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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 08.08.2006
Aktenzeichen: 25 UF 28/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1587c Nr. 1
Zum teilweisen Ausschluss des Versorgungsausgleichs nach § 1587c Nr. 1 BGB.
Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 25 UF 28/05

In der Familiensache

hat der 25. Zivilsenat des Kammergerichts als Senat für Familiensachen durch die Vorsitzende Richterin am Kammergericht Böhrenz, die Richterin am Kammergericht Diekmann und den Richter am Kammergericht Helmers am 8. August 2006 beschlossen:

Tenor:

1. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird das am 1. März 2005 verkündete Scheidungsverbundurteil des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg (Familiengericht) - Geschäftsnummer: 125 F 17097/03 - im Tenor zum Versorgungsausgleich teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Von dem Versicherungskonto der Antragstellerin bei der Deutschen Rentenversicherung Bund werden auf das Versicherungskonto des Ehemannes bei der Deutschen Rentenversicherung Berlin-Brandenburg Rentenanwartschaften von monatlich 112,30 EUR übertragen, bezogen auf das Ende der Ehezeit am 31. Dezember 2003.

Der jeweilige Monatsbetrag der auszugleichenden Rentenanwartschaften ist in Entgeltpunkte umzurechnen.

Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

2. Die außergerichtlichen Kosten der Beteiligten im Beschwerdeverfahren haben die Parteien je zur Hälfte zu tragen. Die übrigen Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.000,-- EUR festgesetzt.

4. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin ist am ... 1964 geboren, der Antragsgegner am ... 1960. Die Parteien schlossen am ... 1993 die Ehe. Aus der Ehe sind die Kinder ... , geboren am ... 1994 und ... , geboren am ... 1997, hervorgegangen.

Die Antragstellerin ist ... und leistete während der Ehezeit Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung. Nach einer entsprechenden Auskunft der Deutschen Rentenversicherung Bund erwarb die Antragstellerin Rentenanwartschaften von insgesamt 716,83 EUR, der Ehezeitanteil beträgt 449,20 EUR. Der Antragsgegner ist als selbständiger ... tätig. Er hat Kapitallebensversicherungen abgeschlossen.

Mit Urkunde des Notars ... vom ... 1999 (UR-Nr. ... ) verzichteten die Parteien auf den Zugewinnausgleich und auf nachehelichen Unterhalt. In der Urkunde hieß es, dass Einigkeit bestehe, dass die Antragstellerin über ein monatliches Nettoeinkommen von 5.000,-- DM verfüge. Der Antragsgegner gab an, monatlich 4.500 - 5.000,-- DM zu erzielen.

Im Februar 2002 übertrug die Mutter des Antragsgegners das Grundstück ... an den Antragsgegner und dessen Schwester. Deren Anteil erwarb der Antragsgegner am ... 2002. Die Parteien nahmen 2002 gesamtschuldnerisch einen Kredit in Höhe von 210.000 EUR auf, der zum Erwerb des Anteils und zur Renovierung des nunmehr im Alleineigentum des Antragsgegners stehenden Hauses verwandt wurde. Die daraus erwachsene monatliche Belastung in Höhe von 1.085,00 EUR trug zunächst die Antragstellerin.

Die Parteien leben seit ... 2002 getrennt.

Die Antragstellerin kündigte ihre beiden Lebensversicherungen und erhielt hierfür 4.781,07 EUR und 6.269,40 EUR.

Durch notarielle Urkunde vom ... 2003 (UR-Nr. ... des Notars ... ) verpflichtete sich der Antragsgegner, die Antragstellerin im Innenverhältnis in voller Höhe von der vorgenannten Darlehensverbindlichkeit freizustellen. Nach der Urkunde sollten die Parteien gemeinsam gegenüber der Bank darauf hinwirken, dass die vereinbarte Schuldübernahme von dem Gläubiger genehmigt und die Antragstellerin aus dem Darlehensvertrag vollständig entlassen werde.

Die Antragstellerin hat erstinstanzlich den Ausschluss des Versorgungsausgleichs beantragt.

