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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 17.11.2004
Aktenzeichen: 3 UF 52/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1378 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 26.Januar 2004 verkündete Urteil des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I. Gemäß § 540 I Nr. 1 ZPO wird zunächst auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen mit folgender Ergänzung verwiesen.

Die am 22.6.1998 erfolgte Scheidung der Ehe wurde gemäß der von dem Kläger erstinstanzlich in Übersetzung vorgelegten "Scheidungsurkunde" am 14. August 1998 beim Standesamt des Bezirkes M...... der Stadt Moskau im Register für Ehescheidungen registriert und dem Kläger wurde von dort am 14. August 1998 eine entsprechende Bescheinigung erteilt. Mit Schreiben vom 2. September 1998 machte er dann Ansprüche nach deutschem Güterrecht gegenüber der Beklagten geltend.

Der Kläger rügt mit der Berufung, das Amtsgericht hätte ihm nach seinem umfangreichen Vortrag im Schriftsatz vom 13. September 2002 einen rechtlichen Hinweis erteilen müssen, wenn es auch diesen Vortrag nicht als ausreichend zur Erfüllung seiner Auflagen angesehen habe. Es sei nicht ersichtlich, aufgrund welcher Kriterien es gemeint hat, der Kläger habe nicht ausreichend vorgetragen bzw. sein Vortrag sei unglaubwürdig. Soweit er eine Übersetzung der Urkunde vom 13.9.1988 betreffend den Erwerb des "Wochenendhauses" vor der Eheschließung durch ihn nicht vorgelegt habe, habe das einer Vermögensteilung nicht entgegengestanden. Er legt nun Übersetzung dieser Urkunde vor, wegen deren Inhaltes auf Bl.142 d.A. verwiesen wird. Im Grunde stelle sich das gemeinsame Vermögen der Eheleute nach dem bisherigen Vortrag wie folgt dar: Eigentumswohnung in Berlin, Eigentumswohnung in Moskau, Wochenendhaus in der Umgebung von Moskau. Hinsichtlich der Wohnung in Moskau seien bereits beide Eheleute als Eigentümer eingetragen, so dass eine Aufteilung dieses gemeinsamen Vermögenswertes nicht sinnvoll sei. Hinsichtlich der beiden restlichen Vermögensgegenstände müsste der hälftige Miteigentumsanteil auf den Kläger übertragen bzw. ein Wertausgleich geschaffen werden, wenn das Gericht der Ansicht ist, dass das Eigentum bei der Beklagten zu verbleiben habe. Dabei sei natürlich zu berücksichtigen, dass die Wohnung in Berlin den größeren Wertanteil bilde. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts müsse nicht zwingend das gesamte Vermögen auseinandergesetzt werden, es genüge vielmehr, die Teilung einzelner Vermögensgegenstände zum Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens zu machen. Fehlerhaft habe das Amtsgericht den Hilfsantrag auf Auskunft abgewiesen, denn dieser sei nur für den Fall gestellt gewesen, dass deutsches Recht Anwendung finde.

Der Kläger beantragt,

1) das angefochtene Urteil abzuändern und das Gesamtgut der Parteien aufzuteilen,

2) hilfsweise die Beklagte zu verurteilen,

a) dem Kläger Auskunft zu erteilen über ihr Endvermögen am 22.6.1998 durch Vorlage eines geordneten und übersichtlich zusammengestellten Bestandsverzeichnisses i.S. d. § 260 I BGB, getrennt nach Aktiva und Passiva und dabei die Positionen nach Anzahl, Art und wertbildenden Merkmalen einzeln aufzuführen,

b) an Eides Statt zu versichern, dass sie nach bestem Wissen ihr Endvermögen so vollständig und so richtig, wie es ihr möglich war, angegeben hat,

c) an den Kläger Zugewinnausgleich in Erfüllung des Antrages zu 2 a) in noch zu beziffernder Höhe zu zahlen zuzüglich 5 % Zinsen seit 22.6.1998.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.

