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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 19.09.2001
Aktenzeichen: 24 W 147/01
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 4
WEG § 5
WEG § 12 I
WEG § 45 II
Wegen der Zuständigkeit der Prozessgerichte für Streitigkeiten über den Gegenstand, den Inhalt und den Umfang des Sondereigentums (BGHZ 130, 159) kann in einem Wohnungseigentumsverfahren über die Verpflichtung zur Veräußerungszustimmung nach § 12 Abs. 1 WEG nicht mit bindender Wirkung unter allen Beteiligten festgestellt werden, welchen Umfang das Sondereigentum nach dem Grundbuchinhalt hat. Mangels präjudizieller Wirkung kann die Gemeinschaft die Veräußerungszustimmung nicht mit der Begründung verweigern, ein Wohnungseigentümer habe Teile des Gemeinschaftseigentums mitverkauft.
KAMMERGERICHT Beschluß

Geschäftsnummer: 24 W 147/01

In der Wohnungseigentumssache

hat der 24. Zivilsenat des Kammergerichts auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 10. April 2001 - 85 T 331/00 WEG - durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Dr. Briesemeister, die Richterin am Kammergericht Kingreen und den Richter am Kammergericht B.-D. Kuhnke in der Sitzung vom 19. September 2001 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde wird mit der Klarstellung zurückgewiesen, dass sich aus der vom Amtsgericht ausgesprochenen Zustimmungsverpflichtung keinerlei Anerkenntnis der Eigentümergemeinschaft ergibt, dass die sog. Pyramide zum Sondereigentum der Einheit Nr. 12 gehört.

Die Gerichtskosten dritter Instanz werden dem Verwaltungsvermögen der Gemeinschaft auferlegt. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beteiligten bilden die Wohnungseigentümergemeinschaft der Wohnanlage. Die Antragstellerin ist Eigentümerin der im Dachgeschoss gelegenen Einheit Nr. 12, die durch späteren Ausbau entstanden ist. Die Antragstellerin streitet mit der Gemeinschaft darüber, ob ein Spitzboden in sogenannter Pyramidenform zu dem Sondereigentum der Antragstellerin gehört oder nicht, was in tatsächlicher Hinsicht davon abhängig sein könnte, ob bei Begründung der Einheit Nr. 12 der Spitzboden bereits durch eine Decke mit einem Revisionsschacht abgetrennt war oder nicht. Die Antragstellerin hatte bei Verfahrensbeginn einen notariellen Kaufvertrag über ihre Einheit geschlossen, für den sie die Veräußerungszustimmung gemäß § 12 WEG verlangt hat. Die Eigentümergemeinschaft hat die Zustimmung mit der Begründung verweigert, dass in dem notariellen Kaufvertrag der Kaufgegenstand in der Weise beschrieben worden ist, dass das Sondereigentum die "von dem Verkäufer ausgebaute sog. Pyramide mit eingeschränkter Nutzung" umfasst und damit Gemeinschaftseigentum mitverkauft worden sei. Nachdem die Käufer von dem Kaufvertrag zurückgetreten sind, hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 25. August 2000 auf entsprechenden Antrag festgestellt, dass die Antragsgegner nicht berechtigt seien, die Zustimmung zu einem späteren Verkauf der Teileigentumseinheit Nr. 12 mit der Begründung zu verweigern, dass der Luftraum unter der im Dachgeschoss gelegenen sogenannten Pyramide nicht zu dem Sondereigentum Nr. 12 gehöre. Hiergegen haben die Antragsgegner Erstbeschwerde eingelegt und im Wege eines Widerantrages die Feststellung begehrt, dass die sogenannte Pyramide Gemeinschaftseigentum darstelle. Mit Beschluss vom 10. April 2001 hat das Landgericht den Widerantrag mangels Sachdienlichkeit verworfen und die Erstbeschwerde der Antragsgegner zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner, die - bis auf eine Klarstellung - erfolglos bleibt.

II.

Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegner ist gemäß §§ 27, 29 FGG, 45 WEG zulässig. Sie ist jedoch - bis auf eine Klarstellung zu den Rechtswirkungen des amtsgerichtlichen Beschlusses - sachlich nicht gerechtfertigt. Der angefochtene Beschluss ist im Ergebnis rechtsfehlerfrei (§ 27 Abs. 1 FGG).

Nachdem der konkrete Kaufvertrag der Antragstellerin wegen des Rücktritts der Käufer gescheitert ist, kann die Antragstellerin nicht mehr durch Leistungsantrag von den Antragsgegnern die Verpflichtung zur Veräußerungszustimmung gemäß § 12 WEG verlangen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Veräußerungszustimmung hier nach der Teilungserklärung durch den Verwaltungsbeirat zu erteilen ist. Denn auch der Beirat wird letztlich für die Gemeinschaft tätig, so dass die Gemeinschaft auf gerichtliche Ersetzung der Veräußerungszustimmung in Anspruch zu nehmen ist.