Dem Begehren hat das Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg (Familiengericht) nicht entsprochen. Es hat vielmehr im Rahmen des am ... 2005 verkündeten Scheidungsverbundurteil den Versorgungsausgleich dahingehend geregelt, dass vom Versicherungskonto der Antragstellerin auf das Versicherungskonto des Antragsgegners Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 224,60 EUR übertragen werden.

Dagegen wendet sich die Antragstellerin. Sie verfolgt mit ihrer Beschwerde ihr erstinstanzliches Begehren weiter. Dem tritt der Antragsgegner entgegen.

Der Senat hat am 22. Februar 2006 mündlich verhandelt.

Das o.g. Darlehen wurde am ... 2006 durch den Antragsgegner abgelöst.

II.

Die Beschwerde der Antragstellerin ist form- und fristgerecht eingelegt worden, mithin zulässig.

Sie hat in der Sache teilweise Erfolg. Der Ausgleichsanspruch des Antragsgegners, den das Amtsgericht in der angefochtenen Entscheidung der Höhe nach zutreffend ermittelt hat, ist teilweise auszuschließen.

Nach § 1587 c Nr. 1 BGB findet ein Versorgungsausgleich nicht statt, soweit die Inanspruchnahme des Verpflichteten unter Berücksichtigung der beiderseitigen Verhältnisse, insbesondere des beiderseitigen Vermögenserwerbs während der Ehe oder im Zusammenhang mit der Scheidung grob unbillig wäre. Bei der Regelung handelt es sich um einen Ausnahmetatbestand. Es ist davon nur Gebrauch zu machen, wenn die starre Durchführung des Versorgungsausgleichs seinem Grundgedanken - für beide Eheleute nach der Scheidung den Grundstock zu einer eigenständigen Alterssicherung zu legen und dadurch auch dem sozial schwächeren Teil zur wirtschaftlichen Selbständigkeit zu verhelfen - in unerträglicher Weise widersprechen würde. Unterhalb dieser Schwelle ist die Ausgleichspflicht auch von der beiderseitigen wirtschaftlichen Lage der Ehegatten unabhängig. Es kann aber eine grobe Unbilligkeit begründen, wenn der Versorgungsausgleich nicht zu einer ausgewogenen sozialen Sicherheit der Ehegatten beitragen, sondern im Gegenteil zu einem erheblichen Ungleichgewicht zu Lasten des Ausgleichspflichtigen führen würde. Dazu reicht es jedoch nicht aus, dass der Ausgleichsberechtigte wirtschaftlich besser dasteht. Eine Kürzung des Versorgungsausgleichs unter dem Gesichtspunkt des wirtschaftlichen Ungleichgewichts kommt vielmehr erst in Betracht, wenn der Berechtigte bereits eine ausreichende Versorgung hat - oder etwa über nicht ausgleichspflichtiges Grund- oder Kapitalvermögen verfügt, während der Verpflichtete auf die von ihm erworbenen Vermögensanrechte dringend angewiesen ist (BGH FamRZ 1989, 421).

Sinn und Zweck des Versorgungsausgleichs ist die Erlangung wirtschaftlicher Selbständigkeit des geschiedenen Ehegatten, beruhend auf der Erwägung, dass jede Ehe infolge der auf Lebenszeit angelegten Gemeinsamkeit schon während der Phase der Erwerbstätigkeit des oder der Ehegatten im Keim eine Versorgungsgemeinschaft darstellt und mithin die erworbenen Versorgungsanwartschaften entsprechend dem gemeinsamen Zweck der beiderseitigen Alterssicherung aufzuteilen sind. Dies bedeutet einmal, dem sozial schwächeren geschiedenen Ehegatten eine eigenständige soziale Sicherung zu verschaffen, zum anderen beruht der Versorgungsausgleich nach den Erwägungen des Gesetzgebers auch auf dem güterrechtlichen Prinzip der Vermögensteilung in Weiterentwicklung des Zugewinnausgleichsgedankens. Unter dem Blickwinkel der Versorgungsgemeinschaft sind dementsprechend bei der Scheidung zwischen den Ehegatten alle gemeinsam geschaffenen Werte gleichmäßig aufzuteilen, so dass jeder Ehegatte die Hälfte der in der Ehezeit erworbenen Vermögenswerte auf den künftigen Lebensweg mitnehmen soll. Das Prinzip der hälftigen Vermögensteilung im Fall der Scheidung kann allerdings, wenn die Ehegatten trotz vereinbarter Gütertrennung den Versorgungsausgleich durchführen sollen, im Einzelfall gestört erscheinen. Einer Teilung der Alterssicherung bedarf es jedenfalls dann nicht mehr, wenn der Ausgleichsberechtigte über Vermögen verfügt, welches einerseits der Altersversorgung dient, andererseits aber nicht zum ausgleichspflichtigen Vermögen im Rahmen des Versorgungs- oder Zugewinnausgleichs gehört, während der Pflichtige auf eine eigene Versorgung zur Sicherung seines Lebensunterhalts angewiesen ist (OLG Hamm FamRZ 1987, 951).

