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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 12.05.2003
Aktenzeichen: 24 W 279/02
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 43 Abs. 1 Nr. 2
WEG § 43 Abs. 4
WEG § 47 Satz 2
1. Verletzt der WEG-Verwalter seine Pflichten aus § 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG, § 665 BGB, Eigentümerbeschlüsse weisungsgemäß auszuführen, steht der Anspruch auf weisungsgemäße Ausführung und ggf. auf Schadensersatz nur der Gemeinschaft, nicht dem einzelnen Wohnungseigentümer zu (BGHZ 106, 222).

2. Ein Individualanspruch für den einzelnen Wohnungseigentümer auf Schadensersatz (BGHZ 115, 223) kann auch nicht daraus abgeleitet werden, dass ein einzelner Wohnungseigentümer den Verwalter unbefugt abmahnt und die ihm daraus entstehenden Anwaltskosten geltend macht.


Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 24 W 279/02

In der Wohnungseigentumssache

betreffend die Wohnanlage D in B,

hat der 24. Zivilsenat des Kammergerichts auf die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 9. August 2002 - 85 T 454/01 WEG - durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Dr. Briesemeister, die Richterin am Kammergericht Hinrichs und den Richter am Kammergericht B.-D. Kuhnke am 12. Mai 2003 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Gerichtskosten dritter Instanz zu tragen.

Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Der Geschäftswert der dritten Instanz wird auf 1.599,17 Euro (= 3.127,71 DM) festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller ist Eigentümer bzw. Miteigentümer von acht Eigentumswohnungen der insgesamt 27 Wohneinheiten in der im Rubrum benannten Wohnanlage. Die Antragsgegnerin ist die Verwalterin der Wohnanlage.

In der Versammlung am 8. Juli 1999 beschlossen die Eigentümer zu TOP 8, dass die bisher eingeschalteten Sachverständigen einen neutralen Sachverständigen benennen sollten, der für die Gemeinschaft die Abnahme des Gemeinschaftseigentums durchführen sollte. Entgegen diesem Beschluss beauftragte die Antragsgegnerin einen eigenen Sachverständigen damit, das Gemeinschaftseigentum abzunehmen. Am 1. November 1999 fand ein Abnahmeversuch statt.

Nachdem der Antragsteller hiervon durch seine Mieterin erfahren hatte, ließ er sich in dieser Sache von seinem Verfahrensbevollmächtigten beraten und erteilte ihm den Auftrag, die Antragsgegnerin abzumahnen. Diese Abmahnung erfolgte mit Schreiben vom 2. November 1999 durch den Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers mit der Begründung, dass die Antragsgegnerin keinen neutralen Sachverständigen gemäß dem Beschluss hatte benennen lassen. Zugleich wurde die Antragsgegnerin aufgefordert, die hierdurch behaupteten anwaltlichen Kosten von 3.127,71 DM auszugleichen.

Die Antragsgegnerin teilte mit Schreiben vom 15. November 1999 dem Verfahrensbevollmächtigten mit, dass sie nicht getreu dem Beschluss vorgegangen sei, da sie nach Beschlussfassung die Information erhalten hätte, dass die Wohnungseigentümer mit der durchgeführten Vorgehensweise trotz des entgegenstehenden Beschlusses einverstanden gewesen seien. Da sich die Information nunmehr als unrichtig herausgestellt habe, werde sie nunmehr den Beschluss buchstabengetreu ausführen.

Der Antragsteller hat die Antragsgegnerin im vorliegenden Verfahren auf die Erstattung der ihm durch die Beauftragung seines Verfahrensbevollmächtigten erwachsenen Anwaltsgebühren in Anspruch genommen, die er auf insgesamt 3.127,71 DM beziffert.

Durch Beschluss vom 2. November 2001 hat das Amtsgericht Mitte den Antrag zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Antragstellers hat das Landgericht mit Beschluss vom 9. August 2002 mit der Begründung zurückgewiesen, dass dem Antragsteller die Antragsbefugnis fehle, da die Anwaltskosten im Rahmen der Durchsetzung von Ansprüchen entstanden sind, die allen Wohnungseigentümern gemeinsam zustehen. Mit der rechtzeitig eingelegten sofortigen weiteren Beschwerde verfolgt der Antragsteller seinen Anspruch auf Erstattung der im Einzelnen berechneten Anwaltsgebühren weiter und trägt in dritter Instanz erstmalig vor, dass hier der Fall der Notgeschäftsführung nach § 21 Abs. 2 WEG gegeben sei.

