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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 17.04.2002
Aktenzeichen: 24 W 279/01
Rechtsgebiete: WEG, ZVG


Vorschriften:

WEG § 10 II
WEG § 21 V Nr. 2
ZVG § 56 S. 2
Bereits fällig gewordene Ansprüche der Wohnungseigentümergemeinschaft gegen den nach der Teilungserklärung instandhaltungspflichtigen Dachausbauberechtigten, der bereits während des Ausbaues Schäden an dem Gemeinschaftseigentum verursacht hat, können nicht gegen den Ersteigerer, der sein Wohnungseigentum durch Zuschlag nach § 90 ZVG erworben hat, als Nachfolger im Eigentum geltend gemacht werden.
KAMMERGERICHT Beschluss

Geschäftsnummer: 24 W 279/01

In der Wohnungseigentumssache

hat der 24. Zivilsenat des Kammergerichts auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 20. Juli 2001 - 85 T 435/00 WEG - durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Dr. Briesemeister, die Richterin am Kammergericht Kingreen und den Richter am Kammergericht B.-D. Kuhnke am 17. April 2002 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Antragsteller haben die Gerichtskosten dritter Instanz als Gesamtschuldner zu tragen und der Antragsgegnerin deren notwendige außergerichtliche Kosten dritter Instanz zu erstatten.

Der Geschäftswert dritter Instanz wird auf 60.000,00 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten bilden die Wohnungseigentümergemeinschaft der Wohnanlage. Die Antragsgegnerin ist durch Zuschlagsbeschluss vom 31. Mai 1999 im Zwangsversteigerungsverfahren Eigentümer der Dachgeschosswohnung Nr. 36 geworden. Der Dachgeschossausbau ist steckengeblieben. Nach § 2 Nr. 1 der geänderten Teilungserklärung vom 6. Oktober 1992 sind die Eigentümer der Wohnungen Nr. 36 bis 39 berechtigt, die Dachgeschossräume zu Wohnungen auszubauen und dabei auch Teile des Gemeinschaftseigentums umzubauen, wobei sie Wintergärten, Dachgärten, offene Kamine und Dachbegrünungen anlegen sowie einen Aufzug auf ihre Kosten errichten dürfen. Nach den umfangreichen weiteren Regelungen in § 2 der geänderten Teilungserklärung haben die neuen Sondereigentümer im Dachgeschoss im Verhältnis der auf sie übertragenen Miteigentumsanteilen alle Schäden und kosten allein zu tragen, wobei vermutet wird, dass die Kosten durch den Um- und Ausbau verursacht worden sind. Der Baubeginn ist anzuzeigen und die Gebrauchsabnahme der bezugsfertig hergestellten Wohnungen spätestens zwölf Monate nach Ablauf der Anzeige durchzuführen. Soweit Schäden an dem übrigen Gebäude im Gemeinschaftseigentum oder im Sondereigentum entstehen, sind die ausbauberechtigten Sondereigentümer als Gesamtschuldner verpflichtet, diese Schäden auf ihre Kosten unverzüglich beseitigen zu lassen. Alle Kosten der Instandhaltung und Instandsetzung des vorhandenen Daches und der dazu gehörenden Einrichtungen wie zum Beispiel Zinkabdeckungen, Fenster, Fallrohre, Antennenanlagen, Dacheindeckungen nebst Ziegeln tragen die Sondereigentümer der Wohnungen 36, 38 und 39 vom Tage der Gebrauchsabnahme des zuletzt fertiggestellten Sondereigentumsrechts im Dachgeschoss für zehn Jahre als Gesamtschuldner. Soweit neue Terrassenflächen, Dachgärten oder sonstige Nutzflächen im Bereich der ausgebauten Sondereigentumsrechte im Dachgeschoss erstellt werden, tragen die jeweiligen Sondereigentümer alle Kosten der Instandhaltung und Instandsetzung sowie alle Kosten der Beseitigung von durch diese Flächen verursachten Schäden allein, auch wenn es sich um Gemeinschaftseigentum handelt, wobei diese Regelung auch für die Zeit nach Ablauf der ersten zehn Jahre gilt.

