Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 29.05.2002
Aktenzeichen: 24 W 66/02
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 25 V
WEG § 26 I
Ein Mehrheitseigentümer, der zugleich Verwalter ist, ist bei der Abstimmung über die gegen ihn ohne wichtigen Grund ausgesprochene Abberufung und Kündigung nicht vom Stimmrecht ausgeschlossen (Abweichung von OLG Düsseldorf NZM 1999, 285 = ZMR 1999, 60 = WuM 1999, 59 = FGPrax 1999 10).
KAMMERGERICHT Beschluß

Geschäftsnummer: 24 W 66/02

In der Wohnungseigentumssache

hat der 24. Zivilsenat des Kammergerichts auf die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu III. gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 18. Dezember 2001 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 25. Januar 2002 - 85 T 182/01 WEG - durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Dr. Briesemeister, die Richterin am Kammergericht Kingreen und die Richterin am Landgericht Hinrichs am 29. Mai 2002 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde wird dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung gemäß § 28 Abs. 2 FGG vorgelegt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten zu I., II. und III. bilden die Wohnungseigentümergemeinschaft der Wohnanlage, die auf der notariellen Teilungserklärung vom 10. Januar 1994 beruht. Die Beteiligte zu III. ist in der Teilungserklärung zur Verwalterin bis zum 31. Dezember 1998 bestellt. Mit bestandskräftig gewordenem Mehrheitsbeschluss vom 8. Juni 1998 zu TOP 9 ist die Beteiligte zu III. "zu den bisherigen Konditionen (d.h. 400,00 DM zzgl. 16 % Mehrwertsteuer pro Wohneinheit pro Jahr) bis 31.12.2003, mit einer beidseitigen Kündigungsfrist zum 30.06. des jeweiligen Jahres ... gewählt". Die Wohnanlage umfasst 81 Wohnungen und 9 Teileigentumseinheiten. Es gilt Objektstimmrecht. Die Beteiligte hat noch 40 Einheiten inne. Die Antragstellerin zu 1. ist Eigentümerin der Wohnung Nr. 36, die Antragstellerin zu 2. der Wohnung Nr. 2.

Mit Schreiben vom 16. Mai 2000 lud die Beteiligte zu III. zu der Eigentümerversammlung am 7. Juni 2000 ein. Nach der Tagesordnung sollte zu TOP 5 über "die Abwahl der Verwaltung" abgestimmt werden. In der Versammlung am 7. Juni 2000 waren 82 Einheiten anwesend bzw. vertreten. Die Beteiligte zu III. hatte zum Teil Vollmachten zur Vertretung von abwesenden Wohnungseigentümern. Zu TOP 5 wurde mit den Stimmen der Beteiligten zu III. folgender Beschluss gefasst:

"TOP 05: Abwahl der Verwaltung

Antrag: "Die Verwaltung B- ...GmbH und Immobilien Geschäfts KG, .... (Beteiligte zu III.) wird fristgemäß mit Wirkung zum 31.12.2000, 24.00 Uhr, abberufen."

Abstimmung per Handzeichen:

Ja-Stimmen: 21

Nein-Stimmen: 58

Damit ist der Antrag mehrheitlich abgelehnt."

Mit ihrer am 28. Juni 2000 eingegangenen Antragsschrift haben die Antragstellerinnen die Feststellung beantragt, dass der Eigentümerbeschluss vom 7. Juni 2000 zu TOP 5 mehrheitlich dahin gefasst worden sei, dass die Beteiligte zu III. als Verwalterin zum 31. Dezember 2000 abberufen sei. Auf die Mitteilung der Verwalterin, dass sie wegen des Interessenkonfliktes "von der Zustellungsvertretung ausgeschlossen" sei, haben die Vorinstanzen Mitglieder des Verwaltungsbeirats als "Zustellungsbevollmächtigte" (gemeint wohl: Zustellungsvertreter) für die Beteiligten zu II. (Wohnungseigentümer mit Ausnahme der beiden Antragstellerinnen und der Mehrheitseigentümerin) bestellt und diese am gerichtlichen Verfahren beteiligt. Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 16. März 2001, der nicht als Teilbeschluss anzusehen ist, obwohl er den Verfahrensgegenstand erster Instanz nicht ausschöpft, aber dennoch dessen abschließende Erledigung darstellen soll, lediglich festgestellt, dass die Beteiligte zu III. zu TOP 5 der Eigentümerversammlung vom 7. Juni 2000 nicht stimmberechtigt war. Mit ihrer fristgerechten Erstbeschwerde haben die Antragstellerinnen ihren inzident abgewiesenen ursprünglichen Feststellungsantrag, dass die Beteiligte zu IM. zum 31. Dezember 2000 abberufen worden sei, weiterverfolgt. Das Landgericht hat mit Beschluss vom 18. Dezember 2001 diesem Feststellungsantrag stattgegeben. Gegen diesen am 12. Februar 2002 (vgl. H/127) zugestellten Beschluss richtet sich die am 26. Februar 2002 frist- und formgerecht eingelegte sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu III., mit der die Zurückweisung der Anträge der Antragstellerinnen verfolgt wird.

