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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 07.05.2007
Aktenzeichen: 23 U 31/06
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, VOB/A


Vorschriften:

ZPO § 139
ZPO § 519 Abs. 1
ZPO § 519 Abs. 2
ZPO § 520 Abs. 2
ZPO § 520 Abs. 3
BGB § 177 Abs. 1
BGB § 280 Abs. 1
BGB § 426 Abs. 1 Satz 1
BGB § 705
BGB § 708
BGB § 744
BGB § 744 Abs. 2
VOB/A § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 1
VOB/A § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b)
Auch die gesellschaftliche Treuepflicht führt nicht dazu, dass ein Mitglied einer Bietergemeinschaft zur Zustimmung zu einem Angebot verpflichtet ist, wenn die Parteien Einstimmigkeit vereinbart haben.
Kammergericht Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 23 U 31/06

verkündet am: 07.05.2007

In dem Rechtsstreit

hat der 23. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin-Schöneberg, Elßholzstr. 30-33, 10781 Berlin, auf die mündliche Verhandlung vom 07.05.2007 durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Klasse, die Richterin am Amtsgericht Partikel und die Richterin am Kammergericht Gabriel

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin vom 13. Februar 2006 gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 27. Oktober 2005 - 95 O 25/04 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin hatte sich im Rahmen eines Vergabeverfahrens für einen Großauftrag der Dnnnn Bnnnnn erfolgreich für das Teilnahmeverfahren an dieser Ausschreibung beworben und begehrt mit ihrer Klage Schadensersatz aufgrund der Weigerung der Beklagten, der Abgabe des Angebotes zuzustimmen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, da der Beklagten weder eine Treuepflichtverletzung aus dem Bietergemeinschaftsvertrag vorzuwerfen noch ein kausaler Schaden eingetreten sei. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Urteilsgründe verwiesen.

Mit ihrer Berufung rügt die Klägerin, dass das Landgericht das Recht unzutreffend angewendet habe. So habe kein wichtiger Grund zugunsten der Beklagten vorgelegen, der eine Treuepflichtverletzung rechtfertigen könne, zumal es sich bei ihren Ausführungen um ein unzulässiges Nachschieben von Gründen gehandelt habe.

Ferner habe das Landgericht § 139 ZPO verletzt. Ein richterlicher Hinweis darauf, dass die Urkalkulation vorgelegt werden müsse, sei nicht erteilt worden. Im Übrigen handele es sich um ein Überraschungsurteil, da das Gericht in der mündlichen Verhandlung noch zumindest den Ersatz des negativen Schadens für möglich gehalten habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten der umfangreichen Berufungsbegründung wird auf die Schriftsätze der Klägerin vom 13.04.2006 (Band II Blatt 15-74) und 12.10.2006 (Band II Blatt 150-223) jeweils nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt,

1. unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 3.025.148,26 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

hilfsweise

an die Klägerin 344.267,28 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

2. hilfsweise das angefochtene Urteil aufzuheben und an das Landgericht Berlin zur weiteren Verhandlung zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil unter Vertiefung ihrer erstinstanzlich vorgetragenen Argumente. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beklagten vom 28.06.2006 (Band II Blatt 78-147) und 16.04.2007 (Band III Blatt 27 ff.) jeweils nebst Anlagen verwiesen.

I.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 519 Absatz 1 und 2, 520 Absatz 2 und 3 ZPO.

Die Berufung ist jedoch unbegründet, da das Landgericht zu Recht die Klage abgewiesen hat. Ein Anspruch auf Schadensersatz der Klägerin gegen die Beklagten wegen Verletzung ihrer Treuepflichten bei der Versagung ihrer Zustimmung zur Angebotsabgabe besteht gemäß §§ 280 Absatz 1 in Verbindung mit 705, 708 BGB bereits dem Grunde nach nicht, da die Beklagte zwar Gesellschafterin der Klägerin geworden ist, sich jedoch nicht wegen der versagten Zustimmung zur Angebotsabgabe schadensersatzpflichtig gemacht hat. Darüber hinaus fehlt es an der Kausalität zwischen einer (angeblichen) Treuepflichtverletzung und dem Eintritt des Schadens, da das Angebot der Klägerin nicht hätte zugelassen werden dürfen.

