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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 31.05.2006
Aktenzeichen: 25 U 50/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 2332 Abs. 1
Zur Verjährung des Pflichtteilsanspruches gemäß § 2332 Abs. 1 BGB.
Kammergericht Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 25 U 50/05

verkündet am : 31.05.2006

In dem Rechtsstreit

hat der 25. Zivilsenat des Kammergerichts auf die mündliche Verhandlung vom 31. Mai 2006 durch die Richterin am Kammergericht Diekmann als Einzelrichterin für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung des Klägers gegen das am 16. August 2005 verkündete Urteil der Zivilkammer 3 des Landgerichts Berlin wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger nimmt die Beklagte, seine Tochter, wegen seines Pflichtteils in Anspruch.

Am 25. Oktober 2001 verstarb die Mutter des Klägers, Frau nnnnnnn , geb. nnnn . Deren Ehemann war bereits zuvor verstorben.

Die Erblasserin setzte nach vorangegangenem handschriftlichen Testament vom 1. Juni 2001 mit notariellem Testament vom 27. August 2001 die Beklagte als Erbin ein und enterbte den Kläger.

Mit notariellem Testament vom 27. September 2001 widerrief die Erblasserin ihre vorangegangenen letztwilligen Verfügungen und setzte den Kläger zum Erben ein.

In einem handschriftlichen Testament vom 6. Oktober 2001 schrieb die Erblasserin: "Das Testament vom 27. August 2001 soll gültig bleiben."

Die Beklagte beantragte am 7. November 2001 vor dem Amtsgericht Hnnnnnnnn - Nachlassgericht - die Erteilung eines Erbscheins, der sie als Alleinerbin ausweisen sollte. Das Nachlassgericht kündigte mit Beschluss vom 29. Mai 2002 an, der Beklagten einen entsprechenden Erbschein zu erteilen. Das Landgericht Berlin wies die dagegen gerichtete Beschwerde des hiesigen Klägers mit Beschluss vom 23. November 2004 zurück.

Das Testament der Erblasserin vom 6. Oktober 2001 war dem Kläger jedenfalls am 23. November 2001 bekannt.

Die Klage ist am 4. März 2005 bei dem Landgericht Berlin eingegangen. Sie ist der Beklagten am 21. April 2005 zugestellt worden.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass erst ab seiner Kenntnis hinsichtlich des Inhalts des o.g. landgerichtlichen Beschlusses die Verjährungsfrist zur Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs beginne.

Wegen der weiteren Einzelheiten seines Vorbringens wird auf die Klageschrift vom 3. März 2005 (Bl. 1 - 2 d.A.) und den Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 2. Juni 2005 (Bl. 28 d.A.) und 8. August 2005 (Bl. 41 d.A.) mit entsprechenden Anlagen verwiesen.

Der Kläger hat im Wege der Stufenklage beantragt,

die Beklagte zu verurteilen,

1. über den Bestand des Nachlasses der am nnnnnnnn geborenen und am nnnn nnnnn verstorbenen nnnnnnnnnnnnn , geb. nnnn , durch Vorlage eines notariellen Verzeichnisses Auskunft zu erteilen;

2. zu Protokoll an Eides Statt zu versichern, dass sie nach bestem Wissen und Gewissen den Bestand des Nachlasses so vollständig angegeben habe, als sie dazu im Stande sei;

3. an ihn den Pflichtteil in Höhe von 1/2 des sich aus der Auskunft ergebenden Nachlasswertes zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Einrede der Verjährung erhoben.

Wegen der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze ihres Prozessbevollmächtigten vom 27. April 2005 (Bl. 19 - 20 d.A.) und 28. Juli 2005 (Bl. 30 - 34 d.A.) mit entsprechenden Anlagen verwiesen.

Das Landgericht Berlin hat die Klage durch am 16. August 2005 verkündetes Urteil insgesamt abgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, dass der Anspruch des Klägers auf den Pflichtteil verjährt sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Urteil des Landgerichts (Bl. 44 - 48 d.A. = AH 1 - 5 d.A.) verwiesen.

Gegen dieses am 4. September 2005 zugestellte Urteil hat der Kläger mit am 19. September 2005 bei dem Kammergericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt, die mit am 17. Oktober 2005 eingegangenem Schriftsatz begründet worden ist.

Der Kläger erachtet die erstinstanzliche Entscheidung für unzutreffend. Wegen der Einzelheiten seines Vorbringens wird auf die Berufungsbegründung vom 17. Oktober 2005 (Bl. 64 - 69 d.A.) und den Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 8. Mai 2006 (Bl. 176 - 178 d.A.) mit entsprechenden Anlagen verwiesen.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte im Wege der Stufenklage zu verurteilen, 1. über den Bestand des Nachlasses der am nnnnnnnn geborenen und am nnnnnnnn verstorbenen Frau nnnnnnnnnnnnn geb. nnnn Auskunft zu allen beim Erbfall vorhandenen Sachen und Forderungen (Aktiva) und allen beim Erbfall vorhandenen Nachlassverbindlichkeiten (Passiva) durch Vorlage eines notariellen Verzeichnisses zu erteilen;

2. zu Protokoll an Eides Statt zu versichern, dass sie nach bestem Wissen und gewissen den Bestand des Nachlasses so vollständig angegeben hat, als sie dazu imstande ist;

3. an ihn den Pflichtteil in Höhe von 1/2 des sich aus der Auskunft ergebenden Nachlasswertes zu zahlen;

hilfsweise, den Rechtsstreit an das Landgericht Berlin zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der Einzelheiten ihres Vorbringens wird auf die Schriftsätze ihres Prozessbevollmächtigten vom 29. November 2005 (Bl. 83 - 87 d.A.) und 14. März 2006 (Bl. 126 - 139 d.A.) mit entsprechenden Anlagen verwiesen.