Die Antragsgegnerin gewährte dem Voreigentümer der Dachgeschosseinheit Nr. 36 einen Kredit zum Ausbau des Dachgeschosses. Der Voreigentümer begann mit den Ausbauarbeiten, führte das Bauvorhaben aber nicht zu Ende und geriet in Vermögensverfall. Aufforderungen, die geöffneten Dachflächen zu schließen, beantwortete er nicht. Die Eigentümergemeinschaft beauftragte daraufhin einen Sachverständigen mit der Feststellung, welche Arbeiten erforderlich sind, um den Ausbau so zu Ende zu führen, dass von ihm keine Schäden auf das Gemeinschafts- und Sondereigentum ausgehen. In seinem Gutachten vom 10. Februar 1999 stellte der Sachverständige umfangreiche zu beseitigende Mängel fest. Die Kosten der Mängelbeseitigung wurden auf ca. 120.000,00 DM geschätzt. Auf der Eigentümerversammlung vom 26. November 1999 bevollmächtigten die Eigentümer die Verwalterin durch Beschluss zu TOP 13 Klage wegen der Dachinstandsetzung gegen die Eigentümer der Wohneinheiten Nr. 36, 38 und 39 zu erheben. Das Dachgeschoss ist vermietet. Die Antragsgegnerin hat Räumungsklage erhoben. Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 21. November 2000 die Antragsgegnerin im wesentlichen antragsgemäß zur Dachinstandsetzung verpflichtet. Auf die Erstbeschwerde der Antragsgegnerin hat das Landgericht mit Beschluss vom 20. Juli 2001 den Antrag der Wohnungseigentümer auf Dachinstandsetzung insgesamt zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde.

II.

1. Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegnerin ist nach §§ 27, 29 FGG, 45 WEG zulässig. Das Rechtsmittel ist jedoch in der Sache nicht gerechtfertigt. Einen Rechtsfehler, auf den die sofortige weitere Beschwerde mit Erfolg allein gestützt werden kann (§ 27 Abs. 1 FGG), weist der angefochtene Beschluss des Landgerichts nicht auf.

2. Das Landgericht führt aus: Ungeachtet der Instandhaltungs- und Instandsetzungspflicht der Antragsgegnerin für die nach dem Zuschlag in der Zwangsversteigerung entstehenden Schäden am Gemeinschaftseigentum und am Sondereigentum anderer Wohnungseigentümer sei eine Haftung der Antragsgegnerin für die bis zum Zuschlag entstandenen Schäden nach § 56 Satz 2 ZVG ausgeschlossen. Auch eine Haftung aus unerlaubter Handlung des Voreigentümers bestehe für die Antragsgegnerin nicht. Diese Ausführungen sind frei von Rechtsirrtum.