1. Beklagte als (früheres) Mitglied der Bietergemeinschaft

Bei einer Bietergemeinschaft handelt es sich grundsätzlich um eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts gemäß §§ 705 ff. BGB, durch die sich mehrere Unternehmen zusammengeschlossen haben, um ein gemeinsames Angebot abzugeben und im Auftragsfall den Vertrag gemeinsam als ARGE auszuführen.

In Übereinstimmung mit den Ausführungen des Landgerichts geht der Senat davon aus, dass die Beklagte Gesellschafterin der Klägerin geworden ist. Dabei kann dahin stehen, ob der Mitarbeiter Lnnnn der Beklagten bevollmächtigt war, den Bietergemeinschaftsvertrag gemäß Anlage K 9 abzuschließen. Denn jedenfalls sind die Grundsätze der Anscheins- oder Duldungsvollmacht anzuwenden, da die Beklagte ihren Mitarbeiter mit einer Stellung betraut hat (nämlich dem Verhandeln über den Abschluss des Vertrages, deren Anbahnung ihr unzweifelhaft in groben Zügen bekannt war), die typischerweise mit einer Vollmacht verbunden ist. Ferner hatte sich der Mitarbeiter Lnnnn durch Vorlage seiner Visitenkarte (Anlage K 32) als stellvertretender Niederlassungsleiter ausgewiesen, so dass auch insoweit seine Stellung auf eine Bevollmächtigung schließen lassen musste, ohne dass es auf Absprachen im Innenverhältnis zur Beklagten ankommt.

Selbst wenn man nicht von der Anwendbarkeit der Grundsätze der Anscheins- oder Duldungsvollmacht ausgehen würde, hat die Beklagte den Vertragsschluss zumindest nachträglich gemäß § 177 Absatz 1 BGB durch schlüssiges Handeln genehmigt. Insbesondere als Kaufmann wäre sie zum unverzüglichen Widerspruch verpflichtet gewesen (Palandt/Heinrichs, BGB, 65. Aufl., § 178 Rz. 6). Die Beklagte bestreitet nicht, den Bietergemeinschaftsvertrag nach Unterzeichnung erhalten zu haben. Ihr nachfolgendes Verhalten lässt jedoch nicht erkennen, dass sie die Erklärung des Mitarbeiters nicht habe gelten lassen wollen, sondern sie hat vielmehr in Umsetzung des Vertrages nachfolgend ihren Leistungsanteil technisch bearbeitet und kalkuliert und ihr Teilangebot abgegeben.

2. Treuepflichtverletzung durch die Beklagten

Der Beklagten ist nicht vorzuwerfen, den Gesellschaftszweck in treuwidriger Weise vereitelt zu haben, da sie nach Gründung der Bietergemeinschaft ihre Beteiligung an dem gemeinsamen Angebot weder von unannehmbaren oder gesellschaftswidrigen Bedingungen abhängig gemacht hat noch den Rahmen ihres unternehmerischen Ermessens, sich an dem gemeinsamen Angebot zu beteiligen oder von einer Zustimmung abzusehen, überschritten hat.

Wesentlich ist, dass sowohl nach dem Muster eines Bietergemeinschaftsvertrages als auch gemäß Ziffer 4.5 des streitgegenständlichen Vertrages alle Entscheidungen während der Angebotsvorbereitung bis zur Abgabe einschließlich der Verhandlung und alle Entscheidungen in Bezug auf das Angebot einstimmig von den Parteien zu treffen sind. Damit soll sichergestellt werden, dass kein Gesellschafter im Rahmen seiner gesamtschuldnerischen Haftung in eine Angebotsbindung hinein gerät, mit welcher er sich nicht identifizieren kann. Die Notwendigkeit der Zustimmung aller Gesellschafter zum Angebot bezieht sich nicht nur auf die Angebotssumme, sondern auch auf sämtliche Bestandteile und Inhalte des Angebots wie z.B. Preisvorstellungen und Aufgabenverteilung (vgl. Beschluss der Vergabekammer des Landes Hessen vom 26.01.2005 - 69d VK -96/2004, zitiert nach juris Rz. 39). Der streitgegenständliche Gesellschaftsvertrag enthält auch keine Einschränkungen hinsichtlich des Einstimmigkeitserfordernisses.

