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Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 24.10.2006
Aktenzeichen: 4 Ws 131/06
Rechtsgebiete: RVG


Vorschriften:

RVG § 2 Abs. 2 S. 1 Anl. 1 Nr. 4141 Abs. 1
RVG § 2 Abs. 2 S. 1 Anl. 1 Nr. 4141 Abs. 2
Mit der Regelung in Nr. 4141 Abs. 1 und 2 RVG-VV will der Gesetzgeber intensive und zeitaufwändige Tätigkeiten des Verteidigers, die zur Vermeidung einer Hauptverhandlung und damit zum Verlust der Hauptverhandlungsgebühr führen, gebührenrechtlich honorieren. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Nr. 4141 RVG-VV - "durch die anwaltliche Mitwirkung" - muss die anwaltliche Tätigkeit für die Entbehrlichkeit der Hauptverhandlung ursächlich, zumindest mitursächlich gewesen sein (Rn.4).
KAMMERGERICHT

Beschluss

Geschäftsnummer: 4 Ws 131/06

In der Strafsache gegen

B. H.,

wegen Beihilfe zum Verstoß gegen das Ausländergesetz

hat der 4. Strafsenat des Kammergerichts in Berlin am 24. Oktober 2006 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Pflichtverteidigers Rechtsanwalt S. W., gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 28. Juni 2006 wird verworfen.

Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei.

Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

Der Beschwerdeführer ist dem früheren Angeklagten am 6. Juli 2004 als Pflichtverteidiger beigeordnet worden. Das Landgericht hat in der gegen mehrere Angeklagte geführten Hauptverhandlung vom 6. Oktober 2004 das Verfahren gegen den früheren Angeklagten H. abgetrennt und die Hauptverhandlung ausgesetzt. Durch Beschluss vom 18. November 2005 hat es auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren gemäß § 154 Abs. 2 StPO (endgültig) eingestellt. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat durch Beschluss vom 18. Mai 2006 die Vergütung des Pflichtverteidigers auf insgesamt 1.695,22 € festgesetzt und es dabei u.a. abgelehnt, ihm die beantragte Zusatzgebühr nach Nr. 4141 VV RVG zu bewilligen. Die dagegen gerichtete Erinnerung hat das Landgericht (Strafkammer gemäß den §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 8 Satz 2 RVG) mit dem angefochtenen Beschluss zurückgewiesen und zugleich die Beschwerde gemäß den §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 2 RVG zugelassen. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

Dem Pflichtverteidiger steht die begehrte Gebühr nach Nr. 4141 Abs. 1 Nr. 1, 4112 VV RVG nicht zu.

Es kann dahinstehen, ob, wie von der herrschenden Literaturmeinung bejaht (vgl. Burhoff in Burhoff, RVG, Nr. 4141 VV RVG Rdnr. 19; Madert in Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert/Müller-Rabe, RVG 17. Aufl., Nr. 4141 VV RVG Rdnr. 3; Göttlich/Mümmler/Rehberg/Xanke, RVG 2. Aufl., "Strafsachen" I. 1.4.7 [S. 911]; Hartung in Hartung/Römermann/Schons, RVG 2. Aufl., Nr. 4141 VV RVG Rdnr. 14; Schneider in Schneider/Wolf, RVG 3. Aufl., Nr. 4141 VV RVG Rdnrn. 17, 38; Enders, JurBüro 2006, 449, 451), eine Gebühr nach Nr. 4141 Abs. 1 Nr. 1 VV RVG überhaupt entsteht, wenn - wie hier - im selben Rechtszug nach Aussetzung der Hauptverhandlung infolge der nicht nur vorläufigen Einstellung des Verfahrens eine neuerliche Hauptverhandlung nicht stattfindet. Denn jedenfalls ist eine auf die Förderung des Verfahrens gerichtete Tätigkeit des Beschwerdeführers im Sinne der Nr. 4141 Abs. 2 VV RVG nicht ersichtlich, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat.

Mit der Regelung in Nr. 4141 Abs. 1 und 2 VV RVG, die den Grundgedanken des § 84 Abs. 2 BRAGO übernimmt, will der Gesetzgeber intensive und zeitaufwändige Tätigkeiten des Verteidigers, die zur Vermeidung einer Hauptverhandlung und damit zum Verlust der Hauptverhandlungsgebühr führen, gebührenrechtlich honorieren (vgl. BT-Drucks. 15/1971 S. 227 f). Nach dem eindeutigen Wortlaut der Nr. 4141 VV RVG - "durch die anwaltliche Mitwirkung" - muss die anwaltliche Tätigkeit für die Entbehrlichkeit der Hauptverhandlung ursächlich, zumindest mitursächlich gewesen sein (vgl. Senat, Beschlüsse vom 4. Mai 2006 - 4 Ws 57/06 -, 26. Januar 2001 - 4 Ws 235/00 - [zu § 84 Abs. 2 BRAGO] und 28. April 1999 - 4 Ws 47/99 - [dto.]; Madert in Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert/Müller-Rabe aaO Rdnr. 11; Schmahl in Riedel/Sußbauer aaO Rdnr. 109; a.A. Burhoff in Burhoff aaO Rdnr. 10; Hartmann, Kostengesetze 36. Aufl., Nr. 4141 VV RVG Rdnr. 8; Schneider in Schneider/Wolf aaO Rdnrn. 27,32). Auch wenn keine kleinliche Kausalitätsprüfung vorzunehmen ist (vgl. Senat, Beschluss vom 28. April 1999 aaO; Schmahl in Riedel/Sußbauer aaO Rdnr. 112), ist doch erforderlich, dass der Verteidiger im Hinblick auf die erfolgte Einstellung des Verfahrens tätig geworden ist (vgl. Senat, Beschluss vom 4. April 2006 - 4 Ws 28/06 -), mag der Hauptanstoß zur Einstellung auch - wie hier - vom Gericht oder von der Staatsanwaltschaft ausgegangen sein (vgl. Senat, Beschluss vom 26. Januar 2001 aaO; Madert in Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert/Müller-Rabe aaO Rdnr. 11). Vorliegend finden sich in den Akten keine Anhaltspunkte dafür, dass der erstmals im Zwischenverfahren für den früheren Angeklagten aufgetretene Beschwerdeführer eine Tätigkeit in Bezug auf die Einstellung des Verfahrens entfaltet hat. Er hat auch nicht behauptet, darauf bezogene Schriftsätze zu den Akten oder schriftliche Erklärungen zu Protokoll gereicht zu haben. Soweit er vorgetragen hat, er habe bereits in der Hauptverhandlung vom 6. Oktober 2004, in der der frühere Angeklagte keine Einlassung zur Sache abgegeben hatte, mündlich einen "Hinweis" auf die "Problematik des Tatvorwurfs" wegen der aus seiner Sicht sehr kurzen Tatzeit gegeben, zudem "Anträge" angekündigt und u.a. auch auf eine "schwierige Beweisaufnahme" hingewiesen, ist ein Zusammenhang zwischen dieser Tätigkeit und der im November 2005 erfolgten Einstellung des Verfahrens nicht erkennbar. Darüber hinaus spricht nichts dafür, dass diese Tätigkeit so intensiv und zeitaufwändig war, dass sie nach dem Willen des Gesetzgebers (vgl. BT-Drucks. 15/1971 S. 227) als den Gebührenanspruch auslösend angesehen werden müsste.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 56 Abs. 2 Sätze 2 und 3 RVG.



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