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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 26.06.2002
Aktenzeichen: 24 W 179/01
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 23 I
WEG § 23 II
Ein Eigentümerbeschluss, der für Beschlussanträge der Wohnungseigentümer die Schriftform und eine schriftliche Begründung vorschreibt, überschreitet schon die Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümer, widerspricht aber jedenfalls Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung.
Kammergericht Beschluss

24 W 179/01

In der Wohnungseigentumssache

betreffend die Wohnanlage

hat der 24. Zivilsenat des Kammergerichts auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 8. Mai 2001 -85 T 356/00 WEG - in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 21. Mai 2001 - durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Dr. Briesemeister, die Richterin am Kammergericht Kingreen und den Richter am Kammergericht B.-D. Kuhnke am 26. Juni 2002

beschlossen:

Tenor:

Unter teilweiser Änderung des angefochtenen Beschlusses des Landgerichts und des Beschlusses des Amtsgerichts Charlottenburg vom 11. August 2000 - 70 II 569/99 - wird der Eigentümerbeschluss vom 6. September 1999 zu TOP 3, dass Anträge, die in der Wohnungseigentümerversammlung zur Abstimmung gebracht werden sollen, vom Antragsteller schriftlich mitgeteilt und schriftlich begründet werden müssen, für ungültig erklärt.

Im Übrigen wird die sofortige weitere Beschwerde zurückgewiesen.

Die Gerichtskosten aller drei Instanzen werden dem Verwaltungsvermögen zu 8 % und den beiden Antragstellern zu je 46 % auferlegt. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Der Geschäftswert wird für die dritte Instanz auf (45.179,59 DM =) 23.100 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten zu I. und II. bilden die Wohnungseigentümergemeinschaft der Wohnanlage mit 96 Eigentumseinheiten.

Gemäß § 17 der Gemeinschaftsordnung werden die Betriebskosten nach Miteigentumsanteilen umgelegt mit Ausnahme der Betriebskosten der Zentralheizung, die nach den für Wohnraummietverhältnisse geltenden Bestimmungen umzulegen sind. Die U-Verwaltungs-GmbH (im Folgenden GmbH) betreibt ein Fernheizwerk. Sie versorgt sowohl die Wohnanlage als auch eine teilweise über der Wohnanlage liegende Penthousewohnung mit Fernwärme. Mit der abgenommenen Wärme werden Räume beheizt und Wasser erwärmt. Die Penthousewohnung gehört zu dem Nachbargebäude und ist teilweise über die hiesige Wohnanlage gebaut. Für den Eigentümer diese Wohnung besteht eine Grunddienstbarkeit zu Lasten der Wohnanlage.

Auf der Eigentümerversammlung vom 6. September 1999 beschlossen die Eigentümer zu TOP 3, dass Anträge, die in der WE-Versammlung zur Abstimmung gebracht werden sollen, vom jeweiligen Antragsteller schriftlich mitgeteilt und schriftlich begründet werden müssen, und zu TOP 4 u.a. die Jahresabrechnung 1998. Diese Jahresabrechnung führt Heizkosten in Höhe von 94.393,30 DM (davon zu Lasten der Antragsteller 724,65 DM) und Nutzerwechselkosten von 908,86 DM (Anteil zu Lasten der Antragsteller 0,00 DM) auf. In der Anlage 1 zu dieser Jahresabrechnung stehen Heizungsausgaben von 87.653,41 DM, "Heizung Strom" in Höhe von 5.888,02 DM und "Heizung Ablesung" in Höhe von 1.380 DM, also insgesamt 94.921,43 DM, die aber so nicht in die Jahresabrechnung eingegangen sind. Die Abrechnung der K Energieservice GmbH (kurz: ista) führt dagegen wieder für 1998 Gesamtkosten in Höhe von 94.393,30 DM auf, von denen unter Berücksichtigung der verbrauchsabhängigen Kosten für Heizung und Warmwasser auf die Antragsteller 724,65 DM entfallen. Die in der ista-Abrechnung enthaltenen umzulegenden Messdienstkosten von 5.359,89 DM beziehen sich nach einem Schreiben der ista vom 20. März 1999 (wegen teilweise mehrfacher Ablesung in den 96 Wohnungen) rechnerisch auf 112 Einheiten. Ein Betrag von 642,64 DM setzt sich zusammen aus Kosten für Nutzerwechsel und "Schätzung je Nutzer". Dieser Betrag ist aber nicht in dem auf die Antragsteller umgelegten Gesamtbetrag von 94.393,30 DM enthalten.

