 2.) heißt:

"Die Kaufvertragsparteien heben hiermit den vorgenannten Vertrag bezüglich folgender Grundstücksflächen auf:

.... sowie aus dem Flurstück 130/6 eine noch zu vermessende Teilfläche von insgesamt ca. 250 qm, die in der als Anlage zu diesem Vertrag genommenen Skizze durch die Eckpunkte A, B, C, D, A gekennzeichnet ist."

Mit notarieller Urkunde vom 11. August 1994 erklärte die Notariatsangestellte E. für die M., "diese handelnd im eigenen Namen und zugleich für den jeweils noch einzutragenden Eigentümer" unter Bezugnahme auf die ihr erteilten Vollmachten:

"Für die von mir vertretenen wird nachfolgende Buchgrundschuld bestellt.

I.

Belastungsgegenstand dieser Buchgrundschuld sind folgende Flurstücke bzw. unvermessene Teilflächen gem. den Kaufverträgen des amtierenden Notars:

Gemarkung Br., Flur 3,

a) vermessene Flurstücke:

...

...

b) unvermessene Flurstücke:

...

130/6 (Teilfläche von ca. 250 qm)

..."

Ferner erklärte die Notariatsangestellte E., dass "an dem vorstehend näher bezeichneten Grundbesitz" zugunsten der Klägerin eine Gesamtgrundschuld ohne Brief in Höhe von 50 Millionen DM bestellt und deren Eintragung bewilligt werde; zu lasten des "vorstehend bezeichneten Grundbesitzes", wurde zugleich die Eintragung einer Vormerkung zu Sicherung der Rechte aus der Buchgrundschuld beantragt und bewilligt. Die Vormerkung wurde am 30. Dezember 1998 in das Grundbuch eingetragen.

Die Parteien streiten unter anderem um die Wirksamkeit der Grundschuldvormerkung.

Gründe:

...

1. Voraussetzungen der Grundschuldvormerkung

Für diese wie für alle Arten einer Vormerkung gilt, dass sie die Verwirklichung eines schuldrechtlichen Anspruchs auf Änderung eines Grundstücksrechtes sichern soll. Es muss also ein vormerkbarer Anspruch bestehen, wobei es genügt, dass es sich um einen bedingten oder künftigen Anspruch handelt. Der durch die Vormerkung in seinem Eigentum oder anderen Grundstücksrecht Betroffene muss die Vormerkung bewilligen, § 885 Abs. 1 BGB. Die einseitige Bewilligung tritt insoweit an die Stelle einer Einigung gemäß § 873 BGB. Die Vormerkung selbst entsteht erst mit der Eintragung, diese ist konstitutiv (Westermann, Sachenrecht, 7. Aufl., § 83, II).

Am schuldrechtlichen Anspruch auf Einräumung einer Grundschuld besteht kein Zweifel. Die Klägerin hatte eine erstrangige Grundschuld als Sicherheit in ihrem Angebot zum Abschluss eines Darlehensvertrages gefordert (vgl. S. 3 des Schreibens vom 20.12.1993 = Anl. K 1). Dass der Darlehensvertrag mit anderen Konditionen abgeschlossen worden sein soll, behauptet niemand. Ebenso ist unstreitig, dass die Klägerin der M. ein Darlehen über 50.000.000,00 DM gewährt hat.

Streitig zwischen den Parteien ist, ob eine wirksame Bewilligung einer Vormerkung vorliegt. Dies ist nach Auffassung des Senates der Fall. Alle Beteiligten gehen zu Recht davon aus, dass diese nur in der Urkunde des Notars K vom 11.08.1994, UR-Nr. K 451/1994, enthalten sein kann. Darin hat die Notariatsangestellte E als Vertreterin der Gemeinschuldnerin und der Stadt B die Bestellung einer Buchgrundschuld und die Bewilligung einer Eintragung einer Vormerkung zur Sicherung der Rechte zugunsten der Klägerin für im einzelnen bezeichnete Grundstücke bzw. unvermessene Teilflächen erklärt, wobei die hier maßgebliche Fläche wie folgt bezeichnet wurde:

b) unvermessene Flurstücke

130/6 (Teilfläche von ca. 250 qm) 2322

Es handelt sich insoweit erkennbar um eine Falschbezeichnung, denn die von der Notariatsangestellten E Vertretenen wollten eine Finanzierungsgrundschuld an dem Kaufgegenstand bestellen. Die M. war aus dem Darlehensvertrag verpflichtet, eine Grundschuld an dem Betriebsobjekt zur Verfügung zu stellen. Auch die Stadt B als "Nocheigentümerin" wollte lediglich an dem zu verkaufenden Grundstück eine Finanzierungsgrundschuld einräumen (vgl. Kaufvertrag vom 20.12.1993, UR-Nr. K 857/1993 des Notars K VI., 3. b) = S. 22 der Anl. K 2). Verkauft wurde aber nicht eine Teilfläche von ca. 250 qm des Flurstückes 130/6, sondern die andere Teilfläche von ca. 29.440 qm. Die Teilfläche von ca. 250 qm sollte der Stadt B verbleiben, weil diese Fläche als Verkehrsfläche (Straße) benötigt wurde. Entgegen der Auffassung des Landgerichts und des Beklagten kommt es nicht auf den Erkenntnisstand der Notariatsangestellten E sondern auf die Kenntnis und das Verständnis der Vertretenen an. Dies gilt generell bei der Auslegung und der Erforschung von Willensmängeln bei notariell beurkundeten Verträgen und insbesondere dann, wenn ein Stellvertreter aufgrund eingeräumter Vollmachten ohne eigene Willensbildung und Vorstellungen Erklärungen abgegeben hat (vgl. Palandt/ Heinrichs, BGB, 61. Aufl., § 166, Rn. 7; BGH, NJW 00, 2272; BayObLG 1996, 149 ff., 152), wie dies bei der Notariatsangestellten offensichtlich der Fall war. Der Vortrag des Beklagten, die Notariatsangestellte habe genau das erklärt, was sie habe erklären wollen, trifft insoweit nicht zu. Es ist genau das Gegenteil von dem erklärt worden, was hätte erklärt werden sollen. Da die Regeln über die Unschädlichkeit von Falschbezeichnungen ("falsa demononstratio") insoweit anwendbar sind (vgl. BGHZ 87, 150, 153; BayObLG, aaO.), ist dieser Fehler der notariellen Urkunde ohne Bedeutung. Daraus ergibt sich, dass in Wirklichkeit für das damals noch unvermessene Teilstück von ca. 29.440 qm des Flurstückes 130/6 eine Grundschuldbestellung erklärt sowie eine Vormerkung hierfür bewilligt wurde.

Diese Bewilligung war auch wirksam. Insbesondere bestehen keine durchgreifenden Bedenken gegen eine bestehende Vollmacht der Notariatsangestellten und auch nicht im Hinblick auf die erforderliche hinreichende Bestimmtheit des zu belastenden Gegenstandes.

Ende der Entscheidung

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