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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 01.03.2004
Aktenzeichen: 24 W 158/02
Rechtsgebiete: WEG, BGB


Vorschriften:

WEG § 16 III
WEG § 22 I
BGB § 987
BGB § 990
Von einem Wohnungseigentümer, der unberechtigt seine Dachgeschosswohnung durch Erweiterung auf Gemeinschaftsflächen ausgebaut hat, und von dessen Nachfolgern kann die Wohnungseigentümergemeinschaft für die Überlassung der Dachgeschossflächen lediglich eine Nutzungsentschädigung für unausgebauten Dachraum verlangen.
Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 24 W 158/02

In dem Wohnungseigentumsverfahren

betreffend die Wohnanlage J /A K

hat der 24. Zivilsenat des Kammergerichts auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 27. November 2001 - 85 T 243/99 - durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Dr. Briesemeister, die Richterin am Kammergericht Hinrichs und die Richterin am Kammergericht Kingreen am 1. März 2004 beschlossen:

Tenor:

Unter teilweiser Aufhebung des angefochtenen Beschlusses wird die Antragsgegnerin unter teilweiser Änderung des Beschlusses des Amtsgerichts Spandau vom 16. Juli 1999 -70 II 11/99 WEG - verpflichtet, an die Wohnungseigentümer der Wohnungseigentumsanlage zu Händen der Verwalterin 1.815,09 Euro nebst 4 % Zinsen seit dem 10. März 1999 zu zahlen.

Im Übrigen wird die sofortige weitere Beschwerde zurückgewiesen.

Von den Gerichtskosten der ersten Instanz werden dem Verwaltungsvermögen der Gemeinschaft 82 % und der Antragsgegnerin 18 % auferlegt. Die Gerichtskosten der zweiten und dritten Instanz werden dem Verwaltungsvermögen der Gemeinschaft zu 91 % und der Antragsgegnerin zu 9 % auferlegt. Außergerichtliche Kosten aller Instanzen sind nicht zu erstatten.

Der Geschäftswert dritter Instanz wird auf 19.510,18 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten bilden die Eigentümergemeinschaft der im Rubrum genannten Wohnanlage. Die Antragsgegnerin ist Eigentümerin der Wohnung Nr. ... im Dachgeschoss des Hauses J die nach der Teilungserklärung vom 7. Mai 1983 zu UR-Nr. P des Notars P K eine Fläche von 39,81 qm hat. Das Sondereigentum an dieser Einheit ist mit 179/10.000 Miteigentumsanteilen verbunden. Die Einheit der Antragsgegnerin ist durch Ausbaumaßnahmen der C G G im Jahre 1988 um ein Zimmer, ein Bad und einen Flur mit einer Fläche von 32,58 qm erweitert worden, die in der Skizze zur Teilungserklärung noch mit Bodenraum, Waschküche und WC bezeichnet ist. Unter dem 9. Juni 1994 erwarb die Antragsgegnerin mit notariellem Kaufvertrag zu UR-Nr. ... des Notars J K die Einheit Nr. ... von der C G G. Mit Schreiben vom 29. Juni 1994 teilte die Verwalterin der Antragsgegnerin mit, dass sie das Eigentum an den in Besitz genommenen Gemeinschaftsflächen nicht erworben habe. Am 26. Januar 1995 wurde die Antragsgegnerin im Grundbuch als Eigentümerin eingetragen. Die Einheit ist vermietet. Die Antragsgegnerin und die Verwalterin als vollmachtlose Vertreterin der Antragsteller schlossen am 28. Januar 1996 über den Teil des Gemeinschaftseigentums zur Erweiterung des bestehenden Sondereigentums einen Kaufvertrag zu UR-Nr. ... des Notars C L. Der Vertrag wurde nicht wirksam. In der Eigentümerversammlung vom 28. März 1998 beschlossen die Eigentümer zu TOP 11 mehrheitlich, die Verwalterin zu beauftragen und zu bevollmächtigen bei der Antragsgegnerin für die von ihr integrierten und genutzten Gemeinschaftsflächen ein Nutzungsentgelt in Höhe des nach dem Berliner Mietspiegel angesetzten Mittelwerts geltend zu machen. Die Beteiligten streiten über die Nutzungsentschädigung (netto/kalt) für die unberechtigte Inanspruchnahme dieser Flächen für die Zeit von Februar 1995 bis Dezember 2000.

Nachdem der Antrag der Antragsteller der Antragsgegnerin am 10. März 1999 zugestellt worden war, hat das Amtsgericht Spandau hat mit Beschluss vom 16. Juli 1999 - 70 II 11/99 WEG - die Antragsgegnerin unter Zurückweisung des weitergehenden Antrags verpflichtet, an die Antragsteller zu Händen der Verwalterin 19.651,94 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 10. März 1999 zu zahlen.

