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Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 19.07.2004
Aktenzeichen: 24 W 318/02
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 10 II
WEG § 14 Nr. 1
WEG § 22 I
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 24 W 318/02

In der Wohnungseigentumssache

betreffend die Wohnanlage W S in B-P,

hat der 24. Zivilsenat des Kammergerichts auf die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu I. und II. gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 25. September 2002 - 85 T 332/01 WEG - durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Dr. Briesemeister, die Richterin am Kammergericht Kingreen und die Richterin am Kammergericht Hinrichs am 19. Juli 2004 beschlossen:

Tenor:

Die sofortigen weiteren Beschwerden der Beteiligten zu I. und II. werden zurückgewiesen.

Die Gerichtskosten dritter Instanz werden der Antragstellerin zu 1) einerseits und den Antragsgegnern als Gesamtschuldner andererseits je zur Hälfte auferlegt. Außergerichtliche Kosten dritter Instanz sind zu erstatten.

Der Geschäftswert dritter Instanz wird auf 15.338,76 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten zu I. (Antragstellerinnen zu 1) und 2)) sowie die Beteiligten zu II. (Antragsgegner) bilden die Eigentümergemeinschaft der Wohnanlage. Teilende Eigentümerin ist die Antragstel-lerin zu 1). Sie hat das Hausgrundstück in 17 Einheiten unterteilt, wobei die Einheiten Nr. 16 und 17 mit dem Sondereigentum an Räumen im Dachgeschoss verbunden worden sind, die nach der gleichzeitig im Grundbuch eingetragenen Gemeinschaftsordnung mit einem Ausbaurecht auf Kosten der jeweiligen Erwerber ausgestattet sind.

In dem notariellen Kaufvertrag vom 26. September 1997, mit welchem die beiden Antragsgegner von der Antragstellerin zu 1) das Dachgeschoss erworben haben, wurde in § 13 Abs. 6 geregelt:

"Die Käufer bekunden die Absicht, auf dem Hof die Installierung eines Fahrstuhls auf eigene Kosten, soweit dies technisch möglich sein sollte.

Der Verkäufer duldet die Installierung dieses Fahrstuhls, soweit die technischen Voraussetzungen gegeben sind, und wird die Duldungspflicht an weitere Wohnungseigentümer weiterreichen. Sollten der Verkäufer bzw. weitere Wohnungseigentümer ein Interesse an der Nutzung des Fahrstuhls haben und soll der Fahrstuhl an weitere Stockwerke angeschlossen werden, ist dies dann nur bei anteiliger Mitfinanzierung durch die jeweiligen Interessenten möglich. Weitere Einzelheiten werden gesondert geregelt."

Im Grundbuch wurde nicht eingetragen, dass die Antragsgegner berechtigt sein sollen, einen Fahrstuhl zu errichten. In dem am 12. März 1998 geschlossenen Kaufvertrag, in welchem die Antragstellerin zu 2) von der Antragstellerin zu 1) ihre Wohnung kaufte, wurde nicht vereinbart, dass die Antragstellerin zu 2) verpflichtet sei, die Errichtung eines Fahrstuhls durch die Antrags-gegner zu dulden.

Als die Antragsgegner im Jahre 2001 mit der Errichtung eines Fahrstuhls begonnen haben, haben die Antragstellerin unter Berufung auf die fehlende Zustimmung zu der baulichen Veränderung deren Unterlassung verlangt. Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 5. August 2001 den Unterlassungsantrag der Antragstellerin zu 1) zurückgewiesen, während es auf den Antrag der Antragstellerin zu 2) hin den Antragsgegnern bei Vermeidung eines Ordnungsgeldes untersagt hat, die von ihnen begonnenen Bauarbeiten zur Errichtung einer Fahrstuhlanlage gegen den Willen der Antragstellerin zu 2) fortzusetzen, bzw. die Fortsetzung von der Zustimmung der Antragstellerin zu 2) abhängig gemacht hat. Das Landgericht hat mit Beschluss vom 25. September 2002 sowohl die Erstbeschwerde der Antragstellerin zu 1), die ihren Unterlassungsanspruch weiterverfolgt, wie auch die Erstbeschwerde der Antragsgegner, die sich gegen die Unterlassungsantrag der Antragtellerin zu 2) wenden, zurückgewiesen. Die sofortigen weiteren Beschwerden der jeweils unterlegenen Beteiligten bleiben erfolglos.