Ein Anspruch eines Gesellschafters auf Zustimmung gegen andere Gesellschafter wird in Rechtsprechung und Schrifttum nur ausnahmsweise angenommen, wenn es sich um eine notwendige Geschäftsführungsmaßnahme im Sinne des § 744 Abs. 2 BGB handelt oder sich der betroffene Gesellschafter ohne vertretbaren Grund weigert zuzustimmen, obgleich der Gesellschaftszweck und das Interesse der Gesellschaft es erfordern (OLG Stuttgart Urteil vom 08.02.2006 - 14 U 62/04, zitiert nach juris; OLG München NJW 2001, Seite 613; BGH NJW 1972, 862/863 unter Bezugnahme auf RGZ 87, 329 ff., 331 und 162, 78 ff., 83; enger: Erman/Westermann, BGB 10. Aufl., § 709 Rn. 9 f. und Münchener Kommentar/Ulmer, BGB 3. Aufl., § 709 Rn. 40 ff.).

Der erste Fall liegt hier ersichtlich nicht vor. § 744 BGB regelt notwendige Erhaltungsmaßnahmen für den gemeinschaftlichen Gegenstand. Auch die Voraussetzungen des zweiten Falles sind vorliegend nicht gegeben. Unter Berücksichtigung aller Aspekte, insbesondere des Gesellschaftszwecks, der Belastungen der einzelnen Gesellschafter und der Folgen bei gemeinsamer Angebotsabgabe ist es geboten, jedem Gesellschafter und damit auch der Beklagten ein weites Ermessen einzuräumen, ob sie der Angebotsabgabe zustimmt, sofern zumindest vertretbare Gründe für diese Entscheidung vorgebracht wurden.

Denn bestehen unterschiedliche Auffassungen über die Frage, ob bestimmte Geschäftsführungsmaßnahmen getroffen werden sollen, so verdient grundsätzlich keine den Vorzug (BGH NJW 1986, 844). Die Maßnahme hat dann zu unterbleiben. Es ist danach nicht entscheidend, ob der von der Beklagten vorgebrachte Grund ein berechtigter Grund ist. Die Gerichte sind nicht befugt, die Entscheidung über die Zweckmäßigkeit einer Maßnahme anstelle der Gesellschafter zu treffen. Ein Grund ist deshalb schon als vertretbar zu akzeptieren, wenn er nachvollziehbar ist und nicht ausnahmsweise die Voraussetzungen einer Schikane gegeben sind (OLG Stuttgart a.a.O.; OLG München a.a.O.; BGH a.aO.). Anderenfalls würde der unternehmerische Spielraum des Gesellschafters erheblich eingeschränkt werden, obwohl aufgrund einer einstimmigen Angebotsabgabe weit reichende finanzielle und haftungsrechtliche Folgen im Fall der Auftragserteilung für die Gesellschafter eintreten würden. Denn in diesem Falle sind die Gesellschafter verpflichtet, eine ARGE zu gründen und in gesamtschuldnerischer Haftung nach außen gegenüber dem Auftraggeber die Bauleistungen auszuführen. Selbst bei geringer Beteiligung des Einzelnen im Innenverhältnis an der Angebotssumme würde mithin jeder Gesellschafter für das gesamte Volumen haften.

Darüber hinaus soll der Bietergemeinschaftsvertrag für die Angebotsphase dazu dienen, eine gewissermaßen automatische Überleitung von der Bietergemeinschaft in die spätere ARGE stattfinden zu lassen, ohne dass aufgrund von Differenzen über den Inhalt des ARGE-Vertrages die Ausführung des Bauvertrages in Gefahr gerät (vergleiche dazu Burchardt/Pfülb, ARGE-Kommentar, 3. Aufl., Exkurs Bietergemeinschaft Rz. 8 und 5). Der Gesellschaftszweck wird demnach wesentlich von dem Gedanken getragen, die durch die Angebotsabgabe entstehenden weit reichenden Verpflichtungen im Außenverhältnis im Innenverhältnis durch die Regelung von wesentlichen Teilen der weiteren Zusammenarbeit abzusichern, wie sich auch aus Ziffer 1.2. und 1.3 und dem Verweis auf den Mustervertrag des Hauptverbandes der Deutschen Industrie ergibt. Dementsprechend muss dem einzelnen Gesellschafter im Vorfeld der Angebotsabgabe das Recht verbleiben, seine Entscheidung über die Zustimmung zum Angebot in vertretbarer Weise zu treffen, ohne dass seine Beweggründe bereits die Qualität eines "wichtigen Grundes" im Sinne der Voraussetzung eines außerordentlichen Kündigungsrechts erreichen müssen.

