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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 27.03.2009
Aktenzeichen: 4 Ws 17/09
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 305 S. 1
Nach § 305 Satz 1 StPO sind nicht nur solche Maßnahmen der Beschwerde entzogen, die unmittelbar Grundlagen für die Entscheidung in der Sache selbst schaffen sollen; auch Anordnungen, die darauf abzielen, die Abwicklung des Verfahrens in sonstiger Weise zu fördern und es der abschließenden Sachentscheidung näher zu bringen, weisen einen inneren Zusammenhang mit der Urteilsfällung auf, der zum Ausschluss der Anfechtbarkeit führt. Abtrennungsbeschlüsse sind daher nicht bzw. - ausnahmsweise - nur dann anfechtbar, wenn sich die Abtrennung ausschließlich hemmend oder verzögernd auf das Verfahren auswirkt.
KAMMERGERICHT Beschluß

Geschäftsnummer: 1 AR 314/09 - 4 Ws 17/09

In der Strafsache

wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz

hat der 4. Strafsenat des Kammergerichts in Berlin am 27. März 2009 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 5. März 2009 wird als unzulässig verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

Gegen den Beschwerdeführer findet seit dem 13. November 2008 vor dem Landgericht Berlin wegen des Vorwurfs des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 26 Fällen die Hauptverhandlung statt. Am 5. März 2009, dem zehnten Verhandlungstag, hat die Kammer beschlossen, das Verfahren hinsichtlich der Tatvorwürfe 1 bis 8, 19 und 23 der Anklage zur gesonderten Entscheidung abzutrennen und die Hauptverhandlung insoweit auszusetzen, da aufgrund des Verlaufs der Beweisaufnahme diese Fälle noch nicht entscheidungsreif seien. Weiter hat die Kammer in dem Beschluss ausgeführt, dass einerseits der einfache Tatverdacht gegen den Angeklagten noch nicht ausgeräumt sei und andererseits die Voraussetzungen für eine teilweise Verfahrenseinstellung nach § 154 Abs. 2 StPO nicht vorlägen. Das Beschleunigungsgebot in Haftsachen gebiete die eingeschlagene Verfahrensweise.

Die gegen den Beschluss des Landgerichts vom 5. März 2009 gerichtete Beschwerde des Angeklagten, der die Kammer nicht abgeholfen hat, ist nach § 305 Satz 1 StPO nicht statthaft und daher unzulässig.

1. Nach § 305 Satz 1 StPO unterliegen Entscheidungen des erkennenden Gerichts, die der Urteilsfällung vorausgehen (und wie hier nicht der Ausnahmevorschrift des § 305 Satz 2 StPO unterfallen), nicht der Beschwerde. Eine solche Entscheidung liegt vor, wenn sie in einem inneren Zusammenhang mit dem Urteil steht, ausschließlich seiner Vorbereitung dient und keine weiteren Verfahrenswirkungen erzeugt (vgl. Meyer-Goßner, StPO 51. A., § 305 Rdnr. 4; Matt in Löwe-Rosenberg, StPO 25. A., § 305 Rdnr. 4 ff.). Diese Voraussetzungen liegen nicht nur bei solchen Maßnahmen vor, die unmittelbar Grundlagen für die Entscheidung in der Sache selbst schaffen sollen; auch Anordnungen, die darauf abzielen, die Abwicklung des Verfahrens in sonstiger Weise zu fördern und es der abschließenden Sachentscheidung näher zu bringen, weisen einen inneren Zusammenhang mit der Urteilsfällung auf, der zum Ausschluss der Anfechtbarkeit führt (vgl. KG, Beschlüsse vom 19. Mai 2004 - 5 Ws 244/04 -, vom 26. Januar 2006 - 5 Ws 632/05 - und vom 26. November 2004 - 3 Ws 544-545/04). Abtrennungsbeschlüsse sind daher nicht bzw. - ausnahmsweise - nur dann anfechtbar, wenn sich die Abtrennung ausschließlich hemmend oder verzögernd auf das Verfahren auswirkt (vgl. KG a.a.O.; Senat, Beschluss vom 20. Oktober 2003 - 4 Ws 171/03; OLG Köln, Beschluss vom 15. Juli 2005 - 2 Ws 223/05 - [juris]; OLG Hamm wistra 1999, 235; OLG Frankfurt StV 1983, 92; Meyer-Goßner a.a.O., § 305 Rdnr. 4; Matt a.a.O. Rdnr. 25; Cirener in BeckOK § 305 Rdnr. 4.1), wobei es auf eine Verzögerung des Verfahrens in seiner Gesamtheit und nicht nur des abgetrennten Verfahrensteils ankommt (OLG Köln a.a.O.).

