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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 28.04.2003
Aktenzeichen: 24 W 326/01
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 27 I Nr. 1
WEG § 28 I
WEG § 28 II
WEG § 28 V
Ein Eigentümerbeschluss, der die Vorfälligkeit der monatlichen Beitragsvorschüsse bei Verzug mit mindestens zwei Teilbeträgen vorsieht, widerspricht regelmäßig nicht Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung. Wegen Abweichung von OLG Zweibrücken ZMR 2003, 136 = NZM 2002, 876 LS wird die Sache dem Bundesgerichtshof vorgelegt.
KAMMERGERICHT Beschluss

Geschäftsnummer: 24 W 326/01

In der Wohnungseigentumssache

hat der 24. Zivilsenat des Kammergerichts auf die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu I. 1. bis 7. (Antragsteller) gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 5. Oktober 2001 - 85 T 109/01 WEG - durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Dr. Briesemeister, die Richterin am Kammergericht Kingreen und die Richterin am Kammergericht Hinrichs am 28. April 2003

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 FGG dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten zu I. und II. waren am 13. April 2000 bei Einleitung des vorliegenden Beschlussanfechtungsverfahrens die Wohnungseigentümer der Wohnanlage, die seit dem 26. Juli 1999 von der Beteiligten zu III. verwaltet wird. Auf der Eigentümerversammlung vom 10. April 2000 haben die Eigentümer u. a. zu TOP 7 durch Mehrheitsbeschluss den Wirtschaftsplan für das Wirtschaftsjahr 2000 beschlossen, wegen seines Inhalts wird auf Bd. I Bl. 58d R und Bl. 59 verwiesen. Die Beteiligten zu I. 1. bis 7. (Antragsteller) haben u. a. diesen Beschluss angefochten. Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 14. Februar 2000 einigen Anträgen der Antragsteller stattgegeben, den gegen den zu TOP 7 der Eigentümerversammlung vom 10. April 2000 gefassten Beschluss gerichteten Anfechtungsantrag jedoch zurückgewiesen. Mit ihren am 14. März 2001 frist- und formgerecht eingegangenen Erstbeschwerden haben die Antragsteller unter Berufung auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 20. September 2000 (BGHZ 145,158 = NJW 2000, 3500) insbesondere geltend gemacht, dass der Wirtschaftsplanbeschluss nichtig sei, weil gemäß § 28 Abs. 1 WEG der Verwalter für jeweils ein Kalenderjahr einen Wirtschaftsplan aufzustellen habe, aber weder in § 28 Abs. 2 WEG noch in § 16 Abs. 2 WEG vorgesehen sei, dass die gesamten Beitragsvorschüsse eines Jahres sofort fällig seien, falls sie nicht regelmäßig monatlich bezahlt würden, noch dass ein Wirtschaftsplan über das Kalenderjahr hinaus bis zur Beschlussfassung über den nächsten Wirtschaftsplan festgelegt werden könne. Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss vom 5. Oktober 2001 die sofortige Beschwerde zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsteller, die zur Vorlage an den Bundesgerichtshof führt.

II.

Der Senat hält die sofortige weitere Beschwerde der Antragsteller für zulässig gemäß §§ 27, 29 FGG, 45 WEG. Angesichts der Fälligstellung der monatlichen Beitragsvorschüsse für 2000 zu Lasten der 7 Antragsteller ist auch zweifelsfrei eine über 750 Euro hinausgehende Vermögenswerte Beschwer erreicht/Wegen der beabsichtigten unumgänglichen Abweichung von einer im Verfahren der weiteren Beschwerde ergangenen Entscheidung eines Oberlandesgerichts sieht sich der Senat jedoch an einer eigenen Entscheidung gehindert (§ 28 Abs. 2 FGG).

