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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 11.05.2005
Aktenzeichen: 24 W 130/03
Rechtsgebiete: WEG, ZPO


Vorschriften:

WEG § 45
ZPO § 263
ZPO § 533
Die erst in zweiter Instanz erklärte Aufrechnung gegen Wohngeldforderungen ist zuzulassen, wenn das WEG-Gericht die Aufrechnung für sachdienlich hält. Die weitere Voraussetzung des § 533 Nr. 2 ZPO n.F. ist im FGG-Verfahren nicht anwendbar. Nach wie vor ist aber die Sachdienlichkeit zu verneinen, wenn das Bescherdeverfahren durch Zulassung der Aufrechnung verzögert würde. Dasselbe gilt für eine zweitinstanzliche Antragserweiterung in WEG-Sachen, die nicht unter § 264 ZPO fällt.
Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 24 W 130/03

In dem Wohnungseigentumsverfahren

betreffend die Wohnanlage Bnnnnnnn n , 1nn Bnnn ,

hat der 24. Zivilsenat des Kammergerichts auf die sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 25. April 2003 - 85 T 375/02 WEG - durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Dr. Briesemeister, die Richterin am Kammergericht Kingreen und die Richterin am Kammergericht Hinrichs am 11. Mai 2005 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen. Der Antragsgegner hat die Gerichtskosten dritter Instanz zu tragen und dem Antragsteller die notwendigen außergerichtlichen Kosten dritter Instanz zu erstatten.

Der Geschäftswert dritter Instanz wird auf 5.062,63 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller ist Verwalter der Wohnanlage, in welcher der Antragsgegner seit dem 1. August 1998 als Eigentümer der Einheit Nr. 21 eingetragen ist. Der Antragsteller ist gemäß § 2 Nr. 3 des Verwaltervertrages vom 4. Oktober 2001 ermächtigt, Wohngeldforderungen im eigenen Namen unter Hinzuziehung eines Rechtsanwalts geltend zu machen. In der Eigentümerversammlung vom 4. Oktober 2001 wurde der Wirtschaftsplan für das Rumpfgeschäftsjahr vom 1. Mai bis zum 31. Dezember 2001 beschlossen. Zu TOP 3 wurde der Wirtschaftsplan für 2002 beschlossen. Der Antragsteller hat zunächst das Wohngeld für das Rumpfgeschäftsjahr 2001 und für das Jahr 2002 vom Antragsgegner gefordert. Nachdem in der Eigentümerversammlung vom 29. März 2002 die Jahresabrechnung für 2001 beschlossen worden war, hat der Antragsteller für 2001 nur noch den sich daraus ergebenden Nachzahlungsbetrag vom Antragsgegner verlangt. Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 14. März 2002 den Antragsgegner verpflichtet, an den Antragsteller 2.118,45 Euro nebst Zinsen zu zahlen. Im Hinblick auf eine am 24. September 2002 erbrachte Zahlung des Antragsgegners hat der Antragsteller den Anspruch auf 2.062,62 Euro reduziert. In der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 25. April 2003 hat der Antragsgegner die Aufrechnung mit dem erststelligen Teilbetrag aus einem Gesamtbetrag von 2.500,00 DM erklärt, die er gemäß einer Quittung vom 4. November 2002 an einen Rechtsanwalt mit der Zweckbestimmung "BEWAG für Snnn u. a. von M. Snnn /Hauptforderung" gezahlt habe, und im Wege des Gegenantrages beantragt, den Antragsteller mit sofortiger Wirkung aus wichtigem Grunde als Verwalter abzuberufen. Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss vom 25. April 2003 die Erstbeschwerde, soweit sich der Zahlungsantrag nicht in der Hauptsache erledigt hat, zurückgewiesen und die zweitinstanzliche Aufrechnung und Gegenantragstellung als unzulässig angesehen. Die sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners bleibt erfolglos.

II.

Die sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners ist gemäß §§ 27, 29 FGG, 45 WEG zulässig, jedoch in der Sache nicht gerechtfertigt. Eine Rechtsverletzung, auf welche die sofortige weitere Beschwerde mit Erfolg allein gestützt werden kann (§ 27 Abs. 1 FGG), weist der angefochtene Beschluss nicht auf.