2. Danach ist der Abtrennungs- und Aussetzungsbeschluss vom 5. März 2009 nicht anfechtbar. Denn die Abtrennung führte offensichtlich dazu, den Verfahrensstoff zu vermindern und die Hauptverhandlung, die nach den ursprünglichen Planungen der Kammer an drei Tagen durchgeführt werden sollte, zu konzentrieren und dadurch abzukürzen. Aus der Aktenlage und dem bisherigen Verfahrensgang ergibt sich, dass Grund der Abtrennung der zehn Tatvorwürfe und der Aussetzung des Verfahrens insoweit der Umstand gewesen ist, dass die Zeugin Eger, die in der Anklage als Zeugin hinsichtlich der Fälle 1 bis 8 benannt worden ist, im Vergleich zu ihrer polizeilichen Vernehmung unvollständig ausgesagt und die Zeugin L, in der Anklage als Zeugin für die Fälle 19 und 23 benannt, von einem Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO Gebrauch gemacht hat, so dass die jeweiligen polizeilichen Vernehmungsbeamten dieser beiden Zeuginnen hätten gehört werden müssen. Hinsichtlich der übrigen 16 Tatvorwürfe - entgegen dem Beschwerdevorbringen aber gerade nicht hinsichtlich der abgetrennten zehn Fälle - war die Beweisaufnahme am 5. März 2009 dagegen nach Ansicht der Kammer abgeschlossen und es bestand Entscheidungsreife. Aufgrund der angefochtenen Entscheidung war eine Vernehmung weiterer Zeugen hinsichtlich der verbliebenen 16 Fälle nicht mehr erforderlich, wodurch das Verfahren insgesamt beschleunigt worden ist.

Entgegen dem Beschwerdevorbringen stellen sich die angeklagten 26 Fälle des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln auch nicht derart als eine Einheit dar, dass nur eine einheitliche Sachentscheidung denkbar wäre. Vielmehr erfasst die Anklage insgesamt 26 Verkaufsvorgänge, wobei in den Fällen 1 bis 23 bei im Wesentlichen gleichem Tatablauf das Rauschgift unterschiedlichen Kurieren desselben Käufers (u.a. den Zeuginnen E und L) übergeben worden sein soll, so dass sich die Beweislage in diesen Fällen unterschiedlich darstellen kann mit der Folge, dass trotz des Zusammenhangs dieser Anklagevorwürfe eine Verurteilung nicht in sämtlichen 23 Fällen möglich ist.

3. Einer der weiteren Ausnahmefälle, in denen zum Teil eine Beschwerde für zulässig erachtet wird (vgl. Senat, Beschluss vom 10. Oktober 2006 - 4 Ws 186/06 -; OLG München StV 1995, 11; OLG Frankfurt StV 1995, 9f), ist hier nicht gegeben. Denn insoweit wird vorausgesetzt, dass die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Anordnung infolge fehlerhafter Ermessensausübung evident ist und dadurch für den Verfahrensbeteiligten eine besondere selbständige Beschwer bewirkt. Dafür ist vorliegend nach dem Akteninhalt und dem Beschwerdevorbringen nichts ersichtlich.

4. Ohne Erfolg beruft sich der Angeklagte in der Beschwerdebegründung und in dem Schriftsatz vom 26. März 2009 hinsichtlich der Statthaftigkeit der Beschwerde auf den Beschluss des Kammergerichts vom 26. November 2004 - 3 Ws 544-545/04 -. Diesem Beschluss lag - anders als hier - zugrunde, dass das Landgericht in einer Haftsache am zweiten Tag der Berufungshauptverhandlung "zur weiteren Sachaufklärung" die Aussetzung der Hauptverhandlung insgesamt beschlossen hatte, wobei sich aus dem Nichtabhilfebeschluss ergab, dass der Ausgang eines weiteren Verfahrens, das sich im Stadium des Zwischenverfahrens befand, gegen den dort Angeklagten abgewartet werden sollte. Ein relevanter Zusammenhang zwischen beiden Verfahren bestand jedoch nicht. Dass daher durch diese Verfahrensaussetzung gegen das prozessuale Beschleunigungsgebot verstoßen worden war und der Angeklagte hierdurch beschwert worden ist, liegt auf der Hand, ist jedoch mit der vorliegenden Verfahrensgestaltung durch die Kammer, die sachgerecht und an einer Verfahrensförderung orientiert ist, nicht vergleichbar.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.

Ende der Entscheidung

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