Vorliegend sind zunächst weder eine Herabsetzung, noch ein Ausschluss des Versorgungsausgleichs auf Grund der Einkommensverhältnisse der Parteien gerechtfertigt. Soweit sich die Antragstellerin darauf beruft, dass sie weniger als 5.000,-- DM (= 2.556,46 EUR) verdient habe, verfängt dies nicht. Denn die entsprechende Angabe ist durch die Antragstellerin selbst getätigt worden, wie sich aus der Urkunde des Notars ... ergibt. Es wird gemäß § 415 Abs. 1 ZPO der volle Beweis des durch die Urkundsperson beurkundeten Vorganges erbracht. Zwar ist der Beweis, dass der Vorgang unrichtig beurkundet worden sei, zulässig, § 415 Abs. 2 ZPO. Die Antragstellerin hat aber keinen Beweis dafür angetreten, dass diese Erklärungen so von ihr nicht abgegeben worden sind. Es sind zudem keine substantiierten Darlegungen zu den von ihr behaupteten geringeren Einkommensverhältnissen erbracht worden. Vielmehr ermittelt sich noch im Dezember 2005 ein Einkommen von 2.035,43 EUR netto.

Soweit sich die Antragstellerin darauf beruft, dass sie die Scheidungskosten tragen müsse, verfängt dies ebenfalls nicht. Das Amtsgericht hat dies zwar für die Kosten des Rechtsstreits angeordnet. Hinsichtlich der Beurkundungskosten lässt sich aber eine alleinige Kostentragungspflicht aus den Urkunden nicht entnehmen. Die Parteien haften im Außenverhältnis gegenüber den Notaren als Gesamtschuldner. Ausweislich ... der Vereinbarung von 1999 tragen die Parteien die Kosten der Vereinbarung je zur Hälfte. Im Innenverhältnis gilt dies auch für die Vereinbarung vom ... 2003 (dort § 7).

Es trägt auch nicht, wenn sich die Antragstellerin darauf beruft, dass sie der Antragsgegner zum Abschluss der Verträge bestimmt habe. Dies ist zum einen eine Problematik, die die Wirksamkeit der Verträge betreffen könnte. Zum anderen ist darauf hinzuweisen, dass ein hinreichender Vortrag dazu, auf Grund welcher genauen Umstände die Antragstellerin zum Abschluss bestimmt worden sein soll, nicht erbracht worden ist.

Der teilweise Ausschluss des Versorgungsausgleichs ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt gerechtfertigt, dass die Antragstellerin zunächst die Kreditraten getragen hat, obwohl der Antragsgegner Alleineigentümer des Grundstücks geworden war. Denn der Antragstellerin stünde insoweit ggfls. ein Ausgleichsanspruch gemäß § 426 Abs. 2 Satz 1 BGB zu.

Die teilweise Kürzung des Versorgungsausgleichs ist aber unter Berücksichtigung der weiteren finanziellen Verhältnisse zur Altersvorsorge beider Parteien gerechtfertigt.

