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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Urteil verkündet am 19.02.2002
Aktenzeichen: 4 U 18/01
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 302
Ein Urteil unter dem Vorbehalt eines Zurückbehaltungsrechts ist nicht zulässig.
KAMMERGERICHT Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer: 4 U 18/01

Verkündet am: 19. Februar 2002

hat der 4. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin auf die mündliche Verhandlung vom 19. Februar 2002 durch die Vorsitzende Richterin am Kammergericht Uerpmann, die Richterin am Kammergericht Saak und den Richter am Kammergericht Klum für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 20. Dezember 2000 verkündete Vorbehalts-Teilurteil des Landgerichts Berlin - 105 O 114/00 - aufgehoben.

Die Sache wird an das Landgericht Berlin zurückverwiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Wegen des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen (§ 543 Abs. 1 ZPO a. F.). Mit der Berufung wendet sich die Beklagte gegen dieses Urteil, das sie für unzulässig hält. Sie meint, das Landgericht habe zu Unrecht ein Vorbehaltsurteil gem. § 302 ZPO zu erlassen und die Frage eines eventuellen Zurückbehaltungsrechts aufgrund der von der Beklagten behaupteten Mängel dem Nachverfahren vorbehalten.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur weiteren Verhandlung an das Landgericht zurückzuverweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er erachtet die Berufung aus den Gründen des Schriftsatzes vom 28. März 2001 (Bl. 120 - 121 d. A.) für unbegründet.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist begründet.

Das angefochtene Vorbehaltsurteil ist unzulässig. Eine Entscheidung unter Vorbehalt des Zurückbehaltungsrechts findet im Gesetz keine Stütze. Das wurde bis zum in Kraft treten des Gesetzes zur Beschleunigung fälliger Zahlungen vom 30. März 2000 (BGBl I S. 330) am 1. Mai 2000 nahezu einhellig vertreten (vgl. Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 21. Aufl., § 302 Rn. 6 a.E., § 143 Rn. 63 m.w.N., einschränkend Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 58. Aufl. zu § 145 Rdn. 24). An dieser Rechtslage hat sich auch nach der Änderung des § 302 Abs. 1 ZPO dahin, daß es nicht (mehr) darauf ankommt, ob zwischen der Klageforderung und der Aufrechnungsforderung ein rechtlicher Zusammenhang besteht, nichts geändert; denn eine Ausweitung der Möglichkeit eines Vorbehalturteils auf andere Einreden ist nicht erfolgt.

Zwar ist die Gesetzesänderung mit dem Hinweis auf Werklohnprozesse und damit begründet worden, daß sich der Besteller nicht selten gegenüber dem Werklohnanspruch auf eine Aufrechnung mit Gegenforderungen aus dem Werkvertrag beriefe und der rechtliche Zusammenhang zwischen beiden Forderungen ein Vorbehaltsurteil nach der bisherigen Fassung des Gesetzes verhindere. Der Schluß, den das Landgericht daraus für das Zurückbehaltungsrecht zieht, ist aber nicht gerechtfertigt. Nach Zöller/Greger, (ZPO, 22. Aufl., § 145 Rd. 25) ist nach Wortlaut und normativem Zweck der allein auf die Aufrechnung bezogenen Vorschriften der §§ 302, 322 Abs. 2, 530 Abs. 2 ZPO (in der bis 31.12.2001 geltenden Fassung) deren analoge Anwendung auf ein Zurückbehaltungsrecht oder ein Leistungsverweigerungsrecht (§ 320 BGB) weder möglich noch notwendig. Dem ist zuzustimmen. Ein Zurückbehaltungsrecht (§ 273 BGB) verliert seine Bedeutung, wenn es nicht zur Zug um Zug-Verurteilung führt, sondern die - wenn auch nur vorläufige - Vollstreckung des Werklohnanspruchs nicht hindern kann, ohne daß die Mängelansprüche durchgesetzt werden können (vgl. RG 75, 54). Das Zurückbehaltungsrecht beruht - als besondere Ausformung des § 242 BGB - auf dem Gedanken, daß derjenige treuwidrig handelt, der aus einem einheitlichen Rechtsverhältnis die ihm gebührende Leistung fordert, ohne die ihm obliegende Gegeneistung zu erbringen (RG 152, 73 Palandt/Heinrichs, BGB, § 273 Rd. 1). Eine Änderung der Gesetzeslage hätte einer ausdrücklichen Regelung bedurft. Sie liegt nicht vor.

Das Urteil des Landgerichts ist in vollem Umfang aufzuheben, auch soweit es den Klageanspruch dem Grunde nach für berechtigt erklärt, da der Vorbehalt einheitlich für das gesamte Urteil ausgesprochen worden ist.

Über die Kosten des Berufungsverfahrens wird das Landgericht zu befinden haben (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO 60. Aufl. § 538 Rn. 23). Eine Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit erübrigt sich mangels vollstreckungsfähigen Inhalts. Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzung von § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO n. F. nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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