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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 09.04.2001
Aktenzeichen: 24 W 6844/00
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 16 Abs. 2
WEG § 28 Abs. 5
1. Der Gläubiger eines Abrechnungsguthabens aus der Jahresabrechnung einer Wohnungseigentümergemeinschaft hat Auszahlungsansprüche nur gegen die Gemeinschaft, aber nicht gegen einzelne Miteigentümer. Das gilt erst Recht, wenn bei einzelnen Wohnungseigentümern, die der Gemeinschaft Wohngeld schulden. Ausfälle zu befürchten sind, die erst nach endgültigem Ausfall umgelegt werden dürfen (vgl. BGHZ 108, 44 = NJW 1989, 3018).

2. Stehen der Gemeinschaft aus einer konkret abgerechneten Wirtschaftsperiode einerseits Nachforderungen gegen einzelne Miteigentümer zu, während sie andererseits einem oder mehreren Miteigentümern Abrechnungsguthaben schuldet, kann die Verpflichtung der Gemeinschaft zur Mitwirkung an der Realisierung der Abrechnungsguthaben nur darin bestehen, dass entweder der Verwalter zum Einzug der Nachzahlungsbeträge und zur anschließenden Auskehrung der Guthaben veranlasst wird oder dem Guthabengläubiger hinsichtlich der Nachzahlungsbeträge die Einziehungsermächtigung zu Gunsten der Gemeinschaftskasse übertragen wird, nicht aber zur direkten Einziehung an sich selbst (Ergänzung zu Senat, OLGZ 1993, 301 = NJW-RR 1993, 338 = WuM 1993, 91 = WE 1993, 51; NJW-RR 1995, 975 = FGPrax 1995, 143 = WE 1995, 213).


KAMMERGERICHT Beschluss

Geschäftsnummer: 24 W 6844/00 85 T 80/00 (WEG) LG Berlin 70 II 132/99 (WEG) AG Wedding

in der Wohnungseigentumssache

betreffend die Wohnungseigentumsanlage

Der 24. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin hat auf die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu I. gegen den Beschluss der Zivilkammer 85 des Landgerichts Berlin vom 21. Juli 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Dr. Briesemeister und die Richter am Kammergericht Weichbrodt und Brandt in der Sitzung vom 9. April 2001 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Beteiligte zu I. hat die Gerichtskosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde zu tragen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 1.957,56 DM festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten zu I., II. und III. sind die Wohnungseigentümer der im Rubrum näher bezeichneten Wohnanlage. Der Beteiligten zu I. (Antragstellerin) gehört seitdem 19. November 1991 die im Vorderhaus 1. OG links gelegene Wohneinheit Nr. 2.

Die finanzielle Situation der Eigentümergemeinschaft ist seit Jahren angespannt. In der Eigentümerversammlung vom 10. April 1996 billigten die Wohnungseigentümer mehrheitlich zu TOP 1, 3, 5 und 7 die Jahresabrechnungen (Gesamt- und Einzelabrechnungen) für die Wirtschaftsjahre 1992 bis 1995. Die Einzelabrechnungen für die Jahre 1992 bis 1995 wiesen für die Wohneinheit der Antragstellerin Guthaben in Höhe von insgesamt 6.525,26 DM aus. In der Eigentümerversammlung vom 13. Juni 2000 beschlossen die Wohnungseigentümer zu TOP 4 mehrheitlich, dass Guthaben einzelner Wohnungseigentümer aus der Jahresabrechnung 1999 mit Wohngeldforderungen betreffend das Wirtschaftsjahr 2000 verrechnet und zu diesem Zweck auch Abtretungen von Guthaben unter den Wohnungseigentümern vorgenommen werden dürfen. Hinsichtlich der Abrechnungsguthaben der Antragstellerin aus den Jahresabrechnungen 1992 bis 1995 fassten die Wohnungseigentümer keinen Beschluss.

