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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 06.09.2004
Aktenzeichen: 24 U 206/03
Rechtsgebiete: VermG, InVorG


Vorschriften:

VermG § 7 Abs. 7 Satz 3
InVorG § 16 Abs. 2
InVorG § 17 Abs. 2
InVorG § 21b
Der Anmelder im vereinfachten Rückübertragungsverfahren gemäß § 21b InVorG, dessen Berechtigung nach dem VermG festgestellt worden ist, hat gegenüber dem Verfügungsberechtigten einen Anspruch auf Herausgabe der Entgelte, die ihm ab dem 1. Juli 1994 bis zum Zeitpunkt der Rückgabe aus einem Miet-, Pacht- oder sonstigen Nutzungsverhältnis zustehen gemäß § 7 Abs. 7 Satz 3 VermG, sofern der Berechtigte diesen in der Frist des § 7 Abs. 8 VermG geltend macht.
Kammergericht Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 24 U 206/03

verkündet am: 6. September 2004

In dem Rechtsstreit

hat der 24. Zivilsenat des Kammergerichts Elßholzstraße 30 - 33, 10781 Berlin, auf die mündliche Verhandlung vom 6. September 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Dr. Briesemeister und die Richterinnen am Kammergericht Kingreen und Hinrichs

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Kläger zu 1. - 8. wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 27. Juni 2003 - 20 O 253/02 - geändert:

Die Beklagte wird verurteilt,

1. den Klägern Auskunft betreffend die Erträge des Grundstücks Cnnnn Snnn n in Bnnn -Mnn , eingetragen in das Grundbuch des Amtsgerichts Bnnn -Mnn , Band nn , Blatt nnn , Flur nnn , Flurstück nn , in dem Zeitraum vom 1. Juli 1994 bis zum 30. April 2000 zu erteilen und durch Vorlage einer schriftlichen, systematischen Aufstellung über die Grundstückserträge durch Vorlage der bei der Beklagten üblichen Grundstücksabrechnungen für den genannten Zeitraum

2. die erteilten Auskünfte gemäß 1. zu belegen durch Vorlage der Belegungslisten der vermieteten Räume und Flächen mit Mietangaben und der Belege für die Ausgaben.

Die Kostenentscheidung erster Instanz bleibt dem Schlussurteil erster Instanz vorbehalten.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 3.000 Euro zuzüglich der beitreibbaren Kosten abzuwenden, sofern nicht die Kläger zu 1. - 8. zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

I.

Auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils wird Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 ZPO) und ergänzend ausgeführt:

Die Kläger bilden die Erbengemeinschaft nach Echil Groper. Das streitgegenständliche Grundstück Cnnnn Snnnnn in Bnnn -Mnn gehörte zum Vermögen des Enn Gnnn , welches dieser aufgrund der Verfolgung der Juden durch die Nationalsozialisten - auch der im Ausland lebenden Juden - verlor (Bescheid des LAROV vom 15. März 2001, Anlage K 4). Das Grundstück wurde gemäß der Verordnung des Magistrats von Groß - Berlin über die Verwaltung und den Schutz ausländischen Eigentums in Groß - Berlin vom 18. Dezember 1951 unter staatliche Verwaltung genommen. Durch Inanspruchnahmebescheid vom 22. Oktober 1980 wurde das Grundstück mit Wirkung vom 1. Januar 1980 in das Eigentum des Volkes überführt. Zum Rechtsträger wurde der Vnn Knnnn Wnnnnnnnnn Bnnn - Mnn bestellt. Durch Zuordnungsbescheid vom 19. September 1995 erfolgte die Übertragung des Vermögenswertes auf die Beklagte.

Dem Kläger zu 8. wurde das Eigentum an dem Grundstück aufgrund des Investitionsvorrangbescheids vom 12. April 2000 gemäß § 21 b InVorG übertragen (Anlage K 2).

