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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 21.05.2003
Aktenzeichen: 24 W 253/02
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 10 II
WEG § 22 I
Lässt die Teilungserklärung bauliche Veränderungen, die einer sinnvollen und zumutbaren Verbesserung der Wohnanlage dienen, mit Zwei-Drittel-Mehrheit zu, fällt darunter auch die Pflasterung einer Wegeabkürzung zum Müllplatz über eine gemeinschaftliche Rasenfläche, selbst wenn eine angrenzende Sondernutzungsfläche dadurch beeinträchtigt wird.
KAMMERGERICHT BESCHLUSS

Geschäftsnummer: 24 W 253/02

In der Wohnungseigentumssache

betreffend die Wohnanlage

hat der 24. Zivilsenat des Kammergerichts auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 8. März 2002 - 85 T 366/01 WEG - durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Dr. Briesemeister, und die Richterinnen am Kammergericht Kingreen und Hinrichs am 21. Mai 2003 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Antragsteller haben die Gericchtskosten dritter Instanz als Gesamtschuldner zu tragen.

Außergerichtliche Kosten dritter Instanz werden nicht erstattet.

Der Geschäftswert dritter Instanz wird auf 1.022,58 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten bilden die Eigentümergemeinschaft der im Rubrum näher bezeichneten Wohnanlage. Die Anlage besteht aus zweimal fünf Reihenhäusern, die im rechten Winkel zueinander stehen. Um die gesamte Anlage herum führen Wege, die soweit sie zu den Hauseingängen führen gepflastert sind, soweit sie zu den Parkplätzen führen, mit Rasengittersteinen belegt sind. Zu dem Müllplatz, der vorn an der Straße, an der Einfahrt zu den Parkplätzen gelegen ist, gelangt man über die Zugangswege zu den Parkplätzen oder über den öffentlichen Gehweg, der vor dem Grundstück verläuft, wenn man das Grundstück über die Gartentür am Beginn des Zugangsweges verlässt. Die Beteiligten streiten um die Befestigung eines Teils der vorn an der Straße gelegenen, im Gemeinschaftseigentum stehenden Rasenfläche, die den gepflasterten Zugangsweg zu den Hauseingängen mit dem Müllplatz verbindet. Dieser neu anzulegende Weg führt an dem Sondereigentum und der angrenzenden Sondernutzungsfläche der Antragsteller entlang. Derzeit benutzen die Wohnungseigentümer einen "Trampelpfad" über die Rasenfläche, um zu dem Müllplatz zu gelangen.

Gemäß § 8 (2) des Teilungsvertrages gilt für bauliche Veränderung an Gemeinschaftsanlagen- und einrichtungen folgendes:

"a) Bauliche Veränderungen an Gemeinschaftsanlagen und -einrichtungen, die über die ordnungsgemäße Instandhaltung und Instandsetzung hinausgehen und allen Eigentümern zugute kommen, z.B. ..... sind zulässig, wenn die Maßnahme der Erhaltung des Wertes oder einer sinnvollen und zumutbaren Verbesserung der Anlagen, insbesondere einer Anpassung an den technischen Fortschritt sowie einem gestiegenen Lebens- und Wohnungsstandard dient, wenn sie nach den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Bewirtschaftung erforderlich ist oder wenn sie aufgrund behördlicher Auflage geboten ist.

b) Solche Veränderungen bedürfen der Zustimmung der Eigentümergemeinschaft mit 2/3-Mehrheit.

..."

In der Eigentümerversammlung vom 28. März 2000 haben die Eigentümer zu TOP 10 a), den Antrag der Antragsteller, nur einzelne Wegplatten zu verlegen, abgelehnt und zu TOP 10 b) mit 9 von 10 Stimmen den Antrag angenommen, einen neuen Weg zwischen dem Parkplatz und den Briefkästen anzulegen. Die Stimme der Antragsteller wurde aberkannt.

Das Amtsgericht hat den Antrag der Antragsteller, den Eigentümerbeschluss für unwirksam zu erklären, mit Beschluss vom 14. August 2001 zurückgewiesen. Das Landgericht Berlin hat die sofortige Beschwerde der Antragsteller hiergegen zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass es sich bei der Anlage des Weges um eine gemäß § 8 (2) des Teilungsvertrages sinnvolle und zumutbare Verbesserung der Anlage handelt, durch die die Antragsteller nicht unbillig benachteiligt werden und für die ein sachlicher Grund besteht.

