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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 28.09.2004
Aktenzeichen: 25 W 83/04
Rechtsgebiete: FGG, FEVG, AuslG


Vorschriften:

FGG § 22 Abs. 1
FGG § 27 Abs. 1
FGG § 29 Abs. 1
FGG § 29 Abs. 4
FEVG § 3 Abs. 2
FEVG § 7 Abs. 1
FEVG § 7 Abs. 2
AuslG § 103 Abs. 2 Satz 1
AuslG § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1
AuslG § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5
AuslG § 57 Abs. 2 Satz 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 25 W 83/04

In dem Freiheitsentziehungsverfahren

hat der 25. Zivilsenat des Kammergerichts durch die Vorsitzende Richterin am Kammergericht Böhrenz, die Richterin am Kammergericht Diekmann und den Richter am Kammergericht Helmers am 28. September 2004 beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen werden der Beschluss der Zivilkammer 84 des Landgerichts Berlin vom 9. September 2004 - Az. 84 T 385/04 B - und der Beschluss des Amtsgerichts Schöneberg vom 5. Juli 2004 - Az. 70 XIV 2817/03 B - aufgehoben.

Der Haftantrag des Antragstellers vom 5. Juli 2004 wird zurückgewiesen.

Das Lnn Bnnn hat dem Betroffenen die diesem im Verfahren der sofortigen und der sofortigen weiteren Beschwerde erwachsenen notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten im Übrigen findet nicht statt.

Dem Betroffenen wird für das Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsverpflichtung bewilligt und zur Wahrnehmung der Rechte im Verfahren Rechtsanwältin Gnnn Snnnn , Knnnnn Dnn 29/30, nnn Bnnn , beigeordnet.

Gründe:

Das Rechtsmittel der sofortigen weiteren Beschwerde ist gemäß §§ 22 Abs. 1, 27 Abs. 1, 29 Abs. 1 und 4 FGG in Verbindung mit §§ 3 Abs. 2, 7 Abs. 1 und 2 FEVG und § 103 Abs. 2 Satz 1 AuslG zulässig. Es ist auch begründet, da sich die angefochtene Entscheidung als rechtsfehlerhaft erweist (§ 546 ZPO i.V.m. § 27 Abs. 1 FGG).

Rechtsbedenkenfrei hat das Landgericht allerdings das Vorliegen der Haftgründe nach § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 5 AuslG bejaht. Der Senat verweist insoweit insbesondere auf seine Ausführungen im Beschluss vom 26. März 2004 ( - 25 W 32/04 -).

Durchgreifenden Rechtsbedenken unterliegt die angefochtene Entscheidung aber, wenn das Landgericht die Voraussetzungen nach § 57 Abs. 3 Satz 2 AuslG bejaht hat. Nach dieser Vorschrift kann die Haft in Fällen, in denen ein Ausländer seine Abschiebung verhindert, um höchstens zwölf Monate verlängert werden.

Dazu hat der 1. Zivilsenat des Kammergerichts in einem Beschluss vom 7. Februar 1995 (KG-Reprot 1995, 128, 129) Folgendes ausgeführt:

" (...) Diese zeitliche Sperre, die Ausdruck der grundgesetzlichen Freiheitsgarantie ist, kann nur außer Kraft gesetzt werden, wenn im gerichtlichen Verfahren positiv festgestellt werden kann, der Ausländer verhindere seine Abschiebung. Die Feststellungslast für das Merkmal des Verhindern der Abschiebung trifft nach dem eindeutigen Wortlaut und Sinn des Gesetzes gewissermaßen die Verwaltungsbehörde, die für die Beantragung der Freiheitsentziehung zuständig ist (§ 3 Satz 1 FEVG). Bestehen Zweifel, ob der Ausländer die Abschiebung "verhindert", kann er nicht über sechs Monate hinaus in Haft gehalten werden.