Im vorliegenden Verfahren nimmt die Antragstellerin die Beteiligten zu II. und III. auf Auszahlung des sich für die Wohneinheit Nr. 2 aus den Jahresabrechnungen 1992 bis 1995 ergebenden Guthabens von insgesamt 6.525,26 DM nebst 4 % Zinsen in Anspruch, und zwar in Höhe desjenigen Teilbetrages, der auf den Miteigentumsanteil dieser Beteiligten entfällt.

Durch Beschluss vom 5. Oktober 1999 hat das Amtsgericht Wedding unter Zurückweisung des weitergehenden Antrags unter anderem die Beteiligten zu II. zur Zahlung eines Teilbetrages von insgesamt 1.957,56 DM nebst anteiligen Zinsen verpflichtet, und zwar

die Beteiligte zu II. 1. zur Zahlung von 1.148,44 DM, den Beteiligten zu II. 2. zur Zahlung von 104,40 DM, die Beteiligte zu II. 3. zur Zahlung von 117,45 DM, die Beteiligte zu II. 4. zur Zahlung von 300,16 DM und die Beteiligte zu II. 4. zur Zahlung von 287,11 DM insgesamt 1.957,16 DM

Auf die gegen diesen Beschluss rechtzeitig eingelegte Erstbeschwerde der Beteiligten zu II. hat das Landgericht durch Beschluss vom 21. Juli 2000 unter entsprechender Änderung des amtsgerichtlichen Beschlusses den Antrag der Antragstellerin insoweit zurückgewiesen, als dieser sich gegen die Erstbeschwerdeführer richtet. Mit ihrer rechtzeitig eingelegten sofortigen weiteren Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihren Anspruch auf anteilmäßige Zahlung der ihr aus den Jahresabrechnungen 1992 bis 1995 zustehenden Guthabenbeträge weiter.

II.

Die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin ist gemäß §§ 27, 29 FGG, 45 WEG zulässig. Insbesondere ist die Rechtsmittelbeschwer des § 45 Abs. 1 WEG erreicht. Das Rechtsmittel ist jedoch sachlich nicht gerechtfertigt. Einen Rechtsfehler, auf den die sofortige weitere Beschwerde mit Erfolg allein gestützt werden kann (§ 27 Abs. 1 FGG), weist der angefochtene Beschluss nicht auf. Zu Recht hat das Landgericht dem gegen die Beteiligten zu II. geltend gemachten Anspruch auf anteilmäßige Zahlung bestimmter Guthaben-Teilbeträge als unbegründet angesehen und auf die Erstbeschwerde allein dieser Beteiligten den Antrag der Antragstellerin unter entsprechender Änderung des amtsgerichtlichen Beschlusses zurückgewiesen.

1. Ohne Rechtsirrtum ist das Landgericht unter Hinweis auf die vom Senat in ständiger Rechtsprechung (OLGZ 1993, 301 = NJW-RR 1993, 338 = WuM 1993, 91 = WE 1993, 51; NJW-RR 1995, 975 = FGPrax 1995, 143 = WE 1995, 213) vertretene Rechtsauffassung davon ausgegangen, dass der Gläubiger eines Abrechnungsguthabens aus einer beschlossenen Jahresabrechnung nur gegen die Gemeinschaft insgesamt, aber nicht gegen einzelne Miteigentümer -- auch nicht in Höhe der jeweils auf diese entfallenden Quote -- geltend machen kann. Dieser Senatsrechtsprechung ist das OLG Hamm (NJW-RR 1999, 93 = FGPrax 1998, 173 = ZMR 1998, 592 = NZM 1999, 180) gefolgt. Dieses Gericht hat unter Hinweis auf die Kommentierung von Merle (Bärmann/Pick/Merle, WEG, 8. Auflage, § 28 Rdn. 103) zu Recht ausgeführt, dass der Anspruch eines einzelnen Wohnungseigentümers auf Auskehr eines Abrechnungsguthabens nicht in der Weise geltend gemacht werden kann, dass die anderen Wohnungseigentümer gesamtschuldnerisch zur Zahlung des Erstattungsbetrages verpflichtet werden. Dabei ist der Begriff "gesamtschuldnerisch" im Leitsatz dieser Entscheidung nach dem Wortlaut der Entscheidungsgründe dahin zu verstehen, dass jede, d. h. auch eine anteilmäßige Haftung, eines einzelnen Wohnungseigentümers für zu Gunsten eines anderen Wohnungseigentümers beschlossene Abrechnungsguthaben ausgeschlossen sein soll.