Gegen diesen den Antragstellern am 22. August 2000 zugestellten Beschluss haben sie am 7. August 2002 sofortige weitere Beschwerde mit dem Ziel der Abänderung des Beschlusses des Landgerichts Berlin und Ungültigerklärung des Beschlusses der Eigentümerversammlung vom 28. März 2001 zu TOP 10 b) eingelegt. Zur Begründung führen sie aus, dass die Anlegung des zusätzlichen Weges nicht gegen ihren Willen beschlossen werden durfte. Die Beschlussfassung entspreche nicht den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung. Der Weg sei nicht notwendig und bringe weder ihm noch seinen Mietern einen Vorteil. Vielmehr stelle die Anlegung des Weges einen erheblichen Nachteil dar. Im Übrigen sei es zumutbar, den Weg über die öffentliche Straße zum Müllcontainer zu nutzen.

II.

1. Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 8. März 2002 ist statthaft, insbesondere form- und fristgerecht erhoben worden (§§ 27, 29 FGG, 45 WEG).

2. Das Rechtsmittel ist jedoch in der Sache ohne Erfolg. Einen Rechtsfehler, auf den die sofortige weitere Beschwerde mit Erfolg allein gestützt werden kann (§ 27 Abs. 1 FGG), weist der angefochtene Beschluss nicht auf.

Rechtlich einwandfrei nimmt das Landgericht an, dass der angefochtene Eigentümerbeschluss ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht. Hierunter fallen die Maßnahmen, die im Interesse aller Wohnungseigentümer auf die Erhaltung, Verbesserung oder dem der Zweckbestimmung des gemeinschaftlichen Eigentums entsprechenden Gebrauch gerichtet sind. Eine Maßnahme erfolgt im Interesse der Gemeinschaft, wenn sie bei objektiv vernünftiger Betrachtungsweise unter Berücksichtigung der objektiven Umstände des Einzelfalls nützlich ist.

Rechtsfehlerfrei geht das Landgericht davon aus, dass es sich bei der auf der Eigentümerversammlung am 28. März 2000 beschlossenen Maßnahme zu TOP 1.0 b) um eine bauliche Veränderung im Sinne des § 22 Absatz 1 WEG handelt. Die Anlage eines befestigten Weges auf einer Gemeinschaftsfläche neben dem Haus des Antragstellers ist ein auf Dauer angelegter, substanzieller Eingriff in das Gemeinschaftseigentum. Dieser dient nicht der Instandsetzung oder Instandhaltung. Der Weg wird neu hergestellt, ohne zuvor bereits Gegenstand der Planung gewesen zu sein.

Grundsätzlich dürfen bauliche Veränderungen gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 WEG nur mit Zustimmung aller Wohnungseigentümergemeinschaft vorgenommen werden. Vorliegend hat die Eigentümergemeinschaft in dem Teilungsvertrag in § 8 abweichende Regelungen getroffen und gemäß § 8 (2) des Teilungsvertrages geregelt, dass bauliche Veränderungen der Gemeinschaftsanlagen mit 2/3-Mehrheit beschlossen werden können, wenn sie "der Erhaltung des Wertes oder einer sinnvollen und zumutbaren Verbesserung der Anlagen, insbesondere einer Anpassung an den technischen Fortschritt sowie einem gestiegenen Lebens- und Wohnungsstandard dienen, wenn sie nach den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Bewirtschaftung erforderlich oder wenn sie aufgrund behördlicher Auflage geboten sind." Damit sind die Kriterien, die die Rechtsprechung für die Ersetzung der Zustimmung gemäß § 22 Abs. 1 WEG durch eine Öffnungsklausel in der Gemeinschaftsordnung zum Schütze benachteiligter Wohnungseigentümer aufgestellt hat, nämlich, dass die baulichen Veränderungen sachliche Gründe haben müssen und den nicht zustimmenden Wohnungseigentümer nicht unbillig benachteiligen (KG ZMR 1999, 850) bereits in der Öffnungsklausel enthalten und im Beschlussanfechtungsverfahren zu überprüfen. Die Teilungserklärung hat der Senat in eigener Kompetenz auszulegen. Er schließt sich der Auslegung des Landgerichts an.