Unter den erwähnten Gesichtspunkten ist das die Freiheitsentziehung anordnende oder verlängernde Gericht gehalten, nach Aufklärung des Sachverhalts im Einzelfall wertend zu prüfen, ob ein Tun oder Unterlassen des Ausländers vorliegt, das kausal dafür ist, dass die Abschiebung innerhalb von sechs Monaten nicht durchgeführt werden konnte. Dabei wird indessen zu berücksichtigen sein, dass dieses Tun oder Unterlassen vom Ausländer zu vertreten ist, ihm also zuzurechnen oder vorgeworfen werden kann. Wenn nämlich § 57 Abs. 2 Satz 4 AuslG die Sicherungshaft dann für unzulässig erklärt, wenn feststeht, dass der Ausländer innerhalb von drei Monaten aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen nicht abgeschoben werden kann, muss auch die Verhinderung der Abschiebung im Sinne des § 57 Abs. 3 Satz 2 AuslG dem Ausländer zuzurechnen, also von ihm zu vertreten sein. Das bedeutet, dass das für die Abschiebung bestehende Hindernis auf ein Tun des Ausländers, zu dessen Unterlassen er verpflichtet ist, oder auf ein Unterlassen zurückgeht, während er zu einem Tun verpflichtet ist. Immer müssen hierbei Verhaltensweisen des Ausländers vorliegen, die von seinem Willen abhängig sind (...). Gleichwohl ist es mit dem Sinn des Gesetzes nicht vereinbar, bei der Frage der Verhinderung der Abschiebung allein auf die Kausalität des Verhaltens des Betroffenen abzustellen, nämlich darauf, ob ohne ein in der Vergangenheit gezeigtes vorwerfbares Verhalten des Ausländers die Abschiebung vor Ablauf der Sechsmonatsfrist hätte durchgeführt werden können. Eine solche Betrachtung würde der Fallgestaltung nicht gerecht werden, bei der zwar ursprünglich ein Verhalten des Ausländers ursächlich für die bisher nicht erfolgte Abschiebung gewesen ist, bei der aber zwischenzeitlich Umstände hinzugetreten sind, die dem Verantwortungsbereich anderer Stellen, etwa der Verwaltungsbehörde oder Behörden des Heimatstaates, zuzurechnen sind und die jetzt als ursächlich für die nicht durchzuführende Abschiebung erscheinen. Andererseits ist es nicht angängig, bei einem Ausländer, der sich seit seiner Inhaftnahme weigerte, die für die Erlangung von zur Abschiebung erforderlicher Personaldokumente notwendigen Antragsformulare zu unterschreiben und der dadurch bis zur Beschaffung dieser Dokumente durch die Ausländerbehörde trotz zügigen Vorgehens dieser Behörde seine Abschiebung verhinderte, eine Haftverlängerung über die Sechsmonatsfrist hinaus für unzulässig zu halten, wenn der Ausländer kurze Zeit vor Ablauf dieser Frist seinen Widerstand gegen die Beantragung der Personaldokumente aufgibt. Auch dann wird anzunehmen sein, dass die Hauptursache für den Ablauf der Sechsmonatsfrist in dem vorwerfbaren Verhalten des Ausländers zu sehen ist mit der Folge, dass die Annahme gerechtfertigt ist, der Ausländer verhindere über die Sechsmonatsfrist hinaus seine Abschiebung (...)."

Nach diesen Grundsätzen, denen der Senat in ständiger Rechtsprechung folgt (vgl. z.B. Senat, Beschluss vom 15. März 2004 - 25 W 22/04 - m.w.N.), erweist es sich als rechtsfehlerhaft, dass das Landgericht die weitere Zulässigkeit der Haft bejaht hat. Es ist davon ausgegangen, dass der Betroffene dadurch, dass er zunächst seine Passnummer bzw. die ausstellende Behörde nicht benannt habe, die Abschiebung mindestens bis zum 5. Juli 2004 verhindert habe. Unter Berücksichtigung der vom Landgericht selbst vorgenommenen Ermittlungen kann allerdings nicht positiv festgestellt werden, dass dieses Verhindern noch kausal für die bislang nicht erfolgte Abschiebung ist. Das Landgericht hat dem Antragsteller aufgegeben, darzulegen, ob die durch den Betroffenen am 5. Juli 2004 getätigten Angaben nun bei der Passbeschaffung weiterhelfen können und welcher Abschiebeplan nunmehr verfolgt wird. Der Antragsteller hat nach Rücksprache mit der Botschaft mitgeteilt, dass die Prüfungen im Heimatland des Betroffenen noch nicht abgeschlossen seien. Jeder Staatsbürger erhalte eine Registriernummer, die der Betroffene nicht angegeben habe. Hätte er diese bekannt gegeben, wäre sicherlich ein Reisedokument ausgestellt worden. Diese Angaben sind nach Auffassung des Senats nicht ausreichend. Sie lassen weder erkennen, welche Angaben vom Betroffenen tatsächlich noch benötigt werden (vgl. zu den entsprechenden Anforderungen KG, 1. Zivilsenat, a.a.O., 129, rechte Sp. letzter Satz), noch ergibt sich, welche konkreten Schritte der Antragsteller noch unternehmen wird. Es ist zu berücksichtigen, dass die Angaben des Betroffenen nunmehr über zwei Monate zurückliegen. Schließlich ist eine etwaige Dauer der Ermittlungen nicht dargetan. Angesichts dieser Umstände kann nicht ausgeschlossen werden, dass in diesem Fall andere als vom Betroffenen zu beeinflussende Gründe die Nichtdurchführbarkeit der Abschiebung bedingen. Da auf die gerichtliche Verfügung des Landgerichts seitens des Antragstellers keine weiteren Angaben getätigt wurden, kam eine etwaige Zurückverweisung des Verfahrens zum Zwecke der Durchführung weiterer Ermittlungen nicht in Betracht. Ob es sich als verfahrensfehlerhaft erweist, dass das Landgericht den Betroffenen nicht angehört hat, kann nach Vorstehendem dahinstehen.

Der Senat hat davon abgesehen, dem Antragsteller die Kosten der Rechtsverteidigung des Betroffenen im amtsgerichtlichen Verfahren aufzuerlegen, da nach Ansicht des Senats (- vgl. insoweit die Ausführungen zum Haftgrund -) zum damaligen Zeitpunkt ein begründeter Anlass zur Haftbeantragung bestand (vgl. Satz 1 FEVG; BGH NJW 1996, 466, 467; Senat, KG-Report 2000, 184).

Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das vorliegende Verfahren liegen auch unter Berücksichtigung der eingereichten Erklärung des Betroffenen über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vor (§ 14 FGG i.V.m. §§ 114 ff. ZPO).

Ende der Entscheidung

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