3. Zutreffend führt das Landgericht aus, dass die geänderte Teilungserklärung eine umfassende gesamtschuldnerische Verpflichtung der Eigentümer der Dachgeschosseinheiten enthält, Schäden und Kosten des Ausbaus und Umbaus gegenüber den übrigen Wohnungseigentümern sowie auf zehn Jahre nach Gebrauchsabnahme die Instandhaltungs- und Instandsetzungspflicht bezüglich der umgebauten Teile des Daches bzw. die Instandhaltungs- und Instandhaltungspflicht für die über den bisherigen Bestand ausgebauten und ergänzten Teile des Daches auf Dauer zu übernehmen. In dieser Regelung liegt zu Lasten der Dachgeschosseigentümer und zu Gunsten der übrigen Wohnungseigentümer eine Abweichung von der gesetzlichen Regelung, wonach die ordnungsmäßige Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums allen Wohnungseigentümern obliegt (§ 21 Abs. 3, Abs. 5 Nr. 2 WEG). Dagegen sind keine rechtlichen Bedenken zu erheben. Denn die Wohnungseigentümer können von den Vorschriften des WEG abweichende Vereinbarungen treffen, soweit nicht etwas anderes ausdrücklich bestimmt ist (§ 10 Abs. 1 Satz 2 WEG). In diesem Sinne ist bereits entschieden, dass eine durch Teilungserklärung getroffene Bestimmung, wonach auch der Erwerber einer Eigentumswohnung für Wohngeldrückstände des Voreigentümers haftet, grundsätzlich wirksam ist (BGH NJW 1994, 2950 = MDR 1994, 580 = ZMR 1994, 271). Demgemäß kann auch wirksam vereinbart werden, dass die in der Eigentümerzeit des Rechtsvorgängers entstandenen und nicht erfüllten Instandhaltungs- und Instandsetzungspflichten auf den Erwerber der Wohnung übergehen. Der Erwerber muss sich gegebenenfalls in dem Kaufvertrag mit dem Veräußerer schuldrechtlich dagegen sichern, wenn er gegenüber der Gemeinschaft derartige Pflichten nach der Teilungserklärung übernehmen muss. Allerdings ist ebenfalls entschieden, dass eine durch Teilungserklärung getroffene Bestimmung, wonach auch der Erwerber einer Eigentumswohnung oder eines Teileigentums im Wege der Zwangsversteigerung für Wohngeldrückstände des Voreigentümers haftet, gegen § 56 Satz 2 WEG verstößt und damit gemäß § 134 BGB und § 10 Abs. 1 Satz 2 WEG nichtig ist (BGHZ 99, 358 = NJW 1987, 1638 = ZMR 1989, 291 = JR 1988, 205 mit Anmerkung Pick). Dasselbe gilt, wenn die Teilungserklärung statt des Überganges von fällig gestellten Wohngeldrückständen den Übergang von Instandhaltungs- und Instandsetzungspflichten vorsieht. Soweit diese Pflichten bereits in der Person des Voreigentümers entstanden und fällig geworden sind, liegt eine Last des Voreigentümers vor, die nach der ausdrücklichen Vorschrift des § 56 Satz 2 ZVG nicht auf den Ersteigerer übergeht, sondern in der Person des Voreigentümers weiterbesteht. Dem steht nicht entgegen, dass fällige Wohngeldrückstände (monatliche Beitragsvorschüsse und Abrechnungsspitzen aus der Jahresabrechnung) erst durch Eigentümerbeschluss begründet werden, im vorliegenden Fall aber ein solcher Eigentümerbeschluss über die Instandsetzungspflicht des Eigentümers der Wohnung Nr. 36 nicht vorhanden ist. Denn die Mängelbeseitigungspflicht und auch die Haftung für Schäden beim Ausbau und Umbau des Daches entsteht durch die Verletzung der Ausbaupflichten von selbst und bedarf keiner Begründung durch Eigentümerbeschluss. Auch durch den Ermächtigungsbeschluss der Eigentümer vom 26. November 1999 zu TOP 13 ist die Mängelbeseitigungspflicht der Antragsgegnerin nicht etwa erst begründet worden, sondern lediglich der Verwalterin Vollmacht erteilt worden, die Antragsgegnerin wegen der Dachinstandsetzung gerichtlich in Anspruch zu nehmen.

4. Den vorstehenden Rechtsausführungen kann nicht entgegengehalten werden, dass die in der Teilungserklärung für die Dachgeschosseigentümer bestimmte Instandhaltungs- und Instandsetzungspflicht eine Dauerregelung darstelle, die den jeweiligem Eigentümer der Dachgeschosseinheit gesamtschuldnerisch treffe, auch wenn der Voreigentümer seine Verpflichtung nicht erfüllt und somit während der Dauer des Eigentums späterer Wohnungseigentümer Instandsetzungsbedarf unverändert fortbesteht. Diese rechtliche Argumentation läuft darauf hinaus, dass die Instandsetzungspflicht in der Person jedes Wohnungseigentümers neu entsteht, sofern nur Instandsetzungsbedarf vorhanden ist. Nach den obigen Ausführungen trifft das auch für den rechtsgeschäftlichen Erwerber zu. Er ist Rechtsnachfolger des Voreigentümers und tritt (ebenso wie ein Gesamtrechtsnachfolger) in dessen Rechte und Pflichten ein, wenn sie denn in der Teilungserklärung so festgelegt worden sind.