Dagegen spricht auch nicht das Argument der Klägerin, die Beklagte habe Überlegungen zur Bonität bzw. Verlässlichkeit der weiteren Mitgesellschafter und zur Höhe des Auftragsvolumens bzw. dem Umfang der jeweiligen Beteiligung an der Angebotssumme im Innenverhältnis schon vor Gründung anstellen können und sei dieser Gründe nach Unterzeichnung des Vertrages verlustig gegangen, sofern sich nicht nachträglich Änderungen ergeben. Denn die Gründung einer Bietergemeinschaft erfolgt regelmäßig in einem engen zeitlichen Rahmen - vorliegend betrug der Bewerbungszeitraum zwei Wochen ab Bekanntmachung (14.03.-01.04.2003), und die Klägerin erhielt mit Schreiben der DB ProjektBau GmbH vom 07.04.2003 (Anlage K 4) die Mitteilung, die aus 82 Leitzordnern bestehenden Ausschreibungsunterlagen abholen zu können. Bereits am 17.04.2003 wurde dann der schriftliche Bietergemeinschaftsvertrag geschlossen, ohne dass bis dahin alle Gesellschafter die Unterlagen selbst eingesehen hatten. Vielmehr erfolgte ausweislich TOP 3 des Protokolls vom 17.04.2003 nur eine Vorstellung der Baumaßnahmen durch einen Mitarbeiter der Fa. Onnnnn KG (Anlage K 8), wobei es auf den zwischen den Parteien streitigen Umfang dieser Präsentation nicht ankommt. Denn es dürfte für einen Unternehmer kaum ausreichen, nur aufgrund mündlicher Darlegungen bereits zu einem endgültigen Ergebnis zu kommen, ob er ein Bauvorhaben dieser Größenordnung mitträgt oder nicht. Auch aus den groben Mengenangaben in der Bekanntmachung der Ausschreibung (Anlage K 1) lässt sich keinesfalls bereits sicher beurteilen, ob die Durchführung des Bauvorhabens sinnvoll ist oder nicht.

Weiterhin spricht auch die Ansicht, bei Fehlen eines ausdrücklichen (schriftlichen) Vereinbarung über die Gründung einer Bietergemeinschaft komme eine solche zustande, "sofern nach gemeinsamer Entscheidung eine gemeinschaftliche Angebotsabgabe mit der Zweckrichtung stattfindet, gemeinsam den Auftrag erteilt zu" bekommen (Burchardt/Pfülb, ARGE-Kommentar, 3. Aufl., Exkurs Bietergemeinschaft Rz.4), für ein weit auszulegendes Ermessen bei der Entscheidung über die Zustimmung zur Angebotsabgabe. Denn anderenfalls müsste der Entstehungszeitpunkt der Gesellschaft bereits auf den Zeitpunkt des Entschlusses, gemeinsam ein Angebot zu erstellen, vorverlegt werden, ohne dass zu diesem Zeitpunkt verlässliche Angaben für das unterschiedliche Risiko vorlägen.

Entgegen der Auffassung der Klägerin erfordert auch nicht die Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft und den Mitgesellschaftern ein reduziertes Ermessen des abweichenden Unternehmers. Es besteht zwar eine gesellschaftsrechtliche Förderungspflicht, ein gemeinsames Angebot abzugeben, um die Auftragserteilung für die gemeinsame Durchführung als spätere Arbeitsgemeinschaft zu erhalten (vgl. Burchardt/Pfülb, ARGE-Kommentar, 3. Aufl., Exkurs Bietergemeinschaft Rz. 24 Seite 1032). Diese Förderungspflicht ist jedoch nicht stärker zu bewerten als das Einstimmigkeitsgebot, wie sich aus den vorgenannten Entscheidungen des OLG Stuttgart, OLG München und BGH ergibt. Denn eine Pflicht zur Zustimmung erfordert eben nicht nur, dass diese dem Gesellschaftsinteresse dient, sondern dass zusätzlich der Verweigernde keine vertretbaren Gründe für seine Haltung hat.