Die Übergabe durch die Beklagte erfolgte am 3. Juli 2000 (Anlage K 3). Mit Schreiben vom 6. Juli 2000 (Anlage BK 2) überreichte der Prozessbevollmächtigte der Kläger der Beklagten die Vollmacht des Klägers zu 8. vom 10. Januar 1995 sowie ein Schreiben vom 20. Januar 2000 mit folgendem Text:

"Da die Erben, vertreten durch mich (den Kläger zu 8.), gemeinsam entschieden haben, das Eigentum das bekannt ist als Haus Cnnnn Snnn n in Bnnn auf unseren Namen zu übertragen, und da es die auf Kenntnis beruhende rechtliche Auffassung von Prof. Mnnn ist, dass die Übertragung auf den Namen eines der Erben erfolgen soll, nehme ich hiermit an, dass das Eigentum auf meinen Namen als Vertreter der Erben registriert wird. Ich stimme hiermit zu, entsprechend den Entscheidungen der Erben und ihrem Rat als unserer Anwalt zu handeln."

Mit Bescheid des LAROV vom 15. März 2001, bestandskräftig seit dem 7. Mai 2001, wurde festgestellt, dass die Kläger zu 1. bis 8. in Erbengemeinschaft berechtigt sind im Sinne des Vermögensgesetzes. Wegen des Inhalts des Bescheides wird auf die Anlage K 4 Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 4. Juli 2001 forderte der Prozessbevollmächtigte der Kläger die Beklagte unter Beifügung des vorgenannten Bescheides "zugunsten seiner Mandantschaft" zur Herreichung der Grundstücksabrechnung ab 1. September 1994 bis 30. April 2000 und Überweisung des seiner Mandantschaft zustehenden Betrages auf. Das Schreiben enthielt im Betreff die folgende Formulierung: "Grundstück Bnnn -Mnn , Cnnnn Snnn n , Jnnn Annn " (Anlage K 6).

Die Beklagte wies dieses Ansinnen mit Schreiben vom 20.Juli 2001 unter Hinweis auf die Entscheidung des BGH vom 25. Juni 1999, V ZR 259/98, zurück (Anlage K 7).

Mit Schreiben vom 27. März 2002 (Anlage K 8) wiederholte der Prozessbevollmächtigte der Kläger sein Anliegen unter Zurückweisung der Rechtsansicht der Beklagten. Im Betreff war das Schreiben gleichlautend wie das Schreiben vom 4. Juli 2001 formuliert. Das Schreiben diente "vor allen Dingen der Wahrung der Frist nach § 7 Abs. 8 VermG, da der Bescheid betreffend die Feststellung der Berechtigung meiner Mandanten am 7. Mai 2001 bestandskräftig geworden ist".

Mit der Stufenklage begehren die Kläger zunächst in der ersten Stufe Auskunft über die Grundstückserträge in der Zeit vom 1. Juli 1994 bis 30. April 2000.

Die Kläger haben die Ansicht vertreten, dass ihnen ein Anspruch gemäß §§ 7 Abs. 7 Satz 2 VermG und § 16 Abs. 2 Satz 1 InVorG analog zustehe. Die von der Beklagten zitierten Entscheidung des BGH sei auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar. Die Entscheidung beziehe sich nicht auf die Verfahren nach § 21 b InVorG.

Sie hätten auch die Vollmachten innerhalb der Frist des § 7 Abs. 8 VermG nachgewiesen. Der Kläger zu 8. habe das Grundstück für die Erbengemeinschaft übernommen. Die Klage eines Miterben reiche im Übrigen aus (§ 2039 BGB).

Die Kläger haben beantragt,

1. ihnen Auskunft betreffend die Erträge des Grundstücks Cnnnn Snnn n in Bnnn -Mnn , eingetragen in das Grundbuch des Amtsgerichts Bnnn -Mnn , Band nn , Blatt nnn , Flur nnn , Flurstück nn , in dem Zeitraum vom 1. Juli 1994 bis zum 30. April 2000 zu erteilen und durch Vorlage einer schriftlichen, systematischen Aufstellung über die Grundstückserträge durch Vorlage der bei der Beklagten üblichen Grundstücksabrechnungen für den genannten Zeitraum.