II.

Die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers ist gemäß den §§ 27, 29 FGG, 45 WEG zulässig. Das Rechtsmittel ist jedoch in der Sache nicht gerechtfertigt. Zwar ist der Beschluss des Landgerichts nicht in allen Punkten rechtsfehlerfrei (§ 27 Abs. 1 FGG), jedoch hält die angefochtene Entscheidung im Ergebnis einer rechtlichen Nachprüfung stand. Der Senat kann in der Sache selbst ersetzend entscheiden, weil es einer weiteren Sachaufklärung nicht bedarf. Dies führt zur Zurückweisung der sofortigen weiteren Beschwerde.

1. Verfahrensfehlerfrei haben die Vorinstanzen die anderen Wohnungseigentümer nicht beteiligt. Zwar handelt es sich um ein Verfahren gemäß § 43 Abs. 1 Nr. 2 WEG, an dem nach § 43 Abs. 4 Nr. 2 WEG die Wohnungseigentümer grundsätzlich zu beteiligen sind. Diese Regelung soll jedoch nur sicherstellen, dass aus Gründen der Rechtskrafterstreckung formell auch diejenigen Personen beteiligt werden, die materiell beteiligt sind. Dagegen ist es nicht Sinn der Bestimmung, Personen zu beteiligen, die materiell von dem Verfahren nicht betroffen sein können (BGHZ 115, 253, 256). Gegenstand dieses Streits ist ein von dem Antragsteller behaupteter Schadensersatzspruch, der ihm durch die Verfolgung individualrechtlicher Ansprüche entstanden ist. Noch vor dem Landgericht hat er vorgetragen, dass die Beauftragung seines Verfahrensbevollmächtigten und die Abmahnung der Antragsgegnerin nur zu dem Zwecke erfolgte, seine eigenen Rechte umfassend zu sichern. So sei es aufgrund der bestehenden Eigentümerkonstellation absehbar gewesen, dass ein entsprechender Beschlussantrag auf Abmahnung der Antragsgegnerin von der Eigentümermehrheit abgelehnt worden wäre. Selbst im Falle des Unterliegens könnte er daher die als Schadensersatzanspruch geltend gemachten Anwaltskosten nicht von der Gemeinschaft oder anderen Wohnungseigentümern erstattet verlangen, da sie bei der Durchsetzung eines behaupteten eigenen Rechts angefallen sind (vgl. KG NJW-RR 1990, 334). Auch die Kosten des vorliegenden Streitverfahrens können die anderen Wohnungseigentümer nicht belasten, da sie gemäß § 16 Abs. 5 WEG nicht zu den Kosten der Verwaltung gehören. Soweit der Antragsteller nunmehr in dritter Instanz erstmalig vorträgt, dass er nicht nur in Wahrnehmung eigener Interessen, sondern auch in Wahrnehmung gemeinschaftlicher Interessen im Sinne einer Notgeschäftsführung nach § 21 Abs. 2 WEG gehandelt habe, ist dieses Vorbringen nicht zu berücksichtigen, da der Antragsteller nicht für die Gemeinschaft, sondern in eigenem Namen gehandelt hat und auch nicht ersichtlich ist, dass der Gemeinschaft durch das weisungswidrige Verhalten der Verwalterin ein Schaden drohte, vielmehr dafür ggf. die Verwalterin verantwortlich war.

2. Entgegen der Rechtsansicht des Landgerichts fehlt dem Antragsteller nicht die Antragsbefugnis für den geltend gemachten Schadensersatzanspruch. Gemäß dem Beschluss des Bundesgerichtshofes vom 2. Oktober 1991 (BGHZ 115, 253 ff.) geht das Landgericht davon aus, dass der Antragsteller hier keine individuellen Ansprüche geltend macht. Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung ausgeführt, dass eine Verletzung des Verwaltervertrages nicht nur einen Schadensersatzanspruch der Gemeinschaft, sondern auch eines einzelnen Wohnungseigentümers auslösen könne. Dies ist der Fall, wenn dem Wohnungseigentümer eine Forderung zustehe, die nur ihm erwachsen ist, weil nur er einen Schaden erlitten hat. Für die Durchsetzung eines solchen Anspruches ist er antragsbefugt (BGH a. a. O. S. 256 f.). Hier hat der Antragsteller im eigenen Namen seinen Verfahrensbevollmächtigten zur Klärung seiner Individualrechte aufgesucht und eine Abmahnung der Antragsgegnerin im eigenen Namen und aus behauptetem eigenen Recht durchführen lassen. Auch der zugrunde liegende Streit über die Art und Weise der durchzuführenden Abnahme des gemeinschaftlichen Eigentums berührt eigene Rechte des Wohnungseigentümers, da der Antragsteller aus seinem Erwerbsvertrag einen eigenen Anspruch auf mangelfreie Herstellung des gesamten Wohnungseigentums hat und folglich die ganze Leistung verlangen kann (vgl. BGH NJW 1985, 1551, 1552). An der verfahrensrechtlichen Einzelantragsbefugnis des Antragstellers bestehen demgemäß keine Zweifel. Es handelt sich um (für die Antragsbefugnis und für die materielle Begründetheit) doppelt relevante Tatsachen, bei denen es für die Verfahrensbefugnis ausnahmsweise ausreicht, wenn sie behauptet werden. Sonst könnten die Beteiligten keine Entscheidung in der Sache erreichen.