Sie macht geltend, der Kläger könne schon deshalb nicht die Teilung des Gesamtgutes von ihr verlangen, weil er mit der im Scheidungsverfahren bei dem Gericht in Moskau eingereichten Erklärung: "Die Klageforderungen der Klägerin ...sind mir bekannt, vermögensrechtliche und andere Streitigkeiten und Ansprüche wird es nicht geben" rechtswirksam auch für die Zukunft auf die Geltendmachung des Anspruchs auf Teilung des Gesamtgutes verzichtet habe. Diese Erklärung habe nicht wegen eines angeblichen Formverstosses - wie das Amtsgericht angenommen habe - unberücksichtigt zu bleiben. Für den Fall, dass der Senat ihrer Rechtsauffassung insoweit nicht folgt, erstrebt die Beklagte die Vermögensaufteilung dergestalt, dass sie die Wohnung in Berlin behält und dem Kläger die Wohnung und das Wochenendhaus in der Umgebung von Moskau zugeteilt wird. Zum Wert der Wohnung in Moskau trägt sie vor, dass die Immobilienpreise in Moskau deutlich angestiegen seien. Die in Rede stehende Wohnung befinde sich in einer ausgezeichneten Lage in einem Viertel in der Mitte von Moskau, das als "Goldne Meile" bezeichnet werde. Zu dem Wochenendhaus in der Umgebung von Moskau legt sie Übersetzung einer Urkunde vom 16. Juni 1993 vor, gemäß der ihr das Grundstück Nr. 117 in der Gartengenossenschaft "Wasiliki" zwecks Gartenbau zur Verfügung gestellt wird als Eigentum. Sie meint, sofern der Senat zu dem Ergebnis kommen sollte, dass die Eigentumswohnung in Berlin den Wert der beiden Immobilien in Russland übersteige, müsse die Vorschrift des Art. 39 Nr. 2 des russischen Familiengesetzbuches zur Anwendung kommen.

Hinsichtlich des hilfsweise geltend gemachten Anspruchs auf Zugewinnausgleich wiederholt sie die bereits erstinstanzliche erhobene Einrede der Verjährung.

II. Die gemäß §§ 511, 517, 519, 520 ZPO zulässige Berufung ist unbegründet.

Das Amtsgericht hat die Klage sowohl hinsichtlich des Haupt- als auch des Hilfsantrages im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

Die in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte hat das Amtsgericht zutreffend bejaht.

1) Die Klage ist hinsichtlich des mit dem Hauptantrag verfolgten Begehrens auf Aufteilung des Gesamtgutes der Parteien unbegründet, denn der güterrechtliche Anspruch der Parteien beurteilt sich nicht nach dem Heimatrecht der Parteien, d.h. dem Recht der russischen Föderation - worauf der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hingewiesen worden ist und Gelegenheit zur Stellungnahme hatte.

Richtig ist zwar der Ausgangspunkt des Amtsgerichts, dass für die güterrechtlichen Verhältnisse der Parteien gemäß Art. 15 I, 14 I Nr. 1 EGBGB das Recht der russischen Föderation maßgebend ist, da die Parteien zum Zeitpunkt der in Moskau erfolgten Eheschließung russische Staatsangehörige waren, der Umstand, dass der Kläger nach der Eheschließung in Deutschland den Status eines so genannten Kontingentflüchtlings erworben hatte, ist für die gesetzliche Anknüpfung des Güterrechtsstatus unerheblich. Art. 161 Nr. 1 des am 1.3.1996 in Kraft getretenen Familiengesetzbuches der Russischen Föderation vom 29.12.1995 (im folgenden kurz: FGB) verweist jedoch für die persönlichen nichtvermögenswerten und vermögenswerten Rechte und Pflichten der Ehegatten auf das deutsche Recht als die Gesetzgebung des Staates, auf dessen Gebiet die Parteien ihren letzten gemeinsamen Wohnsitz hatten, zurück. Das deutsche Recht nimmt die Rückverweisung an (Art. 4 I EGBGB).