2. die erteilten Auskünfte gemäß I.1. zu belegen durch Vorlage der Belegungslisten der vermieteten Räume und Flächen mit Mietangaben und der Belege für die Ausgaben.

Die Beklagten hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Ansicht vertreten, dass den Kläger in Anlehnung an die streitgegenständliche BGH-Entscheidung ein Anspruch nicht zustehe. Im Übrigen sei der Anspruch durch die Kläger nicht binnen der Frist des § 7 Abs. 8 VermG geltend gemacht worden. Der Prozessbevollmächtigte der Kläger habe die Vollmachten nicht nachgewiesen.

Das Landgericht hat die Klage durch Urteil vom 27. Juni 2003, den Klägern zugestellt am 1. Juli 2003, insgesamt abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen darauf abgestellt, dass die Kläger nicht binnen der Frist des § 7 Abs. 8 VermG ihre Ansprüche angemeldet hätten. Aus den Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Kläger vom 4. Juli 2001 und 23. März 2002 ergebe sich keine Anmeldung der Ansprüche für alle Kläger, sondern allein für den Kläger zu 8.. Auch durch die Klageeinreichung sei die Frist nicht gewahrt worden. § 167 ZPO bezwecke nur den Schutz dessen, der zur Fristwahrung auf die Hilfe des Gerichts angewiesen sei. Dies sei bei § 7 Abs. 8 VermG nicht der Fall.

Hiergegen haben die Kläger am 28. Juli 2003 Berufung eingelegt und diese am 27. August 2003 begründet.

Sie vertiefen ihren erstinstanzlichen Vortrag und legen erneut Vollmachten der Kläger vor.

Die Kläger beantragen,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Berlin vom 27. Juni 2003, - 20 O 253/02 - die Beklagte zu verurteilen,

1. ihnen Auskunft betreffend die Erträge des Grundstücks Cnnnn Sn nn n in Bnnn -Mnn , eingetragen in das Grundbuch des Amtsgerichts Bnnn -Mnn , Band nn , Blatt nnnn Flur nnn , Flurstück nn , in dem Zeitraum vom 1. Juli 1994 bis zum 30. April 2000 zu erteilen und durch Vorlage einer schriftlichen, systematischen Aufstellung über die Grundstückserträge durch Vorlage der bei der Beklagten üblichen Grundstücksabrechnungen für den genannten Zeitraum.

2. die erteilten Auskünfte gemäß I.1. zu belegen durch Vorlage der Belegungslisten der vermieteten Räume und Flächen mit Mietangaben und der Belege für die Ausgaben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag und nimmt im Übrigen auf das angefochtene Urteil Bezug.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die gesetzliche Form und Fristen wahrende Berufung der Kläger hat Erfolg.

A. Der Prozessbevollmächtigte der Kläger hat seine Vollmacht zur Klageerhebung nachgewiesen. Auf die insoweit zutreffenden Ausführungen des erstinstanzlichen Urteils wird Bezug genommen.

B. Die Klage ist begründet.

1. Den Klägern zu 1. bis 8. steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Auskunftserteilung und Vorlage der Belege für das Grundstück Cnnnn Snnn n in Bnnn - Mnn in dem tenorierten Umfang gemäß § 7 Abs. 7 VermG, §§ 16 Abs. 2, 17 Abs. 2 InVorG entsprechend zu.

Gemäß § 7 Abs. 7 Satz 3 VermG hat der Berechtigte gegen den Verfügungsberechtigten einen Herausgabeanspruch für Entgelte, die dem Verfügungsberechtigten ab dem 1. Juli 1994 aus einem Miet-, Pacht- oder sonstigen Nutzungsverhältnissen zustehen. Dies gilt auch dann, wenn der Berechtigte das Eigentum im vereinfachten Rückübertragungsverfahren gemäß § 21 b InVorG zurückerhält.