Mit ihrer am 1. Oktober 1999 bei Gericht eingegangenen Antragsschrift haben die Antragsteller die Beschlüsse zu TOP 3 und zu TOP 4 hinsichtlich der Anträge zu 1. und 2. angefochten. Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 11. August 2000 die Anträge zurückgewiesen. Das Landgericht hat auf die sofortige Beschwerde der Antragsteller den Beschluss des Amtsgerichts teilweise geändert und die Anfechtungsanträge zu TOP 3 und zu TOP 4 hinsichtlich der Jahresabrechnung 1998 zurückgewiesen.

Die Antragsteller rügen mit ihrer weiteren sofortigen Beschwerde:

Eine Wohnungseigentümergemeinschaft habe nicht die Befugnis zur Aufstellung einer weit über die im WEG vorgesehenen Grundregeln hinausgehenden vorherigen schriftlichen Antragsbegründungspflicht. Diese folge auch nicht aus dem Rechtsgedanken des § 23 Abs. 2 WEG. Es bestehe kein Recht eine Muss-Vorschrift einzuführen, die auch in der Teilungserklärung keine Stütze finde. Die Vorbereitung von Eigentümerversammlungen werde in unzumutbarer und nicht sachgerechter Weise reglementiert. Der Beschluss sei auch angesichts der Anzahl der Miteigentümer nicht praktikabel.

Das Landgericht sei nicht darauf eingegangen, dass die Kosten für die Penthousewohnung in der Jahresabrechnung nicht erscheine. Es lasse außer Acht, dass die Warmwasser-Kosten der Miteigentümer, die eine Warmwasseruhr installiert haben, nicht im Verhältnis 70:30 abgerechnet worden seien. Die Antragsteller seien mit Zwischenablesungskosten belastet worden. Zusätzliche Nutzerwechselkosten von 908,86 DM seien nicht nachvollziehbar. Die Abrechnung sei wegen des Nichteinstellens der nicht verbrauchten Heizkostenvorschüsse von 18.830,47 DM in die Abrechnung 1998 nicht genehmigungsfähig. Der Instandhaltungsrücklagenbestand per 31.12.1998 sei offensichtlich nicht vorhanden, sondern lediglich 78.929,89 DM. Die Abrechnung beruhe auch auf dem Zahlenwerk der Jahresabrechnung 1996, die durch bestandskräftigen Beschluss des AG Charlottenburg vom 17.10.2000 - 70 II 744/97 - für nichtig erklärt worden sei.

Die Antragsteller beantragen,

unter Abänderung der angefochtenen Beschlusses, die in der Eigentümerversammlung vom 6.9.1999 zu TOP 3, soweit Anträge, die in der WE-Versammlung zur Abstimmung gebracht werden sollen, vom Antragsteller schriftlich begründet werden müssen, und zu TOP 4, soweit die Jahresabrechnung genehmigt wurde, gefassten Beschlüsse für ungültig zu erklären.

Die Antragsgegner beantragen,

die weitere sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

Die Antragsgegner erwidern:

Der Beschluss zur schriftlichen Begründung von Beschlussanträgen sei bei größeren Gemeinschaften sinnvoll. Soweit die Antragsteller die Jahresabrechnung 1998 mit neuen tatsächlichen Ausführungen angreifen würden, seien diese im Rahmen einer Rechtsbeschwerde nicht zulässig. Die für Nutzerwechsel angefallenen Kosten seien gesondert ausgewiesen und nur auf die betroffenen Einheiten umgelegt worden. An wen die nicht verbrauchten Vorschüsse zu erstatten seien, sei eine Frage der Jahresabrechnung 1999.

II.

1. Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsteller ist gemäß §§ 27, 29 FGG, 45 WEG zulässig und teilweise begründet. Einen Rechtsfehler, auf den die sofortige weitere Beschwerde mit Erfolg allein gestützt werden kann (§ 27 Abs. 1 FGG), weist der angefochtene Beschluss zu TOP 3 (schriftliche Begründung), nicht aber zu TOP 4 (Jahresabrechnung 1998) auf.