Das Landgericht Berlin hat nach Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens des Dr.-Ing. K vom 25. Januar 2001 und nach einer am 5. Juni 2001 zugestellten antragserweiternden Anschlussbeschwerde der Antragsteller mit Beschluss vom 27. November 2001 - 85 T 243/99 - die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts zurückgewiesen und sie auf die Anschlussbeschwerde der Antragsteller über den bereits zugesprochenen Betrag hinaus verpflichtet, an die Antragsteller zu Händen der Verwalterin weitere 18.506,65 DM nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB zu zahlen.

Die Antragsgegnerin rügt mit ihrer weiteren sofortigen Beschwerde:

Den Antragstellern stehe ein Anspruch nicht zu, da der Kaufvertrag vom 28. März 1996 noch wirksam werden könne und ihr dann die Nutzung seit der Begründung von Sondereigentum per 28. März 1996 zustehe. Jedenfalls berechne sich der Herausgabeanspruch nicht nach der ortsüblichen Miete, sondern allenfalls nach den ersparten Aufwendungen für die Nutzung einer nicht ausgebauten Dachfläche. Ihr Vermögensvorteil erfolge nicht auf Kosten der Antragsteller, weil sie den Besitz schon an die C G G verloren hätten. Die Herausgabeansprüche würden sich allenfalls auf die tatsächlich gezogenen Nutzungen beschränken. Ihr Mieter zahle seit dem 1. Oktober 1994 eine Miete von 14,00 DM/qm brutto/kalt. Das Gutachten sei falsch, weil es sich bei dem Zimmer nebst Bad ohne Küche nicht um Wohnraum handele. Dafür könne kein Quadratmeterpreis von mehr als 15,00 DM/qm verlangt werden. Schließlich würden die Antragsteller Zahlung an sich verlangen, ohne ihren Miteigentumsanteil zu berücksichtigen. Sie bestreite das Schreiben der Verwalterin vom 29. Juni 1994.

Die Antragsgegnerin beantragt,

unter Abänderung der angefochtenen Beschlüsse die Anträge der Antragsteller zurückzuweisen.

Die Antragsteller beantragen,

die weitere sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

Die Antragsteller verteidigen den Beschluss des Landgerichts.

II.

Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegnerin ist gemäß §§ 27, 29 FGG, 45 WEG zulässig.

Sie hat auch in der Sache überwiegend Erfolg. Der angefochtene Beschluss des Landgerichts weist insoweit einen Rechtsfehler (§ 27 Abs. 1 FGG) auf, weil er bei der Höhe des Anspruchs verkennt, dass Vorteile, die aufwertsteigernden Investitionen des Schuldners oder seines Rechtsvorgängers beruhen, nicht zu berücksichtigen sind.

Der Antrag der Antragsteller ist nur in Höhe von 3.550,00 DM = 1.815,09 Euro nebst anteiligen Zinsen begründet. Insoweit hat das Amtsgericht Spandau die Antragsgegnerin zu Recht zur Zahlung an die Gemeinschaft - und nicht lediglich an die Antragsteller - verpflichtet.

Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht angenommen, dass die Verwalterin aufgrund des Beschlusses der Eigentümerversammlung vom 28. März 1998 zu TOP 11 bevollmächtigt ist, diesen Anspruch für die Gemeinschaft geltend zu machen.

Entgegen der Annahme des Landgerichts haben die Antragsteller gegen die Antragsgegnerin einen Anspruch auf Zahlung nicht aus §§ 812 Abs. 1, 818 Abs. 2 BGB, sondern aus den vorrangigen §§ 990 Abs. 1 Satz 2, 987 Abs. 1 BGB.

Die für den unberechtigten Ausbau in Anspruch genommene streitgegenständliche Dachfläche steht im Gemeinschaftseigentum. Welchen Rechtscharakter die Umfassungswände der erweiterten Wohnung der Antragsgegnerin haben, kann dahinstehen. Sie sind mit dem umschlossenen Raum jedenfalls nicht Sondereigentum der Antragsgegnerin und ihrer Rechtsvorgängerin geworden. Die Grenzen des Sondereigentums der Antragsgegnerin ergeben sich aus der der Teilungserklärung beigefügten Abgeschlossenheitsbescheinigung, die durch Bezugnahme Grundbuchinhalt geworden ist. Durch tatsächliche Veränderungen der Wohnungsbegrenzungen tritt eine Rechtserweiterung nicht ein (vgl. KG, 18.7.2001, 24 W 7365/00, NZM 2001, 1127 = ZMR 2001, 849 = ZWE 2001, 554). Auch ein gutgläubiger Erwerb nach § 892 BGB scheidet aus, weil sich lediglich die tatsächlichen Verhältnisse geändert haben. Die Antragsgegnerin ist wie ihre Rechtsvorgängerin unberechtigte Besitzerin der Wohnungserweiterung. Nach den verfahrensfehlerfreien Feststellungen des Landgerichts und auch aus dem sonstigen Akteninhalt ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte, dass zu irgendeinem Zeitpunkt die Zustimmung aller anderen Wohnungseigentümer zu der unberechtigten Überbauung vorgelegen hat. Der notarielle Kaufvertrag vom 28. Januar 1996, mit dem die rechtlichen Verhältnisse an die tatsächlichen angeglichen werden sollten, ist mangels Zustimmung aller Wohnungseigentümer nicht wirksam geworden. Es ist nicht ersichtlich, dass eine Legalisierung der unberechtigten Wohnungserweiterung in absehbarer Zeit zu erwarten ist. Nach § 16 Abs. 3 WEG sind diejenigen Wohnungseigentümer, die einer baulichen Veränderung nach § 22 Abs. 1 nicht zugestimmt haben, auch nicht berechtigt, einen Anteil an Nutzungen, die auf einer solchen Maßnahme beruhen, zu beanspruchen. Zur Vermeidung weiterer Streitigkeiten wäre allerdings eine einvernehmliche Lösung allen Beteiligten anzuraten.