3. Im Ergebnis ist die Entscheidung des Landgerichts jedoch nicht zu beanstanden, da dem Antragsteller unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein materiell-rechtlicher Schadensersatzanspruch zustehen kann.

a) Ein Anspruch auf Ersatz der Rechtsverfolgungskosten aus Verzug kommt nicht in Betracht, da die Beauftragung des Verfahrensbevollmächtigten und die Abmahnung erfolgte, ohne dass die Antragsgegnerin zuvor vom Beklagten in Verzug gesetzt wurde, § 286 Abs. 1 BGB a.F. Die grundsätzlich gemäß § 284 Abs. 1 BGB a.F. erforderliche Mahnung war hier auch nicht ausnahmsweise wegen Zwecklosigkeit entbehrlich, da die Antragsgegnerin auf die Abmahnung sofort reagierte und die buchstabengetreue Umsetzung des Beschlusses zusagte.

b) Auch ein dem Antragsteller zustehender Schadensersatzanspruch aus positiver Vertragsverletzung liegt nicht vor. Der WEG-Verwalter hat nach § 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG grundsätzlich die Eigentümerbeschlüsse auszuführen. Auf den WEG-Verwalter finden nach § 675 BGB die Vorschriften über die Geschäftsbesorgung entsprechend Anwendung. Nach § 665 BGB kann der Beauftragte unter Umständen von den Weisungen abweichen, hat jedoch regelmäßig dem Auftraggeber (hier also: der Gemeinschaft) vor der Abweichung Anzeige zu machen und dessen Entschließung abzuwarten (wenn nicht mit dem Aufschübe Gefahr im Verzug verbunden ist). Bei unberechtigter Abweichung entsteht ein Schadensersatzanspruch nach den Grundsätzen der positiven Vertragsverletzung (Palandt/Sprau, BGB 62. Aufl., § 665 Rn. 8 unter Hinweis auf BGH BB 1956, 771). Soweit der WEG-Verwalter das vom Gesetz vorgeschriebene Verfahren gegenüber der Gemeinschaft nicht einhält, sind Schadensersatzansprüche der Gemeinschaft möglich, evtl. auch bei Beauftragung eines Anwalts mit der Abmahnung des Verwalters. Dieser Schadensersatzanspruch steht bei gemeinschaftlicher Abmahnung dann der Gemeinschaft zu und kann von dieser geltend gemacht werden. Greift dagegen ein einzelner Wohnungseigentümer in die nach der eingangs zitierten Rechtsprechung des BGH (BGHZ 106, 222) bestehende Verwaltungszuständigkeit ein und mahnt er allein den Verwalter unbefugt ab, kann der daraus entstehende Schadensersatzanspruch nicht als Individualanspruch des einzelnen Wohnungseigentümers angesehen werden, weil auch schon die Abmahnungsbefugnis ihm nicht individuell zustand. Mit dem bestandskräftigen Eigentümerbeschluss über das Verfahren bei der Abnahme des Gemeinschaftseigentums haben die Wohnungseigentümer diese zu einer Angelegenheit der gemeinschaftlichen Verwaltung gemacht. Mit seiner Abmahnung hat der Antragsteller sich auch gerade auf diese Regelung berufen.

III.

Es entspricht billigem Ermessen, dass der Antragsteller die Gerichtskosten seines erfolglosen Rechtsmittels trägt (§ 47 Satz 1 WEG). Für die Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten bestand hingegen kein Anlass (§ 47 Satz 2 WEG).

Die Festsetzung des Geschäftswertes beruht auf § 48 Abs. 3 WEG.

Ende der Entscheidung

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