Soweit die Beteiligung an einem Teilnahmewettbewerb solcher Größenordnung für jedes Mitglied der Bietergemeinschaft erhebliche Kosten verursacht und Kapazitäten an Personal etc. gebunden werden, die nicht für die Akquisition von anderen Aufträgen zur Verfügung stehen, ist dies ein allgemeines Risiko, das sich auch verwirklichen würde, wenn Konkurrenten ein günstigeres Angebot abgeben würden, das dann den Zuschlag erhält.

Eine andere Beurteilung ergibt sich schließlich nicht daraus, dass die übrigen Gesellschafter jedenfalls bei einem Vergabeverfahren wie dem vorliegenden, in dem in einem vorgeschalteten Teilnahmewettbewerb die Eignung potentieller Auftragnehmer vorab auf der Grundlage der Teilnahmeanträge geprüft wird, grundsätzlich aus vergaberechtlichen Gründen damit rechnen müssen, bei Veränderung der Bietergemeinschaft nach Abschluss des Teilnahmewettbewerbs und in der Phase der Angebotsabgabe bereits deshalb mit ihrem Angebot ausgeschlossen zu werden (vgl. dazu näher noch unter 3. ), so dass nicht einfach der Leistungsteil des Verweigernden von den übrigen Gesellschaftern übernommen werden kann. Denn auch dieses Risiko hätte nur durch die Vereinbarung eines Mehrheitsbeschlusses für die Angebotsabgabe verringert werden können. Dies haben die Parteien aber offensichtlich gerade nicht gewollt.

Vorliegend hatte die Beklagte auch zumindest vertretbare Gründe dafür, ihre Zustimmung zur Angebotsabgabe zu verweigern. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sie trotz ihrer eigenen geringen prozentualen Beteiligung an der Angebotssumme im Innenverhältnis bei Zuschlagserteilung im Außenverhältnis voll für die Erbringung von Bauleistungen im Wert von über 60 Mio. € haften würde. Selbst wenn man davon ausginge, dass dies noch kein vertretbarer Grund für die verweigerte Zustimmung sei, da die ungefähre prozentuale Beteiligung im Innenverhältnis aufgrund der groben Mengenangaben in der Bekanntmachung der Beklagten schon bekannt gewesen sein dürfte, ergibt sich keine andere Beurteilung:

Denn die Beklagte hat durch die Vorlage des Berichts der Cnnnnnn vom 28.04.2003 (Anlage B 16) dargetan, dass sich hinsichtlich der Gesellschafterin Onnnn GmbH & Co. KG seit 2001 eine Verschlechterung in deren wirtschaftlicher Situation abzeichnete. Die Einzelheiten dazu im Schriftsatz der Beklagten vom 04.10.2005 auf Seite 8 ff. (I/247 ff.) hat die Klägerin nicht bestritten, sondern im Wesentlichen geltend gemacht, die Bonitätsstufe "mittel" sowie die sonstige Entwicklung der Gesellschaft hätten kein besonderes Risiko für die Beklagte dargestellt. Dies ist jedoch eine wertende unternehmerische Auffassung, die nicht unbedingt geteilt werden muss. Vielmehr ergibt sich aus der Anlage K 45 (Creditreform-Informationssystem, dort auf Seite 22), dass die Note "285" eher schon zum Bereich der Note "schwach" mit 301- 350 Bonitätsindex tendiert. Aufgrund des Datums der Creditreform-Auskunft ergibt sich ferner, dass die Beklagte zu einem früheren Zeitpunkt keine detaillierte Kenntnis von der finanziellen Lage gehabt haben muss.

