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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 24.01.2008
Aktenzeichen: 3 Ws 66/07
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 11 Abs. 2 Nr. 2
Auch eine Praktikantin der Berliner Feuerwehr kann Amtsträgerin im Sinne von § 11 Abs. 2 Nr. 2 StGB sein, wenn sie das Praktikum im Rahmen ihrer Ausbildung absolviert und in den Dienstbetrieb der Feuerwehr integriert ist.
KAMMERGERICHT Beschluss

Geschäftsnummer: 3 Ws 66/07

In der Strafsache

wegen Beleidigung u.a.

hat der 3. Strafsenat des Kammergerichts in Berlin am 24. Januar 2008 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Nebenklägerin, Frau S... K..., ... Berlin, ..., vertreten durch Rechtsanwältin E... S..., ... Berlin, ..., wird der Beschluss des Landgerichts Berlin vom 6. November 2006 aufgehoben.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Landeskasse Berlin.

Gründe:

Das Amtsgericht Tiergarten in Berlin hat die Beschwerdeführerin als Nebenklägerin zugelassen und den Angeklagten wegen Beleidigung und versuchter Nötigung zu einer Gesamtgeldstrafe von 25 Tagessätzen zu je 70,00 Euro verurteilt. Gegen das Urteil hat der Angeklagte Berufung eingelegt. Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Landgericht die Zulassung der Nebenklägerin widerrufen. Die gegen diesen Beschluss gerichtete Beschwerde der Nebenklägerin, der das Landgericht nicht abgeholfen hat, hat Erfolg.

Das als sofortige Beschwerde bezeichnete und gemäß § 300 StPO als Beschwerde zu behandelnde Rechtsmittel ist nach § 304 StPO zulässig. Insbesondere ist es nicht nach § 305 StPO ausgeschlossen, weil es sich bei der Entscheidung über die Zulassung der Nebenklage um eine verfahrensrechtliche selbständige Entscheidung handelt (vgl. OLG Düsseldorf, NStZ 1997, 204; Senge in Karlsruher Kommentar, StPO 5. Auflage, § 396 Rdnr. 11 m.w.N.).

Die Beschwerde ist auch begründet. Zu Unrecht hat das Landgericht die Zulassung der Beschwerdeführerin als Nebenklägerin widerrufen. Zwar hat ein die Nebenklage zulassender Beschluss nach §§ 395 Abs. 1, 396 Abs. 2 StPO lediglich deklaratorische Bedeutung, ist nicht rechtskraftfähig und kann in jeder Lage des Verfahrens aufgehoben werden, wenn sich nachträglich das Fehlen einer verfahrensrechtlichen Grundlage herausstellt. Es begegnet daher keinen rechtlichen Bedenken, dass das Landgericht im Berufungsverfahren die Zulässigkeit der Nebenklage erneut geprüft hat. Zu Unrecht ist das Landgericht jedoch zu der Auffassung gelangt, dass die Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Nebenklage nicht gegeben sind.

Der Erhebung der öffentlichen Klage kann sich nach § 395 Abs. 1 Nr. 1 b StPO als Nebenkläger unter anderem anschließen, wer durch eine rechtswidrige Tat nach den §§ 185 bis 189 StGB verletzt ist. Dabei ist nach allgemeiner Ansicht nicht Voraussetzung des Anschlusses, dass der Verletzte selbst einen wirksamen Strafantrag gestellt hat (vgl. Meyer-Goßner, StPO 50. Aufl., § 395 Rdnr. 5 m.N.). Ausreichend ist vielmehr auch, dass die Tat aufgrund eines wirksamen Strafantrages eines anderen verfolgbar ist. Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist diese Voraussetzung vorliegend gegeben. Denn es liegt ein wirksamer Strafantrag des Dienstvorgesetzten der Beschwerdeführerin (§§ 194 Abs. 3 Satz 1, 77 a Abs. 1 StGB) vor.

