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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 15.02.2006
Aktenzeichen: 26 W 74/05
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 246
ZPO § 252
1. Sofern das Prozessgericht über einen Antrag auf Aussetzung des Verfahrens wegen eines erst nach Erlass des Endurteils eingetretenen Aussetzungsgrundes i. S. v. § 246 ZPO im Rahmen der Begründung des Endurteils entscheidet, wird hiergegen die sofortige Beschwerde nach § 252 ZPO eröffnet.

2. Der Aufnahme des Rechtsstreits durch den Nachlasspfleger steht nicht entgegen, dass im Falle der im Erbscheinsverfahren zu klärenden Frage einer Unwirksamkeit des Testaments nur die gegnerische Partei als Erbe in Betracht kommt.

3. Die Beschwerdeentscheidung nach § 252 ZPO hat dann über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu befinden, wenn der Aussetzungsgrund erst nach dem Erlass des Endurteils in der ersten Instanz entsteht (Ergänzung zu OLG Köln, OLGR 1998, 89). Tatbestand s. a. Schluss der Entscheidung


Kammergericht Beschluss

Geschäftsnummer: 26 W 74/05

In dem Rechtsstreit

hat der 26. Zivilsenat des Kammergerichts durch den Richter am Kammergericht von Gélieu als Einzelrichter am 15. Februar 2006 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtaussetzung des Rechtsstreits wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 83.656,38 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Der Beschwerdeführer wurde von dem Erblasser auf Rückzahlung von aus dessen Vermögen entnommenen Zahlungen in Anspruch genommen. Nachdem das Landgericht durch Endurteil ein zuvor ergangenes, auf antragsgemäße Zahlung an den Erblasser gerichtetes Versäumnisurteil bestätigt hatte, verstarb der Erblasser vor Abfassung und Zustellung der Urteilsgründe des landgerichtlichen Urteils. Ebenfalls vor Zustellung des landgerichtlichen Urteils wurde der vormalige Betreuer und Prozessbevollmächtigte des Erblassers im Hinblick auf ein den Beklagten enterbendes Testament zum Nachlasspfleger für die unbekannten Erben nach dem Erblasser bestellt und erklärte, den Rechtsstreit für diese fortzuführen.

Der Beschwerdeführer beantragte nach Erlass des erstinstanzlichen Urteils die Aussetzung des Verfahrens nach § 246 Abs. 1 ZPO. Das Landgericht beschied diesen Antrag nicht, führte jedoch in seinem Urteil aus, dass Raum für eine Verfahrensaussetzung nicht bestehe, da der Urteilstenor bereits vor dem Tod des Erblassers verkündet worden sei.

Mit der sofortigen Beschwerde hat der Beschwerdeführer die Anordnung der Verfahrensaussetzung unter Hinweis darauf begehrt, dass die Anordnung der Nachlassverwaltung zu Unrecht erfolgt sei, weil es kein wirksames Testament des Erblassers gebe und er deshalb gesetzlicher Erbe sei, was sich auch im Erbscheinsverfahren herausstellen werde.

Die sofortige Beschwerde blieb ohne Erfolg.

Gründe:

Die nach § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO i.V.m. § 252 ZPO statthafte sofortige Beschwerde gegen die Nichtaussetzung des Rechtsstreits durch das Landgericht ist zulässig, da sie form- und fristgemäß eingelegt worden ist. Zur ihrer Entscheidung ist der Einzelrichter des Beschwerdegerichts nach § 568 ZPO berufen, da die Entscheidung von einem Einzelrichter erlassen wurde und die Sache weder besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist noch von grundsätzlicher Bedeutung ist.

Zwar entbehrt es einer selbständigen Entscheidung des Landgerichts über den vom Beklagten gestellten Aussetzungsantrag nach § 246 Abs. 1 ZPO, das Landgericht hat hierüber jedoch in den Gründen des dem Beklagten am 8. Dezember 2005 zugestellten Urteils vom 18. Oktober 2005 befunden, indem es eine Aussetzung des Rechtsstreits als nicht angezeigt angesehen hat.

