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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 11.11.2008
Aktenzeichen: 4 U 149/07
Rechtsgebiete: SGB V


Vorschriften:

SGB V § 173
SGB V § 175 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Kammergericht Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 4 U 149/07

verkündet am: 11.11.2008

In dem Rechtsstreit

hat der 4. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin-Schöneberg, Elßholzstr. 30-33, 10781 Berlin, auf die mündliche Verhandlung vom 21.10.2008 durch die Vorsitzende Richterin am Kammergericht Junck, den Richter am Kammergericht Fahr und die Richterin am Kammergericht Saak

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das am 10.9.2007 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin - 24 O 541/05 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages zuzüglich 10 % abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Klägerin nimmt den Beklagten als Geschäftsführer der ... Bau GmbH auf Schadensersatz wegen hinterzogener Sozialversicherungsbeiträge in Anspruch. Hinsichtlich der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen. Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Dagegen richtet sich dessen Berufung, mit der er insbesondere die Aktivlegitimation der Klägerin rügt, den Anspruch aber auch im Übrigen dem Grunde und der Höhe nach bestreitet. Hinsichtlich der Einzelheiten des Vortrags wird auf die Berufungsbegründung vom 19.12.2007 Bezug genommen sowie auf die weiteren Ausführungen in den Schriftsätzen vom 18.6. 2008 und vom 6.8.2008.

Der Beklagte beantragt,

unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Sie tritt dem Vorbringen des Beklagten nach Maßgabe der Berufungserwiderung vom 4.1.2008 entgegen und nimmt - auf die Auflage des Senats vom 19.5.2008 - Bezug auf ein Schreiben der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 16.7.2008, in dem diese erläutert, in welcher Weise von ihr die hinterzogenen Sozialversicherungsbeiträge den verschiedenen Einzugsstellen zugewiesen worden sind.

II.

1. Die Berufung des Beklagten ist unbegründet.

a) Die Rüge bezüglich der örtlichen Zuständigkeit des Landgerichts Berlin hat der Beklagte nach dem Hinweis des Senats in der Verfügung vom 19.5.2008 nicht mehr aufrechterhalten.

b) Die Klägerin ist für den geltend gemachten Anspruch aktiv legitimiert. Allerdings folgt der Senat nicht der Auffassung des Landgerichts, dass die Klägerin allein aufgrund der Zuweisung durch den Prüfbescheid der BfA aktivlegitimiert sei. Mit der Zuweisung zur Einziehung der hinterzogenen Beiträge im Bescheid vom 18.11.2003 ist die Klägerin nicht konstitutiv zur Einzugsstelle bestimmt worden, denn in dem Bescheid sind lediglich am Ende unter der Überschrift "Zahlungsfrist" die zuständigen Einzugsstellen informationshalber aufgeführt. Eine konstitutive Bestimmung in dem Bescheid durch die BfA war weder möglich noch erforderlich, da die zuständigen Einzugsstellen gesetzlich in Verbindung mit der "Gemeinsamen Verlautbarung der Spitzenverbände der Krankenkassen zum Krankenkassenwahlrecht" vom 22.11.2001 (u.a. abgedruckt in Die Beiträge... 2002, S. 312 ff, 247 ff) (im folgenden nur noch: "Verlautbarung") bestimmt sind. Dies folgt aus §§ 28 i in Verbindung mit 28 f Abs. 2 SGB IV und § 175 Abs. 3 S. 3 SGB V, wobei Letzterer auf die von den Spitzenverbänden der Orts-, Betriebs-, Innung- und Ersatzkassen gemeinsam zu treffende Vereinbarung verweist, die am 22.11.2001 getroffen worden ist.

Die genannte Verlautbarung vom 22.11.2001 ist auch für den hier streitigen Zeitraum maßgebend, denn sie wurde erst durch eine weitere "Gemeinsame Verlautbarung ...." vom 15.3.2006 abgelöst. Soweit der Beklagte mit den Anlagen B 3 und 4 ein "Gemeinsames Rundschreiben vom 30.10.2003" sowie eine "Besprechung der Spitzenverbände der Krankenkassen" vom 21./22.11.2001 eingereicht hat, handelt es sich nicht um von der Verlautbarung vom 22.11.2001 abweichende Vereinbarungen, sondern lediglich um deren Ergänzungen. In der "Besprechung der Spitzenverbände" (Anlage B 4) geht es um die Zuordnung für die Fälle, in denen das Krankenkassenwahlrecht überhaupt nicht - also weder vom Arbeitnehmer nach § 173 SGB V noch vom Arbeitgeber nach § 175 Abs. 3 SGB V - ausgeübt worden ist und auch keine "letzte Kasse" vorhanden ist. Diese Zuordnung wird jährlich in Anlehnung an die zum Stichtag 1. Juli im Bereich der allgemeinen Krankenversicherung bestehenden Mitgliedschaften krankenversicherter Arbeitnehmer überprüft. Die aufgrund dieser Zahlen vorgenommene Quotierung gilt sodann für das für den jeweiligen Stichtag folgende Kalenderjahr (Ziffer 5.3.2, 5.3.3 der Verlautbarung vom 22.11.2001). Ferner enthält die von den Beklagten eingereichte Anlage B 4 Vereinbarungen über die "Zusammenarbeit der Einzugsstellen und Rentenversicherungsträger mit den Arbeitsämtern und den Hauptzollämtern gemäß § 107 SGB IV/§ 304 SGB III". Auch die Anlage B 3 stellt keine die Verlautbarung vom 22.11.2001 abändernde Vereinbarung dar, sondern lediglich ein gemeinsames Rundschreiben betreffend die Durchführung von Betriebsprüfungen.