§ 21 b InVorG ist 1997 durch das WoModSiG als sog. Vereinfachtes Rückübertragungsverfahren in das InVorG eingeführt worden. Der Gesetzgeber wollte durch dieses Verfahren u.a. eine Beschleunigung der vermögensrechtlichen Rückgaben erreichen.

Voraussetzung für das vereinfachte Rückübertragungsverfahren ist, dass der Anmelder bereits einen Rückübertragungsantrag beim LAROV gestellt hat und dies glaubhaft macht. Die für die Durchführung des Investitionsvorrangverfahren zuständige Behörde übernimmt im Falle des § 21 b InVorG Aufgaben des LAROV im Hinblick auf die Rückübertragung von Wohngrundstücken. Das LAROV stellt im Rahmen des Rückübertragungsverfahrens nach dem VermG allein noch die Berechtigung des/der Anmelder fest (Rädler/Raupach/Bezzenberger; Vermögen in der ehemaligen DDR, v. Drygalski, Rn 10 zu § 21 b InVorG). Durch den Investitionsvorrangbescheid wird das Eigentum auf den Anmelder übertragen unter der Auflage, dass er für den Fall, dass das LAROV die Berechtigung nicht feststellt oder er den Antrag zurücknimmt, jedenfalls den Verkehrswert an den Verfügungsberechtigten oder den Berechtigten zu zahlen hat. Sonstige finanzielle Verpflichtungen nach dem VermG wie Wertausgleich nach § 7 VermG sind nur im vermögensrechtlichen Feststellungsbescheid zur Berechtigung des Anmelders zu berücksichtigen (R/R/B, a.a.O. Rn 41 zu § 21 b InVorG).

So ist es vorliegend geschehen. Dem Kläger zu 8. ist das streitgegenständliche Grundstück gemäß § 21 b InvorG als Anmelder von Rückübertragungsansprüchen (nach dem VermG) übertragen worden. Zugleich wurde eine Sicherungshypothek in Höhe des Verkehrswertes zugunsten der Verfügungsberechtigten in das Grundbuch eingetragen. Für den Fall, dass das LAROV die Rückübertragung ablehnt oder der Anmelder den Antrag auf Rückübertragung zurücknimmt, ist von dem Eigentümer an die Verfügungsberechtigte oder den Berechtigten ein Betrag in Höhe von 957.000,- DM ab Vollziehbarkeit des Bescheides zu zahlen.

Der Investitionsvorrangbescheid enthält keine Verpflichtung zur Durchführung von Investitionsmaßnahmen.

Sinn und Zweck des § 21 b InVorG ist es, dass der Berechtigte im Sinne des VermG in einem beschleunigten Verfahren sein Eigentum zurück erhält, ohne zu investiven Maßnahmen verpflichtet zu sein. Durch den Investitionsvorrangbescheid wird nur das Eigentum übertragen. Die Frage der Berechtigung wird im Rückübertragungsverfahren nach dem VermG geklärt. Wird die Berechtigung des Anmelders nach dem VermG festgestellt - wie es vorliegend geschehen ist - so hat dieser den Berechtigten gegenüber, d.h. den übrigen Miterben, den Verkehrswert zu zahlen. Daneben steht ihm gemeinsam mit den übrigen Berechtigten aber nach dem Wortlaut des Gesetzes und auch unter Berücksichtigung des Sinn und Zwecks des Gesetzes auch ein Anspruch gemäß § 7 Abs. 7 VermG gegenüber dem Verfügungsberechtigten zu. Davon geht auch das LAROV in seinem Bescheid auf Seite 7 aus.

Auch in dem Entwurf eines zweiten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung vermögensrechtlicher und anderer Vorschriften (Bundestagsdrucksache 641/01) war eine entsprechende Änderung des § 7 Absatz 7 Satz 3 vorgesehen. Der Entwurf lautete:

"In Absatz 7 Satz 3 werden nach den Wörtern "des Eigentums" folgende Wörter eingefügt:

"oder, wenn der Berechtigte das Eigentum an dem Vermögenswert auf Grund eines Bescheides nach §§ 21 oder 21 b des Investitionsvorranggesetzes erworben hat, mit der Bestandskraft des Bescheides über die Feststellung der Berechtigung."