1. Ohne Rechtsirrtum hat das Landgericht den Antragsgegner zur Zahlung von Wohngeld in der noch geltend gemachten Höhe verpflichtet. Diese Zahlungsverpflichtung hat der Antragsgegner mit seiner Rechtsbeschwerdebegründung vom 16. Juli 2003 nicht angegriffen. Er hat vielmehr geltend gemacht, die in der mündlichen Verhandlung vom 25. April 2003 erklärte Aufrechnung wegen einer Zahlung am 4. November 2002 müsse entsprechend § 533 ZPO zugelassen werden, weil diese Zahlung auf einer Notgeschäftsführung des Antragsgegners für die Eigentümergemeinschaft beruhe.

2. Verfahrensfehlerfrei hat das Landgericht die Zulassung der am Schluss der zweiten Instanz erklärten Aufrechnung mit Ansprüchen aus Notgeschäftsführung abgelehnt. Unter Geltung der ZPO in der Fassung bis zum 1. Januar 2002 war auch für das WEG-Verfahren anerkannt, dass sich die Zulassung eines Gegenantrages oder einer Aufrechnung in zweiter Instanz nach dem damaligen § 530 ZPO (Vorgänger des jetzigen § 533 ZPO) richtet (KG KGRep. 2002, 36/37). Entgegen der vom Landgericht im vorliegenden Verfahren geäußerten Rechtsansicht ist auf die Zulassung von Gegenantrag und Aufrechnung in zweiter Instanz nach Inkrafttreten der ZPO-Reform nunmehr nicht uneingeschränkt § 533 Nr. 2 ZPO n. F. anwendbar, wo neben der Einwilligung des Gegners oder alternativ der Sachdienlichkeit dieser Verteidigungsangriffe zusätzlich vorausgesetzt wird, dass nur das Sachvorbringen berücksichtigt werden darf, dass nach dem Berufungsverfahren in der neuen Gestalt verwendet werden darf. Denn diese zusätzliche Einschränkung beruht auf der Neugestaltung des Berufungsverfahrens in Annährung an eine lediglich rechtliche Überprüfung nach dem Vorbild der Revision und ist auf das Erstbeschwerdeverfahren nach dem FGG nicht zu übertragen. Das zweitinstanzliche Verfahren nach der FGG ist als zweite Tatsacheninstanz ausgestaltet, was eine verfahrensrechtliche Einschränkung des Tatsachenstoffes verbietet, zumal im Ansatz ohnehin das Amtsermittlungsprinzip gemäß § 12 FGG gilt. Abgesehen von der tatsächlichen Einschränkung in § 533 Nr. 2 ZPO ist aber nach wie vor daran festzuhalten, dass auch im WEG-Verfahren Aufrechnung und Gegenantrag in zweiter Instanz der Zulassung durch das Gericht nach den Grundsätzen der Sachdienlichkeit bedürfen, wobei darüber gestritten werden mag, ob die Einwilligung des Gegners zwingend die Zulassung gebietet oder nur ein starkes Indiz für die Sachdienlichkeit darstellt. Für die Beurteilung der Sachdienlichkeit wird vor allem maßgeblich sein, ob aufgrund des bisherigen Sachvorbringens entschieden werden kann oder die zeitliche Verzögerung des Verfahrens durch weitere Ermittlungen droht. Gerade bei Wohngeldforderungen ist darauf hinzuweisen, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft zur Deckung der laufenden Bewirtschaftungskosten auf rechtzeitige Zahlung angewiesen ist und durch gerichtliche Verfahren ohnehin Verzögerungen um Monate oder oft sogar Jahre zu erwarten sind.