2. Mit dem streitgegenständlichen Beschluss zu TOP 3 haben die Antragsgegner das formelle Organisationsrecht für die Eigentümerversammlung nach §§ 23 - 25 WEG geändert. Sie haben die Anforderungen des Gesetzes an die Bezeichnung des Beschlussgegenstandes bei der Einberufung (§ 23 Abs. 2 WEG) und an die Schriftlichkeit der Einberufung (§ 24 Abs. 4 Satz 1 WEG) um die Schriftlichkeit der Begründung von Anträgen zumindest mittelbar erweitert.

Damit sind sie zugleich von der Gemeinschaftsordnung abgewichen. Nach § 8 GO gelten die Vorschriften des Ersten Teils des WEG. § 19 GO sieht keine besonderen Voraussetzungen für das Stellen von Anträgen vor. Lediglich für das Verlangen einer außerordentlichen Eigentümerversammlung ist u. a. für die Angabe des Gegenstandes die Schriftform vorgeschrieben (Abs. 2 Satz 2).

Es besteht zwar im Grundsatz Vertragsfreiheit, die aber nur einstimmig durch Vereinbarung ausgeübt werden kann. Ein Mehrheitsbeschluss über Abweichungen von §§ 23 bis 25 WEG genügt jedoch im Allgemeinen nicht (vgl. Bärmann/Pick, 15. Aufl., WEG, § 23 Rdnr. 2).

Der Beschluss mag zweckmäßig sein, geht jedoch über die Beschlusskompetenz der Eigentümerversammlung (BGHZ 145, 158 = NJW 2000, 3500) hinaus, weil er das nach dem WEG bestehende Antragsrecht durch eine Ordnungsvorschrift einschränkt. Möglicherweise setzt ein Verwalter wegen der fehlenden Schriftform schon Anträge nicht auf die Tagesordnung, so dass aus diesem Grund keine wirksame Beschlussfassung möglich ist. Die Muss-Vorschrift birgt darüber hinaus die Gefahr weiterer Auseinandersetzungen darüber, ob allein wegen eines Verstoßes gegen die Schriftform - wie bei § 23 Abs. 2 WEG - ein entsprechender Beschluss ungültig ist.

Letztlich braucht diese Frage aber wegen der rechtzeitigen Anfechtung hier nicht entschieden zu werden, weil ein Mehrheitsbeschluss dieses Inhalts jedenfalls Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung widerspricht und bereits aus diesem Grunde für ungültig zu erklären ist.

3. Wenn die Antragsteller bei ihrer Anfechtung zu TOP 4 die Zugehörigkeit bestimmter Ausgaben zu dem Wirtschaftsjahr 1998 und eine Ermächtigung der Gemeinschaft für diese Ausgaben in Abrede stellen, ändert das nichts daran, dass diese Beträge, wenn sie in dem Wirtschaftsjahr 1998 ausgegeben sind, Teil dieser Jahresabrechnung sind. Denn in die Jahresabrechnung gehören sämtliche tatsächlich getätigten Einnahmen und Ausgaben der betreffenden Wirtschaftsperiode unabhängig davon, ob die Ausgaben getätigt werden durften. Die Kosten der Penthousewohnung sind nicht in die Jahresabrechnung aufzunehmen, weil diese Wohnung nicht Teil der Wohnanlage ist. Ob etwa die auf diese Wohnung entfallenden Kosten zu Unrecht nicht von den für die WEG angefallenen Kosten abgezogen worden sind, ist keine Frage der Einnahmen und Ausgaben, sondern eine solche der Richtigkeit der Abrechnung, die nicht Gegenstand des Beschlusses über die Jahresabrechnung ist.

