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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 20.06.2001
Aktenzeichen: 24 W 5302/00
Rechtsgebiete: WEG, FGG, ZPO


Vorschriften:

WEG § 23 IV
WEG § 27 II Nr. 5
FGG § 27 I 2
ZPO § 551 Nr. 5 (Mangelhafte Verfahrensvertretung der Wohnungseigentümer durch Notverwalter)
1. Sofern nicht in der Teilungserklärung für den Verwalter allgemein oder in der gerichtlichen Bestellung etwas anderes bestimmt ist, umfasst die Einsetzung eines gerichtlichen Notverwalters nicht automatisch die Ermächtigung zur Verfahrensvertretung der Wohnungseigentümer in einem laufenden Beschlussanfechtungsverfahren.

2. Führt der Notverwalter ein Beschlussanfechtungsverfahren in zweiter Instanz für die Wohnungseigentümer weiter, sind diese nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten, so dass auf die Rechtsbeschwerde eines einzelnen Wohnungseigentümers notwendig eine Zurückweisung erfolgen muss, falls eine weitere Sachaufklärung erforderlich ist.


KAMMERGERICHT Beschluss

Geschäftsnummer: 24 W 5302/00

In dem Wohnungseigentumsverfahren

Auf die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu II. 1. gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 6. Juni 2000 - 85 T 308/99 - hat der 24. Zivilsenat des Kammergerichtes Berlin durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Dr. Briesemeister, den Richter am Kammergericht Weichbrodt und den Richter am Landgericht Kuhnke am 20. Juni 2001 beschlossen:

Tenor:

1. Auf die sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners zu 1. wird der Beschluss des Landgerichts Berlin vom 6. Juni 2000 - 85 T 308/99 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht Berlin zurückverwiesen.

3. Der Geschäftswert wird auf 25.000,00 DM festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten zu I. und II. sind die Wohnungseigentümer der Wohnanlage.

In der Anlage 2 (Miteigentumsordnung) zur Teilungserklärung für diese Wohnungseigentumsanlage vom 23. Januar 1980 werden dem Verwalter unter II. und IV. die Befugnisse nach § 27 WEG eingeräumt, ohne dass ihm die besonderen Befugnisse des § 27 Abs. 2 Nr. 5 WEG eingeräumt werden.

Mit Beschluss vom 14. März 1996 setzte die Eigentümerversammlung die B Wohnungsverwaltungs GmbH zur Verwalterin der Wohnungseigentumsanlage ein. Die Befugnisse der Verwalterin richteten sich nach dem am gleichen Tage abgeschlossenen Verwaltervertrag. Unter § 2 Nr. 5 dieses Vertrages wurde der Verwalterin die Verfahrensermächtigung nach § 27 Abs. 2 Nr. 5 WEG erteilt.

Im Februar 1999 leitete die Antragstellerin beim Amtsgericht Wedding ein Beschlussanfechtungsverfahren nach § 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG ein. Gegen den Beschluss des Amtsgerichts Wedding vom 5. Oktober 1999 - 70 II 23/99 - hat die Antragstellerin sofortige Beschwerde eingelegt, soweit ihren Anfechtungsanträgen nicht stattgegeben worden ist.

Durch Beschluss des Landgerichts Berlin vom 3. Dezember 1999 - 85 T 87/99 - wurde die B Wohnungsverwaltungs GmbH als Verwalterin der Wohnungseigentumsanlage S abberufen. Das Amtsgericht Wedding setzte mit Beschluss vom 25. Januar 2000 - 70 II 6/2000 - mit sofortiger Wirkung die K. Hausverwaltungen GmbH zur Notverwalterin der Wohnungseigentumsanlage gemäß § 26 Abs. 3 WEG ein. Sie wurde in dem Beschluss dazu ermächtigt, Wohngeldforderungen gegen die Wohnungseigentümer gerichtlich geltend zu machen.

Nach mündlicher Verhandlung vom 26. Mai 2000, an der neben der Antragstellerin der Geschäftsführer der K Hausverwaltungen GmbH teilnahm, hat das Landgericht Berlin mit Beschluss vom 6. Juni 2000 - 85 T 308/99 - den Beschluss des Amtsgerichts Wedding vom 5. Oktober 1999 - 70 II 23/99 - teilweise geändert und auch die Eigentümerbeschlüsse zu TOP 3 hinsichtlich der Einzelabrechnungen 1998, zu TOP 5 und zu TOP 8 hinsichtlich der Fälligkeit der Ergebnisse aus der Jahresabrechnung für ungültig erklärt.

Der Beschluss des Landgerichts Berlin ist der Hausverwaltungen GmbH am 9. Juni 2000 zugestellt worden. Hiergegen hat der Antragsgegner zu 1. mit am 21. Juni 2000 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz sofortige weitere Beschwerde eingelegt.