5. Der Ersteigerer im Zwangsversteigerungsverfahren ist kein Rechtsnachfolger des Voreigentümers. Er erwirbt originär durch den Zuschlag (§ 90 ZVG) Wohnungseigentum. Erst von dem Zuschlag an trägt er die Lasten des erworbenen Eigentums (§ 56 Satz 2 ZVG). Diese scharfe Abgrenzung der Lastentragung ist im Zusammenhang der Vorschriften des ZVG zu sehen, insbesondere als Schutzbestimmung zu Gunsten des Ersteigerers, der vor überraschenden Altlasten geschützt werden soll. Im Rahmen der Versteigerungsbedingungen wird nach §§ 44 ff. ZVG das sogenannte geringste Gebot festgesetzt, das die bestehen bleibenden Belastungen umfasst. Darunter sind die aus dem Grundbuch ersichtlichen bestehen bleibenden Rechte zu verstehen, die aus der Sicht des die Zwangsversteigerung betreibenden Gläubigers im Rang vorgehen. Die Instandhaltungs- und Instandsetzungspflicht der Dachgeschosseigentümer ist selbstverständlich nicht als besondere dingliche Belastung im Grundbuch eingetragen.

Folglich spielt es im Rahmen der §§ 44 ff. ZVG auch keine Rolle. Im Gegenteil stellt § 52 Abs. 1 ZVG klar, dass ein Recht nur insoweit bestehen bleibt, als es bei der Feststellung des geringsten Gebots berücksichtigt und nicht durch Zahlung zu decken ist, während im übrigen die Rechte erlöschen. Ungeachtet der verbleibenden schuldrechtlichen Verpflichtungen des Voreigentümers wird damit verdeutlicht, dass jedenfalls aus dem dinglichen Recht, nämlich dem Wohnungseigentum, die Erfüllung von Altlasten nicht beansprucht werden kann. Das Gesetz räumt der Rechtssicherheit für den Ersteigerer hinsichtlich der Befreiung von Altlasten einen hohen Stellenwert ein, der eine rein wirtschaftliche Betrachtungsweise ausschließt, etwa in der Richtung, dass der Antragsgegnerin durch die Dachsanierung auf Gemeinschaftskosten ein wirtschaftlicher Vorteil bei der Weiterveräußerung entstehen könnte. Die Eigentümergemeinschaft kann sich gegen diese finanziellen Nachteile nur dadurch schützen, dass sie sich von dem Ausbauberechtigten vor Beginn der Arbeiten Sicherheiten (wie etwa Bankbürgschaften) stellen lässt.

Ohne Rechtsirrtum verneint das Landgericht auch eine Haftung der Antragsgegnerin aus unerlaubter Handlung. Eine unerlaubte Handlung durch die mangelhafte Ausführung der Dachausbauarbeiten kommt aber lediglich bei dem Voreigentümer in Betracht. Im Zeitpunkt des Zuschlags (§ 90 ZVG) befand sich das Gemeinschaftseigentum im Dachbereich bereits im Zustand der Mangelhaftigkeit. Den Erwerber in der Zwangsversteigerung trifft weder eine Handlungs- noch eine Zustandshaftung für Schäden am Gemeinschaftseigentum (Senat, NJW-RR 1996, 1102).

6. Nach den verfahrensfehlerfreien Feststellungen des Landgerichts lagen die Schäden im Dachbereich bereits Anfang 1999 vor. Denn der zur Feststellung der Schäden eingeschaltete Sachverständige hat sein Gutachten nach einer Besichtigung am 8. Januar 1999 dann am 10. Februar 1999 erstattet. Demgegenüber hat die Antragsgegnerin das Eigentum an der Dachgeschosswohnung Nr. 36 erst durch Zuschlagsbeschluss vom 31. Mai 1999 erworben. Die Schäden, deren Beseitigung verlangt wird, waren also zu diesem Zeitpunkt bereits entstanden.

7. Es entspricht billigem Ermessen, dass die Antragsteller die Gerichtskosten ihres erfolglosen Rechtsmittels tragen (§ 47 Satz 1 WEG). Dagegen besteht keine hinreichende Veranlassung, die Erstattung außergerichtlicher Kosten anzuordnen (§ 47 Satz 2 WEG), denn die hier anstehenden Rechtsfragen sind - soweit ersichtlich - noch nicht obergerichtlich entschieden worden.

Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 48 Abs. 3 WEG.

Ende der Entscheidung

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