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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 17.04.2002
Aktenzeichen: 24 W 316/01
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 43
WEG § 46
Zur Entscheidung über Ansprüche aus dem Gemeinschaftsverhältnis gegen einen Insolvenzverwalter (Konkursverwalter, Zwangsverwalter), der das Wohnungseigentumsrecht vor Rechtshängigkeit freigegeben hat, ist das Wohnungseigentumsgericht berufen.
KAMMERGERICHT Beschluss

Geschäftsnummer: 24 W 316/01

In der Wohnungseigentumssache

hat der 24. Zivilsenat des Kammergerichts auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 18. September 2001 - 85.T.332/00 WEG - durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Dr. Briesemeister, die Richterin am Kammergericht Kingreen und den Richter am Kammergericht B.-D. Kuhnke am 17. April 2002

beschlossen:

Tenor:

Die Sache wird gemäß § 28 Abs. 2 FGG dem Bundesgerichtshof vorgelegt.

Gründe:

I.

Mit der am 29. Juni 2000 eingegangenen Antragsschrift vom 23. Juni 2000, die dem Antragsgegner am 4. August 2000 zugestellt worden ist, haben die Antragsteller diesen in dessen Eigenschaft als Konkursverwalter über das Vermögen der Eigentümerin der Wohnung Nr. 17, einer GmbH & Co.KG (Gemeinschuldnerin), bei der die Komplementär-GmbH in Liquidation ist und deren Liquidator mit dem Geschäftsführer der WEG-Verwalterin identisch ist, auf Zahlung von Wohngeldern betreffend die Wirtschaftsjahre 1999/2000 und 2000/2001 in Höhe von insgesamt 5.059,77 DM nebst anteiligen Zinsen in Anspruch genommen. Die WEG-Verwalterin ist in der Eigentümerversammlung vom 20. Mai 1997 zu TOP 2 für die Dauer von 5 Jahren als Verwalterin bestellt worden. Die Wohnung Nr. 17 steht seit dem 10. Juni 1994 im Eigentum der GmbH & Co.KG und verfügt über 27/1000 Miteigentumsanteile. Über das Vermögen der GmbH & Co.KG ist durch Beschluss des Amtsgerichts Charlottenburg vom 23. Juni 1997 das Konkursverfahren eröffnet und der Antragsgegner als Konkursverwalter eingesetzt worden. Liquidatoren der GmbH sind außer dem Geschäftsführer der WEG-Verwalterin noch drei weitere Personen. Der Konkursantrag betreffend das Vermögen der Komplementär-GmbH wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Charlottenburg vom 30. Juni 1997 mangels Masse abgelehnt. Der Antragsgegner gab die im Eigentum der GmbH & Co.KG stehende Wohneinheit Nr. 17 mit Schreiben vom 13. Juni 2000 (Bl. 39 d.A.) aus der Konkursmasse frei. Dieses Schreiben ist an die GmbH & Co.KG gerichtet und beginnt mit der persönlichen Anrede an den Liquidator der Komplementär-GmbH. Mit einem weiteren Schreiben vom 13. Juni 2000 (Bl. 65) teilte der Antragsgegner die Freigabe der Wohnung Nr. 17 dem Amtsgericht Charlottenburg mit. Der Konkursvermerk wurde im Wohnungsgrundbuch am 30. Juni 2000 gelöscht (vgl. Bl. 76, 78 d.A.). Im Zeitpunkt der Freigabe war die Wohneinheit Nr. 17 vermietet. Der Antragsgegner hat die Zuständigkeit des Wohnungseigentumsgerichts gerügt. Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 8. September 2000 das Verfahren von Amts wegen zur weiteren Veranlassung und Entscheidung an das Amtsgericht Charlottenburg - Prozessabteilung - abgegeben. Das Landgericht hat mit Beschluss vom 18. September 2001 die sofortige Beschwerde der Antragsteller zurückgewiesen. Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsteller führt zur Vorlage an den Bundesgerichtshof.

II.

1. Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsteller ist gemäß §§ 27, 29 FGG, 45 WEG zulässig (BGHZ 106, 34 = NJW 1989, 714; BayObLG NJW-RR 1999, 11 = ZMR 1998, 502 = NZM 1989, 515; Senat OLGZ 1994, 279 = NJW-RR 1994, 208 = WuM 1994, 46). Der Senat sieht die Entscheidungen der Vorinstanzen, die die Zuständigkeit des Wohnungseigentumsgerichts für Ansprüche gegen den Konkurs- beziehungsweise Insolvenzverwalter nach Freigabe des Wohnungseigentums ablehnen, als rechtlich bedenklich an. Der Senat würde aber unter Zugrundelegung dieser Rechtsauffassung von der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 24. November 1988 (BGHZ 106, 34 = NJW 1989, 714) abweichen. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs betrifft zwar unmittelbar einen vor Rechtshängigkeit aus der Wohnungseigentümergemeinschaft ausgeschiedenen Wohnungseigentümer, ist aber gleichermaßen auf den Konkurs- beziehungsweise Insolvenzverwalter wie auch auf den Zwangsverwalter anzuwenden, wenn diese vor Rechtshängigkeit der Ansprüche aus dem Gemeinschaftsverhältnis das Wohnungseigentumsrecht aus der Masse freigegeben haben beziehungsweise die Zwangsverwaltung aufgehoben worden ist (vgl. BGH NJW 1994, 1866 = ZMR 1994, 256 = WuM 1994, 1183).