Der Antragsgegner zu 1. rügt, die Entscheidung des Landgerichts Berlin vom 6. Juni 2000 sei unter Verletzung des Grundsatzes der Gewährung rechtlichen Gehörs getroffen worden und verweist insoweit u. a. darauf, dass in der mündlichen Verhandlung vom 26. Mai 2000 neben Antragsteller und dem Geschäftsführer der Hausverwaltungen GmbH keiner der Antragsgegner zugegen war. Im Falle seiner Beteiligung am Beschwerdeverfahren hätte er tatsächliche und rechtliche Ausführungen im Beschwerdeverfahren zu dem von der Antragstellerin angegriffenen Beschlüssen der Wohnungseigentümergemeinschaft zu den Tagesordnungspunkten 3, 5 und 8 vom 11. Januar 1999 gemacht.

II. Die weitere sofortige Beschwerde ist statthaft, zulässig und begründet und musste zur Zurückverweisung an das Landgericht Berlin führen.

1. Die Beschwerde ist nach § 45 Abs. 1 WEG statthaft und zulässig, da der Wert des Gegenstandes der sofortigen weiteren Beschwerde 750 EURO übersteigt. Denn der Antragsgegner zu 1. verteidigt die Gültigkeit der Abrechnungsbeschlüsse insgesamt.

Die sofortige weitere Beschwerde ist auch im Übrigen, da nach §§ 29 I, II, 22 I FGG form- und fristgerecht eingelegt, zulässig.

2. Die sofortige weitere Beschwerde ist auch begründet.

Der Antragsgegner zu 1. war im Beschwerdeverfahren vor dem Landgericht Berlin nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten, §§ 551 Nr. 5 ZPO, 27 Abs. 1 S. 2 FGG, 43 Abs. 1 WEG, was zwingend die Aufhebung und Zurückverweisung nach sich zieht (vgl. BayObLG NJW-RR 1997, 396; OLG Düsseldorf WE 1994, S. 375 ZMR 1994, 520 = WuM 1994, 717).

In der mündlichen Verhandlung vom 26. Mai 2000 waren der Antragsgegner zu 1. wie auch alle Wohnungseigentümer nicht anwesend, vielmehr lediglich die K Hausverwaltungen GmbH als Verwalterin.

Die K Hausverwaltungen GmbH wiederum war nicht bevollmächtigt, die Wohnungseigentümer nach §§ 13 S. 2 FGG, 43 Abs. 1 WEG vor dem Landgericht Berlin zu vertreten, da sie nicht die erforderliche allgemeine Verfahrensvollmacht nach § 27 Abs. 2 Nr. 5 WEG aufgrund eines speziellen Beschlusses oder einer allgemeinen Regelung in der Gemeinschaftsordnung der Wohnungseigentümergemeinschaft hatte.

Unmittelbar kraft Gesetzes ist der Verwalter nur zur Entgegennahme von Willenserklärungen und Zustellungen mit Wirkung für die Wohnungseigentümer gemäß § 27 Abs. 2 Nr. 3 WEG berechtigt, was eine Vertretungsmacht in gerichtlichen Verfahren nicht einschließt (vgl. BayObLG NJW-RR 1997, 396). Soweit diese Vertretungsmacht aus der Notgeschäftsführungsbefugnis des § 27 Abs. 2 Nr. 4 WEG abzuleiten ist (vgl. hierzu OLG Saarbrücken ZMR 1998, 310, 311), fehlt es vorliegend an deren Voraussetzung, da eine Dringlichkeit im Grade einer Unaufschiebbarkeit nicht ersichtlich ist.

Zwar hatte die Vorgängerin der Hausverwaltungen GmbH, nämlich die B Hausverwaltungs GmbH, nach dem Verwaltervertrag vom 14. März 1996 die Verfahrensvollmacht nach § 27 Abs. 2 Nr. 5 WEG; sie gilt jedoch nicht automatisch auch für die Hausverwaltungen GmbH. Denn nur eine in der Gemeinschaftsordnung selbst festgelegte Ermächtigung nach § 27 Abs. 2 Nr. 5 WEG kann eine für den jeweiligen Verwalter der betreffenden Wohnungseigentümergemeinschaft sein, nicht hingegen eine einem bestimmten Verwalter durch Eigentümerbeschluss bzw. individualvertraglich aufgrund Eigentümerbeschluss eingeräumte (Bärmann/Pick/Merle - Merle, WEG, 8. Aufl., § 27 Rz. 140). In der Anlage 2 zur Teilungserklärung vom 23. Januar 1980 fehlt es aber an einer Verfahrensvollmacht für den jeweiligen Verwalter; vielmehr werden unter Punkt II. bzw. IV. dem Verwalter lediglich die in § 27 WEG genannten Befugnisse zugewiesen, d. h. die Verfahrensvollmacht nach § 27 Abs. 2 Nr. 5 WEG hat der Verwalter nur, nachdem die Wohnungseigentümergemeinschaft sie ihm mit entsprechendem Beschluss erteilt hat. Einen solchen Beschluss gibt es indes nicht.