1. Der Senat hält den angefochtenen Beschluss des Landgerichts für rechtsfehlerfrei und die Beanstandungen der Rechtsbeschwerdebegründung für unzutreffend. Der von der Eigentümergemeinschaft festgelegte Wirtschaftsplan bezieht sich auf das Wirtschaftsjahr 2000. Wie die Anlage 3 zur Versammlungsniederschrift vom 10. April 2000 (Bd. I Bl.59) ausweist, sind die auf die einzelnen Miteigentümer entfallenden Umlageanteile unter der Überschrift "Neue Monats-Vorauszahlungen" und in der Tabelle unter dem Begriff "Neue VZ" (ganz geringfügig aufgerundet gegenüber dem Jahres-Umlageanteil) angegeben. Aus den gesamten Jahresumlageanteilen ist die Gesamtsumme von 184.166,00 DM gebildet, die auch in das verkündete Abstimmungsergebnis (Bd. I Bl. 58d R) aufgenommen worden ist. Anhand der Jahresabrechnungsergebnisse der Vorjahre einschließlich des voraussichtlichen Instandsetzungsbedarfes sind damit im Rahmen des großzügigen Ermessensspielraumes der Wohnungseigentümer auch die Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 WEG erfüllt. Nach den verfahrensfehlerfreien Feststellungen des Landgerichts hält sich die Gesamthöhe im Rahmen der für einen Wirtschaftsplan angemessenen Prognose. Die Festlegung der genauen Höhe der Instandhaltungsrückstellung kann der zugehörigen Beschlussfassung über die Jahresabrechnung überlassen bleiben, zumal der Wirtschaftsplan hierfür rechtlich nicht vorgreiflich im Sinne einer zwingenden Festlegung ist.

2. Entgegen der Rechtsbeschwerdebegründung ist auch nicht dem Vortrag der Antragsteller nachzugehen, dass die Verteilung der Heizkosten nach 936/1000 (statt nach 1000/1000) umgelegt worden ist, zumal der Unterschied bei weniger als einem Prozent liegt und jedenfalls in einem Wirtschaftsplan hinzunehmen wäre (KG NJW-RR 1990, 1298; KG NJW-RR 1991, 725 - WE 1991, 193). Entgegen der Rechtsbeschwerdebegründung ist auch nicht ersichtlich, dass das Verwalterhonorar im Wirtschaftsplan 2000 nach Wohneinheiten, nicht aber nach Miteigentumsanteilen berechnet ist; aus der Gesamtumlage nach dem allgemeinen Verteilungsschlüssel ergibt sich die Verteilung nach Wohneinheiten gerade nicht. Unzutreffenderweise beanstanden die Antragsteller auch, dass die Instandhaltungsrücklagen in dem Wirtschaftsplan nicht lückenlos im Anschluss an die Vorjahre dargestellt seien und hier Fehlbeträge vorlägen. Nach § 28 Abs. 1 Nr. 3 WEG muss allenfalls für das Wirtschaftsjahr eine voraussichtliche Rücklagenbildung vorgesehen werden. Jedenfalls kann die endgültige Bestimmung der Rücklagenhöhe der zugehörigen Jahresabrechnung überlassen bleiben. Die Antragsteller, die ohnehin die Höhe der Rücklage beanstanden, wären auch nicht beschwert, wenn in dem Wirtschaftsplan überhaupt keine Rücklage vorgesehen wäre, sodass sich dann allenfalls die Frage einer Ergänzung des Wirtschaftsplans stellen würde, nicht aber die Frage einer Ungültigerklärung nach Beschlussanfechtung. Jedenfalls gehört der Status über den Stand der Instandhaltungsrücklagen und deren Fortschreibung zwar in die Jahresabrechnung, ist aber kein unabdingbarer Bestandteil des Wirtschaftsplanes und kann erst recht nicht zu dessen Gesamtungültigerklärung führen. Entgegen der Rechtsbeschwerdebegründung ist das Beschlussanfechtungsverfahren hinsichtlich eines Wirtschaftsplanes nicht der geeignete Ort, um nach dem Verbleib angeblich fehlender Rücklagen aus den Vorjahren zu forschen.

3. Soweit die Rechtsbeschwerdebegründung die Fortgeltungsklausel bis zur Beschlussfassung über einen neuen Wirtschaftsplan beanstandet, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Wie der Senat in seinem Beschluss vom 27. Februar 2002 (24 W 16/02 = NZM 2002, 294 = ZMR 2002, 460 = NJW 2002, 3482 - FGPrax 2002, 155 m. Anm. Munzig) ausgeführt hat, widerspricht der Mehrheitsbeschluss der Wohnungseigentümer über die Fortgeltung des Wirtschaftsplanes bis zur Beschlussfassung über den nächsten Wirtschaftsplan nicht Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung und letztlich auch nicht die Beschlusskompetenz der Eigentümergemeinschaft, selbst wenn sich die Beschlussfassung über den nächsten Wirtschaftsplan hinauszögern sollte. Überdies ist die durch den Eigentümerbeschluss vom 10. April 2000 zu TOP 7 letzter Absatz beschlossene Fortgeltung ganz offensichtlich nicht als Dauerregelung (Organisationsbeschluss) zu verstehen, sondern als Annex zum Wirtschaftsplanbeschluss 2002 (Einzelverwaltungsmaßnahme). Nach den verfahrensfehlerfreien Feststellungen des Landgerichts hat der Verwalter in der mündlichen Verhandlung am 5. Oktober 2001 außerdem erklärt, dass mittlerweile über den Wirtschaftsplan 2001 beschlossen worden ist.