II.

Die sofortigen weiteren Beschwerden der Antragstellerin zu 1) und der Antragsgegner sind gemäß §§ 27, 29 FGG, 45 WEG zulässig, jedoch in der Sache nicht gerechtfertigt. Einen Rechtsfehler, auf den die sofortige weitere Beschwerde mit Erfolg allein gestützt werden kann (§ 27 Abs. 1 FGG), weist der angefochtene Beschluss des Landgerichts nicht auf.

1. Ohne Rechtsirrtum führt das Landgericht aus, dass die Antragstellerin zu 1) keinen Anspruch gegen die Antragsgegner auf einen Baustopp hat, was aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB i.V.m. § 22 Abs. 1 Satz 2 WEG) folgt. Nach den verfahrensfehlerfreien Feststellungen der Vorinstanzen handelt die Antragstellerin zu 1) treuwidrig, wenn sie sich den Antragsgegnern gegenüber darauf beruft, dass keine Verpflichtung sämtlicher Wohnungseigen-tümer vorliege, wonach diese die Errichtung eines Aufzugs durch die Antragsgegner dulden werden. Es ist der Antragstellerin zu 1) verwehrt, sich auf die fehlende Verpflichtung sämtlicher Eigentümer zur Duldung zu berufen, da sie sich selbst zur Duldung und damit auch dazu verpflichtet hatte, die Duldungspflicht an künftige Erwerber weiter zu reichen. Die Antragsgegner durften darauf vertrauen, dass die Antragstellerin zu 1) ihren vertraglichen Pflichten nachkommen würde. Im Hinblick auf dieses Vertrauen haben sie auch bereits Dispositionen bezüglich des Aufzuges (Bauplanung und Baubeginn) getroffen. Nach den verfahrensfehlerfreien Feststellungen der Vorinstanzen ist es unerheblich, ob die Antragstellerin zu 1) wusste, wo genau die Antragsgegner den Fahrstuhl errichten wollten. Sie hat sich jedenfalls zur Zustimmung verpflichtet, ihre Unterlassungsanträge stellen ein widersprüch-liches Verhalten dar. Nach der rechtsfehlerfreien Auslegung des Landgerichts, die der Senat im Übrigen ebenso vornehmen würde, hat die Antragstellerin zu 1) ihre Zustimmung zur Errichtung des Fahrstuhls unbeschränkt erteilt. Die einzige in dem Kaufvertrag mit den Antragsgegnern vereinbarte Bedingung bestand darin, dass die technischen Voraussetzungen für die Errichtung des Fahrstuhls gegeben sein müssen, die auch für den von den Antragsgegnern gewünschten Fahrstuhltyp vorliegen. Vergeblich beruft sich die Antragstellerin zu 1) darauf, dass die Antrags-gegner in § 13 Abs. 6 des notariellen Kaufvertrages vom 26. September 1997 lediglich ihre Absicht bekundet hätten, für die von ihnen auf eigene Kosten ausgebauten Dachgeschosswohnungen einen Aufzug im Hofbereich zu errichten. Soweit in § 13 Abs. 6 des Kaufvertrages davon gesprochen wird, dass die Antragsgegner die Absicht zur Fahrstuhlerrichtung hätten, ist dies bei verständiger Auslegung dahin zu verstehen, dass sie sich nicht etwa gegenüber der Antragstellerin dazu verpflichtet haben. In der Absichtserklärung liegt aber sehr wohl der Wunsch und auch der geäußerte Wille, den Fahrstuhl zu errichten. Wesentlich ist die als Annahme dieses Angebotes zu wertende ausdrückliche Erklärung der Antragstellerin zu 1), dass sie nämlich die Installation dieses Fahrstuhls dulde, soweit die technischen Voraussetzungen gegeben sind. Darüber hinaus hat sich die Antragstellerin zu 1) in dem Kaufvertrag mit den Antragsgegnern dazu verpflichtet, die Duldungspflicht auch an weitere Käufer und Erwerber von Wohnungen weiterzugeben. Soweit noch weitere Einzelheiten geregelt werden sollten, bezog sich dies ersichtlich darauf, dass auch der Anschluss an weitere Stockwerke möglich sein sollte, wenn andere Wohnungseigentümer dies wünschen. Somit kann auch nicht festgestellt werden, dass die Antragsgegner die Zustimmung für die Errichtung eines gewöhnlichen Aufzugs an gewöhnlicher Stelle künftig seitens der Antragstellerin zu 1) benötigen würden.