Die Akten des Amtsgerichts Hnnnnnnnn - 61 VI nnnn - lagen vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. II.

Die Berufung des Klägers ist form- und fristgerecht eingelegt worden, mithin zulässig. Sie hat in der Sache keinen Erfolg.

Das Landgericht hat die Klage zu Recht in Gänze abgewiesen. Der Anspruch des Klägers auf den Pflichtteil ist verjährt.

Der Pflichtteilsanspruch verjährt in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in welchem der Pflichtteilsberechtigte von dem Eintritt des Erbfalls und von der ihn beeinträchtigenden Verfügung Kenntnis erlangt, ohne Rücksicht auf diese Kenntnis in 30 Jahren von dem Eintritt des Erbfalls an, § 2332 Abs. 1 BGB. Kenntnis in diesem Sinn setzt voraus, dass der Pflichtteilsberechtigte den wesentlichen Inhalt der beeinträchtigenden Verfügung erkannt hat. Dazu ist eine in die Einzelheiten gehende Prüfung der Verfügung und eine fehlerfreie Bestimmung ihrer rechtlichen Natur nicht erforderlich (RGZ 70, 360, 362; 115, 27, 30; BGH LM § 2332 BGB Nr.1). Von dem Pflichtteilsberechtigten kann allerdings ein die Verjährung unterbrechendes Handeln erwartet werden (BGH NJW 1995, 1157 f. m.w.N.).

Die erforderliche Kenntnis kann fehlen, wenn der Berechtigte infolge Tatsachen- oder Rechtsirrtums davon ausgeht, die ihm bekannte Verfügung sei unwirksam und entfalte daher für ihn keine beeinträchtigende Wirkung. Das gilt jedenfalls dann, wenn Wirksamkeitsbedenken nicht von vornherein von der Hand zu weisen sind (BGH, ebd. m.w.N.; vgl. auch NJW 2000, 288, 289).

Nach dem unstreitigen Sachverhalt hatte der Kläger von der ihn beeinträchtigenden Verfügung jedenfalls am 23. November 2001 Kenntnis.

Im Nachlassverfahren vor dem Amtsgericht Hnnnnnnnn (Geschäftsnummer: 61 VI nnnn ) hatte er geltend gemacht, dass Bedenken bestünden, ob die Unterschrift, die am 6. Oktober 2001 geleistet wurde, von der Erblasserin stamme (Beiakte Bl. 4/5).

Im Nachlassverfahren ist sodann ein Schriftgutachten eingeholt worden, um die Frage der Echtheit der Unterschrift zu klären. Auf diese gerichtliche Verfahrensweise kann sich der Kläger hier aber nicht berufen. Denn ihm war bekannt, dass die Erbeinsetzung der Beklagten dem durchgängigen Willen der Erblasserin entsprach.

Die Beklagte hat unter Beweisantritt im einzelnen dargetan, dass die Erblasserin eine Vollmacht vom 27. September 2001, die zusammen mit dem Testament zu Gunsten des Klägers errichtet wurde, widerrufen hat. Der Kläger hat die Vollmacht danach dem Notar Knnn zurückgesandt.

Dieser Vortrag ist nicht in Abrede gestellt worden. Der Kläger wusste also, dass jedenfalls eine der von der Erblasserin am 27. September 2001 geleisteten Unterschriften nicht mehr deren Willen entsprach. Desweiteren hat die Beklagte ebenfalls unter Beweisantritt vorgetragen, dass die Erblasserin dem Ehemann der Beklagten Anfang Oktober 2001 berichtet habe, den hiesigen Kläger darüber in Kenntnis gesetzt zu haben, dass "alles" widerrufen und die Enkelin zur Erbin eingesetzt worden sei. Außerdem habe mindestens ein Gespräch im Beisein des Klägers stattgefunden, in dem die Erblasserin erklärt habe, dass sie die letztwillige Verfügung und die Vollmacht nicht gelten lassen wolle, sondern es ihr Wille war, dass die Enkelin Erbin sei.

Diesen Vortrag hat der Kläger nur pauschal bestritten. Das ist allerdings gemäß § 138 Abs. 4 ZPO nicht zulässig, weil es sich um eigene Wahrnehmungen des Klägers handelt. Der Vortrag der Beklagten ist folglich als zugestanden zu werten. Aus ihm ergibt sich, dass dem Kläger bekannt war, dass sowohl die Vollmacht als auch die letztwillige Verfügung vom 27. September 2001 widerrufen worden waren, und es dem Willen der Erblasserin entsprach, dass die Beklagte als Erbin eingesetzt werden solle.

Wenn der Kläger den Wortlaut der letztwilligen Verfügung am 23. November 2001 zur Kenntnis genommen hat, musste er zwingend damit rechnen, dass dieser Ausdruck des Willens der Erblasserin war. Anhaltspunkte, warum dies nicht der Fall sein sollte, hat der Kläger im vorliegenden Rechtsstreit nicht dartun können. Bei dieser Sachlage scheidet die Berufung auf einen Irrtum oder auf Wirksamkeitsbedenken aus. Die Beklagte hat im übrigen hinreichend vorgetragen, warum sie angenommen habe, dass die Erblasserin am 2. Oktober 2001 nicht zu einer Unterschrift in der Lage war.

Auf die weiteren von der Beklagten dargelegten Umstände zur entsprechenden Kenntnis des Klägers kommt es nicht an.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision folgt aus § 543 Abs. 2 ZPO. Die Rechtssache hat angesichts des hier vorliegenden Einzelfalles keine grundsätzliche Bedeutung, § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Desweiteren erfordert sie keine Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung, § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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