4. Ohne Rechtsirrtum führt das Landgericht aus, dass die Jahresabrechnung auch nicht bezüglich der Heizkosten zu beanstanden sei. Die Gesamtkosten von 94.393,30 DM (gemäß ista-Abrechnung im Einzelnen erläutert und auf die Antragsteller umgelegt) und 908,86 DM (nicht anteilig auf die Antragsteller umgelegt) sind als tatsächliche Ausgaben ausgewiesen und deshalb bei der Jahresabrechnung als tatsächlicher Einnahmen- und Ausgabenabrechnung nicht anzugreifen. Insbesondere ist die Position Messdienstkosten nicht unter dem Gesichtspunkt zu beanstanden, dass möglicherweise mindestens teilweise auch Kosten für Nutzerwechsel auf die Antragsteller umgelegt worden sind. Soweit die Verwaltung teilweise zusätzliche Kosten bei Messungen, die durch Nutzerwechsel entstanden sind, herausgerechnet und lediglich den betreffenden Wohnungseigentümern auferlegt hat, bei denen der Nutzerwechsel eingetreten ist, sind jedenfalls die Antragsteller dadurch nicht belastet, sondern entlastet. Soweit die Kosten für Messdienste bei Nutzerwechsel nicht vollständig auf die vom Nutzerwechsel betroffenen Wohnungseigentümer umgelegt worden sind, kann auch dies nicht beanstandet werden. Die Kosten zusätzlicher Messungen zählen nach §§ 7 Abs. 2, 8 Abs. 2 HeizKV zu den verbrauchsabhängigen Kosten. Allein mit der Kostenverursachung durch einen Nutzerwechsel ist noch nicht präjudiziert, dass diese zusätzlichen Kosten zwingend den veranlassenden Wohnungseigentümern aufzuerlegen sind. Denn den Vertrag mit dem Messdienst haben nicht einzelne Wohnungseigentümer abgeschlossen, sondern die Eigentümergemeinschaft insgesamt. Wenn sich also die Kosten durch zusätzliche Messleistungen erhöhen, ist dafür der sonst für die Heizkostenverteilung maßgebliche Verteilungsschlüssel anzuwenden. Die Verursachung allein ist noch kein Grund, von der allgemeinen Kostenverteilung abzugehen (vgl. BGHZ 92,18 = NJW 1984, 2576). Insoweit bedürfte es einer besonderen Vereinbarung, die hier nicht ersichtlich ist. Auch aus § 9 b HeizKVO lässt sich nichts Anderes herleiten, weil dieser zwar eine Zwischenablesung nach Möglichkeit vorschreibt, die Kostenverteilung aber nicht abschließend regelt. Im mietrechtlichen Schrifttum besteht ein bisher ungeklärter Streit, wem diese Zusatzkosten zuzuordnen sind. Dabei wird jedenfalls auch die Auffassung vertreten, dass sie vertretbar gleichmäßig auf alle Mieter umgelegt werden dürfen (von Seideneck, Betriebskosten im Mietrecht, Rn. 2327 m.w.N.; Schmid, Miete und Mietprozess, 3. Aufl., Rn. 1035). Der Senat lässt ausdrücklich offen, ob im Rahmen der Grundsätze ordnungsmäßiger Verwaltung angesichts der Geringfügigkeit der zusätzlichen Messkosten eine Zuweisung an die verursachenden Wohnungseigentümer ebenfalls rechtlich noch vertretbar ist. Jedenfalls haben die Antragsteller keinen Rechtsanspruch darauf, dass sämtliche durch einen Nutzerwechsel veranlassten Mehrkosten ausschließlich auf die betroffenen Wohnungseigentümer umgelegt werden.

5. Was die Kosten für das Warmwasser betrifft, so bestehen auch im übrigen keine Bedenken gegen die Abrechnung. Wie sich aus der Einzelabrechnung für die Antragsteller ergibt, sind entsprechend dem Beschluss der Eigentümerversammlung vom 13.3.1997 die Kosten zu 30 % nach der Wohnfläche und 70 % nach dem Verbrauch umgelegt worden, soweit Warmwasseruhren vorhanden sind.

6. Soweit die im Wohngeld enthaltenen Heizkostenvorschüsse die tatsächlichen Heizkosten übersteigen, besteht keine Verpflichtung, zur Ausweisung von Überschüssen. Die Wohngelder können - wie geschehen - mit anderen Verbindlichkeiten verrechnet werden.

7. Der neue Vortrag, dass die in der Jahresabrechnung aufgeführte Instandhaltungsrücklage nicht vorhanden sei, ist im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht zu berücksichtigen. Das gilt in gleicher Weise für eventuelle Rückstände/Guthaben aus dem Vorjahr, die sich wegen der für ungültig erklärten Jahresabrechnung 1996 geändert haben könnten.

Es entspricht billigem Ermessen, dass die Gerichtskosten aller Instanzen zu einem geringeren Teil dem Verwaltungsvermögen der Gemeinschaft, im Übrigen aber den Antragstellern nach Kopfteilen auferlegt werden (§ 47 Satz 1 WEG). Dagegen besteht keine hinreichende Veranlassung, die Erstattung außergerichtlicher Kosten anzuordnen (§ 47 Satz 2 WEG).

Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 48 Abs. 3 WEG.

Ende der Entscheidung

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