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Beginn der Entscheidung

Gericht: Kammergericht Berlin
Beschluss verkündet am 01.11.2006
Aktenzeichen: 4 Ws 170/06
Rechtsgebiete: RVG, StPO


Vorschriften:

RVG § 2 Abs. 2 S. 1 Anl. 1 Nr. 4112
RVG § 2 Abs. 2 S. 1 Anl. 1 Nr. 4114
RVG § 15 Abs. 2 S. 1
StPO § 4
Wird das Verfahren gegen einen Angeklagten abgetrennt, handelt es sich bei dem abgetrennten Verfahren um ein selbstständiges Verfahren. Das hat zur Folge, dass dem Strafverteidiger mehrere Verfahrensgebühren entstehen und mehrere Terminsgebühren anfallen. Wird die Hauptverhandlung in den getrennten Verfahren am selben Kalendertag fortgesetzt, hat dies auf die Entstehung der Terminsgebühr gemäß keinen Einfluss (Rn.4).
KAMMERGERICHT

Beschluss

Geschäftsnummer: 4 Ws 170/06

In der Strafsache gegen K----- und andere, hier nur gegen

M. S. K.,

wegen erpresserischen Menschenraubes u.a.

hat der 4. Strafsenat des Kammergerichts in Berlin am 1. November 2006 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Bezirksrevisorin bei dem Landgericht Berlin gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 24. Juli 2006 wird verworfen.

Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

In dem ursprünglich gegen den Angeklagten K. und weitere fünf Angeklagte geführten Strafverfahren (530 - 35/05) hat das Landgericht der Nebenklägerin M. L. durch Beschluss vom 19. September 2005 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Rechtsanwaltes U. G. gemäß § 397 a Abs. 2 StPO bewilligt. Im Termin zur Hauptverhandlung am 22. November 2005 (7. Verhandlungstag) hat es das Verfahren gegen den Angeklagten K. zur gesonderten Verhandlung und Entscheidung abgetrennt (530 - 95/05). Am 29. November 2005 hat es, nachdem es die Hauptverhandlung gegen die übrigen Angeklagten durch Urteil beendet hatte, in einem gesonderten Termin die Hauptverhandlung gegen den Angeklagten K. fortgeführt. Gegen ihn ist am 6. Dezember 2005 das Urteil ergangen. Durch Beschluss vom 15. März 2006 ist die Vergütung des Vertreters der Nebenklägerin auf seine unter dem 12. September 2005 zu beiden Verfahren gestellten Anträge unter Absetzung der im Verfahren 530 - 95/05 geltend gemachten Verfahrensgebühr, der Terminsgebühr für den 29. November 2005 und der Pauschale nach Nr. 7002 VV RVG nebst anteiliger Umsatzsteuer auf insgesamt 3.017,62 € festgesetzt worden. Auf die Erinnerung des Rechtsanwaltes hat das Landgericht (Strafkammer) mit dem angefochtenen Beschluss diese Entscheidung aufgehoben und die dem Vertreter der Nebenklägerin zu erstattenden Gebühren und Auslagen einschließlich Umsatzsteuer auf insgesamt 3.435,22 € festgesetzt. Die dagegen gerichtete, nach den §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 1 RVG zulässige Beschwerde der Bezirksrevisorin bei dem Landgericht Berlin hat keinen Erfolg.

1. Der Senat entscheidet über das Rechtsmittel in der Besetzung mit drei Richtern, da die angefochtene Entscheidung nicht - wie in § 33 Abs. 8 Satz 1 erster Halbsatz RVG grundsätzlich vorgesehen - durch den Einzelrichter ergangen und das Verfahren auch nicht gemäß § 33 Abs. 8 Satz 2 RVG auf die Kammer übertragen worden ist (§ 33 Abs. 8 Satz 1 zweiter Halbsatz RVG).

2. Dem Vertreter der Nebenklägerin stehen in dem Verfahren 530 - 95/05 die Verfahrensgebühr gemäß Nr. 4112 VV RVG, die Terminsgebühr gemäß Nr. 4114 VV RVG für die Mitwirkung an der Hauptverhandlung vom 29. November 2005 gegen den Angeklagten K. sowie die Pauschale gemäß Nr. 7002 VV RVG zu.

Bei dem gegen den Angeklagten K. nach dem Abtrennungsbeschluss vom 22. November 2005 geführten Verfahren handelt es sich, anders als die Beschwerdeführerin vorträgt, nicht mehr um dieselbe Angelegenheit im Sinne des § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG, d.h. um die bloße Fortführung des Ursprungsverfahrens, sondern um eine andere Angelegenheit. Der Senat hält nach dem Inkrafttreten des RVG an seiner für eine vergleichbare Sachverhaltsgestaltung zu § 83 BRAGO ergangenen Rechtsprechung (vgl. Beschluss vom 24. Juli 2002 - 4 Ws 208/01 - m.w.Nachw.) fest. Danach werden mit der Abtrennung die abgetrennten Verfahren selbständige Verfahren. Dies hat gebührenrechtlich zur Folge, dass mehrere Verfahrensgebühren (nach der Zahl der getrennten Verfahren) entstehen und mehrere Terminsgebühren anfallen können (vgl. auch Burhoff in Burhoff, RVG, Vorbemerkung 4 Rdnrn. 46, 67; Madert in Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert/Müller-Rabe, RVG 17. Aufl., Nrn. 4100-4103 VV Rdnr. 6; Göttlich/Mümmler/Rehberg/Xanke, RVG 2. Aufl., "Strafsachen" Anm. 1.2.1 (S.908); Hartung in Hartung/Römermann/ Schons, RVG 2. Aufl., Nrn. 4108-4111 VV Rdnr. 12; Schneider in Schneider/Wolf, RVG 3. Aufl., vor VV 4104 f Rdnr. 4, VV 4104-4105 Rdnr. 24, VV 4106-4107 Rdnr. 8). Wird - wie hier - die Hauptverhandlung in den getrennten Verfahren am selben Kalendertag fortgesetzt, hat dies auf die Entstehung der Terminsgebühr gemäß Nr. 4114 VV RVG keinen Einfluss. Denn es wird nicht, wie die Beschwerdeführerin vorgetragen hat, dieselbe Hauptverhandlung in zwei getrennt aufgerufenen Terminen an einem Hauptverhandlungstag durchgeführt, sondern es findet jeweils ein Hauptverhandlungstag in jedem der selbständigen Verfahren statt.

Die Trennung der Verfahren hat ferner zur Folge, dass auch für jedes der selbständigen Verfahren die Pauschale für Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen (Nr. 7002 VV RVG) antragsgemäß festzusetzen ist (vgl. Senat aaO [zu § 26 BRAGO]). Denn sie kann nach der gesetzlichen Anmerkung zu dieser Vorschrift "in jeder Angelegenheit" gefordert werden (vgl. auch Schmidt in Burhoff aaO Nr. 7002 VV Rdnr. 9; Müller-Rabe in Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert/Müller-Rabe aaO VV 7001, 7002 Rdnr. 28; Hartung in Hartung/Römermann/Schons aaO Nrn. 7001, 7002 VV Rdnr. 10; Kroiß in Mayer/Kroiß, RVG 2. Aufl., Nrn. 7000-7002 VV Rdnr. 15; Schneider in Schneider/Wolf aaO VV 7001-7002 Rdnr. 41).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 56 Abs. 2 Sätze 2 und 3 RVG.



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