Ebenso nachvollziehbar hat die Beklagte dargelegt, dass sie erst nach Unterzeichnung des Vertrages am 17.04.2003 erfahren hat, dass die finanzielle Situation der weiteren Gesellschafterin ABB entgegen früherer Einschätzung weiterhin unsicher war. Der Handelsblattartikel vom 28.02.2003 (Anlage B 10c) suggerierte tatsächlich, dass die milliardenschweren Klageverfahren in den USA wegen Asbestverseuchung durch einen Vergleich beigelegt seien, die eine positive Entwicklung der ABB nach Krisenjahren erwarten lasse. Erst dem weiteren Bericht vom 24.04.2003 (Anlage B 10a) konnte die Beklagte entnehmen, dass der Vergleich noch nicht wirksam sei und das Risiko der Verurteilung von Schadensersatz in Milliardenhöhe weiterhin drohte. Die Klägerin hat nicht konkret dargelegt, aus welchen anderen Presseartikeln die Beklagte bereits zu einem früheren Zeitpunkt Kenntnisse über die tatsächliche, wirtschaftliche Situation der anderen Gesellschafter hätte erlangen können.

Die Beklagte hat insoweit auch nachvollziehbar dargelegt, dass es ihr im Wesentlichen auf die Bonität dieser beiden Gesellschafter ankam, da die Fa. Dnn lediglich ein Haftkapital von 50.000,00 € aufwies. Es ist deshalb zumindest vertretbar, wenn die Beklagte sich nicht dem Risiko aussetzen wollte, bei einem Ausfall der beiden finanzstärkeren Partner im Wesentlichen allein der Haftung ausgesetzt zu sein.

Dabei spielt keine Rolle, dass die Beklagte nicht konkret auf ihre Bedenken hingewiesen hat. Die Forderung nach Bürgschaften im Innenverhältnis, die dieses Risiko abdecken sollten, war ausreichend, um das Sicherungsinteresse der Beklagten erkennen zu lassen. Die Klägerin hat auch durch die Angebote gemäß Schreiben Anlage K 17 und 20 der Beklagten keine Alternative aufgezeigt. Denn die Freistellung im Innenverhältnis würde die Beklagte nicht von dem Haftungsrisiko bei Ausfall der Onnnn KG und der ABB befreien und entsprach im Wesentlich der gesetzlichen Regelung in § 426 Absatz 1 Satz 1 BGB.

Es kommt nicht darauf an, ob die Beklagte bereits vor Angebotsabgabeschluss sämtliche Gründe für ihre Zustimmungsverweigerung offen gelegt hat. Denn wenn schon bei einer Kündigung das Nachschieben von Gründen zulässig ist (BGH NJW 2000, 3491 ff.; OLG Köln NZG 2001, 1082 ff.), gilt dies erst recht für die Zustimmungsverweigerung. Im Übrigen ist z.B. die Mutmaßung der Klägerin, das Druckdatum der Anlagen B 10a-c aus 2004 (nach Zustellung der Klage) beweise, dass es sich um vorgeschobene Gründe handele, nicht nahe liegend. Denn es war nicht zu erwarten, dass die Beklagte bereits im Juni 2003 Belege für die Gründe ihrer Entscheidung gesammelt hätte, sondern die Artikel aus der Fachpresse gelesen hat, ohne sie sofort zu archivieren.

Ebenso wenig ist maßgeblich, ob die Beklagte ihre Forderung nach Bürgschaften im Innenverhältnis verspätet geltend gemacht hat, da die Klägerin selbst vorgetragen hat, wegen der notwendigen Stellung entsprechender Sicherheiten gegenüber den Banken seien solche Bürgschaften nicht realisierbar gewesen.

Die Entscheidung der Beklagten ist schließlich insbesondere vor dem Hintergrund vertretbar, dass das letzte Angebot, das gegenüber der DBB abgegeben werden sollte, zumindest äußerst knapp kalkuliert war. Auch hier war nicht erforderlich, die Bedenken vor Abgabeschluss den übrigen Gesellschaftern mitzuteilen. Denn die einzige Möglichkeit, diesen Bedenken Rechnung zu tragen, nämlich das Angebot zu erhöhen, hätte unweigerlich dazu geführt, dass die Klägerin keinesfalls mehr das günstigste Angebot abgegeben hätte. Es kommt auch nicht darauf an, ob die von der Beklagten substanziiert vorgetragenen Bedenken gegen die Auskömmlichkeit des letzten Angebotes tatsächlich zutreffend gewesen waren oder nicht. Wegen der Einzelheiten der Bedenken wird auf die Ausführungen insbesondere auf Seite 23 ff. der Berufungserwiderung Bezug genommen. Entscheidend ist, dass es sich - entsprechend den obigen Ausführungen - um eine Zustimmungsverweigerung aus vertretbaren Gründen gehandelt haben muss. Es geht also nicht um die Einschätzung eines unparteiischen Sachverständigen, ob die Kalkulation der Klägerin auskömmlich war, sondern allein um die unternehmerische Freiheit der Beklagten, das Angebot als nicht ausreichend zu werten, zumal sie bereits selbst nur einen Gewinn für ihren Leistungsanteil von gerade einmal 287,04 € kalkuliert hatte. Dass die Beklagte unter diesen Umständen dem Angebot nicht zustimmen wollte, da dem Haftungsrisiko kein wesentlicher Vorteil für sie selbst gegenüber gestanden hatte, dürfte mehr als nachvollziehbar sein.