Die Notwendigkeit dieses Beschlusses ist nicht durch den Beschluss des Amtsgerichts Wedding vom 25. Januar 2000 - 70 II 6/00 - hinfällig geworden, mit dem die K Hausverwaltungen GmbH zur Notverwalterin nach § 26 Abs. 3 WEG bestellt wurde. Im Beschluss selbst wird die Hausverwaltungen GmbH lediglich zur gerichtlichen Geltendmachung von Wohngeldansprüchen ermächtigt; die Befugnis zur Vertretung auch im streitgegenständlichen Beschlussanfechtungsverfahren nach § 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG ist hierin nicht enthalten.

Auch der Umstand allein, dass es sich bei der Hausverwaltungen GmbH um eine gerichtlich bestellte Notverwalterin handelt, kann nicht dazu führen, dass ihr schon deshalb die Verfahrensvollmacht nach § 27 Abs. 2 Nr. 5 WEG zustand. Denn der Unterschied zwischen dem gerichtlichen Notverwalter und dem durch die Wohnungseigentümer nach § 26 Abs. 1 WEG eingesetzten erschöpft sich im Akt der Bestellung: Anstelle des Mehrheitsbeschlusses der Wohnungseigentümer nach § 26 Abs. 1 WEG tritt der richterliche Bestellungsbeschluss nach § 26 Abs. 3 WEG (OLG Hamm NJW-RR 1993, 845, 846; Soergel-Stürner, WEG, 12. Aufl., § 26 Rz. 12 a; Staudinger-Bub, WEG, 12. Bearbeitung, § 26 Rz. 504). Aufgabenbereich und Befugnisse des Notverwalters hingegen werden - vorbehaltlich einer speziellen Regelung im richterlichen Beschluss selbst - ebenso durch § 27 WEG und die Gemeinschaftsordnung ausgestaltet wie Aufgabenbereich und Befugnisse des von den Wohnungseigentümern bestellten Verwalters (Weitnauer-Hauger, WEG, 8. Aufl., § 26 Rz. 24; Bärmann/Pick/Merle - Merle, WEG, 8. Aufl., § 26 Rz. 224; Staudinger-Bub, WEG, 12. Bearbeitung, § 26, Rz. 503); eine Nachfolge in die der BBM Hausverwaltungs GmbH durch Verwaltervertrag vom 14. März 1996 erteilte Verfahrensvollmacht kommt nicht in Betracht. Da aber - wie gezeigt - weder die Anlage 2 zur Teilungserklärung vom 23. Januar 1980 die Verfahrensvollmacht nach § 27 Abs. 2 Nr. 5 WEG für den jeweiligen Verwalter statuiert noch zugunsten der K. Hausverwaltungen GmbH ein entsprechender Beschluss - sei es durch das Amtsgericht Wedding, sei es durch die Wohnungseigentümer selbst - ergangen ist, hatte die Hausverwaltungen GmbH zu keinem Zeitpunkt die Vollmacht nach § 27 Abs. 2 Nr. 5 WEG; demnach konnte sie den Antragsgegner zu 1. und die anderen Wohnungseigentümer auch nicht im Beschwerdeverfahren vor dem Landgericht Berlin vertreten.

Für eine nachträgliche Heilung dieses Vertretungsmangels durch ausdrückliche oder konkludente Genehmigung der Prozessführung nach § 551 Nr. 5 2. Hs. ZPO seitens des Antragsgegners zu 1. ist nichts ersichtlich.

Von der Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und der Zurückverweisung an das Landgericht Berlin war auch nicht abzusehen, weil das Rechtsbeschwerdegericht etwa selbst die Beteiligung des Antragsgegners zu 1. hätte nachholen können. Dieses käme nur in Betracht, wenn eine weitere Sachaufklärung nicht notwendig wäre und es nur darum ginge, dem Anspruch des Antragsgegners zu 1. auf Gewährung rechtlichen Gehörs zu entsprechen (vgl. BayObLG NZM 2000, 47). Der Antragsgegner zu 1. macht aber geltend, durch seine Nichtbeteiligung im Beschwerdeverfahren habe er in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht nicht zu den von der Antragstellerin angefochtenen und durch das Beschwerdegericht aufgehobenen Beschlüssen der Eigentümerversammlungen zu den Tagesordnungspunkten 3, 5 und 8 vom 11. Januar 1999 Stellung nehmen können; eine weitere Sachaufklärung ist damit in der hierfür zuständigen Beschwerdeinstanz erforderlich.

Die Festsetzung des Geschäftswertes beruht auf § 48 Abs. 3 WEG.

Ende der Entscheidung

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