2. Nach den verfahrensfehlerfreien Feststellungen des Landgerichts ist das Schreiben des Antragstellers vom 13. Juni 2000 betreffend die Freigabe der Wohneinheit Nr. 17 aus der Konkursmasse der Gemeinschuldnerin durch die Übermittlung der Erklärung an den Liquidator der Komplementär-GmbH wirksam zugegangen. Dieser hat das Schreiben, das auch beim Grundbuchamt eingegangen ist und zur Löschung des Konkursvermerks geführt hat, erhalten. Für den Zugang der Freigabeerklärung bei der Gemeinschuldnerin ist es ausreichend, wenn die Erklärung in den tatsächlichen Bereich des Empfängers gelangt, während es auf die Vertretungsbefugnisse innerhalb der Gesellschaft nicht ankommt. Nach §§ 161 Abs. 2, 146 Abs. 1, 125 Abs. 2 Satz 3 HGB genügt für die Abgabe einer gegenüber der Gesellschaft abgegebenen Erklärung deren Abgabe gegenüber einem Gesellschafter. Die Komplementär-GmbH wurde noch nicht aus dem Handelsregister gelöscht, da sie sich weiterhin in Liquidation befindet. Daher bleibt die Ermächtigung der Komplementärin zur Entgegennahme von empfangsbedürftigen Willenserklärungen bestehen. Die Komplementär-GmbH i.L. wird durch den Liquidator vertreten. Die Freigabeerklärung des Antragsgegners vom 13. Juni 2000 ist auch unter materiell-rechtlichen Gesichtspunkten wirksam und nicht etwa nichtig. Verfügungen des Konkursverwalters können nur dann nichtig sein, wenn sie gegen den Zweck des Konkursverfahrens, nämlich eine gleichmäßige Befriedigung aller Gläubiger zu erreichen, verstoßen (BGH NJW 1983, 2019). Wegen der dem Konkursverwalter nach § 6 Abs. 2 KO eingeräumten weitreichenden Rechte sind nur solche Verfügungen des Konkursverwalters nichtig, die dem Konkurszweck offenbar zuwiderlaufen. Weitere Ermittlungen des Landgerichts waren nach § 12 FGG nicht veranlasst.

3. Der Senat befürwortet im Gegensatz zu BGHZ 106, 34 die Zuständigkeit der Wohnungseigentumsgerichte für Ansprüche aus dem Gemeinschaftsverhältnis der Wohnungseigentümer auch dann, wenn Wohnungseigentümer oder die an deren Stelle zur Wohngeldzahlung Verpflichteten (Insolvenzverwalter, Konkursverwalter, Zwangsverwalter) aus der Gemeinschaft ausgeschieden sind. Allein maßgebend ist, ob der geltend gemachte Anspruch seine Grundlage im gemeinschaftlichen Eigentum oder in der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums hat. Dies hat der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung für Streitigkeiten zwischen den Wohnungseigentümern und dem abberufenen Verwalter entschieden (BGHZ44, 43 = NJW 1965, 1763; BGHZ 59, 58 = NJW 1972, 1318; BGHZ 65, 264 = NJW 1976, 239; BGHZ 78, 57 = NJW 1980, 2466; BGHZ 106, 34 = NJW 1989,714). Die unterschiedliche Behandlung des abberufenen Verwalters einerseits und des ausgeschiedenen Verpflichteten andererseits ist nicht gerechtfertigt. Soweit BGHZ 106, 34 auf die Rechtswerte der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes hinsichtlich der einmal eingeschlagenen Rechtsentwicklung verweist, verliert dieses Argument schon deshalb an Bedeutung, weil es nicht um die Zuerkennung oder Aberkennung materiell-rechtlicher Positionen geht, sondern lediglich um die Rechtsfrage, auf welchem Rechtsweg die materiell-rechtlichen Ansprüche durchzusetzen sind. Die spezifischen wohnungseigentumsrechtlichen Fragen können von den Wohnungseigentumsgerichten, die mit der Spezialmaterie vertraut sind, leichter gelöst werden als von den Prozessgerichten. Hinzu kommt die lokale Konzentration der Streitigkeiten vor dem für die Wohnanlage zuständigen Wohnungseigentumsgericht, das mit den näheren Verhältnissen der Wohnanlage besser vertraut ist, während die Zuständigkeit der Prozessgerichte abhängig ist von dem Wohnsitz des ausgeschiedenen Wohnungseigentümers. Nach mehr als 12 Jahren hält der Senat eine Überprüfung der in BGHZ 106, 34 geäußerten Rechtsauffassung für angezeigt.

Ende der Entscheidung

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