Zur Begründung wurde ausgeführt:

"... Unklar und offen bleibt nach dieser Formulierung, ob der Herausgabeanspruch auch besteht, wenn ein die Rückübertragung aussprechender vermögensrechtlicher Bescheid nur deshalb nicht ergehen kann, weil der Berechtigte den Vermögenswert bereits im Investitionsvorrangverfahren zurück erhalten hat und der vermögensrechtliche Bescheid daher nur noch seine Berechtigung feststellen kann. Eine Entscheidung des BGH...... (.......BGHZ 142, 111-116) thematisiert die hier aufgeworfene Frage nicht. Der Änderungsvorschlag stellt klar, dass der Herausgabeanspruch auch in den Fällen besteht, in denen der - später als solcher festgestellte - Berechtigte den Vermögenswert im Rahmen eines Investitionsvorrangverfahrens zurück erhalten hat. Betroffen sind insbesondere die Fälle des ............ § 21 b InVorG (...). ..........Wird später die Berechtigung des Anmelders festgestellt, so stellt sich das vorgeschaltete Investitionsvorrangverfahren nur als eine Abkürzung auf dem Weg zur Rückübertragung des Vermögenswertes dar. Im Ergebnis erhält der Anmelder - wie der Berechtigte im Rückübertragungsverfahren - den Vermögenswert selbst. ...........In den vorgenannten Fällen verschwimmen die Grenzen zwischen Rückübertragung nach dem Vermögensgesetz und Investitionsvorrangbescheid; es ist nicht sachgerecht, dass dem Verfügungsberechtigten allein wegen der Vorschaltung eines Investitionsvorrangverfahrens der Mietauskehranspruch nicht zustehen soll."

Der Bundesrat hat den Gesetzentwurf zwar abgelehnt. Die Begründung vermag allerdings nicht zu überzeugen. Zur Begründung der ablehnenden Haltung gegenüber der Änderung des § 7 Abs. 7 Satz 3 VermG hat er insbesondere auf den besonderen Gesetzeszweck des § 7 Abs. 7 VermG, dass damit einer Verzögerung der Restitutionsverfahren durch die Verfügungsberechtigten entgegengewirkt werden sollte, abgestellt. Eine solche Verzögerung sei bei den vereinfachten Rückübertragungsverfahren nicht zu erwarten. Im Übrigen hat der Bundesrat Gesichtspunkte der Rechtssicherheit auf Seiten der Berechtigten angeführt, die gegen eine Erweiterung der eindeutigen Gesetzeslage sprechen.

Bei seiner ablehnenden Haltung hat der Bundesrat übersehen, dass § 7 Abs. 7 Satz 3 VermG nicht allein aus dem Grunde eingeführt worden ist, einer Verzögerung der Restitutionsverfahren durch die Verfügungsberechtigten entgegenzuwirken. Weiterer Sinn und Zweck der Regelung war auch, bei den Verfügungsberechtigten, die die Mieteinnahmen nicht zur laufenden Instandhaltung und/oder Instandsetzung des Gebäudes genutzt, sondern dieses Geld anderweitig verwendet haben, diese Mittel zugunsten der Berechtigten abzuschöpfen. Dieser Gesetzeszweck wird bereits aus der Formulierung des § 7 Abs. 7 Satz 4 VermG deutlich, der dem Verfügungsberechtigten für bestimmte Fälle eine Aufrechnungsbefugnis eingeräumt hat. An dieser Sachlage, dass der Verfügungsberechtigte die Mieteinnahmen nicht für notwendige Instandhaltungen bzw. Erhaltungsmaßnahmen des Gebäudes verwandt hat, ändert auch das vereinfachte Rückübertragungsverfahren gemäß § 21 b InVorG nichts.