Dementsprechend besteht mangels Verpflichtung der Beklagten, der Angebotsabgabe zuzustimmen, bereits aus diesem Grund kein Schadensersatzanspruch der Klägerin.

3. Kausalität

Jedenfalls scheitert ein Schadensersatzanspruch auch deshalb, weil die Klägerin den Zuschlag auch dann nicht erhalten hätte, wenn die von der Klägerin geltend gemachte Pflichtverletzung der Beklagten nicht vorgelegen und die Beklagte ihre Zustimmung zur Angebotsabgabe erteilt hätte. Denn Schadensersatzansprüche kommen dann nicht in Betracht, wenn das Angebot des Schadensersatz begehrenden Bieters nicht nur wegen der Pflichtverletzung des Schädigers, sondern (auch) aus anderen Gründen hätte zwingend von der Wertung der Angebote ausgeschlossen werden müssen (vgl. BGH Urteil vom v. 07.06.2005, X ZR 19/02 = BauR 2005, 1618 ff.). Das Landgericht ist auf Seite 13 der Entscheidungsgründe davon ausgegangen, dass die Klägerin die Beweislast für die Kausalität des Verhaltens der Beklagten in Bezug auf den behaupteten Schaden trage. Dieser Ansicht folgt der Senat allerdings nicht. Denn der behauptete Schaden ist bereits dadurch eingetreten, dass die Klägerin mit ihrem Angebot von dem Vergabeverfahren durch die DB ProjektBauGmbH ausgeschlossen worden ist. Ob dies zu Recht oder zu Unrecht erfolgt ist, bedarf an dieser Stelle keiner Würdigung, da es das Mitverschulden der Klägerin betreffen würde, ob sie verpflichtet gewesen wäre, gegen diese Entscheidung juristisch vorzugehen.

Es handelt sich bei dem Punkt, ob das Angebot (auch) aus anderen Gründen hätte ausgeschlossen werden müssen, vielmehr um die Frage fehlender Kausalität nach den Grundsätzen des rechtmäßigen Alternativverhaltens. Nach den allgemeinen Beweislastregeln im Schadensersatzrecht liegt die Beweislast dafür bei der Beklagten, da der Schädiger beweisen muss, dass der Schaden auch bei einem rechtmäßigen Handeln eingetreten wäre (BGH NJW-RR 1995,937; speziell für das Vergabeverfahren BGH NJW 2000, 661 ff.). Insoweit ist nicht ausreichend, dass der Schaden bei einem rechtmäßigen Vorgehen möglicherweise gleichfalls entstanden wäre; dies muss vielmehr feststehen (BGHNJW-RR 1995, 937).So liegt der Fall hier:

a) Ausschluss des Angebotes wegen fehlender Nennung von Nachunternehmern

Das Angebot der Klägerin hätte bereits gemäß § 25 Nr. 1 Absatz 1 lit.b) VOB/A ausgeschlossen werden müssen, da ihr Angebot die gemäß § 21 Nr. 1 Absatz 1 Satz 1 VOB/A erforderlichen Erklärungen nicht vollständig enthalten hat.