2. Der Senat hält an seiner vorgenannten Rechtsprechung trotz der im Schrifttum verschiedentlich geäußerten Kritik (vgl. Deckert, WE 1995, 215; Bub in Staudinger, BGB, 12. Auflage, § 28 WEG Rdn. 404 f.) fest Ebenso wie ein einzelner Miteigentümer nicht ohne besondere Ermächtigung der Gemeinschaft Nachzahlungsforderungen gegen andere Miteigentümer gerichtlich durchsetzen kann (BGHZ 106, 122 = NJW 1989, 1091; BGHZ 111, 148 = NJW 1990, 2386) kann erst Recht ein Miteigentümer, dem nach der beschlossenen Jahresabrechnung ein Guthaben zusteht, nicht einen anderen Miteigentümer wegen dieses Guthabens unter Umgehung der Gemeinschaftskasse auf Zahlung in Anspruch nehmen. Aufgrund eines Abrechnungsguthabens hat der betreffende Miteigentümer lediglich Ansprüche gegen die Gemeinschaft, vertreten durch den Verwalter, auf Auskehrung des Abrechnungsguthabens aus den aus der konkret abgerechneten Wirtschaftsperiode vorhandenen Geldmitteln oder auf Mitwirkung an der Durchsetzung der in der Jahresabrechnung ausgewiesenen Nachforderungen gegen andere Miteigentümer. Bestehen solche Nachforderungen, kommt eine Auszahlung von Guthaben aus der Gemeinschaftskasse nur im Falle einer erfolgreichen Durchsetzung dieser Nachforderungen in Betracht. Denn stellt sich heraus, dass Nachforderungen aus einer konkret abgerechneten Wirtschaftsperiode gegen Miteigentümer dauernd uneinbringlich sind, sind die dadurch entstehenden Einnahmeausfälle auch auf diejenigen Miteigentümer umzulegen, zu deren Gunsten Abrechnungsguthaben bestehen (vgl. BGHZ 108, 44 = NJW 1989, 3018).

3. Vorliegend hat das Landgericht verfahrensfehlerfrei festgestellt, dass hinsichtlich der betreffenden Wirtschaftsperioden, für die die Antragstellerin Abrechnungsguthaben geltend macht, nicht ausgeglichene Nachforderungen der Gemeinschaft gegen andere Miteigentümer vorhanden sind. In einem solchen Fall kann die Verpflichtung der Gemeinschaft zur Mitwirkung an der Realisierung von Abrechnungsguthaben nur darin bestehen, dass entweder der Verwalter zum Einzug der Nachzahlungsbeträge und anschließend zur Auskehrung der Guthaben veranlasst wird oder dem Guthabengläubiger hinsichtlich der Nachzahlungsbeträge die Einzugsermächtigung zu Gunsten der Gemeinschaftskasse übertragen wird, nicht aber zur unmittelbaren Einziehung an sich selbst.

Danach konnte das Rechtsmittel der Antragstellerin keinen Erfolg haben.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG. Es entspricht billigem Ermessen, dass die Antragstellerin die Gerichtskosten ihres erfolglosen Rechtsmittels zu tragen hat. Für die Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten bestand dagegen kein Anlass.

Die Festsetzung des Geschäftswertes folgt aus § 48 Abs. 3 WEG.

Ende der Entscheidung

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