II.

Die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu III. ist gemäß §§ 27, 29 FGG, 45 WEG zulässig. Durch die erstmals von der zweiten Instanz getroffene Feststellung, dass ein Abberufungs- und Kündigungsbeschluss in der Versammlung vom 7. Juni 2000 zu TOP 5 zu Lasten der Beteiligten zu III. zustandegekommen sei, ist die Beteiligte zu III. sowohl als Verwalterin wie auch als (Mehrheits-) Eigentümerin in ihrer Verwalterstellung bzw. in ihrem Recht auf ordnungsmäßige Verwaltung betroffen.

Der Senat hält die Rechtsbeschwerde auch für begründet. Der angefochtene Beschluss des Landgerichts ist nach seiner Auffassung nicht rechtsfehlerfrei (§ 27 Abs. 1 FGG). Nach den verfahrensfehlerfreien Feststellungen des Landgerichts ergibt sich, dass am 7. Juni 2000 über eine freie Kündigung der Beteiligten zu III. als Verwalterin abgestimmt werden sollte und abgestimmt worden ist, wie sie nach dem Eigentümerbeschluss vom 8. Juni 1998 zu TOP 9 vorbehalten war. Nach Auffassung des Senats war die Kündigungsregelung trotz des verknappten Wortlauts dahin zu verstehen, dass die Kündigungsmöglichkeit jeweils zum Jahresende mit halbjähriger Kündigungsfrist bestand, dass also am 7. Juni 2000 folgerichtig zum 31. Dezember 2000 hätte gekündigt werden können, wie es in dem Tagesordnungspunkt auch korrekt angegeben ist. Selbst wenn der Wortlaut des Eigentümerbeschlusses vom 8. Juni 1998 dahin auszulegen sein sollte, dass jeweils die Kündigung zur Jahresmitte, dann aber ohne jede Kündigungsfrist möglich sein sollte, würde sich rechtlich nichts anderes ergeben, weil der zu einer ordentlichen Kündigung Berechtigte auch den Zeitpunkt der Wirksamkeit der Kündigung angemessen hinausschieben kann. Jedenfalls würde durch die Einhaltung einer selbst gewählten Frist aus der freien Kündigung nicht notwendig eine Kündigung aus wichtigem Grunde werden. Eine Kündigung aus wichtigem Grunde könnte am 7. Juni 2000 schon deshalb nicht erfolgt sein, weil keinerlei stichhaltige Kündigungsgründe angegeben worden sind und ersichtlich auf die freie Kündigungsmöglichkeit gemäß dem Eigentümerbeschluss vom 8. Juni 1998 Bezug genommen worden ist.

Zutreffend führt das Landgericht aus, dass durch die erneute Befassung der Eigentümergemeinschaft mit der Abberufung der Beteiligten zu III. in der Versammlung am 27. Juni 2001 zu TOP 20 keine verfahrensrechtliche Überholung eingetreten ist, durch die etwa das Rechtsschutzbedürfnis für das vorliegende gerichtliche Verfahren entfallen wäre. Denn nach den verfahrensfehlerfreien Feststellungen des Landgerichts hat der Antrag auf Abberufung der Beteiligten zu III. keine Mehrheit gefunden. Bei Stimmenthaltung der Beteiligten zu III. als der amtierenden WEG-Verwaltung standen 20 Ja-Stimmen bei einer Enthaltung 20 Nein-Stimmen gegenüber.