Ebenso wie das Landgericht kann der Senat schon im Ansatz die Fortgeltungsklausel keineswegs so verstehen, dass der Verwalter von seiner Verpflichtung gemäß § 28 Abs. 1 WEG befreit werden sollte, für jedes Kalenderjahr einen Wirtschaftsplan aufzustellen.

4. Zu Unrecht bestanden die Antragsteller auch die am 10. April 2000 zu TOP 7 mehrheitlich festgelegte Vorfälligkeitsregelung, die der angefochtene Beschluss des Landgerichts für ordnungsmäßig hält. Auch wenn die Gesamtfälligkeit für die Wirtschaftsjahre 2000 (hier allerdings erst ab Mai 2000) und 2001 inzwischen ohnehin eingetreten ist, kann den Antragstellern ein Rechtsschutzinteresse an der Klärung dieser Rechtsfrage nicht abgesprochen werden, zumal derartige Vorfälligkeitsklauseln weit verbreitet sind. Gegen eine gesonderte rechtliche Nachprüfung spricht auch nicht, dass die Vorfälligkeitsklausel ggf. isoliert für ungültig erklärt werden könnte, dagegen keine Gesamtungültigkeit des Wirtschaftsplanes herbeiführen würde. Es kann nach Auffassung des Senats ferner nicht darauf ankommen, ob die Vorfälligkeitsklausel positiv begünstigend oder negativ bestrafend formuliert ist. Im rechtlichen Ergebnis macht es nämlich keinen Unterschied, ob als Regelfall monatliche Beitragsvorschüsse vorgesehen werden und der Jahresrestbetrag bei einem Zahlungsrückstand von mindestens zwei Teilbeträgen fällig wird oder - wie vorliegend - die Fälligkeit sämtlicher anteiliger Vorschüsse festgelegt, jedoch nachgelassen wird, den Jahresbetrag in 12 gleichen Monatsteilbeträgen jeweils bis zum 3. Werktag eines Monats im voraus zu Händen der Verwaltung zu entrichten und die Stundung wieder rückgängig gemacht wird, wenn ein Rückstand in Höhe von mindestens zwei Teilbeträgen aufläuft.

5. Nach Auffassung des Senats entspricht die Vorfälligkeitsklausel im Regelfall Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung. In § 28 Abs. 2 WEG ist keine unentziehbare Befugnis des WEG-Verwalters festgeschrieben, dass nur er dem beschlossenen Wirtschaftsplan entsprechende Vorschüsse (in unbestimmter, nach dem jeweiligen Kostenbedarf zu bestimmender Höhe) abrufen dürfte. Die Wohnungseigentümer sind jedenfalls nicht gehindert, auch im Verhältnis unter sich die üblichen monatlichen Beitragsvorschüsse festzulegen. Da jeder unregelmäßige Zahlungseingang die ordnungsgemäße Bewirtschaftung der Wohnanlage gefährdet, ist es der Eigentümergemeinschaft rechtlich nicht verwehrt, die Nichtzahlung von zwei monatlichen Teilbeträgen zum Anlass zu nehmen, eine Verfallklausel für den Jahresrestbetrag vorzusehen. Auch diese dann vorfristig fälligen Vorschüsse halten sich im Rahmen des beschlossenen Wirtschaftsplanes. Die Vorfälligkeitsregelung ist eine angemessene Sanktion darauf, dass die rechtzeitig zahlenden Wohnungseigentümer nicht die Betriebskosten der säumigen Zahler vorfinanzieren. Häufig wird in diesen Fällen auch beschlossen, dass die notwendigen Betriebskosten durch einen Überziehungskredit aufgebracht und die Verzugszinsen den säumigen Zahlern im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften zusätzlich aufzubürden sind (hierzu BayObLG NZM 2003, 66; vgl. auch schon BGHZ 115, 151 = NJW 1991, 2367). Bei der rechtlichen Bewertung der Vorfälligkeitsklausel ist auch zu berücksichtigen, dass ungeachtet der Festlegung durch Eigentümerbeschluss unabhängig davon der WEG-Verwalter gemäß § 28 Abs. 2 WEG ohnehin ein Recht zum Abruf der dem beschlossenen Wirtschaftsplan entsprechenden Vorschüsse hat und auch prozessual nach §§ 258, 259 ZPO auf künftige Leistung klagen kann (vgl. BayObLGZ 1982, 203).