Auch die Entscheidung des BGH vom 25. Juni 1999 V ZR 259/98 steht dem Anspruch der Kläger nicht entgegen. Der dort vom BGH entschiedene Fall ist mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar und entfaltet für diesen keinen Rechtswirkungen.

In dem vom BGH entschiedenen Fall ging es um eine investive Maßnahme im Sinne des InvestitionsvorrangG. Für diesen Fall hat der BGH ausgeführt:

" .... Soweit er durch eine investive Maßnahme im Sinne von § 2 Abs. 1 Ziff. 1 InVorG untergeht oder beeinträchtigt wird, ist dem Berechtigten nach § 16 InVorG Ausgleich zu gewähren. Der Ausgleich beruht auf dem Gedanken der Surrogation. Im hier gegebenen Fall der Veräußerung steht dem Berechtigten gegenüber dem Verfügungsberechtigten ein Anspruch auf Zahlung eines Geldbetrages in Höhe aller auf den Vermögenswert entfallenden Geldleistungen aus dem investiven Vertrag, mindestens aber in Höhe des Verkehrswertes zu. Dies ist eine in sich abgeschlossene, mit der Grundregel des § 7 Abs. 7 Satz 1 VermG in Einklang befindliche Regelung. Der Wortlaut des Gesetzes bleibt nicht hinter seinem Sinn zurück. Neben dem Wertausgleich auch noch den früher erwirtschafteten Ertrag des Vermögenswertes auszukehren, liefe im Ansatz auf eine nicht gewollte Zuordnung des Vermögenswertes an den Berechtigten bereits vor Rückübertragung hinaus. ......................... § 7 Abs. 7 Satz 2 VermG liegt ebenfalls eine andere, nicht mit dem vorliegenden Fall vergleichbare Interessenlage zugrunde. ..... Es ging darum, einem Mißstand abzuhelfen. Es hatte sich nämlich herausgestellt, dass die oftmals beachtlich hohen Mieteinnahmen aus restitutionsbelasteten, gewerblich genutzten Immobilien von den Verfügungsberechtigten vielfach nicht für dringend notwendige Reparatur- und Erhaltungsmaßnahmen zugunsten des Objekts eingesetzt, sondern für andere Zwecke verwendet wurden. Das stieß auf Unverständnis bei Alteigentümern und Mietern. Zugleich sollte die Regelung einer Verzögerung des Restitutionsverfahrens entgegenwirken. Der Berechtigte sollte so gestellt werden, wie er bei zügiger Abwicklung des Restitutionsverfahrens stünde.

Im Falle der investiven Veräußerung (§ 16 Abs. 1 InVorG) erhält der Berechtigte demgegenüber den Mindestausgleich in Höhe des Verkehrswertes der veräußerten Immobilie zu dem Zeitpunkt, in dem der Investitionsvorrangbescheid vollziehbar wurde. Die Gefahr sich lang hinziehender und wegen unterlassener Reparatur- und Erhaltungsmaßnahmen im Ergebnis wertmindernder Restitutionsverfahren besteht im Hinblick auf die vom Gesetz geforderten besonderen Investitionszwecke (§ 3 Abs. 1 InVorG) nicht."

Auch im vereinfachten Rückübertragungsverfahren besteht die Gefahr "wegen unterlassener Reparatur- und Erhaltungsmaßnahmen im Ergebnis wertmindernder Restitutionsverfahren", mag auch die Rückübertragung schneller von Statten gehen und dem Berechtigten damit auch die Verfügungsgewalt zu einem früheren Zeitpunkt zurück übertragen werden. Das vereinfachte Rückübertragungsverfahren birgt für den Berechtigten weiterhin die Gefahr, dass ihm eine "heruntergewirtschaftete Immobilie" übergeben wird und ihm andererseits die Mieteinnahmen der Vorjahre, aus denen er einen Instandhaltungsrücklage hätte bilden können, nicht zur Verfügung stehen. Die Interessenlage ist damit vergleichbar derjenigen, die der Gesetzgeber bei der Einführung des § 7 Abs. 7 Satz 3 VermG im Auge hatte. Auch die Rechtssicherheit des Verfügungsberechtigten gebietet keine andere rechtliche Bewertung. Dem Verfügungsberechtigten, der mit dem Mieteinnahmen "ordentlich" gewirtschaftet hat und Instandhaltungsmaßnahmen durchgeführt hat steht gegenüber dem Berechtigten ein Anspruch gemäß § 7 Abs. 7 Satz 4 VermG zu.