Demnach kommt es, wovon das Landgericht zutreffend ausgeht, nicht darauf an, ob die Anlegung des Weges niemanden benachteiligt und allen Eigentümern zugute kommt, denn dies würde tatsächlich zu einer Rückkehr des in § 22 Abs. 1 WEG verankerten Einstimmigkeitsprinzips führen, sondern darauf, ob die Maßnahme einer "sinnvollen und zumutbaren Verbesserung der Anlagen dient, ...". Würde man mit den Antragstellern davon ausgehen, dass die bauliche Veränderung im Sinne des § 8 (2) TV ausnahmslos allen Eigentümern zugute kommen muss, so würde dies zu einer Rückkehr zum Einstimmigkeitsprinzip führen. Die Öffnungsklausel würde sich bei dieser Auslegung selbst ad absurdum führen. Eine solche Auslegung orientiert sich nicht am Sinn und Zweck der Öffnungsklausel, die gerade dazu dienen sollte, solche bauliche Veränderungen, die über Instandhaltung- oder Instandsetzung hinausgehen, dem technischen Fortschritt sowie einem gestiegenen Lebens- und Wohnstandard entsprechen und nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Bewirtschaftung erforderlich oder aufgrund behördlicher Auflagen geboten sind, mit 2/3-Mehrheit der Wohnungseigentümer zu ermöglichen.

Nach den verfahrensfehlerfreien Feststellungen des Landgerichts gingen und gehen die übrigen Wohnungseigentümer über die seitlich des Sondereigentums und der Sondernutzungsfläche der Antragsteller zur Straße hin gelegene Rasenfläche, um zum Müllplatz zu gelangen. Dadurch ist bereits ein Trampelpfad entstanden; Verfahrensfehlerfrei hat das Landgericht nach Anhörung der Beteiligten auch einen sachlichen Grund zur Anlegung des befestigten Weges darin gesehen, dass die Eigentümer nunmehr "trockenen Fußes unter Schonung ihres Schuhwerkes" den Müllplatz erreichen. Ein erheblicher sachlicher Grund ist auch in der Verminderung der Unfallgefahr bei Eis und Glätte sowie bei regennassem Rasen zu sehen.

Nach den verfahrensfehlerfreien Feststellungen des Landgerichts wird die Rasenfläche bereits jetzt als unbefestigter Weg zu den Müllplätzen benutzt, so dass das Argument der Antragsteller, sie wollten "Publikumsverkehr" auf der zum Gemeinschaftseigentum gehörenden Rasenfläche, die keine "geschützte Grünfläche" darstellt, verhindern, nicht durchgreift. Überdies waren die Antragsteller nach dem von ihnen zu TOP 10 a) eingereichten Beschlussvorschlag auch selbst bereit, vereinzelte Gehwegplatten, die auf der Rasenfläche verlegt werden, zuzulassen.

Der neue Vortrag der Antragsteller, dass nunmehr auch Fahrräder den befestigten Weg nutzen, ist in der Rechtsbeschwerdeinstanz nicht berücksichtigungsfähig. Ebenso wenig ist in dem Beschlussanfechtungsverfahren dem Vorbringen der Antragsteller nachzugehen, die tatsächliche Ausführung der Wegbefestigung entspreche nicht dem Beschlussinhalt. Verfahrensgegenstand ist die Ordnungsmäßigkeit der am 28. Mai 2000 beschlossenen Verwaltungsmaßnahme, nicht aber deren Ausführung.

Auf die Frage der Zulässigkeit der Aberkennung des Stimmrechts der Antragsteller bei der Beschlussfassung zu TOP 10 b) kam es, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, nicht an.

3. Es entspricht billigem Ermessen, dass die Antragsteller die Gerichtskosten ihres erfolglosen Rechtsmittels tragen. Dagegen besteht keine hinreichende Veranlassung, die Erstattung außergerichtlicher Kosten anzuordnen (§ 47 WEG).

4. Die Festsetzung des Geschäftswertes beruht auf § 48 Abs. 3 WEG.

Ende der Entscheidung

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