Nach den verfahrensfehlerfreien Feststellungen des Landgerichts und auch nach dem Inhalt der Versammlungsniederschrift vom 7. Juni 2000 ist zu TOP 5 betreffend die Abberufung der Beteiligten zu III. ein Abstimmungsergebnis von 21 Ja-Stimmen und 58 Nein-Stimmen zustande gekommen und bekannt gegeben worden. Damit ist eine Eigentümermehrheit hinsichtlich der Abwahl der Beteiligten zu III. nicht festzustellen. Allerdings kann in einem gerichtlichen Verfahren auf Feststellung des richtigen Abstimmungsergebnisses geklagt werden. Diesen Weg ist das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung gegangen und zu dem Ergebnis gelangt, dass bei der Abstimmung über die Abberufung der Beteiligten zu III. und der ordentlichen Kündigung des Verwaltervertrages die Beteiligte zu IM. gemäß § 25 Abs. 5 WEG von der Ausübung des Stimmrechts ausgeschlossen und die 40 Stimmen der Beteiligten zu III. damit unwirksam und nicht mitzuzählen seien, womit 21 Ja-Stimmen gegen 18 Nein-Stimmen einen Mehrheitsbeschluss für die Abwahl ergeben würden. Im Einzelnen führt das Landgericht aus: Die Kammer folge der Ansicht, wonach der Wohnungseigentümer, der zugleich Verwalter sei, auch im Falle der Abstimmung über die ordentliche Abberufung des Verwalters von der Ausübung seines Stimmrechts ausgeschlossen sei, insbesondere wenn mit der Abberufung gleichzeitig der Verwaltervertrag ordentlich gekündigt werden solle. Das folge aus der Interessenkollision zwischen dem Amt des Verwalters und der gleichzeitigen Zugehörigkeit des Verwalters zu der Wohnungseigentümergemeinschaft, die durch die auch diesen Fall erfassende Regelung des § 25 Abs. 5 WEG so geregelt werde, dass der Wohnungseigentums-Verwalter mit seinem Stimmrecht von der Abstimmung ausgeschlossen sei. Dabei erfasse die Abstimmung über die ordentliche Abberufung der Verwalterin zugleich auch die ordentliche Kündigung des Verwaltervertrages.

Das Landgericht verweist in der angefochtenen Entscheidung auf die Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts (NJW-RR 1987, 78) und des Oberlandesgerichts Düsseldorf (NZM 1999, 285 = ZMR 1999, 60 = WuM 1999, 59 = FGPrax 1999, 10). Der Senat ist demgegenüber der Auffassung, dass das Stimmrechtsverbot des § 25 Abs. 5 WEG dann nicht gilt, wenn der Wohnungseigentümer und Verwalter mitgliedschaftliche Interessen wahrnimmt (vgl. Senat NJW-RR 1994, 855; BayObLG WE 1991, 220). In diesem Sinne ist einhellig anerkannt, dass der Wohnungseigentümer bei seiner gleichzeitigen Bestellung als Verwalter ein Stimmrecht besitzt. Erst wenn es um die Einzelheiten des auszuhandelnden Verwaltervertrages geht, sind seine Interessen so stark betroffen, dass § 25 Abs. 5 WEG anzuwenden ist. Was für die Wahl zum Verwalter gilt, muss auch entsprechend angewendet werden, wenn es um die schlichte Abwahl oder die Nichtverlängerung der Verwalterbestellung geht. Dabei kann es nicht darauf ankommen, ob in der Abstimmung der Eigentümer die Bestellung des Verwalters als organschaftlicher Akt oder die grundsätzliche Bereitschaft zum Abschluss eines Verwaltervertrages in den Vordergrund gerückt wird. Bei einer unverstellten Betrachtung handelt es sich bestenfalls um zwei Seiten ein und derselben Sache, nämlich der Berufung des Verwalters in sein Amt. Die mit der Abwahlentscheidung notwendig verbundene Kündigung des Verwaltervertrages hat jedenfalls kein Übergewicht zu dem Bestellungsakt als Verwalter, der sich als eine mitgliedschaftsrechtliche Angelegenheit darstellt. Nach Auffassung des Senats stellt der Kündigungscharakter der Abwahlentscheidung kein Hindernis für die Beteiligung des Wohnungseigentümers an der Abstimmung dar. Im Sinne eines Stimmrechts des Wohnungseigentümers, der zugleich Verwalter ist, bei der Entscheidung über seine ordentliche Abwahl hat sich weithin das Schrifttum geäußert (Seuss, Anm. zu BayObLG WE 1987, 45 = NJW-RR 1987, 78; Weitnauer/Lüke, WEG 8. Aufl., § 25 Rdn. 21; Merle in Bärmann/Pick/Merle, WEG 8. Aufl., § 26 Rdn. 150; Staudinger/Bub WEG § 26 Rdn. 424 a). Zur Klarstellung sei hinzugefügt, dass bei einer Abberufung des Verwalters und Kündigung aus wichtigem Grund ein Stimmverbot des Eigentümer-Verwalters nach § 25 Abs. 5 WEG anzunehmen ist, weil niemand "Richter in eigener Sache" sein darf.

Die bereits zitierten Beschlüsse BayObLG NJW-RR 1987, 78 und OLG Düsseldorf ZMR 1999, 60 sind im Verfahren der weiteren Beschwerde ergangen. Eine Abweichung hiervon erfordert eine Vorlage an den Bundesgerichtshof gemäß § 28 Abs. 2 FGG.

Ende der Entscheidung

Zurück