Da der hier streitgegenständliche güterrechtliche Anspruch auf Aufteilung des Gesamtgutes nach Auflösung der Ehe (Art. 38 Nr.1, 2.Alternative FGB) und somit nach dem Inkrafttreten des FGB entstanden ist, findet gemäß der intertemporalen Vorschrift des Art. 169 Nr. 1 Satz 2 FGB die Neuregelung in Art. 161 FGB Anwendung. Die Unwandelbarkeit bezogen auf die Anknüpfung des Güterrechtsstatuts betrifft nur die kollisionsrechtliche Ebene. Dessen Anknüpfungspunkte werden auf den Zeitpunkt der Eheschließung fixiert. Das hierdurch berufene Recht bleibt deshalb auch dann anzuwenden, wenn sich die für die (erstmalige) Bestimmung des Güterstatuts maßgebenden Anknüpfungspunkte wie Staatsangehörigkeit und Aufenthalt ändern. Der somit nach russischem Recht zu beurteilende Güterstand bewegt sich auf der sachrechtlichen Ebene. Er wird nicht durch eine Norm des deutschen Verweisungsrechts festgeschrieben. Es liegt vielmehr gerade in der Natur der Anwendbarkeit eines ausländischen Rechts, dass das anzuwendende Statut über seinen Inhalt und auch über seine Veränderung entscheidet. Ändert sich das maßgeblich gebliebene Recht, gilt ab dem Zeitpunkt der Änderung also grundsätzlich das Güterstatut in seiner geänderten Form und zwar einschließlich seiner Überleitungsvorschriften und intertemporalen Regelungen (Gamillscheg, Festsschrift für Eduard Bötticher, 143,148; Staudinger-von Mankowski [2003], Rdz. 47 zu Art. 15). Das Deutsche Internationale Privatrecht überlässt deshalb dem intertemporalen Recht der berufenen Rechtsordnung die Beantwortung der Frage, ob Änderungen dieser Rechtsordnung sich auch auf vorher begründete Rechtsverhältnisse erstrecken (Münchner Kommentar-Siehl 3. Aufl., Rdz. 62 zu Art. 15).

Soweit der Kläger und ihm folgend das Amtsgericht der Ansicht sind, die kollisionsrechtliche Regelung des Art. 161 FGB würde auf das Verhältnis der Parteien keine Anwendung finden, weil der gesamte Abschnittl VII, in dem diese Vorschrift steht, ausweislich der Überschrift nur gelte, wenn ausländische Staatsangehörige oder Staatenlose beteiligt seien, trifft das nicht zu. In diesem Abschnitt sind vielmehr auch Regelungen enthalten, die ausschließlich russische Staatsangehörige betreffen, ein Auslandsbezug in anderer Weise, insbesondere durch den gemeinsamen Wohnsitz besteht. So regelt Art. 157 Nr. 1 FGB dass die Eheschließung zwischen russischen Staatsbürgern, die außerhalb der russischen Föderation leben in diplomatischen Vertretungen oder konsularischen Einrichtungen ihres Heimatlandes erfolgen. In Art. 158 Nr. 1 FGB ist u.a. die Anerkennung von im Ausland zwischen Staatsbürgern der Russischen Föderation geschlossener Ehen geregelt. Art. 160 Nr. 3 FGB regelt u.a. die Anerkennung ausländischer Entscheidungen über die Auflösung einer Ehe zwischen russischen Staatsangehörigen. Ferner ist Art. 163 der - eine von der Staatsangehörigkeit nur hilfsweise abhängige - umfassende Verweisung auf den Aufenthaltsort in Bezug auf Rechte zwischen Eltern und Kindern vornimmt, auch bei Eltern die beide russische Staatsbürger sind, einschlägig. Aus der systematischen Stellung des Art. 161 Nr. 1 FGB kann deshalb nicht abgeleitet werden, dass diese Vorschrift entgegen ihrem umfassenden Wortlaut bei Ehegatten mit gemeinsamer russischer Staatsangehörigkeit keine Anwendung findet.

2) Die Klage ist auch hinsichtlich des hilfsweise geltend gemachten Anspruchs unbegründet.

Der Kläger kann Auskunft gemäß § 1379 BGB nicht verlangen, da ihm eine Ausgleichsforderung nach § 1378 BGB nicht zusteht. Die Beklagte ist gegenüber einem möglicherweise entstandenen Ausgleichsanspruch nach § 1378 Abs. 1 BGB zur Verweigerung der Leistung berechtigt, da sie sich mit Erfolg auf die Einrede der Verjährung beruft.