6. Soweit im Schrifttum (Drasdo DWE 1996, 46; Drasdo WE 1996, 242; jetzt auch NZM 2003, 297, 301 mit der Einschränkung, dass die Vorfälligkeit in der Gemeinschaftsordnung vorgesehen sein muss) Bedenken gegen die Vorfälligkeitsklausel erhoben werden, rechtfertigen diese zumindest nicht den Schluss, dass die Vorfälligkeitsklauseln generell zu verwerfen sind. Die einzig durchgreifende rechtliche Erwägung wäre die, dass bei einem insolventen Wohnungseigentümer die Fälligkeit des Jahresbetrages äußerstenfalls bereits im März eintreten könnte und bei einem Eigentümerwechsel (Zwangsverwaltung, Insolvenzverfahren) anlässlich der Jahresabrechnung im folgenden Wirtschaftsjahr dem Nachfolger alle vorfällig gestellten monatlichen Beitragsvorschüsse praktisch als gezahlt anzurechnen sind. Dem ist entgegenzuhalten, dass nicht aus einem extremen Ausnahmefall, in welchem die Vorfälligkeit für die Eigentümergemeinschaft nachteilig sein kann, eine generelle Regelung abgeleitet werden darf. Der Senat will sich nicht dagegen wenden, dass im Einzelfall bei konkret drohender Insolvenz etwa eines Mehrheitseigentümers die Vorfälligkeitsklausel der Gemeinschaft wirtschaftliche Nachteile (in begrenztem Umfang) bringen und angefochten werden kann. Hierfür müssen aber konkrete Anhaltspunkte vorhanden sein, die im vorliegenden Fall nicht erkennbar und auch nicht vorgetragen sind. Jedenfalls für den Regelfall muss die Eigentümergemeinschaft die Möglichkeit haben, im gesetzlichen Rahmen eine in den finanziellen Auswirkungen nicht unverhältnismäßige Sanktion bei verspäteten Wohngeldzahlungen festzulegen. Die Aufbringung der laufenden Betriebskosten ist das vordringliche Ziel aller Wohnungseigentümer. Durch die nicht rechtzeitige Zahlung entsteht die Gefahr, dass die fehlenden Betriebskosten durch einen Überziehungskredit beschafft werden müssen. Regelmäßig wird die Vorfälligkeitsklausel auch bestandskräftig werden, weil normalerweise kein Wohnungseigentümer diese Regelung anfechten wird. Wenn es zum gerichtlichen Verfahren kommt, wird in dessen Verlaufe ohnehin die Restfälligkeit eintreten. Von Bedeutung ist die Frage dann aber noch für den Beginn der Verzinsung.

7. Gleichwohl sieht sich der Senat an einer eigenen Entscheidung gehindert, weil das OLG Zweibrücken (Beschluss vom 4. Juni 2002 - 3 W 46/02 - ZMR 2003, 136 = ZWE 2002, 542 = NZM 2002, 876 LS im Anschluss an OLG Hamm, Beschluss vom 19. April 1995 - 15 W 26/95 - WE 1996, 33, 37 = ZMR 1995, 497 LS) im Hinblick auf BGHZ 145, 158 sogar von einer Nichtigkeit der Vorfälligkeitsregelung ausgeht, die im Rahmen eines Wirtschaftsplanbeschlusses fixiert worden ist. Aus der Annahme der Nichtigkeit muss zwingend gefolgert werden, dass die Vorfälligkeitsklausel in einem Wirtschaftsplanbeschluss damit auch Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung widerspricht. Somit kann der Senat vorliegend nicht entscheiden, ohne von der in einem Verfahren der weiteren Beschwerde geäußerten Rechtsansicht eines anderen Oberlandesgerichts abzuweichen.

Ende der Entscheidung

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