Entgegen dem vom BGH entschiedenen Fall erhält der Berechtigte, der im vereinfachten Rückübertragungsverfahren gem. § 21 b InVorG sein Eigentum zurückübertragen erhalten hat, auch keinen Wertausgleich in Form des Verkehrswertes. Ihm verbleibt das Grundstück ebenso wie in den Fällen der Rückübertragung nach dem VermG. Durch die Einführung des § 21 b InVorG sollte allein das Rückübertragungsverfahren bei Wohngrundstücken beschleunigt werden. Die Berechtigten sollten dadurch gegenüber den Verfügungsberechtigten nicht schlechter gestellt werden. Denn die Interessenlage bei der beschleunigten Rückübertragung entspricht der bei der Rückübertragung nach dem VermG. Beide Verfahren sind im Übrigen voneinander abhängig. Der Berechtigte/Anmelder nach dem InVorG erhält das Grundstück wie es steht und liegt zurück. Hat der Verfügungsberechtigte die Mieteinnahmen nicht für notwendige Instandsetzungs- und Erhaltungsmaßnahmen genutzt, sondern die Gelder anderweitig verwendet, so würden ihm diese Gelder, würde man der Ansicht der Beklagten folgen, verbleiben und dem Berechtigten würde wiederum die Last der notwendigen Instandsetzung verbleiben, obwohl er aus den laufenden Mieteinnahmen der letzten Jahre keine Rücklagen bilden konnte. Diesem Missstand sollte § 7 Abs. 7 VermG gerade entgegenwirken (s.o.). Diesem Missstand jetzt durch die Hintertür, durch die Einführung des § 21 b InVorG Vorschub zu leisten, war sicherlich nicht die Absicht des Gesetzgebers. Auch der BGH hat diesen Fall in der streitgegenständlichen Entscheidung, auf die sich die Beklagte stützt, nicht entschieden.

2. Der Anspruch der Kläger ist auch nicht gemäß § 7 Abs. 8 Satz 2 VermG erloschen.

Entgegen der Ansicht des Landgerichts haben die Kläger zu 1. bis 8. ihren Anspruch innerhalb der Frist des § 7 Abs. 8 VermG gegenüber der Beklagten geltend gemacht.

Gemäß § 7 Abs. 8 Satz 2 VermG erlöschen die Ansprüche gemäß § 7 Abs. 2 und Abs. 7 VermG, wenn sie nicht binnen eines Jahres seit dem Eintritt der Bestandskraft des Bescheides über die Rückübertragung des Eigentums schriftlich geltend gemacht worden sind, jedoch nicht vor dem 1. August 1999.

Durch die Einfügung dieser Ausschlussfrist in das Gesetz sollte erreicht werden, dass der Verfügungsberechtigte nach der Bestandskraft des Restitutionsbescheides innerhalb eines angemessenen Zeitraumes Klarheit über die von ihm vorzuhaltenden Rückstellungen erlangt. Im Sinne der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens sollte daher der Berechtigte innerhalb dieser Frist seine Ansprüche gegenüber dem Verfügungsberechtigten geltend machen.

Berechtigte sind vorliegend die Miterben, d.h. die Kläger zu 1. bis 8.. Die Erbengemeinschaft selbst ist nicht parteifähig.

Entgegen der Ansicht des Landgerichts Berlin ergibt sich aus der Zusammenschau der Anlagen K 2, 3, 4, 6 und 7, dass der Prozessbevollmächtigte der Kläger nicht nur Bevollmächtigter des Kläger zu 8., sondern auch der übrigen Miterben war.