Die Klägerin ist auch die nach den vorgenannten Regelungen zuständige Einzugsstelle. Nach Ziffer 5.3.3. der Verlautbarung gelten auch für Summenbeitragsbescheide grundsätzlich die Ziffern 5.3.1. und 5.3.2, die die Zuordnung nicht gemeldeter Arbeitnehmer betreffen für die Fälle, in denen eine letzte Krankenkasse vorhanden beziehungsweise nicht vorhanden ist. Nach Ziffer 5.3.1. wird der Arbeitnehmer für den Fall, dass das Wahlrecht nicht ausgeübt wird, der Krankenkasse zugewiesen, bei der er bislang versichert war. Ist eine solche letzte Krankenkasse nicht vorhanden, kommt es nach Ziffer 5.3.2 zu einer Zuweisung in Anlehnung an die beiden letzten Ziffern der Betriebsnummer des Arbeitgebers. Ferner regelt Ziffer 5.3.3. Satz 3, dass, für den Fall, dass sich der Summenbeitragsbescheid auf Arbeitsentgelte gemeldeter Arbeitnehmer bezieht, eine Quotierung der beim Arbeitgeber vertretenen Krankenkassen vorzunehmen ist. Nach dieser letztgenannten Vorschrift ist die Klägerin hier aktiv legitimiert, weil sich der Summenbeitragsbescheid - auch - auf Arbeitsentgelte gemeldeter Arbeitnehmer bezieht. Die Klägerin hat unter Bezugnahme auf das Schreiben der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 16.7.2008 die Problematik deutlich gemacht, die hier dadurch entstanden ist, dass es einige offiziell gemeldete Arbeitnehmer gab, mit denen allein aber das ermittelte gesamte Auftragsvolumen nicht hätte erarbeitet werden können. Daraus folgte, dass es Schwarzlohnzahlungen gegeben haben muss, wobei aufgrund der nicht ordnungsgemäß geführten Aufzeichnungen des Arbeitgebers nicht zu ermitteln war, welche korrekten beitragspflichtigen Arbeitsentgelte auf die sporadisch angemeldeten Arbeitnehmer einerseits und die weiteren namentlich nicht bekannten Schwarzarbeiter entfielen. Dieser Fall ist von der Verlautbarung nicht geregelt. Unter diesen Umständen erscheint es dem Senat angemessen, die Regelung der Ziffer 5.3.3. dahingehend auszulegen, dass eine Quotierung der Beiträge aufgrund der beim Arbeitgeber vertretenen Krankenkassen auch für den vorliegenden Fall vorzunehmen war, wie es durch den Bescheid vom 18.11.2003 geschehen ist. Denn es waren zwar einige Arbeitnehmer bekannt, bei denen auch eine "letzte Krankenkasse vorhanden" war. Unklar war aber, welches Arbeitsentgelt tatsächlich auf diese Arbeitnehmer entfiel und welches Arbeitsentgelt demgegenüber auf namentlich nicht bekannte Schwarzarbeiter entfiel, bei denen zwangsläufig eine "letzte Krankenkasse nicht vorhanden" war. Eine korrekte Zuordnung des nur aufgrund des Gesamtumsatzes geschätzten Arbeitsentgeltes nach den Ziffern 5.3.1 einerseits und 5.3.2 andererseits war deshalb nicht möglich. Zwar hätte auch insoweit wohl eine Schätzung vorgenommen werden können. In Anbetracht der bestehenden Unsicherheiten ist es aber nicht zu beanstanden, dass die Zuweisung unter diesen Umständen entsprechend Ziffer 5.3.3 Satz 3 durch die Deutsche Rentenversicherung Bund erfolgt ist. Im Übrigen ist der Beklagte durch diese Art der Zuweisung nicht beschwert, da die gesamten hinterzogenen Beiträge verschiedenen Kassen zugewiesen sind, die diese jeweils geltend machen und damit nicht die Gefahr einer doppelten Inanspruchnahme des Beklagten besteht.

c) Die Klage ist dem Grunde und auch der Höhe nach begründet. Die Klägerin hat durch die Vorlage des Prüfbescheides vom 18.11.2003 in die Voraussetzungen des Anspruchs aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit §§ 266a, 14 StGB schlüssig dargelegt, wie in der Verfügung des Senats vom 19.5.2008, auf die Bezug genommen wird, näher ausgeführt worden ist. In dieser Verfügung ist der Beklagte auch bereits darauf hingewiesen worden, dass sein pauschales Bestreiten unerheblich ist. Mit der Ladungsverfügung vom 19.9.2008 ist der Beklagte nochmals darauf hingewiesen worden, dass es ihm als ehemaligen Geschäftsführer der Beitragsschuldnerin oblegen hätte, zu den Beschäftigungsverhältnissen und den abgeführten Sozialversicherungsbeiträgen im einzelnen und unter Beweisantritt vorzutragen beziehungsweise darzulegen, dass die strafrechtliche Verurteilung zu Unrecht erfolgt ist. Konkreter Sachvortrag hierzu ist nicht erfolgt, so dass an der Begründetheit der Klageforderung keine Zweifel bestehen.

2. Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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