Die Beschwerdeführerin war zum Zeitpunkt der Tat im Rahmen eines Ausbildungsverhältnisses als Praktikantin bei der Berliner Feuerwehr tätig. Die Beleidigung ist gegen sie während der Ausübung ihres Dienstes erfolgt. Ein strafantragsberechtigter Mitarbeiter der Personalstelle der Berliner Feuerwehr hat mit Schreiben vom 10. Dezember 2004 Strafanzeige gegen den Beschuldigten wegen Beleidigung der Verletzten erstattet. Zwar wird in diesem Schreiben nicht ausdrücklich Strafantrag gestellt. Das ist jedoch auch nicht erforderlich. Als Strafantrag ist vielmehr jedes erkennbar zum Ausdruck gebrachte Begehren eines strafrechtlichen Einschreitens wegen einer bestimmten Handlung anzusehen (vgl. Fischer, StGB 55. Aufl., § 77 Rdnr. 24 m.N.). Diese Voraussetzung wird von der schriftlichen Strafanzeige der Berliner Feuerwehr erfüllt.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist der Dienstvorgesetzte der Beschwerdeführerin vorliegend auch zur Stellung eines wirksamen Strafantrages befugt. Denn die Beleidigung ist gegen die Beschwerdeführerin als Amtsträgerin während der Ausübung ihres Dienstes begangen worden.

Amtsträger im Sinne des Strafgesetzbuches ist nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB unter anderem, wer sonst dazu bestellt ist, bei einer Behörde oder bei einer sonstigen Stelle oder in deren Auftrag Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrzunehmen. Diese Voraussetzungen haben auf die Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt der Tat zugetroffen.

Die Beschwerdeführerin absolvierte aufgrund eines Ausbildungsvertrages zwischen ihr und der Berliner Feuerwehr vom 19. August 2003 bei letzterer eine Ausbildung als Rettungsassistentin. Im Rahmen dieser Ausbildung war sie vom 1. April 2004 bis zum 31. März 2005 entsprechend der Ausbildungsverordnung des RettAssG aufgrund eines zwischen ihr und dem Land Berlin, vertreten durch die Berliner Feuerwehr, geschlossenen Praktikantenvertrages vom 23. März 2004 als Praktikantin bei der Berliner Feuerwehr beschäftigt. Für den Zeitraum ihrer Ausbildung war sie daher bei dem Land Berlin, vertreten durch die Berliner Feuerwehr angestellt und, jedenfalls für die Dauer des Praktikums, in deren Organisation und Betrieb eingegliedert. Zwar bedarf es nach höchstrichterlicher Rechtsprechung für die Begründung der Eigenschaft als Amtsträger eines öffentlich-rechtlichen, wenn auch nicht notwendigerweise förmlichen Bestellungsaktes zur Unterscheidung von einer bloßen privatrechtlichen Beauftragung (vgl. BGHSt 43, 96 ff.). Dafür ist es jedoch ausreichend, wenn die Bestellung des Privaten entweder zu einer über den einzelnen Auftrag hinausgehenden längerfristigen Tätigkeit oder einer organisatorischen Eingliederung in die Behörde führt (BGH a.a.O.). Beide Voraussetzungen waren bei der Beschwerdeführerin für die Zeit ihres Praktikums erfüllt. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Beschwerdeführerin lediglich als Auszubildende im Rahmen eines Praktikums bei der Berliner Feuerwehr tätig war. Auch zur Ausbildung oder auf Probe Beschäftigte können im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 2 c StGB bestellt sein (vgl. Hilgendorf in Leipziger Kommentar, StGB 12. Auflage, § 11 Rdnr. 36 m.N.). Die Beschwerdeführerin war daher zur Tatzeit Amtsträgerin im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 2 c StGB. Einer förmlichen Verpflichtung im Sinne des Verpflichtungsgesetzes bedarf es - abweichend von für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 4 a StGB - in diesem Falle nicht (vgl. Hilgendorf, a.a.O.). Auf die vom Landgericht erörterte Frage, ob die Beschwerdeführerin gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 4 StGB für den öffentlichen Dienst besonders verpflichtet war, kommt es daher vorliegend nicht an.

Die Kostenentscheidung beruht auf analoger Anwendung von § 467 Abs. 1 StPO.

Ende der Entscheidung

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