Verfahrensrechtlich zutreffend hat das Amtsgericht einen Feststellungs- oder Regelungsstreit angenommen. Dabei hat das Landgericht ausgesprochen, die Veräußerungszustimmung dürfe nicht mit der Begründung verweigert werden, dass der Luftraum unter der im Dachgeschoss gelegenen sogenannten Pyramide nicht zu dem Sondereigentum Nr. 12 gehöre. In seinen Gründen hat das Amtsgericht ausgeführt: Verweigerungsgründe sind ausschließlich Gründe, die Zweifel daran erwecken, dass der Erwerber - nicht der ausscheidende Eigentümer - sich in die Gemeinschaft einfügen wird. Die zwischen den Beteiligten strittige Frage, ob die sogenannte Pyramide Sonder- oder Gemeinschaftseigentum ist, spielt für die Genehmigung keine Rolle. Insbesondere würde die Gemeinschaft ihren Rechtsstandpunkt nicht dadurch aufgeben, dass sie den Kaufvertrag genehmigt. Ob der Kaufgegenstand im Kaufvertrag zutreffend bezeichnet ist und ob die Antragstellerin tatsächlich in der Lage ist, den Kaufvertrag vollständig zu erfüllen, ist ausschließlich ein Problem des Vertragsverhältnisses zwischen Käufer und Verkäufer. Es steht den Antragsgegnern im Übrigen frei, dies klarstellend in die Genehmigung hineinzuschreiben.

Schon nach dem Tenor des amtsgerichtlichen Beschlusses ist zwischen den Beteiligten lediglich festgehalten, dass die Veräußerungszustimmung jedenfalls nicht aus der Motivation verweigert werden darf, dass mit der Genehmigung irgendwelche Rechtsstandpunkte der Eigentümergemeinschaft aufgegeben würden. Ob der verkaufte Gegenstand (genauer: die Grenzen des Sondereigentums) richtig beschrieben ist oder nicht, wird durch die Veräußerungszustimmung nicht präjudiziert. Der notarielle Kaufvertrag über Wohnungseigentum bezieht sich schon nach seinem Wortlaut nicht auf ein tatsächliches Gebilde, sondern wie bei allen Grundstücksrechten auf das, was nach dem objektiven Grundbuchinhalt als Gegenstand des im Kaufvertrag bezeichneten Wohnungseigentums ausgewiesen ist (womit selbstverständlich nicht etwa eine Irrtumsanfechtung wegen einer Diskrepanz zwischen dem tatsächlichen Bestand und seiner Beschreibung im Grundbuch ausgeschlossen wird).

Entgegen dem Landgericht ist in dem Streit um die Erteilung der Veräußerungszustimmung, genauer: ob diese aus einem ganz bestimmten Gesichtspunkt (und nur aus diesem) verweigert werden darf, nicht zu klären, ob dieser Rechtsstandpunkt richtig ist oder nicht. Wenn mit der Veräußerungszustimmung nicht die Aufgabe eines Rechtsstandpunkts verbunden ist, wie das Amtsgericht in seiner Begründung ausführt, dann handelt es sich um eine sogenannte Vorfrage, deren Beantwortung auch nicht an der Rechtskraftwirkung einer etwaigen Feststellung teilnimmt. In seinen Ausführungen zur Unzulässigkeit des Gegenantrages führt das Landgericht zutreffend aus, dass der eigentliche Streit um den Umfang des Sondereigentums nach der maßgeblichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 130, 159 = NJW 1995, 2851) vor dem Prozessgericht auszutragen ist. Die genannte BGH-Entscheidung führt aus, dass es auch keinen Unterschied mache, ob die Feststellung verlangt werde, dass ein bestimmter Raum im Sondereigentum stehe oder ob sogleich die daraus abgeleitete Rechtsfolge geltend gemacht und Herausgabe oder Grundbuchberichtigung verlangt wird. Wenn dies aber vor dem Prozessgericht ausgetragen werden muss, und zwar mit Rechtskraftwirkung nicht unter den Kaufvertragsparteien, sondern unter den Wohnungseigentümern, darf dies auch nicht auf dem Umweg über eine Vorfrage bei der Veräußerungszustimmung bindend unter den Beteiligten festgelegt werden. Um insoweit jedes Missverständnis auszuschließen, hat der Senat aus den Gründen des amtsgerichtlichen Beschlusses die Einschränkung auch in den Tenor des Feststellungs- oder Regelungsstreites übernommen, dass mit einer Veräußerungszustimmung der Rechtsstandpunkt der Eigentümergemeinschaft über die Rechtsqualität der sogenannten Pyramide (Gemeinschaftseigentum oder Sondereigentum) in keiner Weise präjudiziert wird.

Der Senat verkennt nicht, dass sowohl der Antragstellerin wie auch den Antragsgegnern in dem vorliegenden Verfahren daran gelegen ist, auch Gewissheit über das rechtliche Schicksal der sogenannten Pyramide zu erlangen. Ohne die Entscheidung BGHZ 130, 159 könnte auch der rechtliche Status der sogenannten Pyramide in das vorliegende Wohnungseigentumsverfahren einbezogen werden, wie es die Antragsgegner mit ihrem zweitinstanzlichen Widerantrag (wenn auch erfolglos) versucht haben. Mit der Rechtswegzuweisung an die Prozessgerichte scheidet auch die Möglichkeit aus, in einem Wohnungseigentumsverfahren mit Bindung nach § 45 Abs. 2 WEG über die Zuordnung bestimmter Räume zum Gemeinschaftseigentum oder zum Sondereigentum zu befinden.

Es entspricht billigem Ermessen, dass die Gerichtskosten zweiter und dritter Instanz dem Verwaltungsvermögen der Gemeinschaft auferlegt werden. Dagegen besteht kein hinreichender Anlass, die Erstattung außergerichtlicher Kosten anzuordnen (§ 47 Satz 1 und 2 WEG).

Für die dritte Instanz, in der der zweitinstanzliche Widerantrag der Antragsgegner nicht weiterverfolgt worden ist, hält der Senat einen Geschäftswert von 30.000,00 DM für angemessen (§ 48 Abs. 3 WEG). Zu einer Änderung für die Vorinstanzen sieht der Senat dagegen keinen Anlass.

Ende der Entscheidung

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