Die Antragstellerin hat bislang - insbesondere wegen zu berücksichtigender Kindererziehungszeiten - eine relativ geringe Gesamtrentenanwartschaft erzielt. Es ist nicht dargetan oder ersichtlich, dass sie über nennenswerte Vermögenswerte verfügt.

Der Antragsgegner hat keine Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung erzielt. Er hat Altersvorsorge durch den Abschluss von Lebensversicherungsverträgen betrieben. Nach derzeitigem Stand wäre mit einer Auszahlung von etwa 97.000,-- EUR zu rechnen. Es handelt sich um folgende Versicherungen:

 Name Summen (gerundet)
... 32.000 EUR
... 40.000 EUR
... 25.000 EUR

Außerdem ist der Antragsgegner Alleineigentümer eines Grundstücks.

Hinsichtlich des Wertes ist angesichts der Darlegungen des Antragsgegners zur Höhe des Auszahlungsbetrages an die Schwester davon auszugehen, dass dieser zwischen 250.000 - 260.000 EUR beträgt. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass dem Wert Verbindlichkeiten in Höhe von noch etwa 200.000,-- DM gegenüberstehen.

Nach Vorstehendem geht der Senat davon aus, dass die Antragstellerin grundsätzlich auf ihre Versorgung angewiesen ist. Sie wird zwar in der Lage sein, ihre Versorgung zu verbessern, ungeachtet der Frage, ob sie bis zum Erreichen der Altersgrenze als ... wird arbeiten können. Es steht aber nicht zu erwarten, dass diese Verbesserung der Versorgung derart erfolgen könnte, dass die Antragstellerin eine überdurchschnittliche Versorgung erwarten kann.

Da der Antragsgegner keine Rentenanwartschaften erworben hat, ist er nach Ansicht des Senats auf die private Vorsorge durch die Versicherungen ebenfalls angewiesen.

Allerdings verfügt der Antragsgegner über einen erheblichen Vermögenswert, da er Alleineigentümer des Grundstücks ist (vgl. Brandenb. OLG, Beschluss vom 14. September 2004 - 9 UF 116/04). Es ist zwar zutreffend, dass dieser noch belastet ist. Es bestehen mangels entsprechender Darlegungen aber keine Anhaltspunkte, dass der Antragsgegner, der über ein zumindest durchschnittliches Einkommen verfügt, nicht in der Lage wäre, diese Verbindlichkeiten abzulösen (vgl. BGH FamRZ 2005, 1238 ff.). Der Antragsgegner kann die Immobilie, ggfls. durch teilweise Vermietung zur Altersvorsorge einsetzen.

Insbesondere der Wert des Grundstückes ist im Vergleich zu den Rentenanwartschaften der Antragstellerin so erheblich, dass die Durchführung des Versorgungsausgleichs als teilweise unbillig erscheint.

Nach Auffassung des Senats kam allerdings kein vollständiger Ausschluss des Versorgungsausgleichs in Betracht. Im Gegensatz zu dem vom Kammergericht (FamRZ 1997, 28 f.) entschiedenen Fall hat der Antragsgegner hier nämlich keinerlei Anwartschaften in der Rentenversicherung erworben. Hinzukommt, dass die Antragstellerin (- ebenfalls anders als im dort entschiedenen Fall-) auch unter Berücksichtigung des Alters der Vollerwerbstätigkeit nachgehen und damit die Versorgung verbessern kann.

Unter Abwägung der dargelegten Gesichtspunkte hält der Senat eine Kürzung des Versorgungsausgleichs um 1/2 für gerechtfertigt. Der aus der Beschlussformel ersichtliche Betrag ist unter Abzug der Hälfte des vom Amtsgericht errechneten Betrages ermittelt worden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 93 a Abs. 1 Satz 1 ZPO. Von einer Änderung der erstinstanzlichen Kostenentscheidung hat der Senat im Hinblick auf die zwischen den Parteien vereinbarte Kostentragungspflicht abgesehen. Die Wertfestsetzung beruht auf § 49 Nr. 1 ZPO.

Die Rechtsbeschwerde war angesichts der hier getroffenen Einzelfallentscheidung nicht zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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