3. Verfahrensrechtlich einwandfrei hat das Landgericht die Zurückweisung der Aufrechnung nicht allein aus § 533 Nr. 2 ZPO n. F. abgeleitet, sondern unabhängig davon ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 25. April 2003 aus den Erklärungen des Antragstellers entnommen, dass dieser sich auf die Aufrechnung nicht einlasse, also nicht einwillige, und ersatzweise auch nicht die Sachdienlichkeit anzunehmen sei. Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die bloße Vorlage einer Originalquittung über 2.500,00 Euro oder DM vom 4. November 2002 noch nicht die Prüfung entbehrlich mache, ob und in welchem Umfang sie hier berücksichtigt werden könnte und nicht gegebenenfalls ganz oder teilweise anderweitig verbraucht wurde. Da im Zivilprozess in diesen Fällen auch auf das Verfahren nach § 283 ZPO mit der nachgelassenen Erklärungsfrist verwiesen wird, hat der Senat dem Antragsteller mit Verfügung vom 21. Juli 2003 vorsorglich zur Überprüfung der Sachdienlichkeit aufgegeben, zu dem Zahlungsvorgang am 4. November 2002 im Einzelnen Stellung zu nehmen. Mit Schriftsatz vom 5. August 2003 hat der Antragsteller die komplizierten Vorgänge um die Titulierung des Anspruchs der BEWAG im Einzelnen dargestellt und zumindest plausibel gemacht, dass es in hohem Maße unklar ist, weshalb angesichts der Zahlungen anderer Wohnungseigentümer an die BEWAG am 4. November 2002 noch weitere 2.500,00 Euro als runde Summe gezahlt worden sind. Hierauf ist umfangreicher Gegenvortrag des Antragsgegners erfolgt, aus dem der eigentliche Zahlungszweck auch nicht deutlicher wird. Mit Schriftsatz vom 11. April 2005 hat der für die Zahlung eingeschaltete Mittelsmann (ein Rechtsanwalt) die Weiterleitung an die BEWAG bestätigt. Mit Schriftsatz vom 27. April 2005 hat der Antragsteller darauf hingewiesen, dass nach dem Zahlenmaterial immer noch nicht nachvollzogen werden könne, weshalb eine Zahlung von glatten 2.500,00 Euro durch den Antragsgegner erfolgt sein soll und für welche Wohnanlage und auf welche Forderung bzw. welchen Titel die quittierte Zahlung geleistet worden ist. Die vorgelegte Quittung vom 4. November 2002 weist als tatsächlichen Empfänger die BEWAG auf, die Zahlungsbestimmung lautet völlig unspezifiziert: "Hauptforderung", ohne hierzu weitere Erläuterungen zu machen. Da die Prüfung der Berechtigung der Aufrechnung in dritter Instanz bei streitigem Vortrag ohnehin nicht erfolgen kann, ergibt sich aus dem Schriftwechsel, dass die am Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht geltend gemachte Aufrechnung noch erhebliche zusätzliche Ermittlungen erforderlich gemacht hätte. Auch unter dem Gesichtspunkt einer nachgelassenen Erklärungsfrist entsprechend § 283 ZPO wäre aus der Sicht des Landgerichts die Sachdienlichkeit zu verneinen gewesen.

4. Rechtlich unbedenklich hat das Landgericht die Zulassung des Gegenantrages auf Abberufung des Antragstellers aus wichtigem Grund abgelehnt. Auch wenn die Ablehnung nicht auf die entsprechende Anwendung des § 533 Nr. 2 ZPO n. F. zu stützen ist, hat das Landgericht unabhängig davon auch hier die Sachdienlichkeit verneint, weil die Behandlung dieses Gegenantrages das grundsätzlich eilbedürftige Wohngeldverfahren verzögern würde.

5. Es entspricht billigem Ermessen, dass der Antragsgegner die Gerichtskosten seines erfolglosen Rechtsmittels trägt (§ 47 Satz 1 WEG). Angesichts des Zahlungsverzuges besteht auch hinreichender Anlass, die Erstattung außergerichtlicher Kosten in dritter Instanz anzuordnen (§ 47 Satz 2 WEG).

Die Festsetzung des Geschäftswertes beruht auf § 48 Abs. 3 WEG und entspricht der des Landgerichts (unter Berücksichtigung der zweitinstanzlichen Teilerledigung).

Ende der Entscheidung

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