Der Ausgleichsanspruch nach § 1378 Abs. 1 BGB verjährt gemäß Abs. 4 der genannten Vorschrift in 3 Jahren, die Verjährungsfrist beginnt mit Kenntnis von der Beendigung des Güterstandes. Die Bescheinigung über die Scheidung der Ehe und deren Registrierung beim Standesamt ist dem Kläger am 14. August 1998 erteilt worden. Demzufolge hat er unstreitig mit Schreiben vom 2. September1998 gegenüber der Beklagten Ansprüche nach deutschen Güterrecht gestellt. Die Verjährungsfrist begann daher nach § 198 BGB a.F., der im vorliegenden Fall gemäß Art. 229 § 6 Abs. 1 S. 2 EGBGB noch anwendbar ist, mit dem Erhalt der Bescheinigung am 14. August 1998, endete also mit dem Ablauf des 14. August 2001. Der Kläger hat durch seinen damaligen Prozessbevollmächtigten Rechtsanwalt G... die auf Auskunft gemäß § 1379 BGB über das Endvermögen der Beklagten am 22. Juni 1998 und Zahlung von Zugewinnausgleich in noch zu beziffernder Höhe gerichtete Klage am 21. Januar 2002 zurückgenommen. Durch die Klagerücknahme gilt, da die Klage nicht innerhalb der Frist von 6 Monaten nach der Rücknahme neu erhoben wurde, die durch die Klageerhebung gemäß § 209 BGB a.F. zunächst erfolgte Unterbrechung der Verjährung als nicht erfolgt. Art. 229 § 6 Abs. 1 S. 3 EGBGB stellt klar, das dies auch dann gilt, wenn nach dem 31. Dezember 2001 ein Umstand eintritt, der eine vor dem 1. Januar 2002 bewirkte Unterbrechung rückwirkend als erfolgt oder nicht erfolgt gelten lässt. Hauptanwendungsfall ist § 212 a.F. Wurde - wie hier - die Klage am 20. Juli 2001 erhoben, am 21. Januar 2002 jedoch zurückgenommen, so gilt die Unterbrechung der Verjährung als nicht erfolgt; dies ergibt sich aus § 212 Abs. 1 a.F., der aufgrund des Art. 229 § 6 Abs.1 S. 3 insofern weiter Anwendung findet. (Huber/Faust, Schuldrechtsmodernisierung, 6. Teil, 20. Kapitel Rdz 8; Staudinger/Peters, EGBGB, 2003, Art. 229 Rn 22; a.A. Palandt/Heinrichs, BGB, 63.Aufl., § 229 EGBGB Rdz. 9 der § 212 BGB a.F. in einem solchen Fall nicht mehr für anwendbar hält, sondern § 204 Abs. 2 BGB). Da die Unterbrechung der Verjährung hier als überhaupt nicht erfolgt gilt, kommt Art. 229 § 6 Abs. 2 EGBGB, nach der die Unterbrechung der Verjährung von Gesetzes wegen am 31.12.2001 endete (mit der Folge des Laufs einer neuen Verjährungsfrist, die dann sogleich gehemmt worden wäre) nicht zum Tragen. Nur wenn der Kläger innerhalb der Frist des § 212 Abs. 2 BGB a.F. wieder Klage erhoben hätte, würde die letztgenannte Regelung mit der sich aus Art. 229 § 6 Abs. 2 EGBGB ergebenden Maßgabe, dass bis 31.12.2001 eine Unterbrechung vorlag, ab dem 1.1.2002 eine Hemmung im Sinne der §§ 209, 204 Abs. 2 S. 1 BGB, Anwendung finden (vgl. Staudinger/Peters, aaO., Rn 23). Mit der am 31. Oktober 2002 erneut erfolgten Klageerhebung konnte diese Wirkung nicht mehr herbeigeführt werden. Auch auf den Eintritt der Verjährung ist der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hingewiesen worden und hatte Gelegenheit zur Stellungnahme.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 I ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr.10, 713 ZPO.

Die Voraussetzungen des § 543 ZPO für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Die Frage, welches Güterrecht im vorliegenden Fall zur Anwendung berufen ist, hat keine grundsätzliche Bedeutung; der Senat weicht auch nicht von der Rechtsprechung des BGH oder anderer Oberlandesgerichte ab.



Ende der Entscheidung

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