2. Rechtlich einwandfrei hat das Landgericht auch die Erstbeschwerde der Antragsgegner zurück-gewiesen, soweit das Unterlassungsbegehren der Antragstellerin zu 2) vom Amtsgericht bejaht worden ist. Nach den verfahrensfehlerfreien Feststellungen der Vorinstanzen liegt in der Beein-trächtigung des Ausblicks und in den schmaleren Treppenhausfenstern ein Nachteil, der über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinausgeht, da für solch ein geordnetes Zusammenleben der Aufzug nicht erforderlich ist (§ 14 Nr. 1 WEG i.V.m. § 22 Abs. 1 Satz 2 WEG). Ein Ausbaurecht, das auch die Errichtung eines Fahrstuhls erlauben würde, ergibt sich aus der Teilungserklärung nicht. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass der Aufzug zum Ausbau des Dachgeschosses erforderlich ist. Entgegen ihrer schuldrecht-lichen Absprache in dem Kaufvertrag mit den Antragsgegnern hat die Antragstellerin zu 1) die Errichtung eines Aufzuges im Hofbereich für die Dachgeschosswohnungen nicht auch zum Ge-genstand einer Verpflichtung und Duldung der Antragstellerin zu 2) gemacht. Selbst wenn die Antragstellerin zu 2) bei Abschluss ihres Kaufvertrages mit der Antragstellerin zu 1) von der Absicht der Antragsgegner zum Bau eines Aufzuges Kenntnis hatte, folgt daraus keine Dul-dungs- oder Zustimmungspflicht der Antragstellerin zu 2), jedenfalls wenn die Errichtung des Aufzugs noch nicht ins Werk gesetzt war.

Mit der Errichtung einer Aufzugsanlage im Hofbereich ist ein wesentlicher Eingriff in das Gemeinschaftseigentum verbunden, den die Antragsgegner nur vornehmen dürfen, wenn die Zustimmung oder die Duldungspflicht anderer Wohnungseigentümer vorliegt, was hier bei der Antragstellerin zu 1) der Fall ist. Das Wohnungseigentumsrecht ist ein dingliches Recht, das gemäß § 1004 BGB auch Abwehrrechte verleiht, wenn unzulässige Eingriffe in das Gemein-schaftseigentum vorgenommen werden (vgl. auch § 15 Abs. 3 WEG). Zur Duldung eines Ein-griffs in das Gemeinschaftseigentum ist ein Wohnungseigentümer nur verpflichtet, wenn und soweit dies in der Teilungserklärung einschließlich der Gemeinschaftsordnung vorgesehen und im Grundbuch eingetragen ist, oder wenn er zustimmt. Eingetragen im Grundbuch ist hier das Ausbaurecht zugunsten der Antragsgegner, nicht aber das Recht zur Errichtung einer Aufzugs-anlage im Hofbereich. Dies hat die Antragstellerin zu 1) zwar schuldrechtlich im Kaufvertrag mit den Antragsgegnern zugestanden, aber entgegen ihrer schuldrechtlichen Verpflichtung nicht in ihrem Kaufvertrag mit der Antragstellerin zu 2) weitergereicht.

Eine Vereinbarung im Sinne von § 10 Abs. 2 WEG, durch welche die Wohnungseigentümer ihr Verhältnis untereinander in Ergänzung oder Abweichung von Vorschriften des WEG regeln, kann in der Regelung des § 13 Nr. 6 des notariellen Kaufvertrages zwischen der Antragstellerin zu 1) und den Antragsgegnern nicht gesehen werden. Bei Abschluss des ersten Kaufvertrages über eine zu veräußernde Eigentumswohnung lag nicht einmal eine werdende Wohnungsei-gentümergemeinschaft vor. Abgesehen davon spricht die bloße Regelung in dem Kaufvertrag dagegen, hierin zugleich die Verwirklichung eines Instruments der Wohnungseigentümerge-meinschaft zu sehen, selbst wenn der teilende Eigentümer zu diesem Zeitpunkt noch sämtliche Wohnungseigentumsrechte in seiner Hand hat und sogar die Teilungserklärung/Gemein-schaftsordnung allein festlegen oder ändern könnte. Letztlich können die Antragsgegner der Antragstellerin zu 2) eine derartige "Vereinbarung" auch aus dem Grunde nicht entgegenhalten, weil sie nicht im Grundbuch eingetragen ist. Wie andere dingliche Rechte auch, bestimmt sich das Wohnungseigentumsrecht nach den Eintragungen im Grundbuch. Dazu gehören allerdings auch die Eintragungen die aufgrund von Antrag und Eintragungsbewilligung unter Bezugnahme auf andere Urkunden erfolgt sind. Wie bereits ausgeführt ist aber hier in der Teilungserklärung/Gemeinschaftsordnung lediglich ein Ausbaurecht hinsichtlich der Dachgeschosswohnungen bestimmt worden, nicht aber zugleich auch zur Errichtung eines Aufzugs im Hofbereich.