Die Klägerin hat unstreitig Nachunternehmer namentlich nicht benannt. Gemäß Ziffer 3.3 der Bewerbungsbedingungen Bauleistungen (Anlage B 2) in Verbindung mit Ziffer 13.7 der Besonderen Vertragsbedingungen in Verbindung mit Anlage 3 der DBB (Anlagen B 3 und 4) war dies jedoch nicht nur erforderlich, sondern nach der Ausschreibung (Anlage K 1) zwingend ("alle geforderten Erklärungen sind zwingend vorzulegen"). Die Ansicht der Klägerin, die Anlage B 3 und B 4 beträfen nur die Verpflichtung nach Auftragserteilung, ist nicht haltbar, wie sich aus dem Wortlaut der Anlage B 4 ergibt, der die Unterschrift des Bieters und nicht des Auftragnehmers erfordert. Auch zitiert die Klägerin auf Seite 55 der Replik (II/205) unvollständig aus Ziffer 13.7, da "die beabsichtigten NU-Leistungen ... gem. Anlage 3 ... zu erfassen sind" (selbst im Original Fettdruck), die aber gerade auch die Namen erfordert. Die Entscheidung des OLG Schleswig (Beschluss vom 10.03.2006m 1 (6) Verg 13/05) steht also der Notwendigkeit, das Angebot deshalb auszuschließen, nicht entgegen, da vorliegend gerade die geforderte Erklärung für alle Bieter eindeutig war.

Damit hätte das Angebot aus diesem Grund ausgeschlossen werden müssen. Denn werden in den Ausschreibungsunterlagen geforderte Erklärungen nicht abgegeben, führt dies zwingend dazu, dass ein solches Angebot von der Wertung auszuschließen ist (BGH v. 07.06.005, X ZR 19/02, OLG Brandenburg Urteil vom 10.01.2007, 4 U 81/06, zitiert nach juris; VK Schleswig-Holstein v. 27.07.2006, VK-SH 17/06 zitiert nach juris; OLG Düsseldorf v. 13.04.2006 VII-Verg 10/06, zitiert nach juris).

b) Ausschluss des Angebotes wegen Doppelbeteiligung von An bzw. Hnnnn

Die Doppelbeteiligung der Fa. Hnnnn entgegen den Vergaberichtlinien wurde durch die lediglich stille Beteiligung der Hnnnn an der Klägerin möglich. Die Dn Pnnnnn GmbH hätte davon zwar wohl zumindest bis zur Entscheidung über die Auftragsvergabe, wahrscheinlich sogar bis zum Beginn der Bauausführung nichts erfahren. Jedoch ist nicht der subjektive Kenntnisstand des Auftraggebers maßgebend, sondern nach den Grundgedanken von Treu und Glauben, die auch im Schadensersatzrecht ausnahmsweise Korrekturen der Ersatzpflicht rechtfertigen, darf allein der objektive Maßstab gelten, um dem Geschädigten trotz seines Verstoßes gegen geltende Vorschriften nicht ungerechtfertigte Vorteile zu verschaffen. Die Doppelbeteiligung wäre jedoch nicht zulässig gewesen, da die Fa. Hnnnn nach den eigenen Ausführungen der Klägerin (vgl. auf Seite 30 im Schriftsatz vom 27.09.2004) "das Angebot mittragen sollte". Darunter ist aber nichts Anderes zu verstehen als dass zumindest Gespräche über den Inhalt des Angebots stattfanden und damit durch die Doppelbeteiligung aus wettbewerbsrechtlicher Sicht unzulässigerweise Kenntnisse aus der anderen Angebotserstellung verwertet werden konnten.

Auf die Frage, ob das Angebot der Klägerin nicht das annehmbarste, wirtschaftlich günstigste gewesen war und sie deshalb nicht den Zuschlag erhalten hätte, kommt es ebenso wenig mehr an wie auf die zwischen den Parteien umstrittene Höhe des geltend gemachten Schadens.

III.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 97 Absatz 1 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Ziffer 10, 711 Satz 1 und 2, 709 Satz 2 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert, § 543 Absatz 2 ZPO. Gerade da bisher offensichtlich noch keine Entscheidung im Zusammenhang mit den Pflichten der Gesellschafter einer Bietergemeinschaft ergangen ist, handelt es sich um einen Einzelfall, für den die allgemeinen Grundsätze des Gesellschaftsrechts unter Berücksichtigung der Besonderheiten heranzuziehen waren.

Ende der Entscheidung

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