Auch wenn die Entscheidung über die Aussetzung in einem grundsätzlich nur mit dem Rechtsmittel der Berufung anfechtbaren Urteil enthalten ist, ist hier ausnahmsweise auch die sofortige Beschwerde nach §§ 567 Abs. 1 Nr. 1, 252 ZPO als statthaft anzusehen. Die Entscheidung des Landgerichts vom 18. November 2005 beruht nicht auf der Verweigerung der Aussetzung, zumal der Aussetzungsgrund erst nach Urteilsverkündung entstanden ist. Lediglich die Urteilsgründe verbinden die Entscheidung über die Klage mit der über die Aussetzung. Wenn aber die Ablehnung der Aussetzung nicht der Begründung einer vor Stellung des Aussetzungsantrags ergangenen Entscheidung dient, muss sie als selbständige, mit der sofortigen Beschwerde anfechtbare Entscheidung angesehen werden.

Das Landgericht hat die Aussetzung des Rechtsstreits im Ergebnis zu Recht abgelehnt.

Allerdings hat das Landgericht in seiner Entscheidung übersehen, dass der Tod des früheren Klägers zwar gem. § 249 Abs. 3 ZPO nicht zur Aussetzung des Rechtsstreits hinsichtlich der Begründung und Zustellung des bereits vor dem Tod des vormaligen Klägers verkündeten Urteils führt, wohl aber das Landgericht in der Zeit zwischen dem Erlass des Endurteils und der Einlegung eines Rechtsmittels noch über den Aussetzungsantrag zu befinden hat (Zöller-Greger, ZPO, 25. Aufl., Rdnr. 3 zu § 246 ZPO). Die dann etwa noch anzuordnende Aussetzung hat insoweit gem. § 249 Abs. 1 ZPO auch Einfluss auf den Lauf der Rechtsmittelfristen hat.

Das Landgericht musste aber den Rechtsstreit nicht nach § 246 ZPO aussetzen. Zwar handelt es sich insoweit um eine gebundene Entscheidung, die dem Gericht einen Ermessenspielraum nicht einräumt, hat es über den Aussetzungsantrag nicht bereits bei Eingang des Antrags, sondern erst nach Gewährung rechtlichen Gehörs gegenüber dem Prozessgegner zu entscheiden. Nach Gewährung rechtlichen Gehörs bestand ein Aussetzungsgrund jedoch nicht, weil die Beschwerdegegner, vertreten durch den Nachlasspfleger, mit Schriftsatz vom 2. Dezember 2005 bereits erklärt hatten, den Rechtsstreit aufnehmen und fortführen zu wollen.

Insoweit besteht nach §§ 241, 243, 246 Abs. 2 ZPO kein Raum mehr für die Aussetzung des Rechtsstreits. Insbesondere spielt es hierfür keine Rolle, ob die Bestellung des Nachlasspflegers zu Recht erfolgt ist, diese Frage ist dem Verfahren über die Nachlasspflegschaft vorbehalten. Entgegen der Auffassung des Beklagten gibt es auf jeden Fall mehrere Erbprätendenten. Wenn er wirksam testamentarisch enterbt worden sein sollte und kein anderer Erbe an seiner Stelle benannt ist, scheidet er einerseits als gesetzlicher Erbe aus und ist andererseits gesetzlicher Erbe an seiner Stelle - soweit es keine anderen gesetzlichen Erben gibt - der Fiskus. Sollte das Testament wirksam sein, kommt deshalb entgegen der Auffassung des Beklagten durchaus ein anderer Erbe in Betracht.

Ob insoweit eine Aussetzung des Verfahrens nach § 148 ZPO in Betracht kommt, bedarf hier keiner Entscheidung, da ein entsprechender Antrag nicht gestellt worden ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Soweit in Literatur und obergerichtlicher Rechtsprechung ausgeführt ist, dass über die Kosten des Beschwerdeverfahrens erst in der die Instanz abschließenden Entscheidung zu befinden ist (OLG Köln, OLGR 1998, 89) können diese Grundsätze auf den hier zu entscheidenden Sachverhalt keine Anwendung finden, da die Entscheidung über den Aussetzungsantrag erst anstand, als bereits ein Endurteil ergangen war und das Landgericht deshalb nicht in der Lage ist, über die Kosten des Beschwerdeverfahrens im Rahmen seines Endurteils zu entscheiden.

Der Beschwerdewert ist mit der Hauptforderung gleichzusetzen, da es dem Beklagten unabhängig davon, dass die Berufungsfrist inzwischen verstrichen ist, auch darauf ankommt, eine Zwangsvollstreckung wegen der Klageforderung zu verhindern.

Ende der Entscheidung

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