Die fehlende Grundbucheintragung hinsichtlich der Errichtung des Aufzugs würde auch nicht durch eine Kenntnis der Antragstellerin zu 2) von den Ausbauabsichten der Antragsgegner be-züglich des Aufzugs ersetzt. Der Erwerber eines im Grundbuch eingetragenen dinglichen Rechts kann sich regelmäßig darauf verlassen, dass Umfang und Grenzen seines Rechts aus dem Grundbuch ersichtlich sind. Die Berufung auf die fehlende Eintragung des Ausbausrechtes ist deshalb regelmäßig auch nicht rechtsmissbräuchlich. Die Kenntnisnahme ersetzt auch nicht die eigene Zustimmung der Antragstellerin zu 2). Gerade wenn in ihrem Kaufvertrag keine Ver-weisung vorgesehen ist, kann nicht auf eine Zustimmung der Antragstellerin zu 2) geschlossen werden.

Die Antragstellerin zu 2) ist auch nicht an die von der Antragstellerin zu 1) in dem Kaufvertrag mit den Antragsgegnern erteilte Zustimmung zur Errichtung des Aufzugs im Hofbereich gebun-den. Allerdings ist auch die Antragstellerin zu 2) ebenso wie die Antragsgegner Sondernach-folgerin der Antragstellerin zu 1) bezüglich des erworbenen Wohnungseigentumsrechts. Es kann dahinstehen, ob die Zustimmung zu einer baulichen Veränderung bereits vor Invollzug-setzung der Wohnungseigentümergemeinschaft oder auch vor Beginn einer werdenden Woh-nungseigentümergemeinschaft vom teilenden Eigentümer erteilt werden kann. Die mit Ein-verständnis des teilenden Eigentümers vorgenommenen baulichen Veränderungen werden nicht als solche im Sinne des § 22 Abs. 1 WEG angesehen, weil der teilungserklärungswidrige Bauzustand bereits bei Beginn der Wohnungseigentümergemeinschaft bestand. Voraussetzung für die Zurechnung einer Zustimmung des Rechtsvorgängers ist aber, dass der Umbau bereits ins Werk gesetzt ist, wenn auch erst teilweise (OLG Düsseldorf NZM 1998, 79 = ZMR 1997, 657; OLG Hamm NJW-RR 1991, 910; KG OLGZ 1989, 305). Grund hierfür ist, dass in diesen Fällen der Käufer und Erwerber über den Umbau unterrichtet war und er letztlich nicht mehr Rechte haben kann als der Veräußerer, der seine Zustimmung gegeben hat. Die Gegen-meinung (Bärmann/Pick/Merle, WEG 9. Aufl., § 22 Rdnr. 117 mit Fußnote 1) überzeugt nicht. Würde man die formlos erteilte Zustimmung auch ohne Bauausführung (oder Baubeginn) als bindend für alle Rechtsnachfolger ansehen, entstünde ein nicht hinzunehmender Wertungswi-derspruch zu § 10 Abs. 2 WEG (Häublein, ZMR 2001, 734 in Anm. zu OLG Zweibrücken vom 11. Juni 2001).

Angesichts des beiderseitigen Unterliegens der Antragstellerin zu 1 und der Antragsgegner ent-spricht eine Teilung der Gerichtskosten dritter Instanz billigem Ermessen (§ 47 Satz 1 WEG). Dagegen besteht kein hinreichender Anlass, die Erstattung außergerichtlicher Kosten anzuordnen (§ 47 Satz 2 WEG).

Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 48 Abs. 3 WEG.

Ende der Entscheidung

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