Mit Schreiben der Verwalterin vom 29. Juni 1994 hat die Antragsgegnerin erfahren, dass sie zum Besitz nicht berechtigt war. Dieses von den Antragstellern bereits mit Schriftsatz vom 21. April 1999 in Kopie eingereichte Schreiben war in den beiden Tatsacheninstanzen unstreitig, wovon auch das Landgericht in seinen Gründen zu I. ausgegangen ist. Das neue Bestreiten der Antragsgegnerin kann in der Rechtsbeschwerdeinstanz keine Berücksichtigung finden.

Die Antragsgegnerin hat deshalb den Antragstellern die Nutzungen herauszugeben, die sie nach Erlangung der Kenntnis gezogen hat, § 987 Abs. 1 BGB. Ob sie auch gemäß § 987 Abs. 2 BGB schuldhaft Nutzungen nicht gezogen hat, die sie nach den Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaft hätte ziehen können, kann dahinstehen. Denn auch bei auch bei dem objektiven Mietwert geht es um die Nutzungen, die die Antragstellerin aus der sog. Muttersache (vgl. Palandt/Bassenge, 63. Aufl., BGB, § 987 Rdnr. 2) hätte ziehen müssen. Vorteile, die auf wertsteigernden Investitionen des Schuldners beruhen, bleiben unberücksichtigt (BGH NJW 1995, 2627, 2628; NJW 1992, 892; NJW 1990, 447, 450; Palandt/Bassenge, a.a.O., Rdnr. 7; Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 100 Rdnr. 2).

Hier hat die Rechtsvorgängerin der Antragstellerin von den Antragstellern nur den Besitz an dem Dachraum als Bodenraum mit Waschküche und WC erhalten und diese Muttersache auf eigene Kosten zu einem Zimmer mit Bad und Flur ausgebaut. Für diese Investitionen hat die Antragsgegnerin einen Kaufpreis entrichtet. Die von ihr erzielte oder erzielbare Miete beruht daher zu einem Teil auf dem Besitz an dem Gemeinschaftseigentum und zu einem Teil auf den Investitionen, die nicht die Gemeinschaft finanziert hat (vgl. BGH NJW 1990, 450).

Nach dem vom Landgericht eingeholten Gutachten des Sachverständigen Dr.-Ing. K vom 25. Januar 2001 (S. 46) ist für den Bodenraum mit Waschküche und WC ein pauschaler Ansatz von 50,00 DM/Monat für den gesamten Zeitraum angemessen, weil eine solche Fläche als Wohnraum nicht zulässig und auch nur bedingt als Lagerfläche genutzt werden kann.

Damit entfallen von der erzielten (behauptet: 14 DM/qm) oder erzielbaren Miete (zwischen 17, 17 und 15,47 DM/qm), ohne dass es wegen der niedrigen Pauschale noch auf eine Differenzierung ankommt, für die geltend gemachten Monate von Februar 1995 bis Dezember 2000 jeweils 50,00 DM auf den Dachraum, mithin 71 x 50,00 DM = 3.550,00 DM = 1.815,09 Euro.

Das ist die von den Antragstellern zu Recht verlangte Nutzungsentschädigung (netto/kalt). Die Frage der Kostentragungspflicht hinsichtlich der Betriebskosten war nicht Verfahrensgegenstand, wie die Antragsteller mit Schriftsatz vom 4. Mai 1999 unter Hinweis auf die Umlage der Betriebskosten nach Verbrauch klargestellt haben.

Der Zinsanspruch folgt aus § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F.

Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 47 WEG. Es entsprach billigem Ermessen, den Beteiligten anteilig die Kosten des Verfahrens im Verhältnis ihres Unterliegens und Obsiegens in der jeweiligen Instanz aufzuerlegen. Es besteht hingegen kein Anlass, ausnahmsweise die Erstattung der außergerichtlichen Kosten anzuordnen.

Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 48 Abs. 3 WEG.

Ende der Entscheidung

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