Ausweislich des Investitionsvorrangbescheides vom 12. April 2000, der der Beklagten bekannt war (s. Anlage K 3) hat der Prozessbevollmächtigte der Kläger für die Erben nach Enn Gnnn an dem Anhörungstermin teilgenommen. Der Beklagten war, wie sich aus dem Schreiben vom 6. Juli 2000 (Anlage BK 2) ergibt, auch bekannt, dass das Eigentum an dem Grundstück an den Kläger zu 8. als Vertreter aller Miterben übertragen werden sollte. Dem Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Kläger an die Beklagte vom 4. Juli 2001, mit welchem er erstmalig Ansprüche gemäß § 7 Abs. 7 VermG anmeldet, war der Bescheid des LAROV beigefügt, aus dem sich wiederum ergibt, dass der Prozessbevollmächtigte der Kläger im Namen aller Miterben handelte. Dem LAROV lagen die diesbezüglichen Vollmachten ausweislich des Bescheides vor. Die Beklagten wiesen die Ansprüche, die der Prozessbevollmächtigte der Kläger im Namen seiner Mandantschaft geltend gemacht hat, auch nicht wegen mangelnder Vertretungsmacht oder mangelnden Vollmachtsnachweises (§ 174 BGB), sondern aus materiell- rechtlichen Gründen unter Hinweis auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes zurück. Auch in dem weiteren Schreiben vom 27. März 2003 spricht der Prozessbevollmächtigte der Kläger von seinen Mandanten.

Die Bezeichnung in dem Betreff, auf den das Landgericht abstellt, ist demgegenüber von untergeordneter Bedeutung. Die eingereichten Unterlagen sind im Gesamtzusammenhang zu sehen. Im Gesamtkontext war es für die Beklagte ersichtlich, dass der Prozessbevollmächtigte der Kläger für alle Miterben auftrat und auch für alle Miterben die Ansprüche gem. § 7 Abs. 7 VermG geltend machte. Erstmals mit Schriftsatz vom 1. Juli 2002 wird dies von der Beklagten in Zweifel gezogen.

Im Übrigen steht den Klägern zu 1. bis 8. auch aus einem anderen Rechtsgrund der Anspruch gegen die Beklagte zu. Gemäß § 2039 Satz 1 BGB kann jeder einzelne Miterbe die Leistung von dem Verpflichteten an alle Miterben fordern. Folgt man der Auslegung des Landgerichts, so hat jedenfalls der Kläger zu 8. gemäß § 2039 BGB die Ansprüche gegenüber der Beklagten innerhalb der Frist des § 7 Abs. 8 VermG geltend gemacht. Wie sich aus dem Schreiben des Klägers zu 8. vom 20. Januar 2000 ergibt, sollte er im Namen aller Miterben handeln. Dies war der Beklagten ausweislich des Schreibens des Prozessbevollmächtigten der Kläger vom 6. Juli 2000 auch bekannt.

Auf die Frage, ob die Klageerhebung durch alle Miterben aufgrund der Rückwirkungsfiktion des § 167 ZPO die Frist des § 7 Abs. 8 VermG unterbrochen hat, kam es daher nicht mehr an.

3. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Kostenentscheidung des erstinstanzlichen Urteils war dem Schlussurteil vorzubehalten.

4. Die Revision war zuzulassen, da die Sache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 543 Abs. 2 1. Alt. ZPO). Es fehlt bisher an einer höchstrichterlichen Klärung der Rechtsfrage. Wie aus den Akten ersichtlich und von den Parteivertretern auch nochmals im Termin zur mündlichen Verhandlung bekräftigt, ist die Beantwortung der Frage, ob § 7 Abs. 7 Satz 3 VermG auch in den Fällen der Rückübertragung gemäß § 21 b InVorG Anwendung findet, noch für eine Vielzahl von weiteren Fällen von Bedeutung.



Ende der Entscheidung

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